begegnungen-mit-der-seele.pdf
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(wie sie selbst ihre Bereitwilligkeit zur lntegration <strong>der</strong> Schattenanteile nannte). Und sie behielt das für die Zukunft im Gedächtnis.<br />
Hier folgt ihre Antwort an die Große Mutter, nachdem sie über die Dinge nachgedacht hatte.<br />
Sechstes Gespräch <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter<br />
Patientin: Weil ich die geistige Frau in mir entwickeln will und weil du mir gesagt hast, daß nichts gänzlich aus <strong>der</strong> Psyche<br />
herausfallen kann, habe ich versucht einen geistigen Gegenwert für die Teile meiner Seele zu finden, die vermutlich verloren sind.<br />
Verstehe ich eine empfängliche weibliche Haltung Gott gegenüber o<strong>der</strong> gegenüber dem Schicksal, richtig als geistiges Äquivalent für<br />
weibliche Empfänglichkeit, die sich im Liebesakt zeigt? Und könnte geistige Mutterschaft Ausdruck in meiner Hoffnung finden, mein<br />
Schicksal zu erfüllen, um es in Gottes Hände zu legen als etwas, daß aus mir geboren ist, nachdem ich es in meiner Seele gehegt habe?<br />
Ich hatte eine Eingebung, wie ich spirituelles Leben allgemein auffassen könnte. Ich habe gesehen, daß das was wir in dieser Welt das<br />
reale Leben nennen, nur ein Symbol für das Wirkliche Leben ist, das Gottes Leben in uns ist o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Teil von Gott, <strong>der</strong> unser Leben<br />
in uns lebt. Wenn ich es auf diese Art betrachte, scheint es unwichtig zu sein, ob ich mich an meinem sogenannten Erdenleben erfreue<br />
o<strong>der</strong> es erleide, da es in <strong>der</strong> höheren Wirklichkeit das ist, was ich von Gott erfahren kann.<br />
Diesmal antwortete die Große Mutter nicht, aber Monate später schauten sie und die Patientin diese Frage wie<strong>der</strong> an. Sie wurde<br />
folgen<strong>der</strong>maßen formuliert.<br />
Siebtes Gespräch <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter<br />
Patientin: Wie können die Gegensätze in <strong>der</strong> Psyche vereinigt werden?<br />
Große Mutter: Ein Gott kann Gegensätze vereinigen, du kannst es nicht. In deinem Fall konnten Nonne und Mutter (Schicksal und<br />
Natur) nicht geeint werden. Das Schicksal hat triumphiert und die Mutter in dir wurde geopfert. Als du sie opfertest, hast du gegen<br />
deine eigene Natur gesündigt, aber du hast das erfüllt was menschliche Natur genannt wird. Es ist eine einzigartige und wesentliche<br />
Aufgabe des menschlichen Geschöpfes, die Spannung <strong>der</strong> Gegensätze zu erleiden, die nicht vereinigt werden können. Dein Fehler<br />
war, daß du dich nicht verantwortlich und schuldig und reuig fühltest in Bezug auf deine eigene Natur. Stattdessen fühltest du dich<br />
neurotisch. Laß uns dieses Paradox prüfen. Du konntest nichts dagegen tun, daß du deinem Schicksal gehorchen und die Mutter in dir<br />
opfern mußtest. Trotzdem mußt du dich gegenüber deiner Natur verantwortlich und schuldig und reuevoll fühlen o<strong>der</strong> neurotisch<br />
werden. Hier kommen wir darauf, warum gesagt wird, daß <strong>der</strong> Mensch von Natur aus ein Sün<strong>der</strong> ist. Verstehst du? Der Mensch ist<br />
gezwungen zu sündigen, weil er unvereinbare Gegensätze nicht einen kann. Er sündigt auf <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. Und dies ist<br />
seine Erfüllung des menschlichen Schicksals.<br />
Diese letzten Gespräche waren vermutlich zu hoch für Unterbrechungen durch den Animus. Es ist zu bemerken das er ruhig blieb.<br />
Mit Problemen dieser Art konfrontiert zu werden hatte natürlich nicht nur auf den Animus eine erzieherische Wirkung, son<strong>der</strong>n auch<br />
auf das bewußte Ich <strong>der</strong> Patientin. Zunächst halfen sie ihr, die übertriebene Bedeutung zu überwinden, die die Sexualität (bzw. ihr<br />
Fehlen) in ihren Gedanken erhalten hatte, ein Resultat <strong>der</strong> Freudschen Analyse. Solange sie sexuelle Erfüllung als das einzig mögliche<br />
Ziel ihres Erdenlebens ansah, konnte sie sich nicht geistig entwickeln. Jetzt fingen die Dinge an ein wenig an<strong>der</strong>s auszusehen und<br />
allmählich konnte sie einen neuen Sinn in ihrem vergangenen Leben und in <strong>der</strong> Zukunft finden. Es war für sie eine große Hilfe, eine<br />
leichte Einsicht in den vielleicht symbolischen Sinn des Lebens zu erhalten. Und umgekehrt half ihr diese Einsicht, die Inhalte ihrer<br />
Träume und Visionen symbolisch zu deuten und so einen weiteren verstehenden Kontakt <strong>mit</strong> ihrem Innenleben zu entwickeln. Die Tür<br />
zu ihrer Weiterentwicklung war geöffnet und Fortschritt bei <strong>der</strong> Bewußtwerdung bedeutete auch Fortschritt bei <strong>der</strong> Heilung.<br />
3 Die Deutung <strong>der</strong> Großen Vision auf verschiedenen seelischen Ebenen<br />
Bei <strong>der</strong> Jungschen Analyse erleben wir wie<strong>der</strong>holt, daß wir bei denselben Problemen angekommen sind, aber jedes Mal auf einem<br />
höheren Niveau, wie Jung es ausdrückt, <strong>der</strong> Individuationsweg ist wie eine Spirale die wir hinaufsteigen.<br />
Ohne Zweifel hat die Patientin nun eine höhere Windung <strong>der</strong> Spirale erreicht und ihr erhöhter Standpunkt erlaubte ihr einen breiteren<br />
Ausblick. Sie konnte deshalb dem merkwürdigen Phänomen ihrer Großen Vision eine symbolische Bedeutung verleihen. Zusammen<br />
<strong>mit</strong> ihrer Analytikerin [zu dieser Zeit wie<strong>der</strong> B. Hannah] kam sie zu <strong>der</strong> Deutung, die nun für ihr ganzes Wesen wirklich annehmbar<br />
war.<br />
Buchstäbliche o<strong>der</strong> symbolische Verwirklichung?<br />
Wir können die Große Vision <strong>der</strong> Patientin in zwei Teile unterteilen. Der erste Teil handelt von ihrem Examen und von ihrem<br />
Lampenfieber, <strong>der</strong> zweite verkündet ihr das wahre Ziel ihres Lebens. Der erste Teil ist immer klar gewesen, er kann wörtlich<br />
genommen werden und in <strong>der</strong> Zeit ihrer Prüfungen hatte er zu einer entspannten und empfänglichen Bereitschaft geführt, die Dinge