Adam Budak Abenteuer der Struktur im Wunderland – Anmerkungen zu <strong>Diana</strong> <strong>Thater</strong>s Videoarchitektur der Natur Structure’s Adventures in Wonderland – Notes on <strong>Diana</strong> <strong>Thater</strong>’s Video Architectonics of Nature when I conduct the orchestra of space by grace of the UnKnown the endless house has ins and out without a door or wall they change at will from void to fill yet standing still they cannot budge or billow-bulge until I split with light reality-illusion it’s simply done by magic fusion of what is not what can but does not want to be yet must obey oh! Play me dumb my scribble nibbles crumbs of mine and Gods and Devils fall in line Frederick J. Kiesler Das Rosen-Innere Wo ist zu diesem Innen ein Außen? Auf welches Weh legt man solches Linnen? Welche Himmel spiegeln sich drinnen in dem Binnensee dieser offenen Rosen, dieser sorglosen, sieh: wie sie lose im Losen liegen, als könnte nie eine zitternde Hand sie verschütten. Sie können sich selber kaum halten; viele ließen sich überfüllen und fließen über von Innenraum in die Tage, die immer voller und voller sich schließen, bis der ganze Sommer ein Zimmer wird, ein Zimmer in einem Traum. Rainer Maria Rilke
Folgende manifestartige Aussage von Hölderlin war es, eine Aussage aus den Jahren seiner Umnachtung (1807–43), die Giorgio Agambens Reflexion über die ursprüngliche Struktur des Kunstwerks ausgelöst hat.1 „Einmal sagte Hölderlin, alles sei Rhythmus, das ganze Schicksal des Menschen sei ein himmlischer Rhythmus, wie auch jedes Kunstwerk ein einziger Rhythmus sei, und alles schwinge sich von den Dichterlippen des Gottes.“ Fasziniert von dieser beinah traumartigen Beschwörung lieferte Agamben mit diesem kurzen Aufsatz eine nichtsdestotrotz präzise Untersuchung des in gewisser Weise zu unklaren Begriffs des „Rhythmus“ in der abendländischen Denktradition und darüber hinaus. In seiner Auseinandersetzung mit dem Problem der Definition der Natur betrachtet Aristoteles Rhythmus in seiner Physik als „Struktur, Schema, im Gegensatz zur urwüchsigen, unartikulierten Natur“. Indem er auch andere Bereiche erforscht, insbesondere die Naturwissenschaften und die Formpsychologie, gelangt Agamben zu einer weiteren Definition der Struktur, die „wie die Gestalt ein Ganzes darstellt, das mehr als die Summe seiner Teile in sich birgt“. Folglich verweist er auf die Mehrdeutigkeit des Begriffs „Struktur“ als etwas, das manchmal „das wesent liche und irreduzible Element des fraglichen Gegenstandes bezeichnet und manchmal, das, was bewirkt, dass das Ganze so ist, wie es ist (d.h. mehr als die Summe seiner Teile), in anderen Worten: sein eigentlicher Status“2. Struktur wird entweder als Rhythmus oder als Zahl verstanden (Element und minimales Quantum). Hölderlins Rhythmus fungiert als „Prinzip der Präsenz, das das Kunstwerk öffnet und in seinem ursprünglichen Raum bewahrt“, und seine temporale Dimension („es fließt in der Zeit“) zieht Agambens Aufmerksamkeit auf sich, als er sich auf die Eigenschaften des Rhythmus konzentriert – er schafft eine Unterbrechung, eine Pause in einem Fluss, eine ganz bestimmte Spannung: „Es ist, als würden wir vor etwas festgehalten, arretiert, aber dieses Arretiert-Sein ist auch ein Außerhalb-Sein, eine Ek-stasis in eine ursprünglichere Dimension.“3 Daher steht der Rhythmus sowohl für eine Gabe als auch für Zurückhaltung. Er offenbart eine ursprünglichere Dimension der Zeit und verbirgt diese gleichzeitig in der eindimensionalen Flucht der Augenblicke, und Agamben bringt eine weitere Bedeutung ein, wenn er das griechische Verb έπε´χω näher analysiert, wie wenn diese den anderen beiden übergeordnet wäre: sein als „anwesend sein, da sein, beherrschen, innehaben“. Die mehrdeutige und komplexe Temporalität des Rhythmus erzeugt das tröstliche Gefühl, die Zeit sowohl in ihrem ursprünglichen als auch in ihrem messbaren Sinne erleben zu können, und auf diese Weise „birgt er in epochaler Weise die Essenz des Adam Budak 12 13 It is Hölderlin’s manifesto-like statement, composed in the poet’s years of insanity (1807–43) that provoked Giorgio Agamben’s reflection upon the original structure of the work of art.1 “Everything is rhythm, the entire destiny of man is one heavenly rhythm, just as every work of art is one rhythm, and everything swings from the poetizing lips of the god.” Intrigued by this almost oneiric incantation, Agamben’s short essay is a single yet precise investigation of a somehow too obscure term of “rhythm” in the tradition of Western thought and beyond. Tackling the problem of the definition of nature in his Physics, Aristotle considers rhythm as “structure, scheme, in opposition to elemental, inarticulate nature”. Researching other fields too, especially natural sciences and the psychology of form, Agamben arrives at yet another definition of a structure which “like Gestalt, is a whole that contains something more than the simple sum of its parts” and thus he points towards the ambiguity of the term “structure” as designating sometimes “the prime and irreducible element of the object in question, and sometimes what causes the ensemble to be what it is (that is something more than the sum of its parts), in other words its proper status”2. Structure is understood either as rhythm or as number (element and minimal quantum). Hölderlin’s rhythm acts as “the principle of presence that opens and maintains the work of art in its original space” and it is its temporal dimension (“it flows in time”) that turns Agamben’s attention while focusing on rhythm’s quality which generates an interruption, a stop in a flow, a certain suspense: “We are as though held, arrested before something, but this being arrested is also a being-outside, an ek-stasis in a more original dimension.”3 Thus rhythm is both gift and reserve, it reveals a more original dimension of time and simultaneously it conceals it in the one-dimensional flight of instants, and Agamben, analyzing further the Greek verb έπε´χω, brings in yet another meaning, as if superior to the other two: to be, understood as “to be present, to be there, to dominate, to hold”. Rhythm’s ambiguous and complex temporality creates a comfort of being able to experience both the original and the measurable sense of time, and as such, it “holds epochally the essence of man, that is, gives him
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