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Grundstücksmärkte und Immobilienbewertung - Fachbereich Stadt ...

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Immobilienbewertung</strong><br />

SS 2009<br />

Leiter <strong>und</strong> Autor:<br />

A.Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Fachbereich</strong> <strong>Stadt</strong>- <strong>und</strong> Regionalforschung<br />

Technische Universität Wien<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

1. Der Immobilienmarkt<br />

I N H A L T E<br />

Das Gut Immobilie<br />

Generelle Eigenschaften von Immobilien<br />

Eigenschaften von unbebauten Immobilien<br />

(Gr<strong>und</strong>stücken)<br />

Eigenschaften von bebauten Immobilien<br />

Anbieter <strong>und</strong> Nachfrager auf dem Immobilienmarkt<br />

Besonderheiten des Immobilienmarktes<br />

2. <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Wertbegriffe<br />

Methoden der <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Praxis der <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Das Zinshaus<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

GRUNDSTÜCKSMÄRKTE UND<br />

IMMOBILIENBEWERTUNG<br />

1. Der Immobilienmarkt<br />

1.1. Das Gut Immobilie (Liegenschaft)<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist zwischen bebauten <strong>und</strong> unbebauten Liegenschaften<br />

(Immobilien) zu unterscheiden.<br />

Bei bebauten Liegenschaften wird üblicherweise zwischen Wohngebäuden,<br />

Büro- <strong>und</strong> Geschäftsgebäuden, zwischen Gewerbe- <strong>und</strong> Industriegebäuden<br />

sowie land- oder forstwirtschaftlich genutzten Gebäuden unterschieden.<br />

1.2 Generelle Eigenschaften von Immobilien<br />

(1) Heterogenität (hoher Komplexitätsgrad)<br />

Unter heterogenen Gütern sind solche zu verstehen, die in ihren<br />

Eigenschaften nicht gleichartig sind, aber dennoch miteinander<br />

konkurrieren, da sie in gewissem Grade substituierbar sind. Diese Aussage<br />

gilt zum Beispiel für unterschiedliche Automarken, die Differenzierungen<br />

hinsichtlich ihrer Qualität aufweisen, ebenso wie beispielsweise für die<br />

Wechselbeziehungen zwischen Auto- <strong>und</strong> Motorradmärkten, auf denen<br />

dasselbe Bedürfnis (räumliche Fortbewegung) auf verschiedene Art<br />

befriedigt werden kann. Auch das auf Fremdenverkehrsmärkten produzierte<br />

<strong>und</strong> konsumierte Gut „Urlaubsofferte“ ist ein in hohem Maße heterogenes<br />

Gut<br />

Der Komplexitätsgrad einer Immobilie ist höher als der anderer<br />

Konsumgüter. Der vom Konsum ableitbare Nutzen einer Immobilie hängt<br />

von einer Vielzahl von Faktoren ab, so z. B. von der Größe, der<br />

Beschaffenheit <strong>und</strong> der Lage der Immobilie.<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Aus der Sicht der Nachfrage kommen zur Gesamtbeurteilung Faktoren wie<br />

Nähe zum Arbeitsplatz <strong>und</strong> Sozialprestige der Gegend hinzu. Die<br />

Gesamtheit der hier angesprochenen objektiven wie subjektiven Kategorien<br />

zur Beurteilung des einzelnen Gutes macht deutlich, dass eine Identität<br />

zwischen zwei angebotenen Immobilien nicht zu erreichen sein wird, im<br />

strengen Sinne also jede Immobilie als gesondertes Gut betrachtet werden<br />

muss. Aus der Heterogenität ergibt sich die Notwendigkeit einer sektoralen<br />

Strukturierung der Immobilienmärkte.<br />

(2) Standortgeb<strong>und</strong>enheit (Immobilität)<br />

Die Immobilie ist bodengeb<strong>und</strong>en. Schon in der Bezeichnung „Immobilie“<br />

ist ihre Immobilität enthalten. Die Standortgeb<strong>und</strong>enheit der Immobilie<br />

