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Natürlich ist von unserem Blickwinkel aus gesehen das Dunkle zu sehr unterdrückt, obwohl es keineswegs gänzlich fehlt. Der<br />

<strong>mit</strong>telalterliche Mensch war den Instinkten viel näher als wir und <strong>der</strong> Weg zu größerer Bewußtheit führte daher nach oben. Hugo von<br />

St. Viktors ständiges Insistieren auf philologischer Genauigkeit gibt uns einen Hinweis dafür, daß es keine Wissenschaft gäbe, hätte<br />

<strong>der</strong> Mensch nicht gelernt genau und unentwegt ehrlich zu sein.<br />

Jede Bewegung wird einseitig, wenn man zu lange in ihr verharrt, doch dürfen wir durch die Tatsache daß <strong>der</strong> Prozeß <strong>der</strong><br />

Ganzwerdung in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Welt eine Haltung erfor<strong>der</strong>t, die die dunkle Seite des Menschen einschließt bei <strong>der</strong> Betrachtung dieses<br />

Textes nicht einem Vorurteil erliegen, denn <strong>der</strong> Text folgt dem christlichen Programm <strong>der</strong> Unterscheidung des Hellen vom Dunklen,<br />

dem Zeitalter gemäß in dem er entstanden ist. Nebenbei können wir aus ihm auch den erschreckenden Gedanken entnehmen, wie sehr<br />

wir alle noch in <strong>mit</strong>telalterlichen Begriffen denken. Was für Hugo im 12. Jahrhun<strong>der</strong>t natürlich war, ist heute in großem Maße für<br />

viele von uns zu einer trägen Angewohnheit geworden.<br />

Zusammenfassung von Text und Kommentar<br />

Der Titel. des Textes lautet:<br />

De Arrha Animae ,<br />

Gespräch betreffend das Verlobungsgeschenk o<strong>der</strong> Mitgift <strong>der</strong> Seele. Dialog zwischen einem Mann und seiner Seele.<br />

Der Mann eröffnet das Gespräch, es findet auf seine Initiative hin statt. Er sagt zu seiner Seele, daß ihre Unterhaltung vollkommen<br />

vertraulich sein soll, da<strong>mit</strong> er nicht Angst haben muß die geheimsten Dinge zu fragen und sie sich nicht zu schämen braucht, ganz<br />

ehrlich zu antworten.<br />

Hugo fragt sie, was sie am meisten liebt. Er weiß, daß sie nicht ohne Liebe sein kann, aber was hat sie gewählt, das ihrer Liebe am<br />

würdigsten ist? Er geht durch eine lange Liste all <strong>der</strong> schönen Dinge dieser Welt, wie Gold, Edelsteine, Farben usw. Liebt sie etwas<br />

davon mehr als alles an<strong>der</strong>e? O<strong>der</strong> hat sie solche Dinge hinter sich gelassen, so daß sie etwas an<strong>der</strong>es lieben muß, aber was könnte das<br />

sein?<br />

Diese Eröffnung zeigt, daß Hugo auf viel festerem Boden steht als die meisten von uns, falls wir zu unserer Anima o<strong>der</strong> zu unserem<br />

Animus sprechen sollten, denn er hat seine Seele nicht nur als ein Gegenüber wahrgenommen, son<strong>der</strong>n auch daß ihr Bereich <strong>der</strong> Eros<br />

ist, Bezogenheit und Liebe und daß sein Gebiet Logos, Unterscheidung und Wissen ist. Er spricht zu ihr wie ein Mann zu seiner Frau<br />

sprechen würde. Er weiß, daß sie <strong>mit</strong> irgend etwas verbünden sein muß, daß sie lieben muß und daß sie in einer völligen participation<br />

mystique <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Außenwelt verharren wird, wenn er nicht etwas unternimmt.<br />

Ich denke heute findet man kaum einen Mann, <strong>der</strong> seine Eros Seite in diesem Maße objektiviert und personifiziert hat und <strong>der</strong> sich<br />

daran wagen würde seinen Verstand für die Differenzierung seines Gefühls zu gebrauchen, indem er eine solche Unterhaltung <strong>mit</strong><br />

seiner Anima beginnt! So ein Mann ist sehr selten und noch seltener würde man eine Frau finden die diese Unterscheidung zwischen<br />

ihrem eigenen Bereich und dem ihres Animus durchführen könnte. Daß unsere Zivilisation patriarchalisch ist, macht es den Frauen<br />

noch schwerer. Wir sprechen eine männliche Sprache und sind so daran gewöhnt zu sagen »Ich denke«, daß es sehr schwierig ist den<br />

Animus zu objektivieren und zu merken, daß wir oft <strong>der</strong> Sache näherkommen wenn wir sagen: »Er denkt in mir«. Es ist nicht schwer<br />

das theoretisch zu wissen, aber es ist sehr schwer es in die Praxis umzusetzen. Wenn wir das aber tun können, sind wir zum ersten Mal<br />

in <strong>der</strong> Lage zu überlegen, ob wir wirklich »Ja« o<strong>der</strong> »Nein« zu unseren eigenen Gedanken und Worten sagen wollen.<br />

Jung empfahl dies als eine Technik für die Frauen, die ihren Animus kennenlernen möchten. Er sagte zu mir, ich solle über irgendein<br />

wichtiges Gespräch <strong>der</strong> letzten Zeit nachdenken und versuchen mich genau an meine Worte zu erinnern und dann überlegen ob ich<br />

dasselbe nochmals sagen würde. Wenn nicht sollte ich bestimmen was mir die Meinung eingegeben o<strong>der</strong> mich dazu gebracht hat<br />

dieses o<strong>der</strong> jenes zu sagen, was ich nicht wirklich gemeint habe. Darüber hinaus sollte ich versuchen die Gedanken einzufangen, die<br />

mir in den Sinn kommen und <strong>mit</strong> ihnen durch dieselbe Prozedur gehen.<br />

Ich weiß nicht ob er dieselbe Methode auch den Männern in Bezug auf ihre Gefühle empfahl. Männer sagen viel weniger oft »Ich<br />

fühle« als Frauen »Ich denke« sagen, aber bestimmt identifizieren sie sich <strong>mit</strong> ihrem Gefühl genauso wie die Frauen <strong>mit</strong> ihrem<br />

Denken. Deshalb ist es so treffend wenn Hugo eine so klare Linie zwischen dem Reich seines Denkens und dem Reich seiner Anima<br />

zieht und sich den ganzen Text hindurch an dieses Stück festen Bodens hält. Wir können sehr viel von ihm lernen, das für unsere<br />

eigene aktive Imagination von größtem Nutzen sein kann.<br />

Die Seele antwortet, daß sie nicht lieben kann, was sie nicht sieht, sie sei nie fähig gewesen etwas von ihrer Liebe auszuschließen,<br />

das sie sehen kann, aber sie habe bisher nichts gefunden, das sie über alles liebt. Dann klagt sie, sie habe schon erfahren, daß die Liebe<br />

zu dieser Welt enttäuschend ist, entwe<strong>der</strong> verliere sie das was sie liebt, durch Zerfall o<strong>der</strong> etwas das sie lieber hat kommt dazwischen

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