begegnungen-mit-der-seele.pdf
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schmerzhafter Ereignisse und Wi<strong>der</strong>wärtigkeiten. Aber <strong>der</strong> größte emotionale Wert bestand nicht nur darin, verdrängte Erlebnisse<br />
bewußt zu machen. Viel wertvoller für die Entwicklung <strong>der</strong> Patientin waren ihr neu erworbener Gehorsam und ihre Unterwerfung<br />
unter die Große Mutter und unter den Schmerz und Kummer, den diese große Gestalt des kollektiven Unbewussten ihr nun auferlegen<br />
würde. In den Augen <strong>der</strong> Patientin hatte <strong>der</strong> Tauchgang eine nach unten führende Richtung. Aber die Große Mutter lehrte sie, ihn von<br />
ihrem Blickwinkel aus anzusehen. Je tiefer die Schülerin in die tierische Seite <strong>der</strong> menschlichen Natur hinabstieg und je persönlicher<br />
diese animalische Seite in ihren eigenen Augen zu sein schien, desto höher wurde die geistige Ebene von <strong>der</strong> aus die Große Mutter sie<br />
die Dinge betrachten ließ. Es sah fast so aus, als wäre die Patientin bei <strong>der</strong> Großen Mutter in Analyse [Es sah nicht nur so aus, es war<br />
so. B.H.]. In <strong>der</strong> äußeren Realität war sie jedoch auch bei einer Jungschen Analytikerin in <strong>der</strong> Analyse und ganz bestimmt hätte die<br />
Patientin ihr tiefes Eintauchen nicht ohne den soliden Rückhalt und die warme Sympathie dieser Frau leisten können. Hier wird die<br />
Rolle, die die Analytikerin bei <strong>der</strong> Entwicklung spielte, praktisch ausgelassen, denn diese Abhandlung ist als Versuch gedacht, vor<br />
allem die Rolle <strong>der</strong> Großen Mutter zu zeigen. Behalten Sie aber bitte im Gedächtnis, daß die Analytikerin immer <strong>mit</strong> ihrer<br />
unermüdlichen Geduld und Bereitschaft zu helfen im Hintergrund war. Sie teilte großzügig von ihrer psychologischen Weisheit <strong>mit</strong>,<br />
die sie durch konstante und intensive innere Bemühungen errungen hatte.<br />
Eine unerwi<strong>der</strong>te Liebe<br />
Bevor wir uns den folgenden Gesprächen zuwenden, die für die Patientin <strong>der</strong> Beginn ihres wirklichen Abstiegs in die Dunkelheit ihrer<br />
Seele waren, müssen wir zu dem Teil ihrer Geschichte zurückgehen, da sie im Alter von 28 die Freudsche Analyse <strong>mit</strong> einem<br />
Analytiker begann, den wir Herrn X nennen wollen. Jetzt, Jahrzehnte danach, for<strong>der</strong>t die Große Mutter sie auf, einen Sprung bis zum<br />
Grunde <strong>der</strong> unterdrückten Verzweiflung zu machen, die das Ergebnis <strong>der</strong> Behandlung durch Herrn X war. Die Patientin war<br />
überzeugt, daß sie sich da<strong>mit</strong> konfrontieren müsse und machte in einer schriftlichen Phantasie einen ehrlichen Versuch dazu. Während<br />
dieser Phantasie sah sie sich in einer Art Keller o<strong>der</strong> Gefängnis. In diesem Keller lebte ihre Verzweiflung. Alles erschien dort dunkel,<br />
konfus und unklar. Es war äußerst verwirrend. Aber da kam die Große Mutter zu ihr und brachte ihr etwas, daß sie ihr in die Hände<br />
legte. Dann, gerade in dem Moment, wo sie glaubte ihre Verzweiflung berühren zu müssen, stellte sich heraus, daß es etwas ganz<br />
