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einem Bild zu bleiben. Lei<strong>der</strong> erlaubt mir <strong>der</strong> Platz nur die Vorstellung dieses einen Beispiels, aber es wäre möglich und sehr<br />

faszinierend das ganze Epos als Prototyp <strong>der</strong> aktiven Imagination zu behandeln. Es wäre natürlich nötig es als Prototyp zu nehmen,<br />

aus dem die spätere individuelle aktive Imagination hervorgeht. Auf keinen Fall würde die Odyssee für die individuelle Ausübung <strong>der</strong><br />

aktiven Imagination passen, so wie wir sie in späteren Kapiteln anhand von Beispielen zeigen werden, aber es könnte neue Einsichten<br />

bringen, sich auf diese Weise <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Dichtung zu befassen.<br />

Als er noch ein Junge war, beobachtete Telemachos, <strong>der</strong> Sohn von Odysseus und Penelope, wie die ehrlosen Freier seiner Mutter seine<br />

Erbschaft verschwendeten und glaubte hartnäckig, daß sein Vater tot sei. Der war bekanntlich <strong>der</strong> letzte <strong>der</strong> überlebenden Eroberer<br />

von Troja, <strong>der</strong> in die Heimat zurückkehrte, und sein Sohn, den er als Säugling zurückgelassen hatte, war ein Mann geworden, bis man<br />

etwas Genaues von Odysseus hörte. Dessen 19jährige Irrfahrt erregte schließlich das Mitleid <strong>der</strong> olympischen Götter, außer bei<br />

Poseidon, <strong>der</strong> den heldenhaften Odysseus bis zum Ende <strong>mit</strong> »unbarmherziger Bosheit« verfolgte.<br />

Aber als Poseidon fern bei den Äthiopiern weilte, entschied Zeus, daß es an <strong>der</strong> Zeit sei sich für Odysseus einzusetzen, er war sicher,<br />

daß Poseidon zum Nachgeben gebracht werden könne, denn er konnte sich nicht mehr gegen den vereinten Willen <strong>der</strong> Götter stellen.<br />

Das wurde begeistert von Zeus Tochter, <strong>der</strong> »helläugigen Athene«, aufgegriffen. Der Götterbote Hermes wurde zur Zauberin Kalypso<br />

gesandt, die Odysseus auf einer fernen Insel festhielt, um ihr zu sagen, daß sie ihren schon lange leidenden Gast freilassen müsse,<br />

denn es sei nun <strong>der</strong> Wille <strong>der</strong> Götter, daß er endlich nach Hause zurückkehren solle. Athene selbst übernahm die Aufgabe,<br />

Telemachos »ein wenig mehr Geist einzuflößen«, da<strong>mit</strong> er endlich die Freier zur Ordnung riefe und auf die Suchwan<strong>der</strong>ung ginge, um<br />

Nachrichten von seinem Vater zu bekommen, ungestört durch die Intrigen <strong>der</strong> Freier.<br />

Auf diese Weise inspiriert vertrieb Telemachos die Freier. Ohne Wissen seiner Mutter, aber <strong>mit</strong> <strong>der</strong> wi<strong>der</strong>strebenden Hilfe seiner alten<br />

Amme, brach er <strong>mit</strong> dem Schiff auf, das von <strong>der</strong> Göttin bereitgestellt und <strong>mit</strong> tapferen und treuen Jünglingen aus Ithaka bemannt war,<br />

um etwas über seinen Vater zu erfahren o<strong>der</strong> wenigstens zu hören, wie er sein Ende gefunden hatte.<br />

Zuerst kam Telemachos an den Hof von Nestor, dem Pferdezähmer, aber <strong>der</strong> konnte ihm nicht helfen, weil er als einer <strong>der</strong> ersten in<br />

die Heimat zurückgekehrt war und keine Nachrichten von den Zurückgelassenen hatte. Nestor sandte Telemachos weiter nach Sparta<br />

an Menelaos Hof, <strong>der</strong> ihm sicherlich mehr erzählen konnte. Einer von Nestors Söhnen fuhr ihn in einem Wagen dorthin, <strong>der</strong> von den<br />

beiden schnellsten von Nestors wun<strong>der</strong>baren Pferden gezogen wurde.<br />

Gastlich aufgenommen von Menelaos und seiner Frau Helena von Troja, um <strong>der</strong>entwillen <strong>der</strong> Trojanische Krieg ausgefochten worden<br />

war, wurde Telemachos sofort als <strong>der</strong> Sohn des Odysseus erkannt. Menelaos konnte nicht genug für ihn tun und obwohl er ihm wie<br />

