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Diana Thater gorillagorillagorilla - Universalmuseum Joanneum

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schließlich trug sie ihr eigenes 17 Monate altes Kind auf dem<br />

Rücken. Wie um alles in der Welt könnte ein so höchst intelligentes<br />

Tier einen blonden Jungen in Turnschuhen und einem roten T-Shirt<br />

mit einem jugendlichen Gorilla verwechseln? Die größte Überraschung<br />

war allerdings, mit welchem Erstaunen die meisten Leute<br />

auf den Vorfall reagierten. Wissenschaftler, die das Verhalten von<br />

Menschenaffen untersuchen, hatten nicht das Gefühl, dass Binti<br />

etwas Ungewöhnliches getan hatte. Am deutlichsten formulierte<br />

es der Schweizer Gorilla-Experte Jörg Hess: Der Vorfall konnte nur<br />

für solche Leute sensationell sein, die nicht die geringste Ahnung<br />

von Gorillas haben.<br />

Bintis Verhalten hinterließ vor allem deshalb einen so tiefen<br />

Eindruck, weil es einem Mitglied unserer eigenen Spezies zugute<br />

kam. In meiner Arbeit zur Evolution von Moral und Empathie<br />

bin ich jedoch zahlreichen Beispielen von Tieren begegnet, die<br />

füreinander sorgen. Zum Beispiel tröstet ein Schimpanse ein Opfer<br />

nach einem gewalttätigen Angriff, indem er einen Arm um es<br />

legt und seinen Rücken tätschelt. Und von Bonobos (oder Zwergschimpansen)<br />

ist bekannt, dass sie neuen Gefährten bei der<br />

Erkundung ihres Zooquartiers helfen, indem sie sie an der Hand<br />

nehmen und durch das Labyrinth von Korridoren führen, welche<br />

die verschiedenen Teile des Gebäudes miteinander verbinden.<br />

Solche Fälle erreichen die Tageszeitungen nicht, stehen aber im<br />

Einklang mit Bintis Hilfe für den unglücklichen Jungen und der<br />

Idee, dass Menschenaffen eine Fähigkeit zur Anteilnahme und zum<br />

Mitgefühl besitzen.<br />

Das traditionelle Bollwerk gegen eine solche kognitive Interpretation<br />

ist das Prinzip der Sparsamkeit – die Forderung, dass wir so<br />

wenige Hypothesen wie möglich aufstellen sollten, wenn wir eine<br />

wissenschaftliche Erklärung zu konstruieren versuchen. Anzunehmen,<br />

dass ein Menschenaffe zu so etwas wie Mitgefühl fähig sein<br />

sollte, wäre demnach ein zu großer Sprung. Aber widerspricht<br />

dieses Prinzip der Sparsamkeit nicht auch der Annahme einer<br />

großen kognitiven Lücke, wenn die evolutionäre Kluft zwischen<br />

Menschen und Menschenaffen doch so klein ist? Wenn sich zwei<br />

eng verwandte Arten auf die gleiche Weise verhalten, sind die<br />

diesem Verhalten zugrunde liegenden mentalen Prozesse wahrscheinlich<br />

auch dieselben. Der Vorfall im Brookfield Zoo macht<br />

deutlich, wie schwer es ist, anthropodenial und Anthropomorphismus<br />

gleichzeitig zu vermeiden: Wenn wir uns Binti nicht als ein menschliches<br />

Wesen vorstellen, müssen wir doch zugleich einsehen,<br />

dass Bintis Handlungen keinen rechten Sinn ergeben, wenn wir<br />

Intentionen und Gefühle ausklammern.<br />

Frans B. M. de Waal 60 61<br />

for this kind of emergency and that it is unlikely that,<br />

with her own 17-month-old infant on her back, she<br />

was maternally confused. How in the world could<br />

such a highly intelligent animal mistake a blond boy<br />

in sneakers and a red T-shirt for a juvenile gorilla?<br />

Actually, the biggest surprise was how surprised<br />

most people were. Students of ape behavior did not<br />

feel that Binti had done anything unusual. Jörg Hess,<br />

a Swiss gorilla expert, put it most bluntly, the incident<br />

can be sensational only for people who don’t<br />

know a thing about gorillas.<br />

Binti’s action made a deep impression mainly<br />

because it benefited a member of our own species,<br />

but in my work on the evolution of morality and<br />

empathy, I have encountered numerous instances<br />

of animals caring for one another. For example, a<br />

chimpanzee consoles a victim after a violent attack,<br />

placing an arm around him and patting his back.<br />

And bonobos (or pygmy chimpanzees) have been<br />

known to assist companions new to their quarters<br />

in zoos, taking them by the hand to guide them<br />

through the maze of corridors connecting parts of<br />

their building. These kinds of cases don’t reach the<br />

newspapers but are consistent with Binti’s assistance<br />

to the unfortunate boy and the idea that apes<br />

have a capacity for sympathy.<br />

The traditional bulwark against this sort of cognitive<br />

interpretation is the principle of parsimony – that<br />

we must make as few assumptions as possible when<br />

trying to construct a scientific explanation, and<br />

that assuming an ape is capable of something like<br />

sympathy is too great a leap. But doesn’t that same<br />

principle of parsimony argue against assuming a<br />

huge cognitive gap when the evolutionary distance<br />

between humans and apes is so small? If two<br />

closely related species act in the same manner, their<br />

underlying mental processes are probably the same,<br />

too. The incident at the Brookfield Zoo shows how<br />

hard it is to avoid anthropodenial and anthropomorphism<br />

at the same time: in trying to avoid thinking<br />

of Binti as a human being, we run straight into the<br />

realization that Binti’s actions make little sense if we<br />

refuse to assume intentions and feelings.

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