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Diana Thater gorillagorillagorilla - Universalmuseum Joanneum

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Sigmund Freud, Totem und Tabu:<br />

Einige Übereinstimmungen im Seelenleben<br />

der Wilden und der Neurotiker, 1913<br />

Sigmund Freud, Totem and Taboo:<br />

Resemblances Between the Mental Lives<br />

of Savages and Neurotics, 1913<br />

als er seine Leiche ausgräbt, begreift er, dass er sich nicht mehr<br />

daran erinnert, wie der Junge aussieht.7 Zuvor hat er sich ein<br />

Szenario ausgemalt, in dem seine Tochter Ellie in zwei Jahren<br />

erfolgreich dort weitermacht, wo sie den Jungen verloren haben.<br />

„Doch wäre das nicht dasselbe, wie seinen Sohn zu ermorden?<br />

Ihn ein zweites Mal zu töten?“8 Doch als er seinen reanimierten<br />

Sohn schließlich per Injektion einschläfert (genau wie man es mit<br />

einem Tier täte), sieht Louis „für einen Augenblick seinen Sohn –<br />

seinen wirklichen Sohn – mit einem traurigen und von Qualen<br />

gezeichneten Gesicht.“9<br />

3 Hunde haben uns frühzeitig dazu geführt, unseren Alltag<br />

mit domestizierten Tieren zu teilen. Somit begann die Zivili -<br />

sa tion, wie Freud in Totem und Tabu argumentierte, mit der<br />

totemischen Verwaltung der Lebensdauer dieser vom Menschen<br />

gehaltenen Tiere. Erst als wir eine neue Beziehung zu Tieren<br />

eingingen, die wir verspeisten und die nicht länger Beute, sondern<br />

lebendes Inventar waren, bildete sich das Tieropfer als eine<br />

Freisetzung der Gewalt heraus, die der problematischen Verbindung<br />

von Essen und Tod innewohnt.10<br />

Nur bei besonderen Zeremonien, an denen der gesamte Stamm<br />

teilnahm, wurde das Totemtier geschlachtet und als Opfer ser -<br />

viert. Weil man die ersten Tiere, die geopfert und gegessen<br />

wurden, auch betrauerte, erkannte Freud in dieser Beziehung<br />

eine Ambivalenz, die nur auf unsere frühesten menschlichen<br />

Abhängigkeitsverhältnisse verweisen konnte. Die Tiere, die zu uns<br />

kamen, um von uns verschont, gepflegt und gegessen zu werden,<br />

wurden von uns unweigerlich als Erinnerungen, Gespenster oder<br />

geistige Objekte unserer frühesten Beziehungen identifiziert. Die<br />

Rückkehr des Tieres, welches sein Leben bloßlegt, indem es sich<br />

in unsere Nähe gesellt, steht auch im Zeichen der Übertragung.<br />

Freud ermahnt uns, dass wir durch die allegorische Bedeutung,<br />

die dem Opfer des Totemtieres an den Stammesgott innewohnt,<br />

nur zu leicht die historische Schichtung der einander folgenden<br />

Identifikationen mit dem Vater vergessen. Die Szene der schwerwiegendsten<br />

Erniedrigung des Vaters – seine Tötung und sein<br />

anschließender Konsum – liefert laut Freud das Material für die<br />

Darstellung seines höchsten Triumphs. Man büßte somit dem Vater<br />

durch eben jene Handlung, in der die Erinnerung an den Verstoß<br />

gegen ihn bewahrt wird, bis Gott eines Tages so hoch über dem<br />

Menschen platziert wurde, dass es zur Kontaktaufnahme mit ihm<br />

fortan einer priesterlichen Vermittlung bedurfte, während das Tier<br />

in seiner Eigenschaft als heiliges Wesen oder Opfergabe aus der<br />

Gleichung herausfiel. Die Mythen, in denen der Gott selbst das ihm<br />

<strong>Diana</strong> <strong>Thater</strong>, China, 1995<br />

35 mm production still<br />

he imagined a scenario two years from now with<br />

daughter Ellie successfully picking up where they<br />

lost the boy. “But would that not be the same as<br />

murdering his son? Killing him a second time?”8<br />

But when he does finally put his reanimated son to<br />

sleep by injection (just like a pet) “for a moment<br />

Louis saw his son – his real son – his face unhappy<br />

and filled with pain”.9<br />

3 Dogs led us in time to share everyday life with<br />

kept animals. Thus civilization commenced, as Freud<br />

argued in Totem and Taboo, with the totemic administration<br />

of the lifetimes of domestic animals. Only<br />

once we entered into this new relationship to the<br />

animals we ate, who were no longer quarry but livestock,<br />

did animal sacrifice emerge as the control<br />

release of the violence inherent in the problematic<br />

conjunction of food and death.10<br />

Only on special occasions in which the entire<br />

clan participated was the totem animal s l a u g h -<br />

tered and served up as sacrifice. Because the<br />

first animals to be sacrificed and eaten were<br />

also mourned, Freud recognized in this relation -<br />

ship an ambivalence that could only refer to our<br />

earliest human relations of dependence. Thus the<br />

animals coming to us to be spared, cared for,<br />

and eaten were inevitably identified by us as the<br />

souvenirs, ghosts, or internal objects of our ear -<br />

liest relations. The animal that in coming close to<br />

us lays bare its lifetime also comes back to us<br />

out of the transference.<br />

The allegorical significance of the sacrifice of the<br />

totem animal to the god of the clan diverts our<br />

attention, according to Freud, from the historical<br />

layering of the successive identifications of/with<br />

the father. The scene of the father’s gravest humiliation<br />

– his murder and consumption – provides<br />

material for the representation of his highest triumph.<br />

One thus made amends to father by the very act<br />

that maintained memory of the transgression against<br />

him, until one day the god was placed so high that<br />

only priestly mediation was acceptable, while the<br />

animal as sacred or sacrificial fell out of the equation.<br />

Myths of the god killing the animal sacred to him,

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