begegnungen-mit-der-seele.pdf
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Die Familien-Tragödie<br />
Wir wollen uns eine glückliche Familie vorstellen. Vater, Mutter, drei Kin<strong>der</strong>, die äußeren Umstände sind ganz normal, <strong>der</strong> Charakter<br />
des Vaters ist dominierend und <strong>der</strong> <strong>der</strong> Mutter sanft, anpassungsfähig und geeignet Schwierigkeiten auszugleichen.<br />
Da <strong>der</strong> Vater <strong>der</strong> dominierende Teil <strong>der</strong> Eltern ist, wollen wir beson<strong>der</strong>s sehen welche Art von Persönlichkeit er war. Ich denke, das<br />
Wort »selbstgerecht« kann man ihm beilegen, er wußte immer genau, was richtig und was falsch war. Aber abgesehen von dieser<br />
Sturheit war er liebenswürdig, allgemein geliebt und geschätzt. Mit Sicherheit liebte er seine Frau und seine Kin<strong>der</strong>, er mochte seine<br />
Kollegen und war ein angenehmer Kamerad. Beruflich war er ein guter Rechtsanwalt, arbeitsam und bekannt. Dieser Mann, <strong>der</strong><br />
glücklich und ohne allzu große Probleme durchs Leben zugehen schien, hatte nun einen höchst gefährlichen Schatten, über den<br />
gänzlich unbewusst zu bleiben er fertigbrachte, was zum Ruin <strong>der</strong> ganzen Familie führte.<br />
Als die Kin<strong>der</strong> noch sehr klein waren, war <strong>der</strong> Vater, <strong>der</strong> bis spät in die Nacht arbeitete, oft unfähig am Morgen aufzustehen. Vom<br />
Frühstückszimmer aus pflegte seine Frau die Kin<strong>der</strong> nach oben zu schicken, eins nach dem an<strong>der</strong>en, um ihn zu wecken. So geschah es<br />
mehr als einmal, daß seine zweite kleine Tochter, unsere Patientin, das Schlafzimmer betrat und <strong>mit</strong> ihrem müden Vater spielte, bis sie<br />
ihn erfolgreich zum Aufstehen brachte. Es muß während einer dieser unschuldigen Morgenbesuche gewesen sein, daß das beinahe<br />
Unglaubliche geschah, wodurch das harmlos Spielerische des kleinen Mädchens zerstört und sie für ihr ganzes Leben <strong>mit</strong> einem<br />
sexuellen Tabu geschlagen worden war. Sie war so jung als das passierte, daß sie sich später in <strong>der</strong> Analyse nicht mehr an die genauen<br />
Details erinnern konnte und sie hoffte lange Zeit, daß es eher ein imaginäres als ein reales Vorkommnis war. Aber die Große Mutter<br />
sagte ihr, daß es überaus real gewesen ist und die unglückliche Geschichte <strong>der</strong> späteren traurigen Ereignisse in <strong>der</strong> Familie zwingt uns<br />
dazu es so zu sehen.<br />
Was das kleine Mädchen von drei o<strong>der</strong> vier Jahren an diesem schlimmsten aller Tage sah, waren nicht nur die Genitalien ihres Vaters,<br />
son<strong>der</strong>n wahrscheinlich wie er masturbierte und noch schlimmer, welchen Ausdruck sein Gesicht hatte. Woran sie sich später klar<br />
erinnerte, war eine überwältigende Empfindung, die durch ihren ganzen Körper und vermutlich auch durch ihre Seele ging. Sie<br />
identifizierte sich vollkommen <strong>mit</strong> ihrem Vater in einer Art von participation mystique, wie Jung es nennt. Die Große Mutter gibt dazu<br />
folgenden Kommentar.<br />
Sechzehntes Gespräch <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter<br />
Große Mutter: Der Freudsche Analytiker ermutigte dich lediglich, dich an das zu erinnern, was geschehen war. Das ist nicht genug.<br />
