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konnte. Mit großer Anstrengung hat Edward nun seine schöpferische Seite befreit, tatsächlich än<strong>der</strong>te sich seine Arbeit nach diesem<br />

Wendepunkt völlig. Sie wurde voller Leben und Farbe und erfreute sich wirklich an ihr, anstatt sie als Pflicht zu betrachten die erfüllt<br />

werden muß.<br />

Marie-Louise von Franz hat in ihr Buch »Spiegelungen <strong>der</strong> Seele« ein Kapitel über Dämonen unter dem Titel »Exorzismus von<br />

Teufeln o<strong>der</strong> Integration von Komplexen?« aufgenommen, in dem sie zeigt, daß die Integration immer <strong>der</strong> kritischste Punkt ist. Auf<br />

jeden Fall sollten wir Edwards Imagination unter diesem Gesichtspunkt betrachten. Die einzige Figur, die von ihm ganz integriert<br />

werden kann, ist offenbar <strong>der</strong> Bootsmann, <strong>der</strong> klar Edwards persönlicher Schatten ist. Er ist das genaue Gegenteil seiner bewussten<br />

Persönlichkeit und <strong>der</strong>jenige, den zu integrieren Edward am meisten Mühe hat. Aber wenn er seine animalische Natur annehmen kann<br />

wird ihn das zu einer viel vollständigeren und wirkungsvolleren Person machen. Das zeigt sich z. B. dort, wo Edward selber ständig<br />

ängstlich, sogar <strong>der</strong> Panik und Verzweiflung nahe ist, <strong>der</strong> Bootsmann aber jede Gefahr die ihnen begegnet hinnimmt und es immer<br />

fertig bringt ihr Boot ruhig und sicher durch jede Bedrohung zu steuern, sogar direkt in den Sturm und die Feuerwand hinein. Er<br />

übernahm jeden Befehl <strong>der</strong> Führerin und führte ihn <strong>mit</strong> Erfolg aus während Edward immer protestierte und tatsächlich erst am Schluss<br />

durch die Tatkraft <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Figuren zum glücklichen Ende kommt. So wäre es nach <strong>der</strong> Phantasie ganz klar Edwards erste und<br />

dringendste Aufgabe gewesen sich all die Qualitäten seines persönlichen Schattens zu eigen zu machen.<br />

Man kann seine eigene Kreativität nie ganz integrieren, vielmehr muss man <strong>mit</strong> ihr arbeiten und ihr jede Chance geben sich weiter zu<br />

entwickeln. Edward tut dies in <strong>der</strong> Phantasie, indem er die Hilfe des Buckligen annimmt und sich von ihm führen lässt, als er in <strong>der</strong><br />

Felsspalte stecken bleibt, innerlich tat er schongenau das was man auch in <strong>der</strong> äußeren Realität bei <strong>der</strong> schöpferischen Arbeit tun muß.<br />

Es ist auch bemerkenswert, daß Edward als er sich an seine ziemlich abstoßende Erscheinung gewöhnt hat, den Buckligen mag und<br />

ihm vertraut und seine Hilfe schätzt. Da gibt es keinen Abscheu wie er ihn gegen den Bootsmann hegt. Allerdings bemerkt er dessen<br />

Geschicklichkeit und Mut beim Steuern des Bootes, aber nur solange er verhüllt ist und er seine Person ignorieren kann. Wie ich im<br />

ersten Kapitel zeigte, war Edwards Fall recht ungewöhnlich insofern, als er auf das Anima Problem stieß bevor er den persönlichen<br />

Schatten assimiliert hatte.<br />

Im Unterschied zum persönlichen Schatten und zum schöpferischen Dämon haben wir auf <strong>der</strong> männlichen Seite auch die Gestalten<br />

des Teufels und des Feuergeistes. Der Teufel ist <strong>der</strong> große Versucher, Satan selbst, eine sehr archetypische Figur <strong>der</strong> Edward <strong>mit</strong><br />

Recht wi<strong>der</strong>steht. Diese Gestalt könnte er nicht ohne die schrecklichste negative Inflation assimilieren. Es ist sehr bezeichnend, daß<br />

<strong>der</strong> Teufel die einzige Figur ist, die immer dabei war, aber nicht am Bankett teilnimmt.<br />

