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Diana Thater gorillagorillagorilla - Universalmuseum Joanneum

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Skelett von „Lucy“,<br />

ein Hominine aus der Art<br />

Australopithecus afarensis<br />

Skeleton of “Lucy”,<br />

a hominin from the species<br />

Australopithecus afarensis<br />

Vertrautheit mit unserem Innenleben überstimmt gewöhnlich<br />

alle Theorien, die eine bestimmte Denkschule von uns entwickeln<br />

mag. Doch trotz dieser Doppelmoral bezüglich des Verhaltens<br />

von Menschen und Tieren lässt uns die moderne Biologie keine<br />

andere Wahl als zu folgern, dass wir Tiere sind. Im Hinblick auf<br />

Anatomie, Physiologie und Neurologie sind wir wirklich nicht außergewöhnlicher<br />

als, sagen wir, ein Elefant oder ein Schnabeltier auf<br />

seine jeweils eigene Art. Selbst solche mutmaßlichen Merkmale<br />

des Menschen wie Kriegsführung, Politik, Kultur, Moral und Sprache<br />

sind möglicherweise nicht ganz ohne Vorläufer. Zum Beispiel<br />

bedienen sich verschiedene Gruppen von wilden Schimpansen<br />

unterschiedlicher Techniken – manche benutzen Stöcke, um nach<br />

Termiten zu fischen, andere knacken Nüsse mithilfe von Steinen –,<br />

die von Generation zu Generation durch einen Prozess übertragen<br />

werden, der an die menschliche Kultur erinnert.<br />

Angesichts dieser Erkenntnisse müssen wir uns davor in Acht<br />

nehmen, die Einzigartigkeit unserer Art zu überhöhen. In der<br />

griechischen Antike hat man sich mit dieser Praxis – dem Gegenteil<br />

des Anthropomorphismus – freilich nicht beschäftigt, und so fehlt<br />

uns hierfür der passende Begriff. Ich werde die Verleugnung alles<br />

Menschlichen in anderen Tieren oder der tierischen Eigenschaften<br />

in uns selbst fortan anthropodenial nennen.<br />

Wer sich dieser anthropodenial unterwirft, der versucht, eine Ziegelsteinmauer<br />

zu errichten, die den Menschen vom Rest des Tierreiches<br />

abtrennt. Damit kommt es zu einer Fortführung der Tradition René<br />

Descartes’, nach dessen Theorie Menschen über Seelen verfügen,<br />

Tiere hingegen bloße „Maschinen“ sind. Als Charles Darwin auf der<br />

Bildfläche erschien, ergab sich aus dieser Prämisse ein ernstes<br />

Dilemma: Wenn wir von solchen Maschinen abstammen, sind wir<br />

dann nicht auch selbst Maschinen? Und wenn nicht, wie erklärt es<br />

sich dann, dass wir uns so anders entwickelt haben?<br />

Wann immer wir eine solche Frage stellen müssen, wird ein<br />

weiterer Ziegelstein aus der Trennmauer herausgezogen, und mir<br />

erscheint diese Mauer inzwischen wie ein Stück Schweizer Käse.<br />

Ich arbeite jeden Tag mit Tieren, von denen man sich ungefähr<br />

ebenso schwer distanzieren kann wie von Lucy, dem berühmten<br />

3,2 Millionen Jahre alten Skelett eines Australopithecus afarensis.<br />

Wenn wir Lucy den Respekt schulden, sie als unsere Ahnin zu<br />

betrachten, müssen wir dann nicht auch Affen mit anderen Augen<br />

sehen? Schließlich findet sich, soweit die Wissenschaft dies sagen<br />

kann, der bedeutendste Unterschied zwischen Lucy und modernen<br />

Schimpansen in der Hüfte, nicht im Schädel.<br />

„Lucy“, Rekonstruktion<br />

von Gary Sawyer<br />

“Lucy”, reconstruction<br />

by Gary Sawyer<br />

Frans B. M. de Waal 56 57<br />

might claim about us. Yet despite this double<br />

standard toward behavior in humans and animals,<br />

modern biology leaves us no choice other than to<br />

conclude that we are animals. In terms of anatomy,<br />

physiology, and neurology we are really no more<br />

exceptional than, say, an elephant or a platypus is<br />

in its own way. Even such presumed hallmarks of<br />

humanity as warfare, politics, culture, morality, and<br />

language may not be completely unprecedented.<br />

For example, different groups of wild chimpanzees<br />

employ different technologies – some fish for termites<br />

with sticks, others crack nuts with stones – that are<br />

transmitted from one generation to the next through<br />

a process reminiscent of human culture.<br />

Given these discoveries, we must be very careful not<br />

to exaggerate the uniqueness of our species. The<br />

ancients apparently never gave much thought to this<br />

practice, the opposite of anthropomorphism, and<br />

so we lack a word for it. I will call it anthropodenial:<br />

a blindness to the humanlike characteristics of<br />

other animals, or the animal-like characteristics of<br />

ourselves.<br />

Those who are in anthropodenial try to build a brick<br />

wall to separate humans from the rest of the<br />

animal kingdom. They carry on the tradition of René<br />

Descartes, who declared that while humans possessed<br />

souls, animals were mere automatons. This<br />

produced a serious dilemma when Charles Darwin<br />

came along: If we descended from such automatons,<br />

were we not automatons ourselves? If not, how did<br />

we get to be so different?<br />

Each time we must ask such a question, another<br />

brick is pulled out of the dividing wall, and to me this<br />

wall is beginning to look like a slice of Swiss cheese.<br />

I work on a daily basis with animals from which it<br />

is about as hard to distance yourself as from Lucy,<br />

the famed 3.2-million-year-old fossil australopithecine.<br />

If we owe Lucy the respect of an ancestor, does<br />

this not force a different look at the apes? After all,<br />

as far as we can tell, the most significant difference<br />

between Lucy and modern chimpanzees is found<br />

in their hips, not their craniums.

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