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Danach klagt Beatrice, daß ihre Gegenübertragung sie zutiefst stört. Sie kann ihren Sinn nicht einsehen, daher geht sie in den Wald<br />

und erzählt ihrem Geist-Mann wie traurig sie das macht. Sie beschuldigt ihn, daß er in dem betreffenden Mann erscheint und bittet ihn<br />

nicht so grausam zu sein.<br />

Wir sehen, daß sie ihre äußeren Sorgen mehr und mehr zu <strong>der</strong> Blume o<strong>der</strong> zu dem Geist-Mann trägt. Vierzehn Tage später geht sie in<br />

den von ihr sogenannten »Märchenwald« und ruft wie<strong>der</strong>holt nach ihm. Schließlich kommt er und geht <strong>mit</strong> ihr zur Blume. Sie stehen<br />

still davor, Hand in Hand, und »betrachten das große Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong> Einheit«. Sie fragt ihn, ob es ein Feuer gibt, das brennt ohne sich zu<br />

verzehren und alles in seiner Reichweite zu zerstören. Er sagt, sie solle die Blume ansehen und bezeugen wie hell und warm sie<br />

brennt, ohne sich selbst o<strong>der</strong> etwas an<strong>der</strong>es zu zerstören. Er erzählt ihr, daß die Blume das Symbol und das Kind ihrer Liebe und all<br />

<strong>der</strong> Liebe ist die sie jemals irgend jemandem gegeben hat. Dann schilt er sie, daß sie traurig ist und sagt, sie solle ihre<br />

Gegenübertragung fröhlich erdulden, weil sie zu ihrer Psyche gehört und richtig ist. Das macht Beatrice wütend und ärgerlich pocht<br />

sie auf ihr Recht, zu weinen und traurig zu sein. Sie wirft ihm Grausamkeit vor und sagt ihm ihre Liebe zu ihm habe sich in Hass<br />

verwandelt, daß er ein Monster sei und sie nichts mehr <strong>mit</strong> ihm zu tun haben wolle.<br />

Solche plötzlichen Umschwünge sind beim tiefen Eintauchen ins Unbewusste nicht ungewöhnlich. In einer schwierigen äußeren<br />

Situation verliert man auf einmal den Glauben an seine ganze Imagination o<strong>der</strong> man meint man habe alles künstlich zurechtgemacht.<br />

Nach meiner Erfahrung ist es die beste Art <strong>mit</strong> diesem Problem fertig zu werden, wenn ich daran denke wie objektiv mir die aktive<br />

Imagination in <strong>der</strong> Vergangenheit geholfen hat bis ich ihr langsam wie<strong>der</strong> vertrauen kann.<br />

Aber manchmal tut das Unbewusste selbst etwas, um einen wie<strong>der</strong> zur Besinnung zu bringen und das geschieht Beatrice hier. Sie kann<br />

die Phantasie nicht abschütteln, so sehr sie es auch versucht, sie ist immer noch im Wald, aber er ist stockdunkel geworden. Die<br />

Blume und ihr Geist-Mann sind verschwunden, sie fürchtet sie könnte in einen Abgrund fallen wenn sie in irgendeine Richtung<br />

weiterginge. In Verzweiflung sinkt sie nie<strong>der</strong>, aber es ist zu kalt um am Boden liegen zu bleiben. Sie beschließt langsam<br />

weiterzugehen, auch wenn sie in einen Abgrund fallen sollte, denn sie denkt, das könnte auch nicht schlimmer sein als ihre jetzige<br />

Furcht. Sie denkt an ihren Mann und an ihr Haus und kommt zu dem Schluss, daß sie alles durch die Liebe zu ihrem Geist-Mann<br />

verloren habe, eine Liebe, die sich nun in Hass verkehrt hat. Am tiefsten Grund ihrer Verzweiflung angekommen, beschuldigt sie<br />

sogar ihre schöne Blume <strong>der</strong> Täuschung, denn sie hatte behauptet ewig zu sein und war nun doch verschwunden.<br />

Beatrice ist »wie ein scheues Tier« auf <strong>der</strong> Flucht vor ihrem Zentrum. Aber eine solche Dunkelheit, wie sie sie nun erlebt, wurde von<br />

