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Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>mit</strong> dem Unbewussten ekeln würde, es zeigt uns warum es klug ist den persönlichen Schatten so gründlich wie<br />

möglich zu kennen, bevor wir versuchen die entfernteren Gestalten in unserer Psyche zu sehen.<br />

Wir haben schon bemerkt, daß <strong>der</strong> Schatten das ganze Unbewusste repräsentieren kann, während es uns unbekannte persönliche<br />

Faktoren gibt, die dann <strong>mit</strong> dem archetypischen Schatten verschmolzen sind. Aber die nächste Gestalt, die uns nahe kommt, Animus<br />

o<strong>der</strong> Anima, hat nur einen persönlichen Aspekt und ist hauptsächlich eine Figur des kollektiven Unbewussten. Aus diesem Grunde<br />

können wir die Götter und Göttinnen <strong>der</strong> Odyssee als Animus und Anima Figuren verstehen. Die bewussten Gestalten wie Odysseus,<br />

Telemachos und Menelaos hatten ein viel doppeldeutigeres Verständnis <strong>der</strong> Menschheit und ihrer Götter, die gleichermaßen positiv<br />

und negativ waren. Erst <strong>mit</strong> dem Aufkommen des Christentums wurde allein das weiße Gegenstück akzeptiert, während das Dunkle<br />

mehr und mehr unterdrückt und schließlich <strong>mit</strong> dem Teufel gleichgesetzt wurde. Zu <strong>der</strong> Zeit war es eine nötige Entwicklung, aber sie<br />

führte zur Verdrängung des persönlichen Schattens und <strong>der</strong> gegenwärtigen Notwendigkeit ihn wie<strong>der</strong>zufinden.<br />

Die aktive Imagination kann von großem Nutzen sein um den persönlichen Schatten kennenzulernen und ihn vom kollektiven<br />

Schatten zu lösen, <strong>mit</strong> dem seine unbekannten Teile verschmolzen sind. Mit Hilfe <strong>der</strong> Träume ist es normalerweise gut möglich den<br />

persönlichen Schatten zu entdecken, denn sein Material ist, wenn auch schmerzhaft, nicht schwer wahrzunehmen. Wir kennen alle die<br />

positiven und die negativen Seiten des menschlichen Wesens, die zum persönlichen Bereich gehören. Wir können ebenfalls die<br />

Ansichten des Animus und die Stimmungen und an<strong>der</strong>en femininen Züge <strong>der</strong> Anima ohne allzu große Schwierigkeiten erkennen,<br />

obwohl auch das unangenehm sein kann. Aber wenn es zu einer echten Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>mit</strong> Animus o<strong>der</strong> Anima kommt, treten<br />

wir ins Unbekannte ein und die wirklichen Schwierigkeiten beginnen. Jung sagt sogar, nur jemand <strong>der</strong> diese Aufgabe erfolgreich<br />

bewältigt habe, könne sich »Meister« nennen.<br />

Es sollte aber, bevor wir fortfahren, erwähnt werden, daß obwohl die Arbeit am Schatten vom Ich-Bewusstsein geleistet werden muß,<br />

ihr erfolgreicher Abschluss durch den wir erst den Gestalten von Animus und Anima begegnen können, von <strong>der</strong> Ver<strong>mit</strong>tlung dieser<br />

beiden Figuren abhängt, sonst endet die Auseinan<strong>der</strong>setzung zwischen Schatten und Ich <strong>mit</strong> einem Stillstand anstatt <strong>der</strong> Vereinigung<br />

<strong>der</strong> Gegensätze. Man kann das sehr gut bei Robert Louis Stevenson's »Dr. Jekyll und Mr. Hyde« sehen. Das genaue Gegenteil ist in<br />

Emily Bronte's »Sturmhöhe« zu lesen, wo das Eintreten von Heathcliffs Anima, <strong>der</strong> älteren Catherine, den Stillstand zwischen den<br />

Gegensätzen auflöst.<br />

Bei <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>mit</strong> Animus o<strong>der</strong> Anima ist in <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Fälle die aktive Imagination die wertvollste Hilfe. Wir<br />

werden das ganz deutlich im Fall Edward (Kapitel 2) sehen, obwohl dieser Fall in bestimmter Hinsicht eine Ausnahme ist, weil die<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Anima <strong>der</strong> Arbeit am Schatten vorausgeht. Im Fall von Anna Marjula (s. Kap. 6) wird eine ähnliche<br />

