05.01.2013 Aufrufe

begegnungen-mit-der-seele.pdf

begegnungen-mit-der-seele.pdf

begegnungen-mit-der-seele.pdf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

nie dachte, daß sie wahnsinnig werden würde - hauptsächlich wegen ihrer kreativen Tätigkeit in <strong>der</strong> Musik und einer Art<br />

rückversichernden angeborenen Tapferkeit -, gebe ich zu, daß ich lange Zeit daran gezweifelt habe, ob es möglich. sein würde, sie aus<br />

den Klauen ihres Animus zu retten. In ihrem Fall konnte das nur durch den Individuationsprozeß erreicht werden. Es wurde bald klar,<br />

daß dies ihr Schicksal war.<br />

Dank Annas Offenheit und ihrer unentwegten persönlichen Ehrlichkeit kann ich gleichermaßen frei und offen bekennen, daß sie,<br />

obwohl es von Anfang an klar war, daß sie eine wertvolle Person war und es noch mehr werden konnte, viele Jahre lang ein<br />

ermüden<strong>der</strong> und entmutigen<strong>der</strong> Fall war. Ihr negativer Vaterkomplex, verstärkt durch ihre Abwehr gegen ihren Freudschen<br />

Analytiker, machte es für sie unmöglich <strong>mit</strong> einem Mann zu arbeiten. Jung hatte von Anfang an den größten Respekt für ihre Gaben<br />

und hatte immer ein wachsames Auge für ihre Analyse, trotzdem bestand er darauf, daß die Hauptarbeit von einer Frau getan werden<br />

müsse. Anna ist nicht Schweizerin und verbrachte die meiste Zeit in ihrem eigenen Land, so daß sich die Behandlung über mehrere<br />

Jahre erstreckte.<br />

In den frühen Jahren war die Musik Annas größte Hilfe und natürlich tat ich alles was ich konnte, um sie in ihrem Beruf zu<br />

unterstützen. Aber <strong>der</strong> Animus hatte immer eine ambivalente Haltung dazu (s. Annas eigenen Bericht über ihre große Vision), er<br />

versuchte zunehmend ihre Liebe zur Musik zu unterminieren und überredete sie manchmal sie ganz aufzugeben. Aber <strong>der</strong> erste<br />

sichere Beweis für eine Macht in Annas Psyche, die stärker war als <strong>der</strong> Animus, erschien in Verbindung <strong>mit</strong> einem <strong>der</strong> schlimmsten<br />

Angriffe des Animus. Anna war in <strong>der</strong> Stimmung daran zu zweifeln, ob sie je geheilt werden könne und wandte sich an mich als ihre<br />

Analytikerin wie auch an Jung, sie habe sich entschlossen ihren Beruf aufzugeben, <strong>der</strong> zu dieser Zeit eine absolute conditio sine qua<br />

non für die Fortführung ihres Lebens war. Niemand konnte diese Entscheidung erschüttern und sie reiste animusbesessener als je<br />

zuvor nach Hause. Das war das einzige Mal, daß ich wirklich an diesem Fall verzweifelte, als sie wegfuhr glaubte ich die Schlacht sei<br />

verloren.<br />

Einige Wochen später jedoch erhielt ich einen Brief von ihr, in dem sie erzählte, daß ihr etwas Außerordentliches begegnet sei. Ihre<br />

ganze Post wurde nach Zürich gesandt, aber als sie in ihre Wohnung zurückkehrte, fand sie gerade einen Brief im Briefkasten, <strong>der</strong> dort<br />

unerklärlicherweise einige Wochen zuvor eingeworfen worden war. Dieser Brief enthielt ein so verlockendes berufliches Angebot,<br />

daß sie es nicht zurückweisen konnte. »Aber in Zürich hätte ich es zurückgewiesen« schrieb sie, »denn ich war da ganz entschlossen«.<br />

Dieser Zufall än<strong>der</strong>te meine Haltung diesem Fall gegenüber. Ich sah, daß ich mich nur selber erschöpfte und nicht gut daran tat, Anna<br />

bei ihrer Rettung von ihrem tyrannischen Animus direkt zu helfen. Hingegen fragte ich mich, was es war das die Lage im letzten<br />

