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daß das Böse Teil von Gott ist. Spinoza fügt hinzu, daß die Menschen »gut« nennen, was für sie gut ist, und »schlecht«, was für sie<br />

schlecht ist und er stimmt <strong>mit</strong> diesem menschlichen Standpunkt überein. Aber, meint er, wir sollten die Möglichkeit ins Auge fassen,<br />

daß Gottes Ansichten über gut und böse vielleicht nicht <strong>mit</strong> unserer Auffassung identisch sind. Dadurch hat Spinoza in den Augen <strong>der</strong><br />

Patientin das Konzept wie<strong>der</strong> aufgestellt, daß Gott untadelig ist, weil sein größerer Plan nach menschlichem Ermessen unbegreiflich<br />

ist.<br />

Es ist vielleicht nicht Jungs Absicht, Gott untadelig zu nennen, jedenfalls nicht im Sinne von perfekt. Aber in dem Gedanken, daß<br />

Gottes Vollständigkeit wie<strong>der</strong>hergestellt wird, indem Satan seinen Platz im Himmel zurückbekommt, können sich Jung und Spinoza<br />

begegnen. Mindestens kam es <strong>der</strong> Patientin so vor und sie hatte in dieser Hinsicht keine großen Schwierigkeiten. Trotzdem war sie<br />

nun über diesen Punkt beunruhigt. Die Ursache dafür war eine enorme Inflation von Seiten ihres Animus und dieser Inflation war sie<br />

sich noch nicht bewußt. Sie fühlte sich innerlich verwirrt, sogar bestürzt; deshalb befragte sie ihre Große Mutter über Satan und<br />

Quaternität. Die Große Mutter antwortete lediglich <strong>mit</strong> einer Erklärung auf <strong>der</strong> subjektiven Ebene und zwar in <strong>der</strong> folgenden Weise.<br />

Drittes Gespräch <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter<br />

Große Mutter: In deinem Fall ist <strong>der</strong> Animus <strong>mit</strong> Satan verquickt. Das ist zu hoch für ihn. Er ist dein Animus, <strong>der</strong> Teufel ist ein Teil<br />

von Gott. Dein Animus kann keinen Platz in <strong>der</strong> Quaternität haben. Er hat eine kolossale Inflation wenn er das glaubt.<br />

Phantasie<br />

Während sie den Worten <strong>der</strong> Großen Mutter lauschte, hatte die Patientin eine Vision bzw. passive Phantasie:<br />

Sie sah einen riesigen geflügelten Teufe, <strong>der</strong> aufwärts flog um sein himmlisches Schicksal in <strong>der</strong> Quaternität zu erfüllen. Und sie hörte<br />

einen Engelchor ein Loblied auf Satan singen, weil er daran war seinen Platz wie<strong>der</strong> einzunehmen, <strong>der</strong> seit seinem Fall leer war. Die<br />

Engel hießen ihn im Himmel willkommen, ihr herrlicher Gesang des »Heil, Heil« erhob sich in Wellen harmonischer Klänge.<br />

Die Deutung<br />

Es erscheint bemerkenswert, daß die Verquickung o<strong>der</strong> Verwirrung von Satan und Animus gerade in dem Moment entwirrt wurde, als<br />

die Große Mütter darauf anspielte. In diesem Augenblick befreit sich Satan aus seiner Gefangenschaft in <strong>der</strong> menschlichen Seele und<br />

kann nach oben fliegen. Und <strong>der</strong> Animus <strong>der</strong> Patientin, <strong>der</strong> nun von seiner dämonischen Inflation erlöst ist, spürt daß er sein Gesicht<br />

verloren hat und nimmt die Beine in die Hand. Das Ganze ist eine Vorwegnahme, die in <strong>der</strong> Seele <strong>der</strong> Patientin stattfindet. Es konnte<br />

erst viel später von ihr integriert werden und auch nur Stück für Stück, hatte aber unterdessen einen Einfluß auf ihr Ich. Es war ihr nun<br />

klar, daß sie ihren Animus nicht fassen konnte, wenn sie nach oben in die Wolken blickte. Jetzt begann sie endlich wirklich zu<br />

verstehen, daß es nur einen Weg gibt, die Animusbesessenheit zu durchbrechen, nämlich den Schatten bewußt zu machen und diese<br />

dunkle Gestalt ganz in sich hineinzunehmen. O<strong>der</strong> um das Symbol anzuführen, das die Nonne im Traum gebraucht hatte, die Patientin<br />

mußte die schwarzen Perlen auf ihre kleine Kette aufreihen und dem Rosenkranz dadurch mehr Gebete geben. Sie sah das jetzt ganz<br />

deutlich und sprach wie<strong>der</strong> <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter.<br />

Viertes Gespräch <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter<br />

Patientin: Ich möchte meine »Sünden« anschauen. Natürlich weiß ich, daß Sünden nicht nur böse Taten sind, son<strong>der</strong>n auch<br />

vernachlässigte Pflichten. Ich fühle mich sehr schuldig und in Gegenwart von Männern <strong>mit</strong> Min<strong>der</strong>wertigkeitsgefühlen belastet, weil<br />

ich ihnen den Trost und die Freude nicht gegeben habe, die sie von einer Frau empfangen können. Wenn es nun aber mein Schicksal<br />

ist, unverheiratet zu bleiben, wenn mein Typus <strong>der</strong> einer Nonne, einer spirituellen Frau ist und wenn ich diese geistige Frau als mein<br />

Ziel in mir selbst entwickeln muß, wie kann es dann sein, daß meine Mängel und Fehler als Frau zugleich meine Schuld und mein<br />

Schicksal sind?<br />

Große Mutter: Wenn du deinen unverheirateten Zustand wirklich als Schicksal akzeptiert hättest, hättest du nicht solche quälenden<br />

Min<strong>der</strong>wertigkeitsgefühle. Die Bereitschaft, sein Schicksal zu leben, fühlt sich nicht wie Min<strong>der</strong>wertigkeit an, son<strong>der</strong>n gerade als das<br />

Gegenteil. Es gibt einen großen Unterschied zwischen <strong>der</strong> aktiven Erfüllung des eigenen Schicksals und <strong>der</strong> Bereitschaft es passiv<br />

anzunehmen. Du hast diese aktive Erfüllung, noch nicht erreicht. Aber das Problem ist sehr schwierig, weil es möglich ist, daß sogar<br />

bei <strong>der</strong> aktiven Erfüllung ein kleiner Betrag an Schuld und Min<strong>der</strong>wertigkeit nicht eliminiert werden kann. Es ist folgen<strong>der</strong>maßen.<br />

Eine unverheiratete und kin<strong>der</strong>lose Frau sündigt gegen die Natur. Wenn es ihre Bestimmung ist auf diese Weise gegen die Natur zu<br />

sündigen, dann gibt es in ihr einen Konflikt zwischen Natur und Schicksal. Folglich muß ein Teil des Konflikts erlitten werden, denn<br />

er kann nicht gelöst werden. Aber du hast diesen Punkt noch nicht ganz erreicht. Deine Annahme des Schicksals ist noch keine<br />

Erfüllung und ist nicht aktiv genug.<br />

Der Inhalt dieses Gespräches wurde natürlich <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Analytikerin diskutiert, die dazu bemerkte: »Wenn Schicksal und Natur dich für

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