Entwicklung dargestellt, denn bei <strong>der</strong> Arbeit an ihrem Animus mischt sich <strong>der</strong> Schatten immer dort ein wo sie ihn in ihrer Psyche noch<br />

nicht gesehen hat. Die Entwicklung zeigt auch sehr deutlich, daß die Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>der</strong> Frau <strong>mit</strong> ihrem Animus ebenfalls <strong>mit</strong><br />

einem Stillstand endet, wenn nicht die Hilfe des Selbst gesucht und gefunden wird. Alle Unterredungen Annas <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Großen Mutter<br />

zeigen die hilfreiche Rolle die diese Gestalt spielt, obgleich das Hauptthema die Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>mit</strong> einem beson<strong>der</strong>s<br />

zerstörerischen Animus ist. In Annas Fall zeigen ihre Gespräche <strong>mit</strong> dem Großen Geist eine ungewöhnlich gründliche<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>mit</strong> <strong>der</strong> positiven Seite des Animus, wie<strong>der</strong>um unterstützt von <strong>der</strong> Gestalt <strong>der</strong> Großen Mutter. Das wurde <strong>mit</strong><br />

einem einmalig friedlichen und glücklichen Lebensabend belohnt, obwohl die meisten Leute in ihren gegenwärtigen Umständen viele<br />

Gründe zur Klage finden würden. Trotzdem hat sie mir mehr als einmal geschrieben, daß sie glücklicher als zu irgendeiner früheren<br />

Zeit ihres Lebens sei. Obgleich noch viel mehr darüber zu sagen ist, denke ich es wird besser in Verbindung <strong>mit</strong> dem Material<br />

dargestellt wo es deutlicher und überzeugen<strong>der</strong> sein wird.<br />

2 Ein mo<strong>der</strong>nes Beispiel: Der Fall Edward<br />

Die erste Lebenshälfte sollte, wie Jung oft gesagt hat, <strong>der</strong> Verwurzelung des Menschen im äußeren Leben gewidmet werden. Es ist<br />

notwendig den Platz zu finden, an den man gehört und die äußeren Bedingungen (beruflich und privat) passend einzurichten, was im<br />

allgemeinen Heirat und Gründung einer Familie einschließt. Wenn man aber die Lebens<strong>mit</strong>te erreicht hat än<strong>der</strong>t sich die Richtung.<br />

Dann sollte man anfangen sich dem inneren Leben zuzuwenden, denn die zweite Lebenshälfte geht unausweichlich dem Alter und<br />

dem Tod entgegen. Um es einfach zu sagen, ist das Leben das Ziel <strong>der</strong> ersten Lebenshälfte, <strong>der</strong> Tod das Ziel <strong>der</strong> zweiten. Das<br />

Beispiel, das wir zuerst untersuchen wollen, ist eine lange aktive Imagination, die sich über ein Jahr erstreckte und harte Arbeit bis zur<br />

Vollendung erfor<strong>der</strong>te. Sie wurde von einem Schriftsteller von Anfang 40 unternommen. Zu diesem Zeitpunkt glaubte er, er habe ein<br />

Problem, das ganz <strong>mit</strong> <strong>der</strong> ersten Lebenshälfte zu tun hätte. Edward, wie wir ihn nennen wollen, litt unter dem zeitweiligen Auftreten<br />

von Impotenz, natürlich war er bereit alles zu versuchen was ihm helfen konnte. Er war jedoch schon über die Schwelle <strong>der</strong><br />

Lebens<strong>mit</strong>te hinaus und zudem ein ungewöhnlich nachdenklicher Mensch <strong>mit</strong> einer starken geistigen Bestimmung.<br />

Edward, <strong>der</strong> bei einem von Jungs Assistenten in <strong>der</strong> Analyse war, kannte Jung auch persönlich und hatte viele seiner Bücher gelesen.<br />

Deshalb war er sehr bereit es zu. versuchen, als ihm vorgeschlagen wurde, Erhellung seines Problems in <strong>der</strong> aktiven Imagination zu

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