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Teil des Lebens annehmen muß. »Leiden ist das schnellste Pferd das zur Vollendung führt« sagt Meister Eckhart.<br />

Das Fortwerfen <strong>der</strong> Bücher hat eine un<strong>mit</strong>telbare Wirkung auf Beatrice. Sie sieht etwas wie ein entferntes Licht, ein mattes Glühen,<br />

weniger dunkel als seine Umgebung. Sie stolpert in diese Richtung. Zu ihrer Überraschung spürt sie jemanden neben sich gehen. Als<br />

sie fragt, wer er sei, antwortet er: »Dein Freund.« Obwohl sie froh ist nicht mehr allein zu sein, erwi<strong>der</strong>t sie trotzig »Ich habe keinen<br />

Freund.« Sie gehen in <strong>der</strong> Dunkelheit nebeneinan<strong>der</strong> her. Zuerst sind sie still, dann sagt er zu ihr, daß sie nur glaubt allein zu sein. Er<br />

sei immer da, sagt er, denn er sei ihr Schicksal, es sei nutzlos gegen ihn zu kämpfen, denn sie beide seien eins. Ohne Vorwurf zeigt er<br />

ihr, daß er manchmal von außen zu ihr kommt, so wie er es jetzt in dieser Gegenübertragung getan hat, die sie nicht annehmen will.<br />

Sie wendet ein, daß <strong>der</strong> Mann ihr so fremd ist, daß er sicherlich nicht ein Teil ihrer selbst ist. Er fragt sie: »Weißt du denn wer du<br />

bist?« Sie gibt zu, daß sie nie ihre Identität gekannt hat und manchmal denkt sie sei eine unbegreifliche Person <strong>mit</strong> einem<br />

unbegreiflichen Schicksal. Sogar als Kind wun<strong>der</strong>te sie sich oft darüber und sagte sich: »Da ist diese eigenartige Frau, Beatrice<br />

genannt. Wer ist sie wirklich?« Sie fragt ihn, ob sie <strong>mit</strong> ihm noch durch viel mehr Leiden gehen müsse. Er antwortet: »Aber nun weißt<br />

du, daß wir zusammengehören, das vermin<strong>der</strong>t doch das Leiden und macht es erträglich.« Dann zitiert <strong>der</strong> Mann John Gower: »Bellica<br />

pax, vulnus dulce, suave malum«, »Ein kriegerischer Friede, eine süße Wunde, ein angenehmes Übel«.<br />

Beatrice hat sich nun eingestanden, daß sie selbst die Dunkelheit über sich gebracht hat, weil sie ihr äußeres Leiden abgelehnt und<br />

ihrem Geist-Mann die Schuld daran gegeben hat. Jung sagte, daß da wo die Männer durch Tatendrang überwinden, z. B. indem sie den<br />

Drachen töten, die Frauen durch Stillhalten und Annehmen ihrer Leiden siegen. Dies ist das letzte Mal, daß Beatrice ihr Schicksal<br />

bekämpft, von jetzt an akzeptiert sie ihr Leiden auf eine viel weiblichere Weise.<br />

Dieser neue Zustand <strong>der</strong> Annahme lässt das matte Licht ein wenig heller werden und allmählich erscheint eine geometrische Form. Sie<br />

fragt ihren Geist-Mann, ob das die Ansicht <strong>der</strong> achtblättrigen Blume von oben sei, das Kind ihrer Liebe, die Frucht von viel Qual und<br />

Schmerz. Er bejaht und sie sagt: »Alles ist in ihr eins geworden, du und ich, Innen und Außen.«<br />

Es ist ein großer Fortschritt, wenn Beatrice ihre Blume als Mandala sieht, die Vorlage die <strong>der</strong> Mensch immer benutzt hat um das<br />

Unfassbare auszudrücken, sei es Gott o<strong>der</strong> wie bei uns das Selbst genannt. Auch nimmt sie ihr ganzes Schicksal als eines wahr, sei es<br />

innen o<strong>der</strong> außen.<br />

Wie<strong>der</strong> ist sie sehr beeindruckt von <strong>der</strong> Wärme des Feuers, die ihr Mandala ausstrahlt, ohne sich selbst zu verzehren o<strong>der</strong> etwas zu<br />

verletzen. Als ihr Geist-Mann sagt, sie müsse durch dieses Feuer hindurchgehen, da<strong>mit</strong> sie feuerfest wird, d. h. fähig alles zu erdulden<br />