an<strong>der</strong>es war. Es war nicht ihre Verzweiflung die sie berührte. Es war ihre Fähigkeit zu lieben, die ihr von <strong>der</strong> Großen Mutter<br />
zurückgegeben wurde.<br />
Hier wandelt sich die aktive Phantasie in eine passive. In dieser passiven Phantasie war sie <strong>mit</strong> Herrn X verheiratet. Er liebte sie und<br />
war zärtlich <strong>mit</strong> ihr. Sie war dankbar und glücklich. Sie hatten Verlangen nacheinan<strong>der</strong> und gaben diesem Wunsch nach. Aber ihre<br />
Leidenschaft war nicht alles, was sie ihm gab. Sie waren ein Ehepaar, daß sich warm und wahrhaftig liebte. Jedes Gefühl war echt und<br />
intensiv. Es war als würde ihr Mädchentraum erfüllt. Sie war erstaunt, daß ihre Liebe nicht zertrampelt und in Stücke gerissen wurde.<br />
Sie erwies sich als jungfräulich und blühend. Aber es war eine sehr junge Liebe, die noch nicht durch Fraulichkeit gereift war. Und sie<br />
war gereinigt, reiner als damals, als Herr X sie in <strong>der</strong> Realität zerstört hatte. Und dann wußte sie irgendwie, daß sogar Herr X selbst es<br />
war, <strong>der</strong> sie gereinigt hatte. Sie konnte diese Gabe nur aus den Händen <strong>der</strong> Großen Mütter empfangen, aber in gewisser Weise auch<br />
aus seinen Händen. Auf diese Art erfuhr sie, daß sie ihn nie wirklich gehaßt hatte. Es war, als wären sie all diese Jahre verheiratet<br />
gewesen, aber in einer an<strong>der</strong>en Welt, nicht in dieser. In einer irdischen Ehe hätten sie diese Art von Vereinigung nie erlangen können.<br />
Drei Tage später hatte die Patientin folgendes Gespräch <strong>mit</strong> ihrer Großem Mutter.<br />
Zehntes Gespräch <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter<br />
Patientin: Was du mir in dem Keller gegeben hast ist natürlich wun<strong>der</strong>bar. Wie üblich hat <strong>der</strong> Animus versucht es mir wegzunehmen,<br />
aber ich habe es ihm nicht erlaubt. Nur denke ich, daß ich in einem Punkt <strong>mit</strong> ihm übereinstimme, nämlich daß ich keine mädchenhafte<br />
Haltung will, wie rein sie auch sein mag. Ich ziehe sogar meinen Kummer vor. Mein Kummer hat mich durchs Leben getragen<br />
und ich fühle mich darin reifer und würdevoller als in <strong>der</strong> Jungfräulichkeit eines jungen Mädchens.<br />
Große Mutter: Dann hat dir das, was ich dir gegeben habe, geholfen den Wert deines Kummers zu sehen. Das ist seine Annahme, ja<br />
sogar seine Integration. Es gibt keine unterdrückte Verzweiflung mehr in dir, weil du den Wert einer Frau sehen kannst, die durch<br />
Kummer gereift ist. Du fühlst sogar, daß das mehr bedeutet als das unberührte Glück, nach dem du dich sehntest. Das ist Annahme des<br />
Schicksals, o<strong>der</strong> nicht?<br />
Mit diesen Worten überließ die Große Mutter ihre Schülerin ihren eigenen Überlegungen und dem was ihre Analytikerin noch dazu<br />
beitragen würde. Nach einigen Traumdeutungen sagte die Analytikerin: »Du mußt beides behalten. Du darfst das Symbol nicht<br />
wegwerfen und den Kummer auch nicht. Sie sind ein und dasselbe in verschiedenen Aspekten und du mußt sie beide bewußt halten.«<br />
Im folgenden Gespräch wird dem Versuch des Animus vorgebeugt die Entwicklung zu unterbrechen.<br />
Elftes Gespräch <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter<br />
Patientin: Wenn ich dem Animus gegenüber unterwürfig bin