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Offenbar ist <strong>der</strong> Mann im Gleichnis als Bild für den Lebensmüden gemeint. Vermutlich wird er als Kaufmann dargestellt, weil er eine<br />

einseitige Haltung hat, er kümmert sich um das Gute wie ein Verwalter um seine Schätze. Der Mann wird beschrieben als jemand <strong>der</strong><br />

seine ganze Ernte auf ein Schiff geladen hat, d. h. alles auf eine Karte setzt. Da das Symbol des Korns so eng <strong>mit</strong> Osiris verbunden ist<br />

von den Verstorbenen wird gesagt, daß sie im Jenseits als Osiris wie<strong>der</strong>geboren werden -, will <strong>der</strong> Ba dem lebensmüden Mann wohl<br />

zeigen, daß er durch seine Haltung sowohl die an<strong>der</strong>e Welt als auch diese aufs Spiel setzt.<br />

Der Sturm ist offensichtlich eine Anspielung auf die enorme emotionale Umwälzung die <strong>der</strong> Mann durchmacht. Der Wind, <strong>der</strong> den<br />

Sturm verursacht, ist ein Symbol für Geist und Verstand, so daß <strong>der</strong> Sturm hier auch als Geistesstörung interpretiert werden kann. Der<br />

Mann meint, daß er eine ruhige stoische Entscheidung fällt, sein Leben zu verlassen, aber <strong>der</strong> wahre Stand dieser Angelegenheit in<br />

seinem Unbewussten wird in <strong>der</strong> Parabel gezeigt. Das tritt später in seinem Kummer noch stärker hervor, <strong>der</strong> ihm sogar die Sprache<br />

raubt.<br />

Der Mann entkommt dem Sturm <strong>mit</strong> seiner Frau, die Jacobsohn als den Ba auffaßt. Diese Hypothese wird in <strong>der</strong> zweiten Parabel<br />

bestätigt. Da <strong>der</strong> Ba in Ägypten eine männliche Figur ist, muß er einen Grund haben sich als Frau zu zeigen. Wie zuvor erwähnt, wird<br />

<strong>der</strong> Ba immer <strong>mit</strong> »Seele« übersetzt und obwohl sich herausstellen wird, daß er viel mehr als die Anima des Mannes ist, führt er<br />

vielleicht den Lebensmüden in die Vorstellung von <strong>der</strong> Weiblichkeit <strong>der</strong> menschlichen Seele ein. Wir können tatsächlich noch<br />

weitergehen und wie Marie-Louise von Franz mir als erste gezeigt hat, behaupten daß <strong>der</strong> Ba den Mann in das ganze Prinzip <strong>der</strong><br />

Beziehung einführt, ja daß er als Frau erscheint, um dem Mann zu zeigen wie er zum Ba in Beziehung treten kann. Außerdem ist unser<br />

Mann blind für die Gefühlswerte, er ist zum Beispiel ganz blind in bezog auf den Wert des Lebens, den <strong>der</strong> Ba so gut kennt. Und er<br />

zeigt dem Mann, daß <strong>der</strong> Ba nicht nur eine völlig an<strong>der</strong>e Meinung haben kann, son<strong>der</strong>n daß er vom Menschen so verschieden ist wie<br />

die Frau vom Mann.<br />

Wir können die Frau in dem Gleichnis nicht ohne die Tochter betrachten die beim Schiffbruch ertrunken ist. Diese Tochter scheint<br />

einen persönlichen Aspekt <strong>der</strong> Anima darzustellen, sie ist sowohl die Tochter des Mannes als auch die Tochter des Ba. Der Ba ist in<br />

<strong>der</strong> ägyptischen Religion eine bekannte Figur und daher in gewissem Grade kollektiv, während die Tochter mehr eine Verkörperung<br />