bedingt, dass der Nutzen, der von dem Gut ausgeht, u. a. von externen<br />

Faktoren determiniert wird. Solche externen Faktoren sind:<br />

• die Entfernung zu Arbeitsstandorten, Einkaufsmöglichkeiten oder<br />

anderen infrastrukturellen Einrichtungen.<br />

• die Qualität des Umfeldes, die wiederum durch das Sozialklima<br />

zwischen den Nachbarn, die Bebauungsdichte, Immissionsbelastungen<br />

u. ä. geprägt wird.<br />

Diese Faktoren können nur zum Teil durch die Standortentscheidung des<br />

Investors beeinflusst werden, denn einige dieser Faktoren hängen allein von<br />

Entscheidungen der Kommunen ab - hier ist vor allem die Infrastruktur<br />

angesprochen - oder von Entscheidungen der Investoren umliegender<br />

Bausubstanz im gewerb1ichen Bereich oder im Wohnungsbereich, wodurch<br />

die Qualität des Umfeldes weitgehend determiniert wird.<br />

Im Speziellen können folgende Lageeigenschaften unterschieden werden:<br />

Entscheidend ist, welche wirtschaftliche Bedeutung die Region einnimmt, in<br />

der die Immobilie liegt.<br />

Immobilien, die in Städten <strong>und</strong> in infrastrukturell voll aufgeschlossenen<br />

Regionen situiert sind, erzielen höhere Preise als Liegenschaften in<br />

ländlichen <strong>und</strong> weniger erschlossenen Gebieten.<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Äußere Verkehrslage<br />

Die Lage zum Verkehrsnetz, zu Orten mit Arbeits- <strong>und</strong><br />

Einkaufsmöglichkeiten sowie weiterführenden Schulen spielt eine besondere<br />

Rolle. Positiv auf den Preis wirken sich Lagen mit geringer Entfernung zu<br />

einer B<strong>und</strong>esstraße, einer Autobahnauffahrt, einem Bahnhof <strong>und</strong><br />

öffentlichen Verkehrsmitteln, die möglichst regelmäßig <strong>und</strong> in dichter Folge<br />

verkehren, aus.<br />

Innere Verkehrslage<br />

Ein Gr<strong>und</strong>stück ist dann als voll aufgeschlossen zu bezeichnen, wenn es an<br />

einer befestigten <strong>und</strong> auch mit schweren Fahrzeugen zu jeder Jahreszeit<br />

befahrbaren Straße liegt. Wenn es an einer Sackgasse gelegen ist, so muss<br />

zumindest ein ausreichender Umkehrplatz vorhanden sein.<br />

Weitere Wert bestimmende Merkmale bilden die Entfernung zur Ortsmitte,<br />

die Lage zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels <strong>und</strong> zu<br />

den örtlichen Einkaufszentren zur Deckung des täglichen Bedarfs sowie die<br />

Fußwegentfernung zu Gr<strong>und</strong>schulen <strong>und</strong> die Fahrentfernung zu höheren<br />

Schulen.<br />

Bei gewerblichen Liegenschaften spielen die Anschlussmöglichkeiten an<br />

Straße <strong>und</strong> Schiene, die Lage zu Material- <strong>und</strong> Rohstoffversorgungsgebieten,<br />

zum Arbeitsmarkt <strong>und</strong> zu den Absatzgebieten eine wesentliche<br />

Rolle.<br />

Wohnlage<br />

Als günstig anzusehen sind verkehrsarme, aber leicht erreichbare Gebiete,<br />

landschaftlich reizvolle Lagen, exklusive Wohnlagen in Städten, geringer<br />

Ausländeranteil; Nähe zu Erholungsgebieten <strong>und</strong> Seen, Lagen mit Fernblick<br />

<strong>und</strong> dgl.. Wert mindernd zu beurteilen sind die Nähe zu Industriegebieten<br />

(Immissionsbeeinträchtigungen), sanierungsbedürftigen Baugebieten usw.<br />

Geschäftslage<br />

Für den Liegenschaftswert ist der mögliche Ertrag aus der Bewirtschaftung<br />

des Gr<strong>und</strong>stücks maßgeblich. Zwischen dem Zentrum eines Orts<br />

