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Unterhaltung <strong>mit</strong> seiner Seele zu beginnen. Sie wird dargestellt als in die Welt verstrickt, so daß wahrscheinlich weltliche Ziele und<br />

Ambitionen eine große Rolle in Hugos Psychologie spielen und offenbar <strong>mit</strong> seinem inneren Ziel unvereinbar waren. Trotz o<strong>der</strong><br />

vielleicht wegen des herablassenden Tones, den Hugo manchmal gegen seine Seele braucht, beson<strong>der</strong>s bei seinem Gefühlsausbruch<br />

kann man den Mann finden, <strong>der</strong> Angst hat von seiner Anima besessen zu sein. Man kann sich vorstellen, daß er sich ständig bei<br />

kleinen o<strong>der</strong> großen Plänen <strong>mit</strong> weltlichem Ziel ertappte. Es muß eine sehr starke Motivation hinter solch einem aufrichtigen Versuch<br />

gestanden haben, sich <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Anima zu einigen.<br />

An<strong>der</strong>erseits läßt Hugo möglicherweise seinen Ärger absichtlich heraus, um seine Anima durch den Schock aus ihrer Unbewusstheit<br />

zu erwecken. In einer Diskussion über diesen Punkt sagte Jung, das Spiel sei immer verloren, wenn man bei einem Streitgespräch die<br />

Ruhe verliert. Frau Jung erwi<strong>der</strong>te, manchmal sei Ärger die richtige Reaktion, er habe das auch selbst gesagt. Jung antwortete, daß sei<br />

ganz richtig, aber nur wenn man seinen Ärger ebenso gut beherrschen könne. Wenn man den Ärger die Überhand gewinnen ließe, sei<br />

das immer ein Fehler. Wir können die Sachlage nur durch die Wirkung seines Ausbruchs auf die Seele beurteilen.<br />

Sie antwortet Hugo auf eine Art, die ihr tiefes Beleidigt sein zeigt. Sie hatte gehofft, seine Lobeshymne führe zu einem an<strong>der</strong>er Ziel,<br />

aber sie sieht nun, daß er da<strong>mit</strong> nur eine Gelegenheit schaffen wollte, um ihr zu zeigen wie abscheulich sie ist. Deshalb wünscht sie<br />

die Unterredung hätte nie stattgefunden und könnte nun in Vergessen gehüllt werden, wenn sein Argwohn kein Mitleid <strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />

Schuldigen hat.<br />

Hugo hat fast alles verloren was er gewonnen hatte, denn die Seele wünscht sich, daß sie das ganze Gespräch vergessen könnten, <strong>mit</strong><br />

an<strong>der</strong>en Worten, sie denkt daran ins Unbewusste zurückzukehren. Bei unserer eigenen aktiven Imagination dürfen wir es uns nicht<br />

leisten zu übersehen, wie leicht solche Figuren verschwinden und vom Gefühlsstandpunkt aus hat Hugo einen großen Fehler gemacht.<br />

Er ist gefährlich nahe an die Sprache des Animus geraten, du solltest und du solltest nicht. Offenbar nimmt die Anima dies noch mehr<br />

übel als eine reale Frau, wenn man bedenkt wie nahe die Anima <strong>der</strong> Natur steht, ist es wirklich ein Wun<strong>der</strong>, daß sie so viel ertragen<br />

hat.<br />

Wir berühren hier das Problem unseres ganzen christlichen Erbes seit dem Mittelalter. Der <strong>mit</strong>telalterliche Mensch war wegen <strong>der</strong><br />

absoluten Notwendigkeit, das Helle um jeden Preis zu differenzieren, gezwungen sehr hart <strong>mit</strong> sich selber zu sein. Viele heutige<br />