Moment durch den Irrtum eines Briefträgers rettete? Natürlich konnte ich keine vernünftige Antwort darauf finden, aber ich beschloß<br />

die Hypothese zu wagen, daß in Annas Psyche etwas Stärkeres als ihr Animus am Werk war und daß dieses »Etwas« die Zerstörung<br />

ihres Individuationsprozesses nicht zulassen wollte. Dies war bei Anna kein vereinzeltes synchronistisches Ereignis. Ein noch<br />

schlagen<strong>der</strong>es Beispiel ergab sich während einer weiteren negativen Phase, als Anna wie<strong>der</strong>um ärgerlich darüber, daß sie nicht<br />

»geheilt« wurde, sich gegen alles wandte das <strong>mit</strong> Jungscher Psychologie zu tun hatte. Da passierte ihr ein merkwürdiger Unfall. Bei<br />

einem Spaziergang am Seeufer wurde sie am Kopf von einem Ball getroffen, was eine lange Behandlung im Krankenhaus notwendig<br />

machte. Während dieser Krankheit realisierte sie schließlich, daß es nutzlos war, ihrem Versuch ganz zu werden zu entfliehen, denn<br />

wenn sie das tat, verfolgte das »runde Ding« (vortreffliches Symbol <strong>der</strong> Ganzheit) sie nur.<br />

Jung sagt oft zu mir, die Leute würden kaum das aufnehmen was ihnen von jemand an<strong>der</strong>em nahegebracht wird, nicht einmal von<br />

einem Analytiker, zu dem sie eine starke Übertragung haben. »Es sind die Dinge, die ihnen das eigene Unbewusste gibt, die einen<br />

dauernden Eindruck machen« meinte Jung. Anna Marjula lehrte mich die Wahrheit dieser Feststellung lebendiger als irgend jemand<br />

o<strong>der</strong> irgend etwas an<strong>der</strong>es. In den frühen Jahren ihrer Analyse machte überhaupt nichts einen dauernden Eindruck auf sie. Sogar wenn<br />

es über eine längere Zeit hinweg einen augenscheinlichen Fortschritt gab, konnte <strong>der</strong> Animus das früher o<strong>der</strong> später wie<strong>der</strong> zerstören,<br />

wie sie selbst es klar darstellt. Und die Übertragung war ein sehr unzuverlässiger Faktor, weil <strong>der</strong> Animus jahrelang alle Trümpfe in<br />

<strong>der</strong> Hand hielt, so warm Anna auch für ihre Analytikerin gefühlt haben mochte, er spielte sie in jedem kritischen Moment aus und<br />

verwandelte Vertrauen in Mißtrauen und Liebe in Haß.<br />

Es war bei Toni Wolff; ihrer ersten Jungschen Analytikerin, daß Anna die seltsamen Bil<strong>der</strong> zeichnete, die im zweiten Teil ihres<br />

Büchleins erscheinen. Sie waren schon ein Vorläufer ihrer aktiven Imagination, in <strong>der</strong> die Inhalte, die aus dem Unbewussten strömten,<br />

gewissenhaft in Worten wie<strong>der</strong>gegeben wurden. Jung lehrte uns immer sehr sparsam <strong>mit</strong> unseren Deutungen <strong>der</strong> aktiven Imagination<br />

zu sein, weil es so leicht ist da<strong>mit</strong> den Fluß zu stoppen o<strong>der</strong> Elemente zu beeinflussen die ihren eigenen Lauf nehmen sollten. Diese<br />

Serie von Bil<strong>der</strong>n zeigt die Klugheit dieser Haltung sehr deutlich. Wie Anna jetzt selber sieht, hätte ihr die Deutung zu <strong>der</strong> Zeit nicht<br />

geholfen, eher hätte sie vielleicht in Anbetracht des explosiven Materials, daß Anna selbst so viel später in ihren Bil<strong>der</strong>n entdeckte,<br />

eine Katastrophe ausgelöst. Außerdem wäre <strong>der</strong> Versuch die Bil<strong>der</strong> zu verstehen - den sie fast 15 Jahre später unternahm -,<br />

hoffnungslos durch irgendeine äußere Interpretation von Vorurteilen belastet gewesen. Solche Gedanken könnten nur akzeptiert<br />

werden, wenn sie aus ihrem eigenen Unbewussten kämen.<br />

Ein paar Monate nachdem sie Toni Wolff verlassen hatte, kam Anna zu mir und arbeitete - unterbrochen von langen Pausen, wenn sie

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!