(Einkaufsstraße, Fußgängerzone) <strong>und</strong> den nahe gelegenen Zonen<br />

(Nebenstraßen) ist ein deutliches Wertgefälle festzustellen. Ecklagen wirken<br />

sich fast immer Wert erhöhend aus. In Fremdenverkehrsgebieten ist<br />

entscheidend, ob eine ein- oder zweisaisonale Nutzung möglich ist.<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Klimalage<br />

Sonnenbestrahlte <strong>und</strong> windgeschützte Gr<strong>und</strong>stücke werden für Wohnbauten,<br />

Gastgewerbebetriebe <strong>und</strong> Freizeiteinrichtungen bevorzugt. Nordhanglagen,<br />

Nebelgebiete <strong>und</strong> stark exponierte Lagen (Wind) beeinflussen den Wert<br />

ungünstig.<br />

Lage an Seen<br />

Stark Wert erhöhend ist die Lage unmittelbar am Ufer eines Sees.<br />

Gr<strong>und</strong>stücke, die in der Seeuferschutzzone (meist 500 m Breite, gemessen<br />

vom Seeufer) liegen, dürfen nicht verbaut werden. Für die Verbauung von<br />

Seeufern muss die Naturschutzbewilligung der Naturschutzbehörde<br />

(Bezirkshauptmannschaft) eingeholt werden, die aber nur mehr selten erteilt<br />

wird.<br />

Lage in Gefahrenzonen<br />

Als Gefahrenzonen werden Gebiete bezeichnet, die durch Hochwasser,<br />

Wildwasser, Lawinen, Vermurungen, Steinschlag <strong>und</strong> dgl. gefährdet sind.<br />

In jeder Gemeinde liegt ein Gefahrenzonenplan auf. Die roten Zonen dürfen<br />

nicht bebaut werden. In den gelben Zonen sind eventuelle Wert mindernde<br />

Beeinträchtigungen bei der Bewertung zu berücksichtigen. Insbesondere<br />

wirken sich bauliche Anordnungen zum Schutz vor der Gefahr Kosten<br />

erhöhend aus.<br />

(3) Verkauf <strong>und</strong> Vermietung<br />

Die Immobilie ist ein Hartgut, das gekauft oder gemietet werden kann.<br />

Daraus ergibt sich die Aufsplittung in einen Markt für Eigentum <strong>und</strong> einen<br />

für Mieten bzw. Pacht.<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

1.3 Eigenschaften von unbebauten Immobilien<br />

(Gr<strong>und</strong>stücken)<br />

(1) Nicht-Vermehrbarkeit<br />

Wenn man von einigen Sonderfällen (Landgewinnung durch Aufschüttung<br />

bzw. Abdeichung in den Niederlanden oder in den Arabischen Emiraten)<br />

absieht, ist Land nicht physisch vermehrbar. Sehr wohl ist aber die<br />

Herstellung (Produktion) von bebaubarem Land mit den Instrumenten der<br />

Raumplanung eine wesentliche hoheitliche (in Österreich: gemeindliche)<br />

Aufgabe.<br />

Im Flächenwidmungsplan sind die Widmungsarten nach den Gr<strong>und</strong>sätzen<br />

des Raumordnungsgesetzes <strong>und</strong> des Gemeinwohls erfasst <strong>und</strong> dargestellt.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich sind drei Widmungskategorien von besonderer Bedeutung:<br />

• Bauland<br />

• Grünland<br />

• Verkehrsflächen <strong>und</strong> sonstige Widmungen<br />

Bauland<br />

Feststellung des Entwicklungszustands<br />

Der Ermittlung dieses Werts kommt besondere Bedeutung zu, da das<br />

Bauland jene Kategorie ist, mit der die höchsten Werte erzielt werden. Ob<br />

ein Gr<strong>und</strong>stück Baulandqualität besitzt, hängt von seiner Nutzbarkeit, Lage<br />

