begegnungen-mit-der-seele.pdf
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Der Lebensmüde erwi<strong>der</strong>t:<br />
Da öffnete ich meinen Mund zu meinem Ba um zu beantworten was er gesagt hatte: »Siehe, übelriechend ist mein Name um<br />
deinetwillen, mehr als <strong>der</strong> Geruch von Vogelmist an Sommertagen, wenn <strong>der</strong> Himmel glüht.«<br />
Der Beginn seiner Antwort wird dann wie<strong>der</strong>holt um seinen Abscheu gegen sich selbst auszudrücken. Die beiden Gleichnisse haben<br />
endlich seine Augen geöffnet und in einer typischen Gegenbewegung nimmt er den gegenteiligen Standpunkt ein. Zuerst dachte er,<br />
<strong>der</strong> Ba tue etwas Schrecklicheres, als jede Übertreibung zeigen könnte, nun sieht er sich selbst als vollkommen im Irrtum. Das ist eine<br />
übliche Reaktion, wenn wir unsere Unzulänglichkeiten und Fehler zum ersten Mal sehen, wir sind in <strong>der</strong> Gefahr, das Kind <strong>mit</strong> dem<br />
Bade auszuschütten.<br />
Das Interessante ist aber, daß <strong>der</strong> Mann darüber hinwegkommt. Er ist fähig, sich selbst <strong>mit</strong> seinem beschmutzten Namen zu sehen,<br />
ohne darüber zusammenzubrechen, eben weil <strong>der</strong> Ba ihm zur Seite steht. Der Name bedeutete den alten Ägyptern mehr als uns, wie<br />
Jacobsohn zeigt, denn wenn <strong>der</strong> Name auf einem Monument zerstört wurde, glaubte man daß die Substanz des Verstorbenen<br />
ausgelöscht war. Der Lebensmüde war offenbar jemand <strong>der</strong> seine dunkle Seite sehen konnte, ohne in sich zusammenzufallen. Es ist<br />
sehr interessant, daß er immer sagt: »dir zuliebe«, was auch, wie Jacobsohn meint, <strong>mit</strong> »deinetwegen« o<strong>der</strong> »wegen deines Daseins«<br />
übersetzt werden kann. Es ist absolut erstaunlich, daß dieser Mann erzogen in <strong>der</strong> traditionellen Religion -vor 4000 Jahren - das<br />
Wesen <strong>der</strong> heutigen jungianischen Moral wahrnehmen konnte, nämlich daß wir die Verantwortung dafür übernehmen müssen, die<br />
Existenz des Selbst in uns kennenzulernen. Dies nicht zu wissen ist wirklich eine Erzsünde. Der Ba war ja nicht an den gewöhnlichen<br />
Sünden des Mannes interessiert - das stellt sich als eine Projektion des persönlichen dogmatischen Bewusstseins auf den Ba heraus-,<br />
son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Ba ist lebhaft daran interessiert erkannt und verstanden zu werden. Er möchte, daß <strong>der</strong> Lebensmüde ihm zuhört. Und<br />
durch dieses ganze Gespräch wird klar, daß <strong>der</strong> Mann die Sache schließlich verstanden hat.<br />
Die fünf ersten Analogien, die <strong>der</strong> Lebensmüde gebraucht, um zu zeigen daß er gemerkt hat, wie er seinen Namen befleckt hat, haben<br />
alle <strong>mit</strong> dem Fischen o<strong>der</strong> dem Düngen zu tun. Das ist psychologisch hochinteressant, denn gerade im Dünger, in den Dingen, die wir<br />
nicht assimilieren können, kann <strong>der</strong> Same des Selbst wachsen. Zudem wird in <strong>der</strong> Alchemie oft gesagt, daß das Gold, <strong>der</strong> Stein <strong>der</strong><br />
Weisen, das Wertvolle auf dem Misthaufen gefunden wird. Wie bekannt, sind Träume von Exkrementen und Toiletten sehr häufig und<br />
beziehen sich oft auf das schöpferische Material, das noch nicht richtig verwirklicht worden ist. Diese Sätze nehmen daher Dinge<br />
vorweg, die heute, tausende von Jahren danach wie<strong>der</strong> auftauchen.<br />
