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goldener Schmetterling auf <strong>der</strong> Hand <strong>der</strong> Führerin nie<strong>der</strong>. Nach einer Weile flattert er fort und die Führerin befiehlt dem Bootsmann<br />

ihm zu folgen. Zuerst bleiben sie in undurchdringlicher Dunkelheit, dann erscheint ein schwaches Licht am Horizont. Sie treffen auf<br />

ein »märchenhaftes Bild«, eine Insel <strong>mit</strong> den schönsten Blumen die man sich vorstellen kann. Zu Edwards Schrecken fahren sie an<br />

diesem himmlischen Ort vorbei, sein Protest wird von <strong>der</strong> Führerin beiseite geschoben, die zu ihm sagt er solle sich an dem schönen<br />

Anblick trösten und sich von ihm ermutigen lassen, denn erst muß die lange Reise <strong>mit</strong> ihren vielen Abenteuern beendet sein, bevor sie<br />

es verdient haben in solcher Schönheit zu landen.<br />

Vollkommen erschöpft erhält Edward Brot, geräuchertes Fleisch und Wein von <strong>der</strong> Führerin, die ihm erlaubt, <strong>mit</strong> dem Kopf auf ihrem<br />

Schoß in einen tiefen Schlaf zu fallen. Er wird von einem heftigen Gewitter geweckt und ist entsetzt als sie direkt in seine Richtung<br />

steuern. Das Wasser wird rötlichgelb und plötzlich schießt wie aus einem Vulkan ein riesiger Flammenblitz in die Luft und bildet eine<br />

Wand vor ihnen. In dem blendenden, weißglühenden Zentrum dieser Flammenwand erscheinen zwei Sterne die zu Augen werden.<br />

Diese blauen Augen die Edward anstarren, gehören dem Geist des Feuers, Wassers, Windes und Eises. Edward wirft sich in Panik auf<br />

den Boden des Bootes und schreit: »Wir brennen! Wir stehen in Flammen!« Aber die Feuerwand hebt sich gerade hoch genug, daß<br />

das Boot unter ihr hindurchfahren kann wie durch eine »Welle von Hitze, Licht und Dampf«.<br />

Man kann dies <strong>mit</strong> dem Erlebnis des Telemachos vergleichen. Meistens begegnet ihm Pallas Athene als ein hilfreiches Menschliches<br />

Wesen, aber als sie als Unsterbliche erscheint, ist Telemachos beinahe so erschrocken wie Edward. Man sieht das beson<strong>der</strong>s gut in <strong>der</strong><br />

Szene, wo Telemachos seinen Vater in <strong>der</strong> Hütte des Schweinehirten trifft. Athene verwandelt Odysseus aus seiner Verkleidung als<br />

schmutziger alter Bettler in eine solch herrliche Gestalt, daß Telemachos nicht glauben kann, dies sei wirklich sein Vater. Er ist sicher,<br />

daß Odysseus ein übermächtiger Unsterblicher ist. Es braucht lange Überredung um Telemachos von <strong>der</strong> Identität des Mannes zu<br />

überzeugen. Wenn man die Odyssee nochmals liest, sieht man, daß <strong>der</strong>selbe Schrecken zuzeiten sogar beim heldenhaften Odysseus<br />

auftritt. Schließlich sagt uns auch die Bibel, daß »die Furcht Gottes <strong>der</strong> Anfang <strong>der</strong> Weisheit« ist. Deshalb können wir nicht überrascht<br />

sein, wenn Edward sich vor <strong>der</strong> Erscheinung des Feuergeistes entsetzt.<br />

Er fühlt sich tatsächlich so schwach als wäre er durch eine lange Krankheit gegangen, aber die Führerin gibt ihm einen Trank, <strong>der</strong><br />

durch seine müden Glie<strong>der</strong> fährt und ihm neue Kraft gibt. Dann bricht die Führerin in Jubel darüber aus, was sie durchgestanden<br />

haben und sagt, daß sie hier endlich atmen kann, sie ist in ihrem Element und fühlt sich vom »tödlichen Gefängnis seiner Bordell<br />

Phantasie« befreit. Sie freut sich auch darüber, daß <strong>der</strong> Geist Edward anschaute als habe er eine Aufgabe für ihn. Edward findet das<br />

noch erschrecken<strong>der</strong>, denn diese Gestalt ist »so gigantisch, so brennend, er wäre mein Tod«. Die Führerin gibt zu, daß er gefährlich<br />

ist, ermahnt Edward, daß er sich ihm in keiner Weise wi<strong>der</strong>setzen solle und versichert ihm, daß wenn er sich ihm <strong>mit</strong> aller Demut<br />

