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obwohl sie den Bräutigam nie gesehen habe, den er so hoch preist. Allein durch seine Beschreibung fühle sie sich jedoch fast<br />

verpflichtet ihn zu lieben. Aber da sei eine Beeinträchtigung, die ihr Glück dämpfen werde, falls sie nicht durch seine tröstende Hand<br />

entfernt werden könne.<br />

Hugo hat eine beinahe magische Wirkung auf die Seele erzeugt. Seine Worte haben sie entflammt. Sie erfasst zwar die große<br />

psychologische Wahrheit noch nicht, die er ihr über das Selbst gesagt hat, denn sie ist immer noch oberflächlich extravertiert, ist von<br />

den Worten und nicht von <strong>der</strong> Idee hinter ihnen bezaubert. Jedoch scheint sie die Gefahr <strong>der</strong> Magie auch zu sehen und lenkt sie auf ihn<br />

zurück. Sie betont den Charme seiner Worte und seiner tröstenden Hand, um ihn aufzublähen, ein bevorzugter Trick von Anima und<br />

Animus vor dem wir bei <strong>der</strong> aktiven Imagination immer auf <strong>der</strong> Hut sein müssen. Als autonome Daimones halten sie ihre Macht<br />

weitgehend, indem sie Aufgeblasenheit o<strong>der</strong> Min<strong>der</strong>wertigkeit erzeugen, sie benutzen diese Waffen unbarmherzig und auf schwer zu<br />

entdeckende Weise. Wenn die Anima es fertigbringt, Hugo aufzublähen, so daß er zu denken beginnt: »Ich mache das, was bin ich<br />

doch für ein feiner Bursche!«, dann hat sie ihn in <strong>der</strong> Tasche und diese Macht geben nach meiner Erfahrung, Anima o<strong>der</strong> Animus nie<br />

ganz auf. Bei <strong>der</strong> kleinsten Herausfor<strong>der</strong>ung versuchen sie es wie<strong>der</strong>.<br />

Hugo sagt, er sei ganz zuversichtlich, daß es in <strong>der</strong> Liebe ihres Bräutigams nichts gibt, das ihre Freude min<strong>der</strong>n kann, aber da<strong>mit</strong> es<br />

nicht mehr so aussieht als wollte er sie täuschen, bittet er sie ihm ihre Schwierigkeiten zu enthüllen.<br />

Hugo ist kein Narr. Er umgeht ihre Falle klug, ergibt zu es könnte so scheinen als wollte er sie zugunsten seiner eigenen ichhaften<br />

Ziele täuschen. Ich habe tatsächlich das Gefühl, daß er sein Gewissen in bezug auf diesen Vorwurf sehr sorgfältig geprüft hat.<br />

Obwohl dieses Gespräch so aufgeschrieben wurde, als ob es in einer Sitzung stattgefunden hätte, ist das natürlich nicht <strong>der</strong> Fäll. Diese<br />

Unterhaltungen erfor<strong>der</strong>n den ganzen Mann und brauchen einiges Nachdenken. Ich selber verfolge sie über eine beträchtliche<br />

Zeitspanne und sinne oft über eine Bewegung meines Gegenübers nach, bevor ich sehen kann wohin er steuert o<strong>der</strong> bevor ich die<br />

richtige Antwort weiß.<br />

Im Unbewussten gibt es, wie Jung oft gezeigt hat, entwe<strong>der</strong> keine Zeit o<strong>der</strong> eine völlig an<strong>der</strong>e Auffassung von <strong>der</strong> Zeit, so daß es<br />

oftmals möglich ist dasselbe Thema <strong>mit</strong> demselben Gegenüber später wie<strong>der</strong> aufzugreifen. Aber diese Dinge haben die Neigung ins<br />

Unbewusste zurückzusinken, so daß jede unnütze Verzögerung o<strong>der</strong> Entschuldigung fatal ist. Ich möchte betonen, daß ein solches<br />