Setze dich da<strong>mit</strong> auseinan<strong>der</strong>! Sieh die Rolle an, die es immer noch in deinem Leben spielt.<br />
Patientin: Meine Libido steckt darin fest.<br />
Große Mutter: Ja. Du konntest nie deine eigene Sexualität von <strong>der</strong> deines Vaters unterscheiden. Und das ist dein Problem und sogar<br />
jetzt noch deine Qual.<br />
Diese Teilhabe an <strong>der</strong> Sexualität ihres Vaters hatte natürlich einen schlechten Einfluß auf den Charakter des kleinen Mädchens. Sie<br />
versuchte, die quälende Unruhe zu unterdrücken, die sie nicht verstehen konnte und die aus Schuld und Min<strong>der</strong>wertigkeitsgefühlen<br />
bestand. Sie überkompensierte diese Gefühle, indem sie sich als beson<strong>der</strong>s gehorsames Kind zeigte (vorher war sie ziemlich<br />
ungezogen gewesen) und sie fing an einen brennenden Ehrgeiz zu entwickeln, sich überall auszuzeichnen. Solange ihre Mutter lebte,<br />
war diese sanfte Frau ein wirklicher Schutz für das übernervöse und hochgespannte Kind, das sich wenigstens im Schutz <strong>der</strong><br />
mütterlichen Liebe geborgen fühlte. Aber ungeachtet all dessen, was ihr Vater ihr unwissentlich angetan hatte, haßte sie ihn nicht. Sie<br />
verehrte ihn und betete ihn an. Tatsächlich strebte sie ihr ganzes Leben danach seine Liebe zu erringen. Dann wurde die Familie vom<br />
schlimmsten vorstellbaren Schlag getroffen, dem Tod <strong>der</strong> Mutter. Diese heißgeliebte Frau starb im Alter von 43 Jahren an Krebs. Sie<br />
war diejenige gewesen, die die Familie zusammenhielt und als sie nicht mehr da war, fühlten sich ihr Ehemann und die Kin<strong>der</strong><br />
entwurzelt. Der Vater versuchte den Kin<strong>der</strong>n Mutter und Vater zugleich zu sein, aber dieses Bemühen schlug katastrophal fehl,<br />
obwohl er ihre Liebe hatte und sie die seine spürten.<br />
Kurz nach dem Tode <strong>der</strong> Mutter passierte ein schlimmer Zwischenfall. Der Vater pflegte in allen Schlafzimmern frei ein- und<br />
auszugehen, auch in dem <strong>der</strong> beiden Töchter. (Die Mädchen waren nun 15 und 13 Jahre alt.) Einmal trat er ein, als die jüngste, unsere<br />
Patientin, sich gerade auskleidete. Der Vater war angenehm überrascht zu sehen, daß ihre junge Figur schon so gut entwickelt war und<br />
er sagte ihr das. Er könnte nicht wi<strong>der</strong>stehen, ihre nackten jungen Brüste zu streicheln und das in Gegenwart <strong>der</strong> älteren Schwester.<br />
Sieben Jahre später gab er einen weiteren Beweis seiner deplazierten »Mutterrolle«. Das Mädchen war nun 20. Eine medizinische<br />
Untersuchung war für sie notwendig gewesen und <strong>der</strong> Arzt hatte eine Scheidenspülung verschrieben. Als die junge Frau, die sexuell<br />
so unschuldig wie ein Kind war, <strong>mit</strong> dem Verfahren beginnen wollte, hielt sich <strong>der</strong> Vater unter dem Vorwand in ihrem Zimmer auf,<br />
daß sie sich in ihrer Unerfahrenheit verletzen könnte. Er fühlte sich verpflichtet, ihr die Handhabung zu zeigen und führte selbst den<br />
Irrigator in ihre Vagina ein. Seine kaum versteckten Emotionen erschreckten die junge Frau und beleidigten ihre Seele noch mehr.<br />
Wir wissen nicht, wie sich <strong>der</strong> Vater gegen die an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong> verhielt, aber die Tatsache bleibt bestehen, daß <strong>der</strong> Junge <strong>mit</strong> 18 Jahren