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Der Osten war immer davon überzeugt, daß die inneren Bemühungen eines Individuums einen Einfluss auf dessen ganze Umgebung<br />

haben, aber dieser Gedanke scheint für den Westen schwer begreiflich zu sein. Ich erinnere den Leser an Wilhelms Geschichte vom<br />

Regenmacher, die ich im ersten Kapitel erzählt habe. Ich möchte ihn aber auch an das erinnern was Jung sagte als er nach <strong>der</strong><br />

Möglichkeit eines Atomkrieges gefragt wurde. Er meinte, das hänge davon ab wie viele Individuen die Spannung <strong>der</strong> Gegensätze in<br />

sich selbst aushalten können. Nichts kann uns besser helfen, diese Spannung zu ertragen, als die aktive Imagination und ich bin sicher,<br />

daß die totale Anstrengung <strong>der</strong> Edward sich in seiner Imagination unterwarf, eine wohltuende Wirkung mehr als nur auf ihn selbst<br />

hatte.<br />

3 Das Unbewusste bereitet auf den Tod vor: Der Fall Beatrice<br />

Der Fall Beatrice ist ein fortgeschritteneres Beispiel für die aktive Imagination als das vorhergehende. Es zeigt, daß diese Form <strong>der</strong><br />

aktiven Meditation diejenigen, die sie korrekt anwenden auf unerwartete Krisen vorbereiten kann, sogar auf den Tod selbst. Das<br />

folgende Material stammt aus den letzten sieben Monaten vor Beatrices Tod und zeigt wie sie allmählich zum Zentrum hingezogen<br />

wird und wie sie den Standpunkt des Ego verlässt und lernt den Standpunkt des Selbst anzunehmen.<br />

Beatrice war viele Jahre lang in Analyse gewesen und konnte sich schon sehr erfolgreich selbst analysieren. Es war ihr nicht bestimmt<br />

ein langes Leben zu haben. Jung hatte ihren Analytiker gewarnt, daß er glaube ein früher Tod sei bei ihr sehr wahrscheinlich und<br />

tatsächlich erreichte sie nur ein Alter von Mitte 50.<br />

Beatrice hatte schon sehr viel aktive Imagination praktiziert bis zu dem Zeitpunkt, da unser Material beginnt, sie erlebte sie immer<br />

mehr als eine Zuflucht wenn die Dinge verkehrt liefen. Dabei handelte es sich um Schwierigkeiten die typisch waren für eine<br />

verheiratete Frau ihres Alters. Ihre Kin<strong>der</strong> wurden erwachsen und gingen aus dem Haus, wodurch die Probleme <strong>mit</strong> ihrem Mann<br />

natürlich größer wurden als es bisher <strong>der</strong> Fall war. Sie hatte ihn außerordentlich gern, neigte aber dazu sich mehr Sorgen als nötig um<br />

ihn zumachen. Auch wurde sie ziemlich stark von unbegründeter Eifersucht gequält, obwohl sie die rettende Tugend besaß sich dieser<br />

Tatsache bewusst zu sein. Sie war das, was Jung »die Enthaltende« in einer Ehe nennt. In seinem Aufsatz »Die Ehe als psychologische<br />

Beziehung« definiert er den Enthaltenden als denjenigen Partner in <strong>der</strong> Ehe, <strong>der</strong> die meisten Facetten hat und dessen Gefühle nicht<br />

völlig innerhalb <strong>der</strong> Ehe aufbewahrt werden o<strong>der</strong> als den Partner, <strong>der</strong> »aus dem Fenster schaut«. In ihrer eigenen Praxis neigte<br />

Beatrice ebenfalls dazu, Gegenübertragungen zu ihren männlichen Analysanden zu entwickeln und eine davon machte ihr Sorgen, <strong>mit</strong><br />

denen unser Material beginnt.<br />

Beatrice hatte einen sehr positiven Animus, <strong>der</strong> sie in <strong>der</strong> aktiven Imagination führte, außer ihm wurde das Bild einer Blume in einem<br />

tiefen Wald immer wichtiger für sie. Dies ist ungefähr <strong>der</strong> Ausgangspunkt unseres Materials. Sie spricht diese Blume an:<br />

Du, wun<strong>der</strong>bare Blume aus Silber und Gold, bist wie eine leuchtende Mitte in mir, aus <strong>der</strong> heraus ich leben lernen kann. Ich kann<br />

nicht mehr aus mir selber leben, son<strong>der</strong>n muß aus diesem an<strong>der</strong>en Zentrum leben, wo mein Geist-Mann auch lebt. Das Geheimnis <strong>der</strong><br />

Blume vereinigt mich <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Zeitlosigkeit, sogar <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Ewigkeit.<br />

Es ist klar, daß diese Blume für Beatrice das Symbol des Selbst ist. Sie ist das Zentrum das sie zu sich hinzieht. Dieses Material zeigt<br />

uns wie treffend Jung das Zentrum in »Psychologie und Alchemie« beschreibt.<br />

Man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, als ob <strong>der</strong> Unbewusste Prozess sich spiralförmig um ein Zentrum bewege, dem er sich<br />

langsam annähert, wobei die Eigenschaften <strong>der</strong> »Mitte« sich immer deutlicher abzeichnen. Man könnte vielleicht auch umgekehrt<br />

sagen, daß <strong>der</strong> an sich unerkennbare Mittelpunkt wie ein Magnet auf die disparaten Materialien und Vorgänge des Unbewussten wirke<br />

und diese allmählich wie in ein Kristallgitter einfange .... Ja, es scheint als ob die persönlichen Verwicklungen und die subjektiven<br />

dramatischen Peripetien, welche das Leben und dessen ganze Intensität ausmachen, bloße Zögerungen, ängstliches Zurückweichen<br />

o<strong>der</strong> beinahe wie kleinliche Komplikationen und metikulöse Vorwände gegen die Endgültigkeit dieses seltsamen o<strong>der</strong> unheimlichen<br />

Kristallisationsprozesses wären. Des öfteren macht es den Eindruck als ob die persönliche Psyche wie ein scheues Tier, fasziniert und<br />

geängstigt zugleich, um diesen Mittelpunkt herumjage, immer fliehend und doch stets näherrückend.<br />

Beatrice versucht ihr Bestes um dieses Zentrum zu erreichen, von dem Jung spricht. Sie hofft sogar aus ihm zu leben, anstatt aus<br />

ihrem bewussten Ich. Doch scheut sie sich, wie wir alle, mehr davor als sie zugeben würde und wie wir sehen werden, läuft sie ab und<br />

zu vor ihm weg. Beatrice fährt fort:<br />

Die Blume ist das Haus, das ich für mich in Ewigkeit gebaut habe. Ich bin schon in dieses Haus eingezogen, da<strong>mit</strong> ich einen Platz<br />

habe wo meine Seele leben kann wenn mein Körper zerfällt. Es ist ein Stück des himmlischen Paradiesgartens.

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