begegnungen-mit-der-seele.pdf
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gewinnen. Er suchte eifrig nach einem Ausgangspunkt <strong>mit</strong> dem er beginnen könnte, als er sich an einen früheren Traum erinnerte <strong>der</strong><br />
direkt von seinem Problem handelte. Er erzählte den Traum wie folgt:<br />
Ich wan<strong>der</strong>e in einer unbekannten großen Stadt herum wo ich mich plötzlich in einem Bordell wie<strong>der</strong>finde. Zuerst bin ich in einer Art<br />
Eingangshalle, einer Bar, wo ich <strong>mit</strong> zwei hübschen jungen Prostituierten flirte. Dann kommt eine Frau von ganz an<strong>der</strong>er Art zu mir.<br />
Sie ist außerordentlich schön, <strong>mit</strong> einem ernsthaften, intelligenten Ausdruck, ihre hohe gutgeformte Figur ist ganz in schwarze Seide<br />
gehüllt. Ihr kohlschwarzes Haar ist streng nach hinten gekämmt und ihre schwarzen Augen funkeln. Sie senkt ihre Augen bis sie<br />
meine trifft, hebt langsam ihr Glas, als wolle sie auf meine Gesundheit trinken und sagt: A bientot.<br />
Edward begann seine aktive Imagination, indem er die Situation genau dort aufnahm, wo sie im Traum endete. Ich werde die erste<br />
Episode vollständig zitieren, so daß <strong>der</strong> Leser einen Eindruck gewinnen kann, wie diese Unterredungen vor sich gehen und wie an<strong>der</strong>e<br />
Figuren versuchen hineinzukommen und den Faden des Gesprächs zu unterbrechen.<br />
Jung sagt von solchen Gesprächen: »Die Archetypen reden pathetisch und sogar schwülstig. Der Stil ihrer Sprache ist mir peinlich und<br />
geht gegen mein Gefühl, wie wenn jemand <strong>mit</strong> den Nägeln an einer Gipswand o<strong>der</strong> <strong>mit</strong> dem Messer auf dem Teller kratzt. Aber ich<br />
wusste ja nicht um was es ging. So hatte ich keine Wahl. Es blieb mir nichts übrig als alles in dem vom Unbewussten selbst gewählten<br />
Stil aufzuschreiben.« Als sich die Phantasie weiterentwickelte wurde dieser Stil Edward immer mehr aufgezwungen.<br />
Die erste Episode beginnt <strong>mit</strong> Edwards Reaktion auf den letzten Vorfall im Traum. Höchst erstaunt und beeindruckt von <strong>der</strong><br />
Erscheinung <strong>der</strong> Frau hebt er still sein Glas und trinkt auf ihre Gesundheit. Dann fährt er fort:<br />
Sie: »Was tun Sie hier?«<br />
Ich (verwirrt, stotternd): »Ich . . . also, wirklich : . . Ich kam hierher, ohne es zu wollen.«<br />
Sie (spöttisch): »Wenn man Ihre begehrlichen Blicke nach den jungen Mädchen beobachtet, ist man nicht ganz geneigt Ihnen zu<br />
glauben.«<br />
Ich: »Ja, ich denke, Sie haben recht, <strong>der</strong> Teufel hat mich wahrscheinlich hierher geführt. Aber was tun Sie hier? Sie sehen wirklich<br />
nicht so aus, als würden Sie zu diesem Haus gehören!«<br />
Sie (sehr ruhig und traurig): »Ich bin verhext, verflucht, ausgesetzt in dieser Hölle! (Seufzend) Wie viele Jahre habe ich in diesem<br />
Gefängnis schon gelitten. Ich muß hier warten bis ein Mann kommt, <strong>der</strong> mich befreien kann. (Schnell, <strong>mit</strong> zittern<strong>der</strong> Stimme.) Ich<br />
