begegnungen-mit-der-seele.pdf
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aufkamen um einen schließlichen Bruch herbeizuführen. Dadurch daß er ihre Weiblichkeit beleidigte, rief er ihren Stolz hervor. Später<br />
war sie für dieses Ende stets dankbar, es war das Beste was er für sie getan hatte.<br />
Die Jahre zwischen <strong>der</strong> Freudschen und <strong>der</strong> Jungschen Analyse<br />
Die Patientin war nun 33 Jahre alt. Ihre Neurose war natürlich keineswegs geheilt. Obwohl sie sich sehr bescheiden entschloß, aus<br />
dem verbleibenden Rest ihres Lebens das Beste zu machen, war ihre Seele ohne Frieden. Bis zu einem gewissen Grade machte sie<br />
sich einen Namen in <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Musik, aber sie wußte die ganze Zeit, daß obwohl die Arbeit die sie leistete auf wertvollen<br />
Inspirationen beruhte, ihr doch <strong>der</strong> solide Hintergrund regelmäßiger harter Arbeit fehlte, was ihre beschädigte Gesundheit jedoch<br />
überfor<strong>der</strong>t hätte.<br />
Die an<strong>der</strong>e weiblichere Möglichkeit, nämlich einen guten Ehemann zu finden und zu heiraten, erwies sich als so weit entfernt wie je<br />
und das Nächstbeste, eine befriedigende Liebesaffäre, war gleichermaßen unerreichbar. Es gab in ihr ein sexuelles Tabu, das durch<br />
ihre Freudsche Analyse nicht geheilt war. Abgesehen davon zeigte sich, daß weitere Mächte in ihr arbeiteten, Mächte die in<br />
unbekannte Richtungen zu führen schienen, denn jedes Mal wenn ein wichtiger musikalischer Erfolg o<strong>der</strong> eine befriedigende<br />
Liebesbeziehung in greifbarer Nähe schienen, stellte sich irgend etwas von außen, z.B. <strong>der</strong> Selbstmord ihrer Schwester, <strong>der</strong> Ausbruch<br />
des Krieges, <strong>der</strong> Tod eines Partners, als unüberwindliches Hin<strong>der</strong>nis in den Weg. Offenbar war in ihrem Fall keine wirkliche Erfüllung<br />
erlaubt. Diese psychologische Tatsache wurde für sie offensichtlich und sie kämpfte sich durchs Leben so gut sie konnte.<br />
Die ersten Jahre <strong>der</strong> Jungschen Analyse<br />
Achtzehn Jahre später, im Alter von 51, suchte sie C. G. Jung wegen ihrer Probleme auf. Seinem Rat folgend, begann sie die Analyse<br />
bei einer seiner berühmtesten Schülerinnen. Toni Wolff und nachfolgend bei zwei weiteren Analytikerinnen. Jung überwachte selbst<br />
den Verlauf <strong>der</strong> Analyse.<br />
Es war außerordentlich schwierig an die wirklichen Gegebenheiten heranzukommen, denn die innere Figur, die die Patientin während<br />
all <strong>der</strong> schweren Jahre mehr o<strong>der</strong> weniger aufrecht erhalten hatte, war tatsächlich <strong>der</strong> Animus. Dieser Animus konnte wegen <strong>der</strong><br />
Möglichkeiten, die er ihr in <strong>der</strong> musikalischen Arbeit eröffnete, einen starken Einfluß auf die Patientin ausüben. Solange eine Frau<br />
sich dieser Animus-Figur in ihrer Psyche nicht bewußt ist, ist er ein übermächtiger Meister <strong>der</strong> sie so faszinieren kann, daß er sie<br />
völlig beherrscht. Im Falle dieser Patientin war <strong>der</strong> Animus eine ambivalente Gestalt und die Faszination, die er in ihr bewirkte -<br />
hilfreich wie auch destruktiv -, war beinahe vollkommen. Obwohl seine musikalischen Inspirationen keine echte Lösung für ihre<br />
