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keinen Grund wissen?<br />

Wenn wir einmal die Existenz dieser unbekannten Seite unserer selbst zur Kenntnis genommen haben, ist Theorie allein nicht mehr<br />

überzeugend; dann wird es, natürlich wichtig, etwas über das Unbekannte in uns selbst zu erfahren. Während Jung selber <strong>mit</strong> dieser<br />

Aufgabe beschäftigt war - eine wahre Herkulesarbeit -, entdeckte er die Technik, die er »aktive Imagination« nannte und von <strong>der</strong><br />

dieses Buch handelt.<br />

Ich sage <strong>mit</strong> Bedacht entdeckte, nicht erfand, denn aktive Imagination ist eine Form <strong>der</strong> Meditation, die die Menschheit wenigstens<br />

seit <strong>der</strong> Morgendämmerung <strong>der</strong> geschichtlichen Überlieferung, wenn nicht noch früher, angewendet hat, um Gott o<strong>der</strong> die Götter zu<br />

erfahren. Sie ist, <strong>mit</strong> an<strong>der</strong>en Worten, eine Methode, das Unbekannte zu erforschen, sei es, daß wir uns das Unbekannte als einen<br />

äußeren Gott, als ein unermesslich Unendliches denken, o<strong>der</strong> daß wir wissen, wie wir ihm begegnen können, indem wir uns selbst in<br />

einem vollkommen. inneren Erlebnis betrachten.<br />

So wie Jesus sagte: „ Das Himmelreich ist in euch«, nicht irgendwo außerhalb jenseits des Himmels.<br />

Der östliche Mensch erfasst diese Wahrheit viel besser als wir. Er spricht vom allumfassenden und vom persönlichen Atman als ein<br />

und <strong>der</strong>selben Sache, und er sagt von Purusha, daß er als Däumling im Herzen jedes Menschen wohnt und doch das All bedeckt und<br />

»kleiner als klein und größer als groß« ist. Im selben Sinne wurden die Begriffe Mikrokosmos und Makrokosmos früher allgemein in<br />

<strong>der</strong> westlichen Welt verstanden.<br />

Natürlich sind die Träume die Boten des Unbewussten par excellence. Aber Träume benutzen eine symbolische Sprache, die sehr<br />

schwer zu verstehen ist. Dies trifft beson<strong>der</strong>s auf unsere eigenen Träume zu, die uns immer etwas erzählen, was wir nicht wissen und<br />

was gewöhnlich das Letzte ist, das wir erwartet hätten. Als Jung nach seinem Bruch <strong>mit</strong> Freud dem Unbewussten allein<br />

gegenüberstand, hatte er viele Träume.<br />

Zu <strong>der</strong> Zeit konnte er jedoch die wenigsten von ihnen verstehen, tatsächlich dauerte es Jahre, bis ihr Sinn offenbar wurde.<br />

Früher, als Jung noch <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Freudschen. Technik <strong>der</strong> Traumdeutung experimentierte, <strong>mit</strong> ihrer gefälligen Erklärung, daß je<strong>der</strong><br />

Traum eine Wunscherfüllung ist, die vom Zensor unverständlich gemacht wird, da<strong>mit</strong> unser Schlaf nicht gestört wird usw. , dachte er<br />

wie alle Psychologen dieser Zeit, <strong>der</strong> Patient werde nach Beendigung <strong>der</strong> Analyse in angemessener Fühlung <strong>mit</strong> dem Unbewussten<br />

bleiben, indem er »seine Träume versteht«. Erst als er selber <strong>mit</strong> so vielen eigenen Träumen konfrontiert war, die er nicht verstehen<br />

konnte, erlebte er, wie vollkommen unzulänglich die Methode wirklich war und war deshalb gezwungen weiterzusuchen. Er sagt von<br />

dieser Zeit, daß alles was er besaß um seinen Patienten zu helfen, »einige theoretische Vorurteile von zweifelhaftem Wert« waren.<br />

»Der Gedanke, daß ich die abenteuerliche Unternehmung, in die ich mich verstrickte, schließlich nicht nur für mich persönlich,<br />

son<strong>der</strong>n auch für meine Patienten wagte, hat mir in mehreren kritischen Phasen mächtig geholfen.«<br />

Für den unvorbereiteten Leser mag es schwierig sein zu verstehen, warum die Begegnung <strong>mit</strong> dem Unbekannten in uns selbst ein<br />