<strong>der</strong> eigenen Anima des Mannes ist. Sie symbolisiert die Möglichkeit einer echten persönlichen Verwirklichung und ist durch die nicht<br />

wahrgenommenen Emotionen des Mannes hier in größter Gefahr. Dies ist <strong>der</strong> Augenblick einer möglichen Erneuerung, darum ist es<br />

so gefährlich für ihn, nicht zu merken was vorgeht. Der Mann denkt beim Selbstmord nicht an den Tod, son<strong>der</strong>n an einen Übergang in<br />

ein bestimmtes besseres Leben, <strong>der</strong> Ba jedoch sagt: »Keine Illusionen mehr! Der Tod ist real, sei auf <strong>der</strong> Hut, um Himmels willen!«<br />

Die Nacht <strong>der</strong> Krokodile könnte <strong>mit</strong> Jakobs Erlebnis von Gottes dunkler Seite an <strong>der</strong> Furt verglichen werden. Jakob hielt aus bis die<br />

lichte Seite erschien und ihn segnete (Gen 32,22-28). Bei den Pri<strong>mit</strong>iven herrscht die allgemeine Vorstellung, daß ein dunkler böser<br />

Gott die Nacht regiert und ein lichter wohlwollen<strong>der</strong> Gott den Tag.<br />

Wir finden denselben Gedanken in einem Zauberpapyrus:<br />

Sonnengott geht als Skarabäus auf, fliegt in die Höhe als Falke und verwandelt sich jede Stunde in ein neues Symbol, bis er <strong>mit</strong> dem<br />

Sonnenuntergang als Krokodil endet.<br />

Aber es ist nicht <strong>der</strong> Verlust <strong>der</strong> Ernte, nicht einmal <strong>der</strong> Tochter, <strong>der</strong> den Mann im Gleichnis zur Verzweiflung treibt, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Verlust <strong>der</strong> ungeborenen Kin<strong>der</strong> seiner Tochter, »die schon im Ei zerbrochen sind«.<br />

Wir müssen diese Kin<strong>der</strong> - so auch Jacobsohn - als eine noch ungeborene Möglichkeit deuten, die in größter Gefahr ist. Der Ba stellt<br />

wie die Frau in dieser Parabel das ewige universale Selbst dar, daß nicht zerstört werden kann. Das Mädchen ist <strong>der</strong> individuelle<br />

Bereich zwischen dem Mann und dem Ba <strong>der</strong> durch ihren Kontakt entsteht. Das Selbst kann im Individuum geboren werden und die<br />

Kin<strong>der</strong> verkörpern den Keim des ganzen Individuationsprozesses. Dieses Symbol enthält das Wesentliche des Gleichnisses, <strong>der</strong> Ba ist<br />

als Selbst in diesem Leben konstelliert und das zu erfüllen ist eine große Arbeit, aber es ist nicht genug. Das Gleichnis zeigt uns sehr<br />

schön, daß alles verloren geht, wenn dieses unbekannte Erzeugnis des Mannes und des Ba nicht zum Leben kommt.<br />

Der Ba reißt den Schleier von den Augen des Lebensmüden. Während er über Begräbnisriten und die Eifersucht an<strong>der</strong>er Bas schwatzt,<br />

ist das Ergebnis seines ganzen Lebens in Gefahr und geht sicherlich verloren, wenn er nicht aufwacht, bevor es zu spät ist.<br />

Aber trotzdem endet das Gleichnis nicht völlig pessimistisch. Erinnern wir uns daran, daß <strong>der</strong> Krokodilgott zur Zeit des lebensmüden<br />

Mannes eine ausgesprochen positive Gottheit war, <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Eigenschaft verstreute Stücke einzusammeln und wie<strong>der</strong> zu einem Ganzen<br />

zusammenzufügen. Der Ägyptologe Brugsch sagt, daß seine bildliche Bedeutung das Sich Zusammennehmen ist, nämlich ruhig und<br />

entspannt zu werden, wie<strong>der</strong> Mut zu fassen.<br />

Als Jung in Ostafrika ankam, näherte sich ihm am Bahnhof ein alter Siedler und fragte ihn, ob er neu in Afrika sei und von ihm einen

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