<strong>und</strong> Beschaffenheit ab.<br />

Zum Bewertungsstichtag muss festgestellt werden, auf welcher<br />

Entwicklungsstufe sich das zu bewertende Gr<strong>und</strong>stück befindet.<br />

Man unterscheidet im Allgemeinen drei Entwicklungsstufen:<br />

• Die Entwicklung des Grünlands zum Bauerwartungsland.<br />

• Die Entwicklung des Bauerwartungslandes zum Bauaufschließungsgebiet.<br />

• Die Entwicklung des Bauaufschließungsgebiets zum baureifen Land.<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Bauerwartungsland<br />

Dieses befindet sich immer im Grünland. Es steht nicht fest, was <strong>und</strong> wann<br />

gebaut werden kann. Die Bebauung wird unter Berücksichtigung einer<br />

geordneten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebiets in absehbarer<br />

Zeit erwartet oder erhofft (z.B. wenn ein Gr<strong>und</strong>stück innerhalb des<br />

verbauten Gebiets liegt, <strong>und</strong> keine Umstände gegen eine Bebauung<br />

sprechen, so kann mit einer Umwidmung gerechnet werden).<br />

Die Höhe des Werts für Bauerwartungsland hängt davon ab, wie groß die<br />

Chancen für eine Bebauung beurteilt werden.<br />

Im Allgemeinen werden aufgr<strong>und</strong> der Zinsverluste ca. 25 bis 50 % der<br />

Preise für baureifes Land gezahlt.<br />

Sollte die Hoffnung auf eine Umwidmung nur sehr vage sein, so ist der<br />

übliche Grünlandpreis für diese Zone anzusetzen.<br />

Bauaufschließungsgebiet<br />

Das Bauaufschließungsgebiet - oder Bauerweiterungsgebiet - ist bereits als<br />

Bauland gewidmet, die volle Aufschließung ist jedoch noch nicht<br />

durchgeführt.<br />

In der Regel ist das Bauaufschließungsgebiet nicht in die einzelnen<br />

Gr<strong>und</strong>stücke geteilt. Bei der später erfolgenden Teilung sind unter<br />

Umstanden größere Liegenschaftsteile (bis zu 25 %) für die Erschließungsanlagen<br />

an das öffentliche Gut abzutreten.<br />

Für die Bewertung sind die Aufschließungskosten vom ortsüblichen Preis<br />

abzuziehen, jedoch unter Berücksichtigung des Zinsverlustes, der bis zur<br />

Baureifwerdung zu einem späteren Zeitpunkt eintritt.<br />

Es werden im Allgemeinen ca. 50 bis 75 % der Preise für baureifes Land<br />

gezahlt.<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Baureifes Land<br />

Als baureifes Land können jene Flächen angesehen werden, die bereits voll<br />

aufgeschlossen sind.<br />

Voll aufgeschlossen ist ein Gr<strong>und</strong>stück mit folgenden Voraussetzungen:<br />

• Zufahrt auf befestigter Straße ist möglich.<br />

• Eventuell vorgeschriebener Gehsteig ist fertig gestellt.<br />

• Wasser-, Strom-, eventuell Gas- <strong>und</strong> Fernheizungsversorgung sind<br />

gesichert.<br />

• Abwasserbeseitigung (Kanalanschluss) ist vorhanden.<br />

• Anliegerbeitrag ist zur Ganze entrichtet.<br />

Bei Bedarf sind Kommunikationsleitungen wie Telefon, Kabelfernsehen<br />

usw. vorhanden. Das baureife Land liegt bei Gemeinden mit einem<br />

Flächenwidmungsplan in jenen Zonen, die als Bauland ausgewiesen sind. In<br />

Gemeinden ohne Flächenwidmungsplan ist dieses innerhalb des zusammenhängend<br />

verbauten Ortsgebiets situiert. Im Allgemeinen ist das baureife<br />

Land bereits in die einzelnen Baugr<strong>und</strong>stücke geteilt. Eine Teilung lässt<br />

