begegnungen-mit-der-seele.pdf
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In seiner dritten Antwort an den Ba erklärt <strong>der</strong> Lebensmüde, daß sich <strong>der</strong> Tod seinem Auge darstellt als kehre Gesundheit in einen<br />
Kranken zurück o<strong>der</strong> wie <strong>der</strong> Duft <strong>der</strong> Lotusblume, wie das Ende schlechten Wetters, die Rückkehr vom Krieg, wie Befreiung aus<br />
dem Gefängnis usw.<br />
Dann macht er einige tiefgründige Bemerkungen über die Bedingungen <strong>der</strong> Verstorbenen im Jenseits von denen hier nur die erste<br />
zitiert sei:<br />
Wer dort ist, <strong>der</strong> wird doch ein leben<strong>der</strong> Gott sein und abwehren den Frevel dessen, <strong>der</strong> ihn tun will.<br />
Dies ist eine tiefe psychologische Feststellung, die wir nicht länger ins Jenseits projizieren sollten weil sie bis zu einem gewissen<br />
Grade in dieser Welt verwirklicht werden kann. In psychologischer Sprache würde sie einen Zustand des Wechsels vom Ich zum<br />
Selbst beschreiben o<strong>der</strong> in Jungs Sprache, daß wir unser Leben <strong>der</strong> Persönlichkeit Nummer 2, d. h. dem Selbst übergeben anstatt<br />
kurzsichtig immer nur den Weg des Ich (den Imbiß) zu wollen, den Nummer 1 vorzieht. Das Selbst hat göttliche Eigenschaften, an<br />
denen wir teilhaben können, <strong>mit</strong> denen wir uns aber nie identifizieren dürfen. Daß <strong>der</strong> Mann davon spricht ein leben<strong>der</strong> Gott zu<br />
werden, gehört zum ägyptischen Dogma, nach dem je<strong>der</strong> dessen Herz die Prüfung des Gewogenwerdens bestanden hat, im Jenseits ein<br />
Osiris werden kann. Die Gefahr <strong>der</strong> Inflation war damals viel kleiner als die Ich-Persönlichkeit viel weniger entwickelt war und die<br />
Tatsache, daß sie ganz ins Jenseits projiziert wurde, war in dieser Hinsicht ein Schutz. In <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Zeit ist es für den Menschen<br />
jedoch nötig daran zu denken, daß er nur »<strong>der</strong> Stall ist, in dem Gott geboren wird«, wie Jung sagt.<br />
Obwohl <strong>der</strong> Lebensmüde so starke Bil<strong>der</strong> gebraucht um seine Gefühle über den Tod zu beschreiben, erinnert er sich an den Rat des<br />
Ba. Er folgt dem schönen Tag und vergißt seinen Kummer. Jedoch projiziert er immer noch alles auf das Jenseits. Er hat die Grenzen<br />
des Bewusstseins durchbrochen, aber ob er den Selbstmordgedanken opfern kann ist eine an<strong>der</strong>e Frage, auf die wir später<br />
zurückkommen werden.<br />
Ich möchte die kurze abschließende Rede des Ba ganz wie<strong>der</strong>geben, weil sie sehr wichtig ist:<br />
Nun laß die Klage auf sich beruhen, du, <strong>der</strong> du zu mir gehörst, mein Bru<strong>der</strong>! Du magst [weiterhin] auf dem Feuerbecken lasten o<strong>der</strong><br />
du magst dich [wie<strong>der</strong>] an das Leben schmiegen, wie du nun sagen wirst. Wünsche, daß ich hier bleibe, wenn du den Westen<br />
abgelehnt hast o<strong>der</strong> wünsche auch, daß du den Westen erreichst und dein Leib zur Erde gelangt und daß ich mich nie<strong>der</strong>lasse,<br />
nachdem du verschieden bist. Wir werden jedenfalls die Heimat gemeinsam haben!<br />
Hier offenbart sich <strong>der</strong> Ba ohne jeden Zweifel als die individuelle Essenz dieses speziellen Mannes, nämlich als sein Selbst. Es scheint<br />
mir, daß die enorme Anstrengung des Lebensmüden, sich in seinen drei letzten Antworten seinem Ba zu erklären, eine Auswirkung<br />
auf den Ba hatte. In einem Punkt allerdings bleibt <strong>der</strong> Ba steinhart: »Laß das Klagen sein.« Wenn <strong>der</strong> Mann in sentimentales<br />
Selbst<strong>mit</strong>leid zurückfällt und sich in <strong>der</strong> falschen Art Phantasie gehen läßt, dann kann er immer noch alles verlieren was er gewonnen<br />
hat, das gilt auch für uns heute. Grundsätzlich gehört alles was uns auf unserem Lebensweg begegnet zu unserer Ganzheit, zu unserem<br />
»ganzen Essen« und muß als solches angenommen werden.<br />
Zweifellos ist <strong>der</strong> Ba auch von dem Mann berührt worden, zum ersten Mal akzeptiert er die Möglichkeit, daß er unfähig sein könnte<br />
sein Leben weiterzuführen. Wie Jacobsohn zeigt, ist das Gefühl ganz richtig, daß es <strong>der</strong> Ba lieber sehen würde, wenn <strong>der</strong> Mann<br />
weiterlebte, es gibt auch gar keine Alternative außer es ist wirklich unmöglich. Aber auf jeden Fall ist es wesentlich, daß <strong>der</strong> Ba und<br />
<strong>der</strong> Mann zusammen sind, sei es in dieser Welt o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en.<br />
Die Entwicklung des Ba in den Pyramidentexten, die auch in unserem Text deutlich sichtbar ist, erinnert an die Entwicklung die oft<br />
am psychischen Material eines heutigen Individuums beobachtet werden kann. Wenn wir zum ersten Mal <strong>mit</strong> dem Unbewussten<br />
konfrontiert werden ist alles <strong>mit</strong> allem verschmolzen, »im Dunkeln sind alle Katzen grau«, wie Jung zu sagen pflegte. Wenn wir uns<br />
an die Dunkelheit gewöhnen, fangen wir an eine Figur von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en zu unterscheiden. In unserem Text war die Gestalt des Ba<br />
zunächst Anima, Seele und Selbst zugleich. Aber am Ende ist er deutlich das Selbst, die Persönlichkeit Nummer 2.<br />
Wenn wir dem Unbewussten zuerst begegnen, ist das Verschmolzensein von Schatten, Animus o<strong>der</strong> Anima und Selbst das<br />
Verwirrendste. Tatsächlich verdanken Animus und Anima ihre autonome Macht nur dem Umstand, daß sie zwischen unserem<br />
Bewusstsein und dem Selbst stehen können.<br />
In diesem frühen Text gibt es jedoch kein Anzeichen für die dämonische besitzergreifende Macht <strong>der</strong> Anima. Die entsetzte Reaktion<br />
des Mannes auf die beiden ersten Reden des Ba zeigt aber, daß seine anfänglichen Gefühle gegenüber dem Ba ähnlich denen waren,<br />
die wir haben wenn Animus o<strong>der</strong> Anima dazwischenkommen und unsere bewussten Absichten zunichte machen. In den<br />
Pyramidentexten offenbart <strong>der</strong> Ba zudem seine wahre Natur als das Selbst erst nach seiner Vereinigung <strong>mit</strong> dem universalen Wissen.<br />
In seinem Kommentar zum »Geheimnis <strong>der</strong> Goldenen Blüte« betont Jung, daß nach seiner Erfahrung bei <strong>der</strong> Analyse die Probleme