Diana Thater gorillagorillagorilla - Universalmuseum Joanneum
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Gleichwohl ist es gerade diese Ähnlichkeit, die es uns erlaubt, den<br />
Anthropomorphismus sinnvoller zu nutzen. Dafür müssen wir ihn<br />
allerdings als Mittel und nicht als Zweck betrachten. Unser Ziel<br />
sollte nicht darin liegen, eine Eigenschaft in einem Tier zu finden,<br />
die genau einem Aspekt unseres eigenen Innenlebens entspricht.<br />
Die Tatsache, dass wir Menschen Ähnlichkeiten mit Tieren haben,<br />
sollten wir uns vielmehr für die Entwicklung überprüfbarer Ideen<br />
und Hypothesen zunutze machen. Ein Beispiel: Nachdem wir eine<br />
Gruppe von Schimpansen über einen längeren Zeitraum hinweg<br />
beobachtet haben, beginnen wir zu vermuten, dass einige der Affen<br />
versuchen, andere zu täuschen – indem sie etwa durch falschen<br />
Alarm ungewollte Aufmerksamkeit von einem Essensdiebstahl oder<br />
verbotenen sexuellen Aktivitäten abzulenken versuchen. Indem wir<br />
unsere Beobachtung auf diese Weise einrahmen, können wir überprüfbare<br />
Voraussagen entwerfen. Wir können nun bestimmen, wie<br />
sich das Phänomen der Täuschung unter Schimpansen demonstrieren<br />
ließe. Somit wird aus einer Spekulation eine wissenschaftliche<br />
Herausforderung.<br />
Natürlich müssen wir stets auf der Hut sein. Um törichte Interpretationen<br />
auf anthropomorpher Grundlage zu vermeiden, ist es<br />
erforderlich, tierisches Verhalten stets im breiteren Kontext der<br />
Gewohnheiten und Naturgeschichte einer Spezies zu betrachten.<br />
Ohne eine angemessene Erfahrung mit Primaten wäre es vorstellbar,<br />
das Grinsen eines Rhesusaffen als Ausdruck von Freude<br />
zu interpretieren und einem Schimpansen, der mit lautem Grunzen<br />
einem Artgenossen entgegenläuft, eine aggressive Laune zuzuschreiben.<br />
Doch Primatologen wissen dank vieler Beobachtungsstunden,<br />
dass Rhesusaffen ihre Zähne fletschen, wenn sie sich<br />
eingeschüchtert fühlen, und dass Schimpansen häufig grunzen,<br />
wenn sie einander begegnen und umarmen. Mit anderen Worten:<br />
Ein grinsender Rhesusaffe signalisiert Unterwerfung, und das<br />
Grunzen eines Schimpansen dient häufig als Begrüßung. Ein umsichtiger<br />
Beobachter kann somit zu einem sachkundigen Anthropomorphismus<br />
gelangen, der mit einer direkten Übertragung menschlicher<br />
Verhaltensweisen nicht vereinbar ist.<br />
Ferner müssen wir uns stets bewusst sein, dass manche Tiere<br />
uns Menschen ähnlicher sind als andere. Die Erfahrungen von<br />
Organismen zu teilen, die sich einer uns fremden Wahrnehmungsweise<br />
bedienen, ist ein profundes Problem. Der Philosoph Thomas<br />
Nagel hat dies in seinem 1974 publizierten Aufsatz „Wie ist es, eine<br />
Fledermaus zu sein?“ prägnant formuliert. Dass eine Fledermaus<br />
ihre Umwelt durch Ultraschallortung wahrnimmt, können wir als<br />
visuell orientierte Wesen uns nur schwer vorstellen. Und wohl noch<br />
fremder wären uns die Erfahrungen eines Tieres wie des Sternmulls.<br />
Frans B. M. de Waal 58 59<br />
That very resemblance, however, can allow us to<br />
make better use of anthropomorphism. But for this<br />
we must view it as a means rather than an end.<br />
It should not be our goal to find some quality in an<br />
animal that is precisely equivalent to an aspect of<br />
our own inner lives. Rather, we should use the fact<br />
that we are similar to animals to develop ideas<br />
we can test. For example, after observing a group<br />
of chimpanzees at length, we begin to suspect that<br />
some individuals are attempting to deceive others –<br />
by giving false alarms to distract unwanted attention<br />
from the theft of food or from forbidden sexual<br />
activity. Once we frame the observation in such<br />
terms, we can devise testable predictions. We can<br />
figure out just what it would take to demonstrate<br />
deception on the part of chimpanzees. In this way,<br />
a speculation is turned into a challenge.<br />
Naturally, we must always be on guard. To avoid<br />
making silly interpretations based on anthropomorphism,<br />
one must always interpret animal behavior<br />
in the wider context of a species’ habits and natural<br />
history. Without experience with primates, one<br />
could imagine that a grinning rhesus monkey must<br />
be delighted, or that a chimpanzee running toward<br />
another with loud grunts must be in an aggressive<br />
mood. But primatologists know from many hours<br />
of observation that rhesus monkeys bare their teeth<br />
when intimidated, and that chimpanzees often<br />
grunt when they meet and embrace. In other words,<br />
a grinning rhesus monkey signals submission, and<br />
a chimpanzee’s grunting often serves as a greeting.<br />
A careful observer may thus arrive at an informed<br />
anthropomorphism that is at odds with extrapolations<br />
from human behavior.<br />
One must also always be aware that some animals<br />
are more like ourselves than others. The problem of<br />
sharing the experiences of organisms that rely on<br />
different senses is a profound one. It was expressed<br />
most famously by the philosopher Thomas Nagel<br />
when he asked, “What is it like to be a bat?” A bat<br />
perceives its world in pulses of reflected sound,<br />
something we creatures of vision would have a hard<br />
time imagining. Perhaps even more alien would be<br />
the experience of an animal such as the star-nosed