allerdings nicht zwingend auf baureifes Land schließen, da auch<br />

Bauaufschließungsgebiete unterteilt sein können.<br />

Bei der Wertermittlung von noch unverbauten Baugr<strong>und</strong>stücken ist auf<br />

folgende Möglichkeiten zu achten:<br />

• Eine Baulandqualifikation ist nachgewiesen bei Vorliegen einer<br />

Bauplatzbewilligung (z.B. in Oberösterreich Voraussetzung für eine<br />

Baubewilligung)<br />

• Baubewilligung oder<br />

• Erklärung als Baugebiet im Flächenwidmungsplan.<br />

Die zuvor genannten Bewilligungen werden auf eine bestimmte Zeit<br />

befristet <strong>und</strong> sind vor Ablauf dieser Frist aufgr<strong>und</strong> neu entstandener<br />

öffentlicher Interessen widerrufbar, sofern noch nicht mit einem Bau<br />

begonnen wurde bzw. in einigen B<strong>und</strong>esländern der Bau noch nicht<br />

vollendet ist.<br />

Die Gültigkeit der Flächenwidmungspläne erstreckt sich zwar über einen<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

gewissen Zeitraum, trotzdem sind Umwidmungen mit Widerruf der Bau-<br />

<strong>und</strong> Bauplatzgenehmigung möglich, wenn mit dem Bau noch nicht<br />

begonnen wurde.<br />

Wie Erfahrungen zeigen, ist ein Widerruf oder die Verweigerung einer<br />

neuerlichen Baugenehmigung bei unverbauten Baugr<strong>und</strong>stücken, die abseits<br />

des eigentlichen Baugebiets liegen, durchaus möglich. Der Liegenschaftseigentümer<br />

kann nur für zwischenzeitlich tatsächlich getätigte Ausgaben,<br />

welche im Hinblick auf die erteilte Baubewilligung erfolgten,<br />

Abgeltungsansprüche geltend machen. Eine Wertminderung oder ein<br />

entgehender Gewinn im Verkaufsfalle sind davon ausgeschlossen.<br />

Für den Gutachter ist es daher wichtig zu wissen, ob mit dem Beginn des<br />

Bauvorhabens in nächster Zeit gerechnet werden kann, oder ob die<br />

Liegenschaft trotz vorhandener Baubewilligung noch längere Zeit unverbaut<br />

bleibt.<br />

Neben dieser allgemeinen Eigenschaft der Nichtvermehrbarkeit gibt es noch<br />

eine Reihe von individuellen Merkmalen.<br />

(2) Art der baulichen Nutzung(smöglichkeit)<br />

Der Wert eines Gr<strong>und</strong>stücks wird sehr stark von der baulichen<br />

Nutzungsmöglichkeit beeinflusst.<br />

Das Bauland wird aufgr<strong>und</strong> der Raumordnung z.B. in Oberösterreich in<br />

folgende Widmungskategorien eingeteilt:<br />

Wohngebiete<br />

Wohngebiete sind nur für Wohngebäude mit Nebenanlagen (Garagen,<br />

Gartenhauschen <strong>und</strong> dgl.) vorgesehen: andere Bauten <strong>und</strong> sonstige Anlagen<br />

dürfen nur dann errichtet werden, wenn sie wirtschaftlichen, sozialen oder<br />

kulturellen Bedürfnissen dienen <strong>und</strong> keine Gefahren oder unzumutbare<br />

Belästigungen für die Bewohner mit sich bringen. Unter diesen<br />

Voraussetzungen dürfen auch Fremdenverkehrsgebäude <strong>und</strong> -anlagen<br />

errichtet werden.<br />

Reine Wohngebiete<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

In diesen dürfen nur Wohnbauten mit Nebenanlagen <strong>und</strong> sonstige Bauten,<br />

die der Deckung des Bedarfs der Bewohner dienen, errichtet werden.<br />

Dorfgebiete<br />

Für land- <strong>und</strong> forstwirtschaftliche Gebäude sowie Gärtnereibetriebe<br />

vorgesehen. Darüber hinaus dürfen nur solche Gebäude <strong>und</strong> Anlagen<br />