Gespräch den äußersten Einsatz von uns for<strong>der</strong>t, wie immer wir ihn auch leisten. Nur dadurch, daß Hugo sich selbst auf sein<br />

menschliches Maß reduzierte, indem er die Gefahr sah, daß er sie um seiner eigenen Ziele willen täuschen könnte, entging er <strong>der</strong> Falle<br />

seiner Anima. Wir müssen immer daran denken wie klein wir in solchen Unterredungen <strong>mit</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger ewigen Figuren sind.<br />

Die Seele erklärt dann ihr Problem in aller Ausführlichkeit. Obwohl sie zugibt, daß die Gaben des Bräutigams groß sind, sieht sie an<br />

ihnen nichts Einzigartiges, denn sie muß ja <strong>mit</strong> an<strong>der</strong>en Menschen und sogar <strong>mit</strong> den Tieren teilen. Es sei unfair, wenn man von ihr<br />

erwarte, daß sie ausschließlich ihren Bräutigam liebe, wenn es kein Anzeichen dafür gibt, daß er nur sie liebt. Hugo wisse das sehr gut<br />

und müsse ihr zeigen wo die Einzigartigkeit sei.<br />

Dies ist ein Beispiel für ausgesprochen weibliche Psychologie. Jede Frau und vermutlich jede Anima hegt diese For<strong>der</strong>ung nach<br />

Ausschließlichkeit. (Jung erzählte manchmal die Geschichte einer wahnsinnigen Frau, die in <strong>der</strong> Kapelle <strong>der</strong> Anstalt schrie: »Er ist<br />

mein Christus und ihr seid alle Huren!«) Jede Frau die ehrlich <strong>mit</strong> sich selber ist, kann diesen Anspruch irgendwo in sich finden,<br />

obwohl er gewöhnlich auf einen realen Mann projiziert wird, <strong>der</strong> auf die eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Art unter ihrem ausschließlichen<br />

Besitzanspruch zu leiden hat.<br />

Diese Rede bestätigt unseren Verdacht, daß die Anima versucht hat, Hugo <strong>mit</strong> ihrer Schmeichelei zu verführen, denn sie liebt ganz<br />

klar ihren eigenen Weg vielmehr als ihren Bräutigam. Die For<strong>der</strong>ung, die einzige Geliebte zu sein, ist grundsätzlich eine Frage <strong>der</strong><br />

Macht, nicht <strong>der</strong> Liebe. Bis zu einem gewissen Grad hat Hugo den bewussten Willen nach ichhafter Macht geopfert, aber nun entdeckt<br />

er, daß sein Eros, sein Gefühlsleben, seine Anima in <strong>der</strong>selben Weise weitermacht. Dieses Beispiel zeigt, daß wir die Rechnung ohne<br />

den Wirt gemacht haben, wenn wir meinen, es sei genug etwas auf <strong>der</strong> bewussten Ebene zu opfern. Durch seine kluge Methode findet<br />

Hugo heraus was die Anima ist.<br />

Hugo antwortet seiner Anima wie<strong>der</strong>um sehr weise, daß er nicht ärgerlich sei <strong>mit</strong> ihr, denn offensichtlich suche sie wirklich nach<br />

vollkommener Liebe. Er kritisiert das Negative in ihrer Rede nicht, son<strong>der</strong>n hebt das Positive hervor wie ein Gatte, <strong>der</strong> sagen würde:<br />

»Liebling, du hast völlig recht, ich sehe deine Gründe sind über jeden Verdacht erhaben«, als Vorrede zu einem großen Aber. Wäre<br />

Hugo nicht Mönch gewesen, hätte er sicher einige Qualitäten gehabt, die einen guten Ehemann ausmachen.<br />

Hugo fährt <strong>mit</strong> dem Versuch fort etwas mehr Unterscheidung in sein Gefühlsleben zu bringen, indem er z. B. die Gaben des<br />

Bräutigams in drei Klassen einteilt, solche die allen gemeinsam sind, spezielle Gaben die <strong>mit</strong> einer begrenzten Anzahl von Menschen<br />

geteilt werden und solche die einzigartig sind. Aber diese Antwort akzeptiert die Anima nicht, die zu ihm sagt er habe ihre<br />

Schwierigkeiten abgewiesen statt sie auszureißen, ich erwähne seine Rede daher nur um die Komplexität solcher Gespräche zu zeigen.

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