Die Analogien, die das Fischen betreffen, sind ebenfalls psychologisch bedeutsam, denn wenn wir unsere Unzulänglichkeiten und<br />
Fehler sehen und akzeptieren können, wie es <strong>der</strong> lebensmüde Mann kann und wenn wir vor allem die Existenz des Unbewussten<br />
realisieren, dann sind wir endlich in <strong>der</strong> Lage, Inhalte aus dem Unbewussten zu fischen, von <strong>der</strong>en Vorhandensein wir nichts wußten.<br />
Auch die folgenden Vergleiche sind hochinteressant. Der Lebensmüde vergleicht den üblen Geruch seines Namens <strong>mit</strong> Lügen die über<br />
eine Frau herumgehen. Der Ba hat sich ihm als Frau dargestellt, sogar als seine Ehefrau, deshalb bezieht sich diese Analogie<br />
vermutlich auf den Ba. Wie gesagt, lautete das Dogma in jener Zeit, daß <strong>der</strong> Ba überhaupt keine Rolle im Leben eines Mannes spielt,<br />
son<strong>der</strong>n erst nach seinem Tod. Daher ist unser Mann in einer sehr verwundbaren Lage, ähnlich wie es einer Frau zuweilen in ihrer<br />
kostbarsten Beziehung geschieht, sie kann jeden Moment darauf stoßen, daß Lügen üben sie herumgehen. Von ihm zum Beispiel<br />
könnte erzählt werden, er sei verrückt, weil er meint er könne zu seinen Lebzeiten <strong>mit</strong> seinem Ba sprechen und sogar behauptet eine<br />
intime Beziehung zu ihm zu haben, so wie ein Mann zu einer Frau. Deshalb ist es nötig, daß er diese ganze Beziehung geheimhält,<br />
wozu wir nach Jung auch dann noch gezwungen sind, wenn wir das Unbewusste in seiner Tiefe erfahren haben.<br />
Der Lebensmüde vergleicht sich dann <strong>mit</strong> einem trotzigen Kind, das zu jemandem gehören muß, den es haßt - ein Vergleich, <strong>der</strong><br />
genau seine anfängliche Haltung beschreibt, als er sah, daß er schon in dieser Welt zum Ba gehört.<br />
In seinem letzten Vergleich spricht er von einer verräterischen und rebellischen Stadt, die sich selbst von außen betrachtet, was im<br />
Grunde ein Vergleich seiner eigenen Haltung gegenüber dem Ba ist. Bis jetzt ist er ein unbewusster Bewohner dieser rebellierenden<br />
Stadt gewesen, aber schließlich fängt er an sich selbst objektiv zu sehen. Das ist paradox genug, denn die Stadt ist auch ein Symbol<br />
des Selbst, so daß er also immer noch außerhalb seines Heimes lebt wie <strong>der</strong> Mann in <strong>der</strong> zweiten Parabel.<br />
Als ein Stück aktiver Imagination betrachtet, zeigt diese Rede <strong>mit</strong> all ihren Vergleichen einen enormen Fortschritt, wenn man sie <strong>mit</strong><br />
den vorherigen Reden des Mannes vergleicht. Die früheren Äußerungen zeigten völlige Unkenntnis über den Standpunkt des Ba o<strong>der</strong><br />
gar die Tatsache, daß er überhaupt einen hat und waren daher in keiner Weise eine aktive Imagination, <strong>der</strong> Mann belehrte den Ba<br />
einfach und projizierte seine eigenen dogmatischen Ansichten auf ihn. Im ersten Teil des Textes besteht das große Verdienst darin,<br />
daß es dem Mann gelungen ist, seinen Ba zu objektivieren und wie<strong>der</strong>zugeben was er sagt. Das entspricht dem ersten notwendigen<br />
Stück Arbeit bei <strong>der</strong> aktiven Imagination, Material aus dem Unbewussten zu sammeln und zu lernen die Dinge geschehen zulassen.<br />
In <strong>der</strong> Rede jedoch, die wir eben betrachtet haben ist die Sachlage vollkommen an<strong>der</strong>s. Nicht nur hat er das erstaunliche Material <strong>der</strong>