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Aber offensichtlich streicht er die Butter zu dick, denn er redet an ihr vorbei. Sie erwi<strong>der</strong>t kalt, daß man alles sehen kann außer sich<br />

selber und daß sie ganz recht habe jeden töricht zu nennen, <strong>der</strong> sich an <strong>der</strong> Liebe durch den Blick in den Spiegel erfreuen möchte. Er<br />

müße ihr eine an<strong>der</strong>e Art von Spiegel geben, wenn er irgend etwas in dieser Richtung wollte. Liebe kann in <strong>der</strong> Einsamkeit nicht<br />

überdauern und ist gar keine Liebe, wenn sie nicht auf einen passenden Gefährten gerichtet ist.<br />

Hier wird sehr deutlich, daß seine Seele so extravertiert ist wie er introvertiert, was eigentlich zu erwarten war. Es ist nutzlos zu einer<br />

extravertierten Person so zu sprechen, wie Hugo es tut, denn zunächst kommt ihr jede Innenschau völlig morbide und autoerotisch vor.<br />

Außerdem hat die Seele von ihrem Standpunkt aus vollkommen recht. Beziehung zu an<strong>der</strong>en Menschen ist unerläßlich. Sie hätten<br />

ewig über diesen Punkt streiten können wie Christus und Johannes <strong>der</strong> Täufer in dem gnostischen Text, in dem sie zu keiner<br />

Entscheidung kommen konnten, ob die Mysterien <strong>der</strong> Welt übergeben werden sollten o<strong>der</strong> nicht.<br />

Der wichtigste Punkt in dieser Rede scheint <strong>der</strong> zu sein, daß die Seele ihn nach einer an<strong>der</strong>en Art von Spiegel fragt, denn das läuft auf<br />

das Eingeständnis hinaus, daß sie das Licht seines Bewusstseins for<strong>der</strong>t, wenn er es ihr nicht gibt wird sie fest an die Welt verhaftet<br />

bleiben. Dieser Punkt ist für die aktive Imagination äußerst wichtig, weil er uns zeigt, daß passives Beobachten und Zuhören ganz<br />

ungenügend sind. Nur wenn wir auch <strong>mit</strong> dem Bewusstsein das Äußerste geben, können wir etwas Bedeutsames erreichen.<br />

Wir finden dieselbe Vorstellung von <strong>der</strong> Anima, die das menschliche Bewusstsein braucht, bei Buddhas Devatas (Anima-Figuren). Ich<br />

will zwei kurze Beispiele zitieren:<br />

Sutra Drei: Auf <strong>der</strong> Seite stehend wie<strong>der</strong>holt die Devata zum Gesegneten (Buddha) hin, die folgenden Zeilen:<br />

Das Dasein vergeht, kurz sind die Tage des Lebens.<br />

Keinen Schutz mehr hat <strong>der</strong>, <strong>der</strong> sich dem Alter nähert.<br />

So die Gefahr des Todes sich vor Augen haltend,<br />

sollte man sich bestimmt um Verdienste bemühen,<br />

da<strong>mit</strong> das Glück heraufkommen kann.<br />

Der Gesegnete erwi<strong>der</strong>t:<br />

Das Dasein vergeht, kurz sind die Tage des Lebens.<br />

Keinen Schutz mehr hat <strong>der</strong>, <strong>der</strong> sich dem Alter nähert.<br />

So die Gefahr des Todes sich vor Augen haltend,<br />

sollte man sicher nach einem ewigen Ort suchen<br />

und die Lockungen <strong>der</strong> Welt meiden, die uns verführen.<br />

Zu beachten ist <strong>der</strong> Unterschied <strong>der</strong> beiden letzten Zeilen. Buddha sagt zu seiner Devata fast dasselbe wie Hugo zu seiner Seele.<br />

In Sutra Zwei lesen wir: Eine Devata sagt zu einer an<strong>der</strong>en, die unwissend geredet hat:<br />

Weißt du nicht, Närrin, das Wort des Vollkommenen? Vorübergehend sind alle Formen.<br />

Sie sind unterworfen den Gesetzen von Erscheinen und Schwinden<br />

Sie erheben sich und verschwinden wie<strong>der</strong>. Sie zu einem Ende zu bringen ist segensvoll.<br />

Es ist interessant, daß Buddha etwa 1600 Jahre früher seine Anima genau wie Hugo belehrt hat, sowie es auch heute ein Mann tun<br />

müßte, <strong>der</strong> sich in ein Gespräch <strong>mit</strong> seiner Anima einläßt.<br />

Hugo nimmt die Herausfor<strong>der</strong>ung seiner Seele in einer langen Rede auf. Er beginnt <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Feststellung, daß niemand einsam ist,<br />

wenn Gott bei ihm ist und daß die Liebe nur stärker wird, wenn die Sehnsucht nach wertlosen Dingen unterdrückt wird. Dann<br />

insistiert er auf <strong>der</strong> Notwendigkeit <strong>der</strong> Selbsterkenntnis und daß sie zuerst ihren eigenen Wert wahrnehmen müsse, da<strong>mit</strong> sie durch die<br />

Liebe zu min<strong>der</strong>wertigen Sachen sich nicht selbst entehrt. Sie wisse ja, daß Liebe Feuer ist und daß alles davon abhängt welchen<br />

Brennstoff man ins Feuer wirft, denn sie werde unvermeidlich wie all das werden, das sie liebt. Dann nimmt Hugo ein wenig ihren Stil<br />

an und sagt ihr grob, daß ihr Gesicht für sie selber unsichtbar ist und daß ihr Auge nichts sehen kann, bis es sich selbst sieht, nur die<br />

Transparenz die für diese Selbstbetrachtung notwendig ist, wird trügerische Erscheinungen daran hin<strong>der</strong>n ihre Sicht <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Dinge<br />

zu verdunkeln.<br />

Diese Feststellungen sind eine Art Prolog zu Hugos eigentlicher These. Er sagt ihr einige tiefe psychologische Wahrheiten, weil er<br />

vermutlich hofft, daß etwas von dem Samen auf fruchtbaren Boden fällt und Wurzeln schlägt, denn wenn er hier aufgehört hätte, wäre<br />

sie ohne Zweifel noch weniger beeindruckt gewesen als vorher. Oftmals verstehen wir eine psychologische Wahrheit nicht, wenn wir

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