Probleme brachten - nämlich was sie Mit dem Rest ihres Lebens tun sollte -, bedeuteten diese Inspirationen oft (und sehr hilfreich)<br />
einen zeitweiligen Weg aus <strong>der</strong> Krise und <strong>der</strong> Verzweiflung. Wenn sie am Gewicht ihrer Probleme verzweifelte schienen <strong>der</strong> Animus<br />
und seine Musik ihre einzige Stütze zu sein. Daher war ihr nicht daran gelegen, ihm zu mißfallen indem sie sich einer an<strong>der</strong>en Rolle<br />
bewußt wurde, die er vielleicht in ihrem Leben spielen könnte. Sie konnte es tatsächlich nicht, weil sie fürchtete verrückt zu werden,<br />
wenn sie es täte. Und aus dieser großen Furcht können wir gut schließen, daß die »an<strong>der</strong>e« Rolle, die <strong>der</strong> Animus in ihrem<br />
Unbewussten spielte, sehr negativ sein könnte. Daraus folgte, daß es für sie in ihrer Analyse keine leichte Aufgabe bedeutete, dieser<br />
überwältigenden Persönlichkeit ins Gesicht zu schauen.<br />
Eine an<strong>der</strong>e innere Figur, <strong>der</strong> Schatten, <strong>der</strong> dunkle Gegenspieler des bewussten Ich, war durch den eigenwilligen stolzen und<br />
eingebildeten Charakter, <strong>der</strong> Patientin fast völlig unterdrückt. Wie Jung ausführt ist es äußerst wichtig, daß wir uns unseres Schattens<br />
so bewußt wie möglich sind, denn wenn Animus (o<strong>der</strong> Anima) und Schatten beide unbewusst sind, dann kämpft das Ich einen<br />
ungleichen Kampf gegen zwei Gegner und ist vermutlich nicht stark genug um zu gewinnen. Im Falle dieser Patientin waren Animus<br />
und Schatten seit langem »verheiratet« in ihrem Unbewussten und nun unzertrennlich geworden. Sie begingen alle Arten von Sünden<br />
gegen die Patientin, die zu <strong>der</strong> Zeit nicht fähig war, echte Einsicht in ihre Probleme zu erlangen. Aber sie war zäh und beharrlich, sie<br />
gab die Analyse nicht auf. Ihre Analytikerin riet ihr zur aktiven Imagination. Sie machte dann spontane Zeichnungen. Einige von<br />
ihnen waren sehr interessant und sie hatte diese Tätigkeit gern. Sie war fasziniert. Trotzdem brachten diese Zeichnungen keine<br />
wirkliche Wende zum Besseren. Ein bestimmter Punkt in den Tiefen ihrer Seele, den sie bis jetzt noch nicht sehen konnte, blieb<br />
unberührt.<br />
Die Patientin machte vom Material je<strong>der</strong> analytischen Stunde eine Zusammenfassung. Daher konnte sie später die ganze Behandlung<br />
überblicken. Als sie ihre Notizen nochmals las, fiel ihr auf, wie günstig die Träume und <strong>der</strong>en Deutung erschienen. Dasselbe konnte<br />
sogar von <strong>der</strong> ganzen Behandlung gesagt werden. In dieser frühen Phase sah ihre Analyse wirklich erfolgreich aus, aber irgendwie<br />
profitierte sie nicht davon. Ihr Animus pflegte <strong>mit</strong> jedem positiven Resultat davonzurennen, bevor die Patientin es integrieren konnte.<br />
Und immer beeindruckte er sie <strong>mit</strong> seinen Meinungen. Er war zu mächtig um ihm zu wi<strong>der</strong>stehen. Jedoch gab sie ihm trotz ihrer<br />
Verzweiflung nicht völlig nach. Die Jungsche Methode hatte einen noch größeren Eindruck auf sie gemacht als die Einwände ihres<br />
Animus. Sie hielt durch.<br />
Eines Tages diskutierte sie <strong>mit</strong> ihrer Analytikerin (Frau Jung) die Episode ihrer Vision, die ihr in <strong>der</strong> Jugend begegnet war (die