begegnungen-mit-der-seele.pdf
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und sie fühlt sich verpflichtet zu wechseln. Dadurch schwankt ihre Sehnsucht noch, sie kann we<strong>der</strong> ohne Liebe leben, noch die wahre<br />
Liebe finden.<br />
Aus Hugos erster Frage wurde deutlich, daß sein Verstand es schon gelernt hat die ewigen Ideen hinter den sichtbaren Gegenständen<br />
zu sehen. Denn er lehrte ja, daß die Welt Gottes Buch ist und daß <strong>der</strong> Mensch Analphabet bleibt wenn er dieses Buch nicht lesen kann.<br />
Aus ihrer Antwort wird klar, daß seine Seele zu den Analphabeten gehört und daß sie in <strong>der</strong> concupiscentia gefangen ist, sie hat bis<br />
jetzt keine individuellen Eigenschaften, Beständigkeit o<strong>der</strong> Urteilsvermögen. Naturgemäß fehlt seinem Gefühlsleben die<br />
Differenzierung seines Geistes.<br />
Diese Antwort enthüllt einen Mann dessen Anima wahllos von einer Frau auf die nächste projiziert wird. Wäre er nicht ein Mönch <strong>mit</strong><br />
einem festen Programm gewesen und hätte er nicht vor allem diese erstaunliche Anstrengung auf sich genommen seine Anima zu<br />
objektivieren, dann wäre Hugo offensichtlich von ihr besessen gewesen und wäre ihren Wan<strong>der</strong>ungen vollkommen unbewusst gefolgt.<br />
Vermutlich war diese Neigung einer <strong>der</strong> Gründe die ihn zu diesem Gespräch trieben. Seine Anima ist jedoch nicht ganz identisch <strong>mit</strong><br />
diesem Zustand, sie ist sozusagen eine eher alte Seele die schon einiges durch Desillusionierung erfahren hat.<br />
Jung sagte stets, es gäbe nicht genügend wissenschaftliche Beweise für die Reinkarnation um uns darüber Sicherheit zu verschaffen.<br />
Es war aber bestimmt eine Tatsache, daß die Seelen <strong>der</strong> Menschen sehr verschiedenen Alters waren. Viele Leute mußten ihr ganzes<br />
Leben da<strong>mit</strong> zubringen, Dinge zu lernen die für an<strong>der</strong>e selbstverständlich waren. Hugos Seele weiß schon, daß die Liebe zu zeitlichen<br />
Dingen enttäuschend ist, etwas das viele Seelen noch gar nicht zu wissen scheinen. In diesen materialistischen Zeiten könnte man, so<br />
fürchte ich, sagen daß die übergroße Mehrheit das nicht weiß, we<strong>der</strong> durch den bewussten Verstand durch den Hugo das schon seit<br />
Jahren wußte, noch durch die Unbewusste Seele.<br />
Hugo nimmt diesen Punkt auf und sagt in seiner nächsten Rede zu ihr, er sei froh, daß sie nicht völlig in <strong>der</strong> Liebe zu weltlichen<br />
Dingen gefangen sei. Es wäre schlimmer wenn sie sich in ihnen beheimatet hätte, denn jetzt sei sie nur eine heimatlose Vagabundin<br />
und kann noch auf den rechten Weg zurückgerufen werden. Aber sie werde niemals Liebe finden, solange sie sich <strong>der</strong><br />
Anziehungskraft des Sichtbaren ergäbe.<br />
Hugo stellt seine Philosophie deutlich dar und ruft dadurch den entrüsteten Protest <strong>der</strong> Seele hervor. Wie kann man etwas<br />
Unsichtbares lieben? Wenn es keine wahre ewige Liebe zu greifbaren und sichtbaren Dingen gibt, dann ist je<strong>der</strong> Liebende zu ewigem<br />
Jammer verdammt. Wie kann jemand ein Mann genannt werden, <strong>der</strong> seine menschliche Natur vergißt, das Band <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
verachtet und nur sich selbst auf eine einsame und klägliche Art liebt? Deshalb sagt sie, müsse Hugo entwe<strong>der</strong> in ihre Liebe zum<br />
Sichtbaren einwilligen o<strong>der</strong> etwas Besseres vorbringen.<br />
Das scheint eine schlagende klare Beschreibung <strong>der</strong> Art und Weise zu sein - von <strong>der</strong> Seele selbsthervorgebracht -, wie die Anima in<br />
die äußere Welt verstrickt ist, als indische Maya, die Tänzerin. Das stimmt <strong>mit</strong> Jungs später Beschreibung <strong>der</strong> Anima in Aion überein.<br />
Die Anima ist bei Hugo eine autonome Figur die keine Skrupel hat ihn auf eine Art anzugreifen die an die Bemerkung das Ba erinnert:<br />
»Lebst du überhaupt?« Es gibt natürlich eine Menge zu sagen, das für ihren Standpunkt spricht, zu einem großen Teil ist das<br />
mönchische Leben eine Weigerung die Anima in <strong>der</strong> Außenwelt zu verwirklichen.<br />
Vergleichen wir die Angriffe des Ba und <strong>der</strong> Seele auf die beiden Männer, so sehen wir, daß <strong>der</strong> Ba ganz konstruktiv gegen den Mann<br />
protestiert, <strong>der</strong> sein individuelles Leben wegwerfen will, während die Seele mehr von einem kollektiven Standpunkt aus spricht, wenn<br />
sie sagt: »Beschäftige dich nicht <strong>mit</strong> dir selbst, das ist krankhaft«. Darin liegt eine destruktive Nuance, denn ihre allgemeine Idee ist<br />
es, in sich selbst hineinzuschauen sei morbide.<br />
Am Ende aber, so provoziert sie ihn, for<strong>der</strong>e die Amina, wie wir auch in »Aion« lesen können, den Mann immer <strong>mit</strong> ihrer<br />
gefährlichen Eigenart heraus, um mühsam seine Größe herauszustellen. Er muß also etwas Besseres herbeischaffen, wenn er will, daß<br />
sie die Welt aufgibt.<br />
Sehr klug begegnet Hugo <strong>der</strong> Gefahr, indem er den Spieß umdreht und zu ihr sagt daß ihre eigene Schönheit die <strong>der</strong> Welt bei weitem<br />
übersteigt, wenn sie sich nur selbst sehen könnte, würde sie merken wie töricht es ist, etwas da draußen zu lieben und er singt eine<br />
Lobeshymne auf ihre Schönheit. Dieser geschickte, wenn auch etwas skrupellose Appell an die weibliche Eitelkeit, ist offenbar<br />
teilweise dazu bestimmt ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen, wenn sie meint er sei autoerotisch nur sich selbst <strong>mit</strong> einsamer und<br />
kläglicher Liebe liebend. Nebenbei bemerkt ist es möglich, daß diese aktive Imagination gerade so gut visuell wie durch den<br />
Gehörsinn vor sich ging, da er so beeindruckt war von ihrer Schönheit, d. h. Hugo könnte seine Seele gesehen haben - <strong>mit</strong> den Augen<br />
des Geistes, wie Dorn es ausdrückt - während er <strong>mit</strong> ihr sprach.<br />
Hätte Hugo <strong>mit</strong> einer realen Frau gesprochen, wäre diese Rede wegen <strong>der</strong> gefährlichen magischen Wirkung die Schmeichelei ausübt,<br />
zweifellos skrupellos gewesen. Aber wie Jung hervorhob, ist Magie - die sicherlich Schmeichelei einschließt - nur am Platze, wenn sie<br />
auf das eigene Unbewusste angewendet wird und Hugo sprach ja <strong>mit</strong> seiner Anima.