<strong>der</strong>en er fähig sei hingebe, ihm eine Kraft geschenkt würde, die er nie selber finden könnte. Sie sagt weiter, daß dieser große<br />

Feuergeist Menschen sucht um sich selbst in <strong>der</strong> äußeren Welt auszudrücken.<br />

Obgleich diese aktive Imagination vollendet wurde, lange bevor Jung seine »Erinnerungen« schrieb, finden wir hier denselben<br />

Gedanken den Jung bei <strong>der</strong> Analyse seines Traumes vom Yogi aussprach, <strong>der</strong> seine Züge trug und den er als schlafend und sein<br />

Erdenleben träumend fühlte. O<strong>der</strong> schreibt Jung: »Man könnte auch sagen es nimmt menschliche Gestalt an, um in die<br />

dreidimensionale Existenz zu kommen, wie wenn sich jemand in einen Taucheranzug kleidet, um ins Meer zu tauchen. In <strong>der</strong><br />

irdischen Gestalt kann es die Erfahrungen <strong>der</strong> dreidimensionalen Welt machen und sich durch größere Bewusstheit um ein weiteres<br />

Stück verwirklichen.«<br />

Edward spürte, daß es ihn ganz zerstören würde, dieser gigantischen flammenden Gestalt zu dienen, während die Führerin meinte, dies<br />

sei die größte Ehre die ihm zuteil werden könnte. Der Feuergeist ist offensichtlich die erste Erscheinung des Selbst und Edward ist vor<br />

die Aufgabe gestellt, die von Meister Eckhart so hoch gepriesen wurde, nämlich seinen eigenen Willen aufzugeben, da<strong>mit</strong> Gottes<br />

Wille o<strong>der</strong> in psychologischer Sprache das Selbst an seine Stelle treten kann.<br />

In einem langen Gespräch zwischen Edward und <strong>der</strong> Führerin erfahren wir, daß sie dachte er habe bei den Aufgaben <strong>der</strong> ersten<br />

Lebenshälfte völlig versagt und sie macht ihm schwere Vorwürfe deswegen. Er ist gekränkt, eine Haltung die vom Teufel tüchtig<br />

unterstützt wird und er versucht erfolglos den Spieß gegen die Führerin umzudrehen. Edward erfährt, daß er sie ins Bordell gesperrt<br />

hatte, weil die einzigen Phantasien, die er sich je erlaubte, von pornographischer Art waren. Sie hatte auf jede Art versucht ihn zu<br />

erwecken und ihn endlich zum Leben zu bringen. Schließlich, als letzten verzweifelten Versuch, hat sie ihn impotent gemacht. Edward<br />

ist entsetzt darüber, aber am Ende überzeugt sie ihn, daß es seine einzige Chance ist, wenn er aus <strong>der</strong> zweiten Lebenshälfte das Beste<br />

zumachen versucht, daß er alle Gefahren <strong>der</strong> Welt, die sie ihm gebracht hat, annimmt und das Beste da<strong>mit</strong> anfängt.<br />

Bis jetzt, außer beim Auswechseln <strong>der</strong> Fackeln, hatte Edward keinen aktiven Anteil in <strong>der</strong> Phantasie. Die Gefahren auszuhalten war<br />

alles was von ihm verlangt wurde, aber jetzt als er das Licht auswechselt, übergibt ihm <strong>der</strong> verhüllte Bootsmann eine an<strong>der</strong>e Fackel<br />

und ein Paar hohe Stiefel. Die Führerin verkündet ihm, daß er nun ganz auf sich gestellt eine Aufgabe übernehmen müsse. Er soll eine<br />

gefangene Frau aus einer Höhle befreien, die sich auf <strong>der</strong> Insel befindet, die sie gerade erreicht haben. Sie erschreckt Edward noch<br />

mehr indem sie sagt, daß er sofort <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Peitsche die sie ihm gibt, auf die Schlangen einschlagen müsse und daß das Feuer <strong>der</strong><br />

Fackel dazu dient die an<strong>der</strong>en Tiere abzuschrecken. Obwohl er sich ängstlich und ungenügend ausgerüstet fühlt, beschließt er zu

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