05.01.2013 Aufrufe

begegnungen-mit-der-seele.pdf

begegnungen-mit-der-seele.pdf

begegnungen-mit-der-seele.pdf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Bewußtwerdung hin nach oben zum Licht führte. Dennoch gab es im 12. Jahrhun<strong>der</strong>t viele negative Elemente, unter an<strong>der</strong>em den<br />

Kampf zwischen Kaiser und Papst, <strong>der</strong> die Zerstörung ganzer Städte <strong>mit</strong> sich brachte, das erstaunliche psychologische Phänomen, das<br />

sich bei <strong>der</strong> Gründung des Prämonstratenser-Ordens ereignete, nur etwa 130 Kilometer von St. Viktor entfernt und die Ermordung des<br />

Priors von St. Viktor, während Hugo dort residierte.<br />

Natürlich war das Ich eines Mannes von Hugos christlicher Überzeugung hinsichtlich <strong>der</strong> Gegensatzproblematik einseitig. Er glaubte<br />

wahrscheinlich an das Tun des Guten und das Vermeiden des Bösen. Aber das Selbst enthält zu allen Zeiten beide Gegensätze, wie<br />

<strong>der</strong> Gott des Alten Testaments deutlich zeigt.<br />

»Gott ist eine Vereinigung <strong>der</strong> Gegensätze«, sagt Cusanus. Der tiefste Grund für den Erfolg des Ba im ägyptischen Text und für<br />

Hugos Erfolg bei seinem Gespräch bestand darin, daß beide auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Ganzheit <strong>der</strong> menschlichen Persönlichkeit, des Selbst,<br />

standen. Der Ba tat alles um den Lebensmüden zu überreden den Versuch aufzugeben, sich von <strong>der</strong> Ganzheit durch einen törichten<br />

und unüberlegten Selbstmord abzuschneiden. Er trieb den Mann in zunehmendes Elend, bis er fähig war zu sehen, daß die Ganzheit,<br />

die Einheit <strong>mit</strong> seinem Ba, das einzig Wesentliche war und er so über das Problem von Leben o<strong>der</strong> Tod hinauswachsen konnte.<br />

Bei Hugo von St. Viktor war es <strong>der</strong> Mann, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Ganzheit stand und nur deswegen Erfolg hatte. Er beharrte nie darauf,<br />

seiner Seele eine For<strong>der</strong>ung des Ich aufzuerlegen. Wie wir sahen, geriet beim leisesten Versuch dazu das Ganze in Gefahr. Seinem<br />

Wissen gemäß und soweit er zu <strong>der</strong> Zeit sehen konnte, gebrauchte er seinen überragenden Verstand, um sein undifferenziertes Fühlen<br />

aus seinem zersplitterten Zustand in <strong>der</strong> Welt zu lösen, wo es sich zweifellos wie die eigenwilligen Impulse auswirkte, die schon<br />

Origenes als das große Hin<strong>der</strong>nis vor <strong>der</strong> Selbstwerdung des Menschen angesehen hatte.<br />

Der ägyptische Text zeigt uns, wie ein Mann sich verhalten kann, wenn eine archetypische Figur aus seinem Unbewussten in sein<br />

Bewusstsein einbricht, ob er will o<strong>der</strong> nicht und wie er sich <strong>mit</strong> ihr auseinan<strong>der</strong>setzen und eventuell einigen kann, <strong>der</strong> Text von Hugo<br />

von St. Viktor zeigt uns dagegen, wie es möglich ist, dazwischenzutreten und durch aktive Imagination zu ver<strong>mit</strong>teln, wenn uns<br />

irgendeine Unbewusste Neigung in uns selbst ständig ein Bein stellt. Trotz o<strong>der</strong> vielleicht wegen des sehr herablassenden Tones, den<br />

Hugo manchmal gegenüber seiner Seele anschlägt, ist es leicht dahinter den Mann zu entdecken, <strong>der</strong> sich davor fürchtet von seiner<br />

