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Hugo versucht die Annäherung <strong>mit</strong> rein rationalen Argumenten, was sie gar nicht beeindruckt. Sie steht nicht mehr unter dem<br />

magischen Zauber seiner Worte und insistiert wie eine Frau auf Tatsachen.<br />

Er fährt jedoch trotz ihres Protests auf <strong>der</strong>selben Linie weiter. Er fängt erst an sie zu beeindrucken als er <strong>mit</strong> einer auf Tatsachen<br />

gegründeten Beschreibung beginnt, was diese einzigartige Liebe wirklich ist. Die beiden wichtigsten Passagen seien hier vollständig<br />

zitiert:<br />

Liebe mag Glück allein sein, aber es ist viel größer, wenn man sich am Glück vieler erfreuen kann. Denn geistliche Liebe wird im<br />

Einzelnen größer, wenn sie allen gemeinsam ist. Sie verringert sich nicht, wenn sie geteilt wird, denn ihre Frucht kann einzigartig und<br />

ungeteilt in jedem Einzelnen gefunden werden.<br />

Mit an<strong>der</strong>en Worten, ihr ausschließliches Recht auf einzigartige Liebe setzt <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Menschen keine Grenze, <strong>mit</strong> denen sie<br />

diese geistige Liebe teilt. Sie braucht nicht zu fürchten, daß das Herz ihres Bräutigams auseinan<strong>der</strong>gerissen wird wie in <strong>der</strong><br />

menschlichen Leidenschaft, denn es ist überall ganz und ungeteilt. Hugo fährt fort:<br />

Alle müßen daher den Einen <strong>mit</strong> einzigartiger Liebe lieben, denn alle werden einzigartig geliebt und sollen einan<strong>der</strong> lieben in dem<br />

Einen, als ob sie eins wären und durch die Liebe zu dem Einen sollen alle eins werden.<br />

Die Alchemie ist voll von Hinweisen auf das Thema des Einen, aber <strong>der</strong> Platz verbietet mir sie hier anzuführen. Grundsätzlich sind<br />

natürlich das »Eine« in <strong>der</strong> Alchemie und <strong>der</strong> »Eine« auf den Hugo sich bezieht, Symbole für den Archetyp des Selbst.<br />

In »Psychologie <strong>der</strong> Übertragung« zitiert Jung einen Satz von Origenes: »Du siehst wie jener, <strong>der</strong> Einer zu sein scheint, nicht Einer ist,<br />

son<strong>der</strong>n so viele (verschiedene) Personen erscheinen in ihm, als (er) Eigenwilligkeit (besitzt).« Deshalb ist es für Origenes das Ziel<br />

des Christen ein innerlich geeinter Mensch zu werden.<br />

Es gibt auch eine Parallele in <strong>der</strong> Brihadaranyaka-Upanishad, die unserem Text so nahesteht, daß ich nicht umhin kann einige Zeilen<br />

daraus wie<strong>der</strong>zugeben. Yagnavalkya sagt:<br />

Wahrlich, ein Gatte ist nicht teuer, da<strong>mit</strong> du den Gatten liebst, son<strong>der</strong>n da<strong>mit</strong> du das Selbst liebst, deshalb ist <strong>der</strong> Gatte teuer.<br />

Wahrlich, die Gattin ist nicht teuer, da<strong>mit</strong> du die Gattin liebst, son<strong>der</strong>n da<strong>mit</strong> du das Selbst liebst, deshalb ist die Gattin teuer.<br />

Dies wird dann von allen Dingen wie<strong>der</strong>holt die <strong>der</strong> Mensch liebt und <strong>der</strong> Abschnitt endet:<br />

Wahrlich, alles ist nicht teuer, da<strong>mit</strong> du alles lieben sollst, son<strong>der</strong>n da<strong>mit</strong> du das Selbst liebst, deshalb ist alles teuer.<br />

Für uns ist die Bedeutung dieses Textes vor allem in <strong>der</strong> Erfahrung zu finden, beson<strong>der</strong>s für Frauen und in unserem Text für die<br />

Beziehung wird sie offenkundig. Wir wissen alle, daß keine menschliche Beziehung total ist. Wir können dies und das <strong>mit</strong> jemandem<br />

teilen, etwas an<strong>der</strong>es <strong>mit</strong> jemand an<strong>der</strong>em, usw. Wir fühlen uns oft gespalten, treulos o<strong>der</strong> zwischen unseren Beziehungen hin- und<br />

hergerissen. Aber wenn wir anfangen zu unserem Unbewussten eine gewisse Treue zu verspüren, zu etwas das unendlich viel größer<br />

als unser Ich ist, dann verwirklichen wir etwas von dieser Treue zu dem Einen, zum Selbst, das Hugo in religiöser Sprache als Treue<br />

zum Bräutigam <strong>der</strong> Seele beschreibt und wir beginnen zu sehen, daß er einfach eine psychologische Tatsache schil<strong>der</strong>t.<br />

Das wird manchmal in <strong>der</strong> Übertragung deutlich. Auch die schlimmsten Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Übertragung sind gewöhnlich<br />

Wegweiser, die zur Erfahrung des Selbst führen. Der Analytiker hat die Aufgabe festzubleiben und durch Beratung <strong>mit</strong> seinem<br />

eigenen Unbewussten jedem Patienten das zu geben, was ihm o<strong>der</strong> ihr in dem Einen gehört, nicht mehr und nicht weniger und <strong>der</strong><br />

Patient hat die Aufgabe das Leiden anzunehmen, das im Opfern seiner egoistischen For<strong>der</strong>ung liegt und das Eine kennenzulernen, in<br />

dem allein die Lösung des Problems gefunden werden kann. Sehr oft kann von beiden Seiten die größte Hilfe bei <strong>der</strong> aktiven<br />

Imagination gefunden werden.<br />

Zu Beginn ihrer Antwort spielt die Seele wie<strong>der</strong> auf den Charme von Hugos Erklärungen an. Sie sagt, um ihretwillen fühle sie mehr<br />

Feuer im Streben nach dieser Liebe, die sie ohne seine Worte anzuekeln begonnen hätte. Dann wird sie praktischer und sagt es müße<br />

ihr gezeigt werden ob diese Liebe wirklich effektvoll ist. Sie werde nicht länger an ihr zweifeln, wenn sie an ihrer praktischen<br />

Auswirkung sehen könne, ob sie echt ist.<br />

Obwohl sie den Zauber seiner Worte noch spürt, befriedigen sie sie nicht mehr. Sie hatten den Zweck sie zum Zuhören zu bringen,<br />

aber nun muß Hugo Tatsachen vorführen. Diese Reaktion <strong>der</strong> Seele stimmt <strong>mit</strong> unserer Erfahrung des Unbewussten überein, es hat<br />

einen ausgesprochen praktischen Standpunkt und Suggestion übt keine dauernde Wirkung auf es aus. Zeitweilig allerdings reagiert es<br />

auf Suggestion, aber es wird am Ende umkehren und Tatsachen for<strong>der</strong>n.

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