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Ihre Große Vision<br />

Zu <strong>der</strong> Zeit, da die Patientin diese Vision hatte, die für sie so wichtig war, bereitete sie sich gerade auf ihr Examen als Konzert<br />

Pianistin vor. Der Ehrgeiz hatte sie dazu getrieben, zu hart zu arbeiten und die Wichtigkeit von Erfolg o<strong>der</strong> Mißerfolg bei den Examen<br />

zu überschätzen. Maßlos begierig nach künstlerischem Triumph und in schrecklicher Angst ihre Erfolgschance durch Lampenfieber zu<br />

ver<strong>der</strong>ben, hatte sie sich in einen Zustand höchster nervöser Spannung gebracht. In <strong>der</strong> Nacht vor dem Examen überflutete das<br />

Unbewusste sie und brachte eine »Große Vision« o<strong>der</strong> »Ankündigung« hervor:<br />

Eine Stimme sagte zu ihr, sie müsse während ihres Examens den Ehrgeiz opfern, indem sie gleichermaßen bereit sei, Mißerfolg o<strong>der</strong><br />

Erfolg zu akzeptieren. Nach hartem innerem Kampf versprach die Patientin ernstlich diesem Befehl zu gehorchen. Dann brachte ihre<br />

Bereitwilligkeit, eine mögliche Nie<strong>der</strong>lage zu ertragen, sie in eine Art von religiöser Ekstase. In dieser Ekstase offenbart die Stimme<br />

ihr, daß es nicht ihre Berufung im Leben sei, selbst eine berühmte Frau zu werden. Ihre wahre Berufung sei es, die Mutter eines<br />

genialen Mannes zu werden. Um diese Berufung zu erfüllen müsse sie ihre normalen Wünsche nach Liebe und Heirat opfern und nach<br />

jemandem Ausschau halten, <strong>der</strong> als Vater eines Genius in Frage käme. Von diesem Mann würde sie bei einem Beischlaf ohne jegliche<br />

Lust ein Kind empfangen. Wenn sie es fertig brächte, während <strong>der</strong> ganzen Empfängnis keinerlei Lustgefühle zu haben und diese<br />

Bedingung erfüllt wäre, dann würde sich ihr Kind als das Genie erweisen, das aufzuziehen sie berufen ist. Sollte <strong>der</strong> Vater ein<br />

verheirateter Mann sein, müßte sie ihre Vorurteile überwinden und ein uneheliches Kind austragen.<br />

Diese Botschaft war für das Mädchen voller Mana (numinoser Qualität). Sie fühlte die Heiligkeit <strong>der</strong> Botschaft. Es war eine religiöse<br />

Erfahrung, ein Befehl dem gehorcht werden mußte und <strong>der</strong> nie beiseite gelegt o<strong>der</strong> vergessen werden konnte. Das Ganze erwies sich<br />

als die Krise ihres Lebens, <strong>mit</strong> <strong>der</strong> sie sehr schwer zurechtkam. Wir werden uns <strong>mit</strong> diesem inneren Erlebnis länger beschäftigen<br />

müssen, weil es ihr so viel bedeutete. Ihre Vergangenheit und Zukunft trafen sich sozusagen in diesem Wendepunkt, denn diese<br />

Vision war nicht aus dem Nichts entstanden. Sie war durch die Ereignisse ihrer Kindheit und frühen Jugend und durch Entwicklungen<br />

in ihrem Wesen, die zusammen eine normale Entfaltung ihrer Sexualität blockiert hatten, vorbereitet worden. Deswegen war die<br />

befehlende Stimme, die so laut in <strong>der</strong> Ankündigung sprach, die ganze Zeit in ihrem Unbewussten genährt worden. Ihre Macht nahm<br />

gigantische Ausmaße an, bis sie das Ich in <strong>der</strong> Nacht vor dem Examen überfluten konnte, denn das Ich war gerade dann durch zu<br />

große nervöse Spannung geschwächt.<br />

Die ersten Reaktionen des Mädchens auf ihre Vision waren wun<strong>der</strong>bar. Solange die Ekstase andauerte, lebte sie auf einer höheren<br />