»gefährliches Abenteuer« sein soll. Nur die Erfahrung kann uns lehren, was für ein erschreckendes Unternehmen es ist sich von den<br />

vertrauten Angelegenheiten unserer bewussten Welt abzuwenden und dem gänzlich Unbekannten <strong>der</strong> inneren unbewussten Welt<br />

gegenüberzutreten. Als Jung dies zum ersten Mal tat, war er entsetzt zu sehen, daß die Erscheinungen die er sah und hörte, den<br />

Phantasien sehr ähnlich waren, von denen seine Patienten in <strong>der</strong> Nervenheilanstalt Burghölzli überfallen wurden. Zuerst fürchtete er;<br />

sie könnten ihn genauso überwältigen, und lebte monatelang <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Angst vor dem drohenden Wahnsinn. Die Ursache dafür war die<br />

sich wie<strong>der</strong>holende Vision großer Teile Europas, die von einem Meer von Blut bedeckt waren. Erst im August 1914 als <strong>der</strong> Krieg<br />

ausbrach (in den alle Län<strong>der</strong> hineingezogen wurden, die er vorher in Blut getaucht gesehen hatte), realisierte er, daß seine Visionen<br />

von 1913 eine Vorwarnung des Ersten Weltkrieges waren und sich nicht auf seine eigene Psychologie bezogen. Hierdurch vom<br />

schrecklichen Alpdruck möglichen Wahnsinns befreit, konnte er sich ruhig und objektiv dem Inhalt seiner Visionen zuwenden. Dort<br />

entdeckte er das erfahrungsmäßige Vorhandensein nicht nur des persönlichen Unbewussten, dessen auch Freud und Adler völlig<br />

gewahr waren, son<strong>der</strong>n -dahinter- auch des kollektiven Unbewussten <strong>mit</strong> seinen Archetypen und unbegrenzten Möglichkeiten. Diese<br />

innere Welt ist genauso wirklich wie die äußere Welt, <strong>mit</strong> <strong>der</strong> wir vertraut sind, sie ist tatsächlich noch wirklicher, denn sie ist<br />

unendlich und ewig, än<strong>der</strong>t sich nicht und zerfällt nicht, wie es die äußere Welt dauernd tut. Für diejenigen, die sich an die Welt vor<br />

1914 erinnern, ist die jetzige Welt so völlig verän<strong>der</strong>t, daß sie überhaupt eine an<strong>der</strong>e Welt zu sein scheint.<br />

Jung sagte mir einst das Unbewusste selbst sei nicht gefährlich. Es gäbe nur eine wirkliche Gefahr, meinte er, aber das sei eine sehr<br />

ernste: Panik! Die Angst die jemanden ergreift, wenn ihm etwas ganz Unerwartetes wi<strong>der</strong>fährt o<strong>der</strong> wenn er anfängt sich vor dem<br />

Verlust seines Haltes in <strong>der</strong> bewussten Welt zu fürchten, kann ihn so verstören, daß es kein Wun<strong>der</strong> ist, wenn so wenige Menschen<br />

sich auf diese Aufgabe einlassen. Es ist allerdings nötig sehr sichere Wurzeln zu haben und in <strong>der</strong> äußeren Welt fest verankert zu sein,<br />

bevor ein solcher Versuch gewagt werden kann. Wir müssen daran denken, daß Jung ein verheirateter Mann war <strong>mit</strong> mehreren<br />

Kin<strong>der</strong>n, einem eigenen Haus und Garten am See und <strong>mit</strong> ungewöhnlichem Erfolg in seinem Beruf, als er seine eigene »Begegnung<br />

<strong>mit</strong> dem Unbewussten« unternahm. In seinen »Erinnerungen« wies er darauf hin, daß Nietzsche dieselbe Reise machte, als er »Also<br />

sprach Zarathustra« schrieb und dabei weggeblasen wurde wie ein Blatt, weil er we<strong>der</strong> Wurzeln noch Verpflichtungen in <strong>der</strong><br />

Außenwelt hatte.<br />

Die Angst, die uns vor dieser Reise ins Unbekannte zurückschrecken lässt und die sie wirklich .zu einem »gefährlichen Abenteuer«<br />

macht, ist die Furcht, von den Inhalten des Unbewussten überschwemmt zu werden. An und für sich sind sie nicht gefährlicher als die

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