Der Feuergeist ist ebenfalls eine sehr archetypische Figur die beim Festmahl abwesend ist. Er ist jedoch sehr positiv und wir erfahren<br />

beim Bankett von <strong>der</strong> Führerin, daß er Edward während <strong>der</strong> ganzen Reise geholfen hat, denn ohne ihn wäre sie nicht gut ausgegangen.<br />

(Er ist wirklich das Gegenstück zum Teufel, <strong>der</strong> auch sein Schatten genannt werden könnte.) Natürlich wäre Edward auf dieser Stufe<br />

seiner Entwicklung vollkommen unfähig sich <strong>mit</strong> dem reinen Bösen zu befassen. Edward fürchtet sich auch, wie wir gesehen haben,<br />

schrecklich vor dem Feuergeist, <strong>der</strong> ihm nur einmal erschienen ist. Später hören wir nur noch zweimal von ihm. Die Führerin erreicht<br />

von Vierauge mehr Achtung für Edward, als sie ihr sagt, <strong>der</strong> Feuergeist sei an seiner Suchfahrt interessiert, zum zweiten Mal wird er<br />

erwähnt als die Führerin sagt nur durch seine Hilfe habe Edward Erfolg gehabt.<br />

Wir finden dieselbe Spaltung zwischen positiven und negativen Figuren in <strong>der</strong> Odyssee bei den höchsten Vertretern die Homer die<br />

Unsterblichen o<strong>der</strong> Götter nennt. Poseidon spielt während des ganzen Epos eine negative Rolle, die eine Parallele zur Rolle des<br />

Teufels in Edwards Phantasie ist. Gerade so wie Edward ohne die Hilfe des Feuergeistes kein Glück auf seiner Fahrt gehabt hätte,<br />

hätten auch Telemachos o<strong>der</strong> sogar Odysseus selber niemals ohne die Hilfe <strong>der</strong> positiven Götter Erfolg gehabt. Zeus selbst sagt am<br />

Anfang, daß Poseidon, <strong>der</strong> Odysseus <strong>mit</strong> unversöhnlichem Hass verfolgt, sich auf die Dauer nicht »gegen den vereinten Willen <strong>der</strong><br />

unsterblichen Götter« stellen kann. Er hätte jedoch möglicherweise für immer an seinem Hass festhalten können, hätte Odysseus nicht<br />

Hilfe von den Unsterblichen erhalten. Zeus interveniert in sehr sichtbarer Art durch Hermes und Pallas Athene während <strong>der</strong> positive<br />

Aspekt des Selbst in Edwards Imagination gänzlich im Hintergrund wirkt, außer bei seiner Erscheinung im Sturm und wir erfahren nur<br />

durch die Führerin beim Festmahl was er für Edward getan hat.<br />

Dieser Unterschied macht es dem mo<strong>der</strong>nen Menschen viel schwerer eine Beziehung zum Selbst zu bekommen, als es für die alten<br />

Griechen war sich auf ihre Götter zu beziehen. Tatsächlich können wir oft nur durch die Parallelen in den alten Mythen sehen wie sehr<br />

uns das Unbewusste hilft, denn auf jeden Fall scheint es heute viel unsichtbarer als in <strong>der</strong> Antike zu wirken. Dies deshalb, weil <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>ne Mensch sein Leben nicht mehr auf die Ordnung des Unbewussten gründet, so wie beispielsweise die alten Ägypter und<br />

Griechen ihr Leben auf die Ordnung ihrer Götter gründeten. Wir glauben, daß wir bewusst unsere eigene Ordnung errichten können,<br />

obwohl <strong>der</strong> Zustand <strong>der</strong> Welt uns heute eigentlich davon überzeugen sollte, daß dies die dümmste Illusion ist. Daher ist eine Gestalt<br />

wie Edwards Feuergeist gezwungen, unsichtbar zu wirken, denn wie wir gesehen haben gerät Edward nur in Panik, wenn eine solche<br />

Figur sich offen zeigt.<br />

Das Selbst ist so unendlich viel größer als das Ich, daß keine Rede davon sein kann es zu integrieren. Jung sah das Selbst sowohl als<br />

individuell, sogar als einzigartig an, wie auch als universal und als zentralen übergeordneten Archetyp des kollektiven Unbewussten.

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