Ebene als je zuvor. Sie durchlief das Examen glänzend und verlor ihre Scheu vollkommen. Sie fühlte sich sehr glücklich, überhaupt<br />

nicht neurotisch und dieses Glücksgefühl vergrößerte das Mana <strong>der</strong> Stimme. Aber die Ekstase konnte nicht ewig anhalten, sie erstarb<br />

allmählich im gewöhnlichen alltäglichen Leben, um so mehr als <strong>der</strong> zukünftige Vater des genialen Kindes nicht erschien. Langsam<br />

fand sie in den Zustand eines gewöhnlichen Mädchens zurück und sie nahm das als Nie<strong>der</strong>lage. Ihre Schüchternheit wurde wie<strong>der</strong><br />

größer. Sie fühlte sich krank und elend und von innerer Spannung erschöpft. Ihre Gesundheit war zerbrochen. Trotzdem gelang es ihr,<br />

für weitere drei Jahre den Kopf über Wasser zu halten. Da sie nun aber in einem Alter war, wo an<strong>der</strong>e Mädchen einen Mann finden<br />

und heiraten, begann sich die Natur zu melden und trieb das unglückliche Mädchen in eine Serie von erfolglosen Liebesaffären. Diese<br />

Fehlschläge waren sogar für ein normales junges Mädchen schwer zu ertragen gewesen, für unsere Patientin, <strong>der</strong>en Vertrauen schon<br />

untergraben war, bedeuteten sie einen totalen Zusammenbruch. Im Alter von 24 Jahren befand sie sich körperlich krank im Spital und<br />

danach begann sie eine Analyse <strong>mit</strong> einem Freudianer.<br />

Die Freudsche Analyse<br />

Der Freudsche Analytiker war ein 30jähriger junger Arzt, nur sechs Jahre älter als sie. Er war verheiratet gewesen, aber nun<br />

geschieden und alleinstehend. Er war ein netter Mann und sehr an Musik interessiert. Das Mädchen mochte ihn sehr und es geschah,<br />

was zu erwarten war, sie verliebte sich in ihn und wollte ihn heiraten. Die Umstände waren so, daß nichts gegen eine Heirat<br />

einzuwenden zu sein schien und ihre Charaktere hätten harmonieren können. Er wischte die Gefühle <strong>der</strong> Patientin beiseite, indem er<br />

sie eine bloße Vater Übertragung nannte und er wußte nicht, wie er sie in eine Entwicklung überführen sollte, die für die Patientin<br />

akzeptabel und tragbar war.<br />

Die beste Lösung wäre vielleicht gewesen <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Behandlung aufzuhören, aber das Mädchen war zu sehr von ihm fasziniert und auch<br />

zu charakterschwach um ihn zu verlassen, <strong>der</strong> Analytiker unterschätzte die Gefühle <strong>der</strong> Patientin für ihn und setzte die Analyse fort,<br />

weil er hoffte den Fall zu heilen. Seine Freudsche Methode war nicht ganz ohne Ergebnis. Einige <strong>der</strong> Symptome verschwanden und<br />

ein gewisser Betrag an Energie wurde wie<strong>der</strong>hergestellt. Auch reifte das Mädchen, abgesehen von <strong>der</strong> Behandlung, durch die Tiefe<br />

ihrer Liebe und den Kummer, daß sie nicht erwi<strong>der</strong>t wurde. Hätte <strong>der</strong> Arzt nur ein wenig Gefühl und Verständnis gezeigt, hätte er<br />

vielleicht das Resultat erzielt, das er im Auge hatte. Aber als überzeugter Freudianer unterdrückte er die bloße Idee, daß er eine<br />

Gegenübertragung haben könnte. So regredierten die beiden zusammen in eine Art sexueller Perversion, wie wir später sehen werden.<br />

Das Mädchen brauchte elf Jähre um sich von dieser Faszination zu lösen, daß sie ihre Liebe überhaupt aufgeben konnte, rührte von<br />

<strong>der</strong> Tatsache her, daß er sich am Ende wirklich schlecht benahm und grausam zu ihr war, worauf Ärger und Haß genügend stark in ihr

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