Jason Smith Das Tier loslassen (Außerhalb des Seins) Letting the Animal Go (Outside of Being)
Greiforgane besitzt z.B. der Affe, doch er hat keine Hand. Heidegger Descartes hat gewiss nie einen Affen gesehen. Linnaeus In Das Offene: Der Mensch und das Tier beginnt Giorgio Agamben seine Erforschung der Beziehung zwischen Mensch und Tier in der westlichen Tradition der Metaphysik damit, dass er die unterschiedlichen möglichen Bedeutungen eines Bildes abwägt, das er in einer illuminierten Handschrift einer hebräischen Bibel aus dem 13. Jahrhundert gefunden hat. Diese Szene auf den letzten Seiten des Manuskripts stellt das messianische Gastmahl am Jüngsten Tag dar. Wir sehen an der Tafel den Kreis der Gerechten versammelt, der sich am Fleisch von Tieren ergötzt. Die Tiere, die dieser letzte Rest der Menschheit verzehrt, sind aber nicht irgendwelche Tiere – es sind der Behemoth und der Leviathan, die gemäß bestimmter judaistischer Traditionen am Tage des Messias von den Gerechten verspeist werden. Diese emblematischen Tiere, diese Ungeheuer, werden ohne Rücksicht auf die geeignete Schlachtung oder Zubereitung verzehrt, denn die Endzeit ist gekennzeichnet durch die Aufhebung des Gesetzes. Da ist nichts Sonderbares an diesem Bild, wenn wir mit diesen Deutungstraditionen vertraut sind.1 Was jedoch befremdet, ist, dass jene Teilnehmer am messianischen Bankett nicht nur diese Land- und Seeungeheuer verspeisen. Sie sind auch unerklärlicherweise mit Tierköpfen ausgestattet. Agamben merkt an, dass das Bild das Thema einer sehr ausführlichen ikonografischen Analyse von Zofia Ameisenowa sei, die in den späten 1940er Jahren von der Warburg-Schule herausgebracht wurde.2 Egal wie ergiebig und gelehrt diese Analyse auch sei, in seinem ersten Kapitel wirft er über weite Strecken Zweifel an dieser früheren Lesart des Bildes auf, die die Figuren mit Tierköpfen gemäß der gnostischen Doktrin des Theriomorphen (d.h. die Form eines Tieres Annehmenden) interpretiert. Erst in den letzten Zeilen des Kapitels schlägt er eine mögliche Interpretation des Bildes vor. „Es ist nicht unmöglich“, deutet Agamben an, dass das Bild bedeuten wolle, dass „die Beziehungen zwischen Menschen und Tieren eine neue Form annehmen und dass sich der Mensch selbst mit seiner tierischen Natur versöhnen würde.“3 Diese abschließenden Zeilen des ersten Kapitels von Das Offene kündigen die grundlegende Ausrichtung des Buches an. Es geht nicht um Tiere, um die unendliche Vielfalt der Lebensformen, die den Menschen in unterschiedlichen Verhältnissen der Nähe und Apes, too, have organs that grasp, but they do not have hands. Heidegger Surely Descartes never saw an ape. Linnaeus Jason Smith 78 79 Giorgio Agamben’s The Open: Man and Animal begins its exploration of the relation between the human and the animal in the Western metaphysical tradition by weighing the different possible meanings of an image found in a 13th century illuminated Jewish Bible. The scene, found in the final pages of the manuscript, depicts a messianic banquet on the last day of human history. At the table we see gathered the circle of the just, feasting on the flesh of animals. The animals being eaten by this remnant of humanity are not just any animals — they are eating the Behemoth and the Leviathan, who, according to certain Judaic traditions, will be eaten by the righteous at the messianic conclusion of history. These emblematic animals, these monsters, will be consumed without consideration for their slaughter or preparation, for the time of the end is marked by a suspension of the law. There is nothing outlandish about this image if we are familiar with these interpretative traditions.1 What is odd, though, is that those attending the messianic banquet are not only eating these monsters of land and sea. They are also inexplicably endowed with the heads of animals. Agamben notes that the image was the subject of a very long iconographical analysis by Zofia Ameisenowa published by the Warburg Institute in the late 1940s.2 No matter how rich and erudite this analysis may be, the largest part of this first chapter is devoted to cast interprets these figures with animal heads according to the Gnostic doctrine of theriomorphous (“assuming the form of animal”). It is only in the chapter’s final lines that a possible reading of the image is proposed. “It is not impossible,” Agamben intimates, that the image shows “the relations between animals and man taking on a new form,” such that “man will be reconciled with his animal nature.”3 These final lines of The Open’s first chapter announce the fundamental orientation of the book. It will not be a question of animals, of the infinite diversity of forms of
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Diana Thater gorillagorillagorilla
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von Verzeichnissen angefangen, als
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Hollis Frampton, Zorns Lemma, 1970
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Frederick J. Kiesler, Endless House
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