,willigt sie sofort ein. Er gibt ihr seine Hand und führt sie in das Feuer. Als sie die Hitze spürt, fürchtet sie sich, aber sie fühlt auch<br />

eine unbegreifliche Entschlossenheit hindurchzugehen, so sehr es auch weh tut, denn sie kann nicht so weitermachen wie bisher. Sie<br />

gehen auf <strong>der</strong> glühenden Asche und sind von Flammen umzingelt, die sie aber nicht verletzen, im Gegenteil, sie fühlt sich gebadet und<br />

vom Feuer durchdrungen als ob es all ihre Nichtigkeiten wegbrennen würde. Als sie im Zentrum des Feuers ist, wird sie ohnmächtig,<br />

sie sinkt jedoch nicht zu Boden, denn die ganze Zeit hat sie die Hand des Geist-Mannes gehalten. Langsam erkennt sie, daß diese Tat<br />

sie sehr stark gemacht hat und daß sie nicht länger dem Verfall unterworfen ist. Das erinnert sie an den Diamantkörper. Aber sie ist<br />

nicht mehr ganz darin, obwohl sie auch nirgendwo an<strong>der</strong>s ist und wie von außen beobachtet sie, wie ihr Geist-Mann eine an<strong>der</strong>e Frau<br />

im Zentrum umarmt und küsst. Als die beiden langsam und <strong>mit</strong> gesenkten Köpfen das Feuer verlassen, geht sie <strong>mit</strong> ihnen.<br />

Hier nimmt die Phantasie eine unerwartete aber sehr richtige Wendung. Das Ich kann sich nicht <strong>mit</strong> dem Selbst identifizieren ohne<br />

unheilvoll aufgebläht zu werden. Beatrice sieht das königliche Paar objektiv und sich selbst nur als Beobachterin, so wie Jung es in<br />

seinen Visionen sah, die er 1944 während seiner Krankheit hatte. Er sagt darüber: »Ich weiß nicht genau was für eine Rolle ich darin<br />

spielte. Im Grunde genommen war ich es selber, ich war die Hochzeit. Und meine Seligkeit war die einer seligen Hochzeit.« Es ist ein<br />

völliges Paradox, das Paar ist man selbst und ist es doch nicht und man kann sich nicht <strong>mit</strong> einem Teil davon identifizieren.<br />

Der Gang durch das Feuer ist die Bedingung vieler, wenn nicht aller Initiationsriten und es geschieht immer um Überflüssiges<br />

abzustreifen. Beatrice ist dabei, allmählich ihre Beziehung zum Unendlichen zu gestalten und ihr Gebundensein an Unwesentliches<br />

wegbrennen zu lassen. Im wirklichen Leben besteht das Feuer darin durch intensivstes Leiden zu gehen. Beatrice hat den Wert des<br />

Leidens schon eingesehen, als sie realisierte, daß die Dunkelheit sie ernährte und trug. Aber sie muß es natürlich in vielen<br />

verschiedenen Formen erleben, denn das Geheimnis <strong>der</strong> Ewigkeit liegt so sehr jenseits unseres Begreifens, daß wir nur durch die<br />

verschiedensten Erfahrungen ein Gefühl <strong>der</strong> Beziehung zu ihr bekommen. Daran das Beatrice die Bücher fortwerfen musste, sehen<br />

wir, daß die intellektuelle Wahrnehmung nicht mehr genügt.<br />

Sie spricht nochmals vom Mysterium <strong>der</strong> Liebe und von dem Schmerz den sie ihr bereitet. Aber was <strong>der</strong> Geist-Mann ihr über das<br />

Numinose erzählt, ganz gleich ob es ihr von außen o<strong>der</strong> von innen erscheint, ist sehr hilfreich für sie. Sie fühlte sich immer durch ihre<br />

außerordentliche Angst um ihren Gatten gestört, aber nun auch durch die scheinbare Sinnlosigkeit ihrer Gegenübertragung und die<br />

Fremdheit des Mannes, an dem sie entstanden ist. Für sie ist es in ihrer Introvertiertheit bedeutsam zu erfahren, daß es immer ihr<br />

Geist-Mann war, <strong>mit</strong> dem sie entwe<strong>der</strong> innerlich durchs Feuer ging o<strong>der</strong> dem sie in einer äußerlichen Projektion begegnete. Er sagt zu<br />

ihr, daß man im Feuer - sei es äußerlich o<strong>der</strong> innerlich - sein Grundmuster nicht sehen kann. Dafür braucht man die Distanz des

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