Nestor keine direkten Neuigkeiten von seinem Vater <strong>mit</strong>teilen könnte, gab er ihm einige hilfreiche Informationen. Vor allem erzählte<br />

Menelaos ihm, wie er <strong>mit</strong> den Unsterblichen umgehen müsse, in unserer Sprache den Repräsentanten des Unbewussten o<strong>der</strong> den<br />

archetypischen Figuren, was für uns heute noch eine große Hilfe bei <strong>der</strong> aktiven Imagination sein kann.<br />

Menelaos berichtete Telemachos wie seine Anima ihn gelehrt hatte, <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Situation fertig zu werden, als er durch widrige Winde auf<br />

<strong>der</strong> Insel Pharos, unweit <strong>der</strong> Nilmündung festgehalten wurde. Er war auf dem Höhepunkt <strong>der</strong> Verzweiflung (so wie es uns manchmal<br />

passieren muß, bis wir uns <strong>der</strong> aktiven Imagination in ihrer unerbittlichen Wirklichkeit stellen), denn er hatte alle seine Vorräte<br />

aufgebraucht. Seiner ganzen Mannschaft wie auch Helena und ihm selbst drohte <strong>der</strong> Hungertod, falls <strong>der</strong> Wind nicht wechselte.<br />

Eines Tages, als er in tiefer Nie<strong>der</strong>geschlagenheit am Ufer wan<strong>der</strong>te, näherte sich ihm die schöne Eidothea, »Tochter des mächtigen<br />

Proteus, des alten Mannes <strong>der</strong> See«. Zuerst schalt sie ihn ernstlich wegen seines Mangels an Initiative, weil er sich einfach auf <strong>der</strong><br />

Insel einsperren ließ und sie alle von Tag zu Tag schwächer wurden. Menelaos versicherte ihr, daß er sich nach dem Aufbruch sehnte,<br />

aber daß er immer darüber nachdenken müsse ob er die Unsterblichen irgendwie beleidigt habe, daß sie ihm nun den günstigen Wind<br />

vorenthielten. Die freundliche Göttin antwortete ihm, daß nur ihr Vater Proteus ihm sagen könne, wie sie heimkehren sollen.<br />

Menelaos müsse ihm eine Falle stellen und ihn zwingen ihm die ganze Situation zu erklären. Menelaos bat sie, ihm zu sagen wie er<br />

»dieses geheimnisvolle alte Wesen fangen« könnte und sie offenbarte ihm was er tun sollte. Am nächsten Morgen traf er sie, wie<br />

verabredet, bei Tagesanbruch <strong>mit</strong> den drei besten Männern seiner Mannschaft. Sie versammelten sich am Eingang <strong>der</strong> Höhle, in die<br />

Proteus immer zum Mittagsschlaf ging, wenn er, wie ein Schafhirt seine Schafe, seine Seehunde gezählt hatte. Die Göttin bedeckte die<br />

vier Männer <strong>mit</strong> den Häuten von vier frisch geschlachteten Seehunden und legte sie in Mulden, die sie im Sand ausgeschaufelt hatte,<br />

füllte ihre Nasenlöcher <strong>mit</strong> einem süß riechenden Stoff, da<strong>mit</strong> sie den Gestank <strong>der</strong> »Ungeheuer <strong>der</strong> Tiefe« aushalten konnten. Dann<br />

verließ sie sie, da<strong>mit</strong> sie ihre Instruktionen allein ausführten. Den ganzen Morgen kamen die Seehunde »dick und fett« aus dem Meer,<br />

wie sie vorausgesagt hatte und legten sich in Gruppen um die Männer herum. Am Mittag tauchte <strong>der</strong> alte Mann selber auf, fand alle<br />

fetten Seehunde auf ihn wartend und zählte die vier Männer ahnungslos <strong>mit</strong>. Dann ging er zum Mittagsschlaf in die Höhle. Das war<br />

ihre Gelegenheit. Er war gerade eingeschlafen, als die vier sich auf ihn stürzten und ihn festhielten. Wie Eidothea Menelaos gewarnt<br />

hatte, hatten »Schlauheit und Geschicklichkeit« Proteus nicht verlassen und er verwandelte sich in einen »bärtigen Löwen und dann in<br />

eine Schlange und danach in einen Panther und einen riesigen Eber. Er verwandelte sich auch in 11 fließendes Wasser und einen<br />

großen Laubbaum«. Aber sie schlugen ihre Zähne in ihn und hielten ihn wie einen Schraubstock. Zuletzt wurde er, wie die Göttin<br />

vorhergesagt hatte, seiner magischen Künste müde und nahm seine eigene Gestalt wie<strong>der</strong> an. Dann stellte er Fragen und erlaubte auch

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