Johannes vom Kreuz die »dunkle Nacht <strong>der</strong> Seele« genannt. Was Beatrice vollkommen vergaß, sie selbst hat die Nacht über ihre Seele<br />

gebracht indem sie ihren Geist-Mann für all ihre Schwierigkeiten tadelte und es immer noch tut. Man fragt sich, ob nicht auch die<br />

alten Mystiker die dunklen Nächte <strong>der</strong> Seele über sich selbst gebracht und vergessen hatten, was sie selber getan haben. Jedes Unglück<br />

kann über eine Person hereinbrechen, die ihre eigene ursprüngliche Übertretung vergessen hat, bis sie sich daran erinnert und ihre<br />

Schuld erleidet. Aber Beatrice ist noch dabei ihre Schuld zu projizieren, deshalb bleibt die schwarze Dunkelheit bestehen.<br />

An diesem Punkt geschieht etwas sehr Wichtiges, sie merkt das ihr langsames Wan<strong>der</strong>n trotz <strong>der</strong> Dunkelheit gut geht und sie fragt<br />

sich überrascht: »Vielleicht trägt mich die Dunkelheit selbst«.<br />

Genau das hat sie in <strong>der</strong> äußeren Welt zu verwirklichen versäumt. Sie hat gegen das Leiden und die Dunkelheit ihrer<br />

Gegenübertragung rebelliert, sie konnte nichts Gutes darin sehen. Ihre Liebe zu ihrem Geist-Mann hat sich in Hass gewandelt, weil sie<br />

ihn verdächtigte, die grausame Ursache dafür zu sein und er ihr dann nicht einmal erlaubte darüber zu weinen. Wegen ihrer<br />

Introvertiertheit ist es natürlich nicht leicht für sie einen Wert im äußeren Leiden zu finden. Das Unbewusste tut recht oft das was es<br />

Beatrice angetan hat, es schafft die abgelehnte Niedrigkeit und Dunkelheit innerlich, so daß Beatrice nun wahrnehmen kann, daß sie in<br />

Wirklichkeit von ihr ernährt wird.<br />

Aber sie ist immer noch sehr einsam und fürchtet die Situation könnte sich nie mehr än<strong>der</strong>n. Sie fragt sich, ob Reue die Beziehung<br />

wandeln und sie wie<strong>der</strong> so gut wie vorher machen könnte. Dann fährt sie fort: »Aber ich kann nicht bereuen, er hat mich zu sehr<br />

verletzt. Warum sollte ich bereuen? Ich kann ihn nicht wie<strong>der</strong> lieben und doch habe ich alles verloren das ich bei ihm hatte. Ich weiß,<br />

daß er mein Gott war, mein Licht und meine Wärme, aber er war auch meine Qual und meine Verzweiflung. Deshalb kann ich ihn<br />

nicht mehr lieben. Mir ist diese Dunkelheit lieber.«<br />

Dann stößt sie <strong>mit</strong> ihrem Fuß gegen etwas Hartes und als sie die Arme ausstreckt berührt sie eine merkwürdige Bücherwand. Sie wirft<br />

die Bücher eins nach dem an<strong>der</strong>en fort und stolpert über sie hinweg.<br />

Offenbar ist Beatrice an den Ort gekommen, wie er von den Alchemisten beschrieben wird: »Zerreißt die Bücher, da<strong>mit</strong> eure Herzen<br />

nicht brechen.« Bücher lesen - »ein Buch öffnet das an<strong>der</strong>e« - wird in <strong>der</strong> Alchemie immer wie<strong>der</strong> als ein Weg par excellence<br />

empfohlen, um »unsere Kunst« zu verstehen, aber plötzlich ist alles, was Beatrice aus zweiter Hand gelernt hat zu einem Hin<strong>der</strong>nis<br />

geworden. Nur die eigene Erfahrung ist Lebensnotwendig, denn <strong>der</strong> eigene Weg ist immer einzigartig, obwohl bis zu einer späten<br />

Stufe des Individuationsprozesses Bücher über die Erfahrungen an<strong>der</strong>er Menschen einem den Weg zeigen können. Jetzt kann Beatrice<br />

sich nur an die Tatsache halten, daß sie die Dunkelheit als tragend erlebt hat und das sie deshalb ihr ganzes Leiden als notwendigen

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