errichtet werden, die auch im Wohngebiet zulässig sind.<br />

Kur- <strong>und</strong> Fremdenverkehrsgebiete<br />

Für Kuranstalten <strong>und</strong> Beherbergungsbetriebe vorgesehen.<br />

Kerngebiete<br />

Für öffentliche Bauten, Verwaltungsgebäude, Gebäude für<br />

Dienstleistungsbetriebe sowie für Versammlungs- <strong>und</strong> Vergnügungsstatten<br />

vorgesehen. Die Bewohner in einem solchen Gebiet dürfen allerdings keiner<br />

erheblichen Belästigung durch die Errichtung eines solchen Gebäudes<br />

ausgesetzt werden.<br />

Gemischte Baugebiete<br />

Für Gebäude, die in Wohngebieten oder in Kerngebieten errichtet werden<br />

dürfen, sowie Betriebe, die die Umgebung nicht wesentlich stören.<br />

Betriebsbaugebiete<br />

In diesen dürfen Betriebe, dazugehörige Verwaltungs- <strong>und</strong><br />

Betriebswohngebäude sowie Lagerplätze errichtet werden, die die<br />

Umgebung nicht erheblich stören <strong>und</strong> nicht gefährden.<br />

Industriegebiete<br />

Für Betriebe mit übermäßiger Beeinträchtigung der Umgebung<br />

(ausgenommen hohe Explosions- <strong>und</strong> Strahlungsgefahr), Betriebe mit<br />

besonderer räumlicher Ausdehnung <strong>und</strong> Betriebswohngebäude.<br />

Geschäftsbautengebiete<br />

In diesen können Großgeschäfte, Warenhäuser <strong>und</strong> Einkaufszentren errichtet<br />

werden.<br />

Zweitwohnungsgebiete<br />

Für Appartementhäuser, Feriendörfer, Wochenendsiedlungen mit<br />

Nebenanlagen sowie zweckentsprechende Betriebe (z.B. Hallenbäder).<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

(3) Maß der baulichen Nutzung(s-möglichkeit)<br />

Die Bebauungspläne enthalten im Allgemeinen Festlegungen über das<br />

Maß der zulässigen baulichen Nutzung sowie über die Bauweise<br />

(geschlossene, offene, gekuppelte oder Gruppenbauweise) für das einzelne<br />

Gr<strong>und</strong>stück.<br />

Das Maß der baulichen Nutzung wird im Bebauungsplan durch folgende<br />

Festlegungen bestimmt:<br />

Gr<strong>und</strong>flächenzahl (GRZ)<br />

Die Gr<strong>und</strong>flächenzahl zeigt die bebaubare Fläche im Verhältnis zur<br />

gesamten Gr<strong>und</strong>stücksgröße.<br />

Beispiel:<br />

Gr<strong>und</strong>stücksgröße 1.000 m2<br />

Bebaubare Fläche 500 m2<br />

Verhältnis bebaubare Fläche zu Gr<strong>und</strong>stucksgröße 500: 1.000<br />

daher GRZ 0,5<br />

Geschossflächenzahl (GFZ)<br />

Die Geschossflächenzahl stellt das Verhältnis der Summe der<br />

Bruttogr<strong>und</strong>rissflächen aller Geschosse zur Gr<strong>und</strong>stücksfläche dar. Das<br />

Kellergeschoss bleibt dabei allerdings unberücksichtigt.<br />

Beispiel:<br />

Gr<strong>und</strong>stücksgröße 1000 m2<br />

Gr<strong>und</strong>flächenzahl 0,3 (d.h. es können 300 m2 verbaut werden)<br />

zulässige Geschosszahl 3<br />

Geschossfläche 300 m2 X 3 = 900 m2<br />

Geschossflächenzahl = 0,9<br />

Baumassenzahl (BMZ)<br />

Die Baumassenzahl stellt das Verhältnis des über Niveau zu errichtenden<br />

Bruttorauminhalts zur Fläche des Baugr<strong>und</strong>stücks dar.<br />

Bauklasse<br />

Die Bauklasse regelt die mögliche Gebäudehöhe (z.B. in Wien, NÖ).<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Für das B<strong>und</strong>esland Wien sind in der Bauordnung festgelegt:<br />

