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Auge auf ihn.<br />

Patientin: Kannst du mir helfen, ihn zu erziehen?<br />

Große Mutter: Wir müssen zuerst dich erziehen, er kommt danach.<br />

Patientin: Ich fühle mich min<strong>der</strong>wertig, weil ich unverheiratet bin. Ich möchte mich immer noch schrecklich gern aufraffen mein<br />

ungelebtes Leben nachzuholen.<br />

Große Mutter: In Wirklichkeit ist es so, alles Leben ist gelebt. Du hast deine Neurose gelebt. Inzwischen habe ich stellvertretend für<br />

dich das Leben gelebt, das hinter deiner Neurose verborgen war. Du wußtest das nicht und deshalb fühlst du dich als hättest du dein<br />

Leben verpaßt. Aber dein Leben wurde gelebt, durch mich! Nichts kann gänzlich aus <strong>der</strong> Psyche herausfallen. Sobald du reif genug<br />

bist um deinen Schatz zu empfangen, werde ich ihn dir geben. Die Neurose ist immer kleiner als das was hinter ihr verborgen ist. Du<br />

konntest das versteckte Ding nicht ertragen und unterdrücktest es. Aber du hast deinen Mut gestärkt während du jahrelang deine<br />

Neurose passiv getragen hast. Vergleiche das <strong>mit</strong> zwei Waagschalen. Wenn Mut und Stärke gesammelt und auf die eine Waagschale<br />

gelegt werden - sollen wir sagen auf die passive Seite? -, dann kann die an<strong>der</strong>e, die aktive Schale, sich anheben. Dann kannst du die<br />

Summe deines ungelebten Lebens ergreifen, das ich provisorisch für dich gelebt habe. Nichts ist verloren, es ist alles da. Versuche es<br />

Stück für Stück zu nehmen. Auf diese Weise wirst du immer noch als Frau reifen können und ein erfülltes Leben haben.<br />

Patientin: Aber wie kann ich je eine Frau <strong>mit</strong> einem erfüllten Leben sein, wenn ich keine normal funktionierende Sexualität habe?<br />

Große Mutter: Es ist nicht die Sexualität, die dein Ausgangspunkt sein soll, son<strong>der</strong>n die Gefühle die möglicherweise in diese Richtung<br />

führen und für die die Sexualfunktion schließlich ein Ausdruck sein kann.<br />

Patientin: Wie kann ich diese Gefühle wie<strong>der</strong>gewinnen? Ich habe sie seit langem verloren.<br />

Große Mutter: Du hast sie unterdrückt. Sie können gegen Mut ausgetauscht werden.<br />

Patientin: Du erwähnst den Mut die ganze Zeit. Ich glaube nicht, daß es <strong>der</strong> Mut war <strong>der</strong> mir gefehlt hat.<br />

Große Mutter: Sicher hast du Mut, aber auf eine gefährliche Art. Dein Animus spielt <strong>mit</strong> deinem Mut und da du animusbesessen bist<br />

und seine Macht nicht aushalten kannst, wird dein Mut zu passiv. Dein Animus stößt dich gerne in psychisches Elend. Dieses Elend<br />

erduldest du mutig, aber nur weil du darin eine Gelegenheit siehst, dich als Heldin zu fühlen. Das ist deine Kompensation für die<br />

neurotischen Min<strong>der</strong>wertigkeitsgefühle. Diese Art Mut funktioniert nicht in <strong>der</strong> richtigen Art. Sie ist zu passiv.<br />

Patientin: Daran ist <strong>der</strong> Animus schuld.<br />

Große Mutter: Ja, aber letztlich bist du es, die für deinen Animus verantwortlich ist. In jungen Jahren warst du zu hoch oben. Deshalb<br />

war deine Neurose nötig. Jetzt solltest du Schatten und Animus nicht so bitter hassen. Ihr Spiel <strong>mit</strong> dir war ungeheuerlich, aber<br />

notwendig. Du hast es selber herbeigeführt, weil du dir in keiner Weise <strong>der</strong> dunklen Kräfte in dir bewußt warst.<br />

Patientin: Ich schäme mich.<br />

Große Mutter: Fühle dich verantwortlich! Auf diese Art sollst du deinen Mut aktivieren.<br />

Als die Patientin ihrer Analytikerin dieses Gespräch vorlas, war diese sehr beeindruckt und sie ermutigte die Patientin, ihren Dialog<br />

<strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter fortzusetzen. Das tat die Patientin <strong>mit</strong> Begeisterung über längere Zeit. Ihr Animus jedoch, <strong>der</strong> seine Macht über<br />

sie sehr liebte und nicht im mindesten darauf verzichten wollte, verpaßte keine Gelegenheit, ihr zu sagen wie düster die Dinge<br />

aussahen, wie überflüssig ihre Anstrengungen wären, sogar wie schädlich solche Unterhaltungen für ihre Gesundheit seien. Patientin<br />

und Animus verwickelten sich in einen weitschweifigen und erschöpfenden Kampf, von dem hier nur einige Details wie<strong>der</strong>gegeben<br />

werden können. Es genügt wohl zu bemerken, daß danach die Patientin während langer Zeit alle Gespräche <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter<br />

da<strong>mit</strong> begann, daß sie klagte, wie schlecht und elend sie sich fühlte, voller Zweifel, Unglauben und Anfällen von Verzweiflung. Diese<br />

Gespräche waren neurotisches Geschwätz, nicht wert sie hier zu wie<strong>der</strong>holen.<br />

Die Große Mutter erwi<strong>der</strong>te geduldig, daß Unglaube und Zweifel zum Schatten gehören, <strong>der</strong> im Unbewussten eine Partnerschaft <strong>mit</strong><br />

dem Animus gebildet hat, wo die beiden sozusagen gegen die Patientin konspirierten und eine großartige Zeit dabei hatten. Wenn die<br />

Patientin diese Schattenteile auf sich nehmen und sich für ihre Verzweiflung selbst verantwortlich fühlen könnte, dann würde <strong>der</strong><br />

Animus vielleicht an Macht verlieren, meinte die Große Mutter. Aber im Augenblick war die Patientin über ihren Schatten viel zu<br />

unbewusst um seine Eigenschaften zu unterscheiden und zu sehr von ihrem Animus besessen um sich gegen seine Ansichten

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