Menschen funktionieren in genau <strong>der</strong>selben Weise, sie finden es sehr schwer sich selber etwas zu verzeihen. Aber es ist gefährlich<br />

sich nicht vergeben zu können. Jesus sagt: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst« und wir können unseren Nächsten nicht wirklich<br />

lieben und ihm vergeben - so sehr wir uns über diesen Punkt auch selber täuschen möchten -, solange wir uns selbst nicht lieben und<br />

vergeben können. Der Animus ist hierin ein großer Betrüger und betont gerne wie unverzeihlich wir uns benommen haben. Ich habe<br />

erlebt, daß ich lernen mußte, ihm bisweilen zu sagen: »Sei nicht so schnell, vielleicht hatte ich unrecht, aber laß uns abwarten wie sich<br />

die Situation entwickelt, bevor ich mir zu viele Sorgen darüber mache.«<br />

Hugos Gefühlsausbruch war sicher bedrohlich, denn er ist in Gefahr allen Kontakt <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Anima zu verlieren. Gleichwohl mag es<br />

nötig gewesen sein, energische Maßnahmen zu ergreifen, um sie auf ihre Unzulänglichkeiten aufmerksam zu machen, denn da sie ihre<br />

eigene Schönheit nicht sah, war sie vermutlich auch blind für ihre eigenen häßlichen Eigenschaften. Solche Dinge sind manchmal<br />

unvermeidlich, aber es ist wie bei Skylla und Charybdis, wenn wir zuviel sagen brechen wir den Kontakt ab, sagen wir zuwenig,<br />

haben wir keine Chance diese Figuren zu beeinflussen o<strong>der</strong> zu verän<strong>der</strong>n.<br />

Aus seiner ausführlichen Antwort wird klar, daß Hugo die Gefahr, sie zu verlieren, gesehen hat, denn er beeilte sich ihr zu versichern,<br />

daß er nicht die Absicht hätte Schuld auf sie zu häufen, son<strong>der</strong>n daß er nur zu ihrer Belehrung gesprochen habe. Seine Absicht war es<br />

ihr zu zeigen, wie groß die Liebe ihres Bräutigams ist, denn sie wird durch ihre Fehler in keiner Weise berührt. Im Gegenteil, als ihr<br />

Bräutigam sie in Sünden verloren sah, stieg er auf die menschliche Ebene hinab um sie zu erlösen.<br />

Hugo dreht den Spieß klug um - gegen die Seele. Indem er betont wie sehr sie geliebt wird, verfällt sie wi<strong>der</strong> <strong>der</strong> Faszination durch<br />

diese Idee und wir hören nichts mehr von ihrem Wunsch das Gespräch zu vergessen. Psychologisch gesehen dankt das Ich zugunsten<br />

des Selbst ab. Hugo opfert seinen allzu menschlichen Ärger über die Fehler seiner Anima, indem er die Angelegenheit in die Hände<br />

des Selbst legt.<br />

Die Seele antwortet, sie fange an ihre Schuld zu lieben und sie sogar zu segnen, denn sie sieht, daß diese die Liebe hervorgerufen hat,<br />

die sie nun so leidenschaftlich ersehnt um die Schuld abzuwaschen. Dann kehrt sie sich von Hugo ab und wendet sich zum ersten Mal<br />

direkt an ihren Bräutigam, indem sie ihn fragt, was er an ihr findet, daß er sie so sehr liebt.<br />

Die Seele kompensiert hier<strong>mit</strong> Hugos rein moralischen Standpunkt und es scheint als würde ihre Klugheit die seine bei weitem<br />

übertreffen. Er hat das ganze Gewicht auf das Helle gelegt, aber sie sieht, daß eine so totale Liebe nur durch beide Gegensätze<br />

konstelliert werden kann und daß es gerade das Dunkel in ihr war, das sie hervorgerufen hat. Es erscheint höchst bedeutsam, daß sie<br />

sich zum ersten Mal an ihren Bräutigam wendet, als ob dies etwas wäre, das zu verstehen von Hugo kaum erwartet werden kann.

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