meine nicht materielle Befreiung, Heirat o<strong>der</strong> <strong>der</strong>gleichen. Nein, nein! Es muß jemand kommen <strong>der</strong> verschieden ist von all den<br />
an<strong>der</strong>en, die einfach körperliche Befriedigung suchen. Aber ist es wahrscheinlich, daß so einer in ein Bordell kommt?«<br />
Ich (bewegt, beschämt): »Das muß wirklich schrecklich für Sie sein. Und Sie sind auch verpflichtet hieran teilzunehmen?«<br />
Sie: » Ja, zu einem gewissen Grade.«<br />
Ich (erstaunt): »Und wie konnten Sie so schön und edel bleiben in diesem Dreckloch?«<br />
Sie (geheimnisvoll, fast flüsternd): »Ich habe spezielle Qualitäten und Möglichkeiten, Gifte und Gegen<strong>mit</strong>tel. Es ist nicht leicht mich<br />
herunterzubringen. (Mich <strong>mit</strong> blitzenden Augen anblickend.) Aber doch, wie muß ich mich fürchten und warten, wie sehr bin ich auf<br />
einen Mann angewiesen, <strong>der</strong> auf meiner Seite steht! Je mehr er mir zuhören würde, desto mehr könnte ich ihm geben. (Aufgeregt.)<br />
Aber wenn die Männer nur ihre pri<strong>mit</strong>ive animalische Seite <strong>mit</strong>bringen, dann kann ich nichts Rechtes <strong>mit</strong> ihnen anfangen und ich<br />
muß immer in diesem Gefängnis bleiben!«<br />
Ich (irgendwie ungläubig): »Ja, und was soll das sein?«<br />
Sie (eindrücklich): »Den Mann zu führen, wo er nichts sehen kann, ihn zu Dingen zu führen von denen er keine Ahnung hat!«<br />
(Die fremde, neue Qualität in dem, was sie sagt, ist schwer zu begreifen. Ich bin einen Augenblick lang müde und finde mich wie ich<br />
als Erholung begehrlich auf ihren schönen Körper starre <strong>mit</strong> seinem eng anliegenden Kleid aus schwarzer Seide.)<br />
Der Teufel (zu mir): »Das wäre nett, nicht? Ihr Geplapper ist reizend, aber wie viel reizen<strong>der</strong> wäre es sie nackend zu sehen! Frag sie,<br />
ob sie <strong>mit</strong> dir ins Bett geht! Schließlich bist du ja in einem Bordell, was?«<br />
Ich: »Sei ruhig! Du weißt, ich bin impotent.«<br />
Teufel: »Mach einen Versuch, vielleicht geht es bei ihr.«<br />
Ich (wütend): »Halt den Mund, du Biest.«<br />
Teufel (zischt): »Du bist ein Esel, dir den besten Bissen entwischen zu lassen.«<br />
Ich schüttle den Kopf.<br />
Teufel (wütend): »Keine Angst, ich will dich lehren.« (Geht hinaus.)<br />
Sie (unruhig): »Was ist plötzlich <strong>mit</strong> Ihnen los? Ihr Ausdruck ist so starr und das Glitzern in Ihren Augen gefällt mir gar nicht.« (Sie<br />
wendet sich ab <strong>mit</strong> Tränen in den Augen.) »Oh weh, wie traurig. Es geschieht das Übliche. Wie<strong>der</strong> verloren! Ins Gefängnis zurück!<br />
Und ich war so hoffnungsvoll! Ich hatte eine bessere Meinung von Ihnen.«<br />
Ich (außer Fassung, beschämt, ergreife ihren Arm und halte sie zurück): »Bitte verzeihen Sie mir, es überkam mich nur für einen<br />
Moment. Ich will mich zusammenreißen!«<br />
Sie (sich losmachend, ernst): »Wirklich? Sie müssen mehr Kontrolle über sich haben und nicht jedem Impuls nachgeben. Wenn Sie<br />
nicht fähig sind, Ihr Herz für einen Augenblick zu bezähmen, werden Sie meine Botschaft nie hören.«<br />
(Ich führe sie zu einem abseits stehenden Tisch und bestelle etwas zum Trinken.)