Anima besessen zu sein. Aber und das kann nicht oft genug betont werden, er war nur erfolgreich, weil er immer seine eigenen<br />

ichhaften Machtbedürfnisse opferte. Man denke z.B. daran, wie er ärgerlich wurde, weil er seine Seele nicht beherrschen konnte und<br />

sie deshalb plötzlich unbarmherzig kritisierte. Wenn er diese Haltung <strong>der</strong> Macht beibehalten hätte, hätte er alles verloren. Es gibt<br />

nichts, was das Unbewusste mehr verabscheut als eine solche Haltung des Ich. Wenn wir bedenken wie viel von seinen Zeitgenossen<br />

und von Hugo selbst über seinen Charme im Umgang <strong>mit</strong> seinen Kameraden gesagt wurde, dann merken wir, daß es für ihn ein<br />

Kin<strong>der</strong>spiel war sich durchzusetzen. Deshalb ist es um so verdienstvoller, daß er diese Fähigkeit in dem Gespräch so vollständig<br />

opferte.<br />

In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht vergessen, wie jung Hugo starb, was vielleicht darauf hinweist, daß sein Leben dem<br />

Muster von Abel entsprach, dem lichten Sohn Gottes und daß sein Schicksal ihn dadurch vor <strong>der</strong> Konfrontation <strong>mit</strong> dem Bösen<br />

bewahrte, das sich seinem großen Zeitgenossen Norbert an die Fersen heftete. Wir müßten mehr darüber wissen, warum Hugo so früh<br />

starb.<br />

Als Hugo zugab, daß alles was ihm an seiner Seele so mißfiel, die Macht <strong>der</strong> Liebe verstärkt und nicht verringert hat, machte er<br />

vielleicht das größte Zugeständnis, daß man von ihm erwarten konnte und ebnete da<strong>mit</strong> stellvertretend den Weg zu einer echten<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung zwischen dem Mann und seiner Anima. Hugo war sehr kritisch und neigte daher wahrscheinlich zu negativen<br />

Voraussetzungen in Bezug auf Unvollkommenheit, ich meine da<strong>mit</strong> übereilte Urteile, die nicht abwarten können wie sich eine<br />

Situation entwickelt, son<strong>der</strong>n sofort das Schlimmste annehmen. Wir haben diese Tendenz im Gespräch zwischen Hugo und seiner<br />

Seele in Aktion gesehen. Am Anfang nahm z.B. die Anima an, Hugo sei autoerotisch und das Bestehen <strong>der</strong> Viktoriner auf<br />

Selbsterkenntnis lediglich krankhaft. Hugo nahm dauernd das Schlechteste von seiner Seele an, nicht nur vergleicht er sie mehr als<br />

einmal <strong>mit</strong> einer Hure, er übt seitenlang negative Kritik die manchmal auf sehr wenig Augenschein gegründet ist. »Alles Gute gehört<br />

zu Gott und alles Böse zum Menschen« o<strong>der</strong> in diesem Fall zu seiner Seele.<br />

Das Gegenteil von negativen Voraussetzungen ist Kredit geben, »die Wohltat des Zweifels«, wie man sagt. (Jung definierte Liebe<br />

sogar einmal als »Kredit geben«.) Das konnte für einen kritischen Mann wie Hugo nicht leicht sein, beson<strong>der</strong>s im Hinblick auf seine<br />

eigene Seele. Da er so viel über Liebe spricht, können wir ziemlich sicher sein, daß sie bei ihm keine Gabe <strong>der</strong> Natur ist, son<strong>der</strong>n<br />

etwas das zu erlangen er sich sehr bemühen muß. Es scheint mir, daß er es erreicht- wahrscheinlich zum ersten Mal in dieser<br />

Unterredung-, als er seiner Seele zutraut, diese Liebe vergrößert zu haben indem sie die ihm unangenehmen Dinge in den Mittelpunkt<br />

stellt. Dies mag als eine kleine Konzession an die dunkle Seite erscheinen, aber es scheint vielleicht wegen seines frühen Todes<br />

genügend zu sein, denn darauf folgt sogleich das greifbare Zeugnis für die Existenz des Bräutigams, daß die Seele schließlich<br />

überzeugt.<br />

Aber wenn es eine zu einseitige Lösung wäre würde die Angelegenheit sicher wie<strong>der</strong> hochkommen - dies auf jeden Fall, wenn Hugo

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!