Bauklasse I mindestens 2,5 m, höchstens 9 m<br />

Bauklasse II mindestens 4,5 m, höchstens 12 m<br />

Bauklasse III mindestens 10,0 m, höchstens 16 m<br />

Bauklasse IV mehr als l6,0 m, höchstens 21 m<br />

Bauklasse V mehr als 21,0 m, höchstens 26 m<br />

Bauklasse VI mehr als 26,0 m<br />

Für die Beurteilung des Bodenwerts muss daher ein überschlägiges<br />

Behauungsprojekt entworfen werden, um hieraus die Ausnutzbarkeit des<br />

Bauplatzes zu erkennen. Der Einfluss des Maßes der baulichen Nutzung auf<br />

den Bodenwert wird in ländlichen Gebieten, in denen kein Baulandmangel<br />

herrscht, weniger stark ausgeprägt sein als in städtischen oder stadtnahen<br />

Bereichen. in denen das Bauland knapp ist.<br />

(4) Anliegerleistungen<br />

Durch die Schaffung eines Bauplatzes erwachsen der Allgemeinheit<br />

Verpflichtungen <strong>und</strong> Lasten, wie z.B. die Straßen- <strong>und</strong> Gehsteigherstellung,<br />

Aufschließungskosten usw., die aber in erster Linie dem Bauwerber zugute<br />

kommen. Alle Bauordnungen enthalten daher einen mehr oder weniger<br />

umfangreichen Katalog von Anliegerleistungen, die anlässlich der Erteilung<br />

der Bauplatzbewilligung bzw. Baubewilligung zu entrichten sind.<br />

In Oberösterreich gibt es z.B. vier Arten von Anliegerleistungen:<br />

Gr<strong>und</strong>abtretung<br />

Bis zur Mitte der vorgesehenen Aufschließungsstraße ist der dafür<br />

erforderliche Gr<strong>und</strong> his zu einer Höchstbreite von 8 m kostenlos an die<br />

Gemeinde abzutreten.<br />

Beitrag zu den Kosten des Gr<strong>und</strong>erwerbs<br />

Wurde von einer Gemeinde der Gr<strong>und</strong> für eine Aufschließungsstraße bereits<br />

gekauft, so muss der Bauplatzwerber einen Kostenersatz leisten, <strong>und</strong> zwar<br />

für eine Straßenbreite, für die er sonst den Gr<strong>und</strong> kostenlos hätte abtreten<br />

müssen.<br />

Beitrag zu den Kosten der Fahrbahn<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Dieser Beitrag ist für die Staubfreimachung der Aufschließungsstraße, wobei<br />

für Einfamilienwohnhäuser in der Bauordnung eine Ermäßigung vorgesehen<br />

ist.<br />

Beitrag zu den Kosten des Gehsteigs<br />

Wenn im Zuge der Aufschließungsstraße auch ein Gehsteig vorgesehen ist,<br />

so wird ein Beitrag zu den Herstellungskosten des Gehsteigs vorgeschrieben.<br />

Die Vorschreibung der Anliegerleistungen setzt einen rechtswirksamen<br />

Bebauungsplan voraus <strong>und</strong> wird durch die Gemeinde vorgenommen.<br />

Da die Anliegerleistungen nicht unbeträchtlich sein können, muss bei der<br />

Ermittlung des Bodenwerts stets darauf geachtet werden, oh diese bereits<br />

entrichtet sind.<br />

(5) Größe des Gr<strong>und</strong>stücks<br />

Die Größe eines Gr<strong>und</strong>stücks muss der baulichen Nutzungsmöglichkeit<br />

aufgr<strong>und</strong> des Bebauungsplans entsprechen. Zu kleine oder zu große Flächen<br />

können zu einer Wertminderung führen.<br />

Für Gr<strong>und</strong>stücke, die für Ein- <strong>und</strong> Zweifamilienwohnhäuser in offener<br />

Bauweise vorgesehen sind, betragt die wirtschaftliche Größe 600 bis 1.000<br />

m2. In den Gemeinden werden je nach Struktur <strong>und</strong> Preisniveau<br />

Mindestgrößen für Baugr<strong>und</strong>stücke festgelegt. Für die noch einigermaßen<br />

zweckmäßige Nutzung eines Baugr<strong>und</strong>stücks müssen 400 m2 als Mindestgröße<br />

angesehen werden.<br />

Bei Gr<strong>und</strong>stücken, die für die gewerbliche Nutzung vorgesehen sind, muss<br />

darauf geachtet werden, dass die Fläche auch für erforderliche<br />

Verkehrswege oder Lagerplätze ausreicht.<br />

Zu kleine Gr<strong>und</strong>stücke können meist nur gemeinsam mit dem<br />

Nachbargr<strong>und</strong>stück widmungsgemäß genutzt werden. Bei zu großen<br />

Gr<strong>und</strong>stücken ist zu prüfen, oh eine vernünftige Teilung unter<br />

Berücksichtigung von allfälligen Aufschließungskosten möglich ist.<br />

Im Allgemeinen erzielen kleinere Gr<strong>und</strong>stücke höhere Preise je m2 als große<br />

Flächen; eine Ausnahme bilden Gr<strong>und</strong>stücke in exklusiven Wohnlagen. In<br />

den anderen Fällen kann es notwendig sein, die Fläche in Teilflächen zu<br />

zerlegen <strong>und</strong> unterschiedliche Werte anzusetzen.<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

(6) Form des Gr<strong>und</strong>stücks<br />

Neben der Größe hat die Form des Gr<strong>und</strong>stücks einen beträchtlichen<br />

Einfluss auf die Bebauungsmöglichkeiten.<br />

Die ideale Form ist ein Rechteck, bei dem das Verhältnis der Breite zur<br />

Länge in etwa 1:2 beträgt. Unregelmäßige Gr<strong>und</strong>stücksformen, Vielecke,<br />

Dreiecke mit spitzen Winkeln sowie schmale <strong>und</strong> tief geschnittene<br />

Gr<strong>und</strong>stücke führen oft zu einem geringeren Wert. Einen stark<br />

eingeschränkten Käuferkreis haben unselbständige Gr<strong>und</strong>stücksflächen, das<br />

sind kleine <strong>und</strong> ungünstig geschnittene Gr<strong>und</strong>stücke, welche für sich allein<br />

nicht bebaubar sind <strong>und</strong> für welche sich eine sinnvolle Nutzung nur bei<br />

Zusammenlegung mit benachbarten Gr<strong>und</strong>stücken ergibt.<br />

Bei besonders tief geschnittenen Gr<strong>und</strong>stücken sollte eine Zonenbewertung<br />

durchgeführt werden. Dabei wird die Gr<strong>und</strong>stucksfläche nach ihrer Tiefe in<br />

Wertzonen eingeteilt, die sich wie folgt abgrenzen:<br />

Vorderland: bis 40 m Tiefe<br />

Hinterland I: 40 bis 80 m Tiefe<br />

Hinterland II: über 80 m Tiefe, soweit noch baulich nutzbar<br />

In eng verbauten <strong>Stadt</strong>zentren:<br />

Vorderland: bis 25 m<br />

Hinterland I: 25 bis 50 m<br />

Hinterland II: über 50 m<br />

Die Wertansätze für das Hinterland betragen:<br />

Hinterland I: Etwa die Hälfte des Vorderlandpreises.<br />

Hinterland II: Etwa ein Viertel (oder weniger) des Vorderlandpreises.<br />

(7) Niveau des Gr<strong>und</strong>stücks, Boden <strong>und</strong> Untergr<strong>und</strong><br />

Bevorzugt werden Gr<strong>und</strong>stücke mit ebener Lage. Leichte Hanglagen his zu<br />

10 % Neigung sind ebenen Gr<strong>und</strong>stücken gleichzusetzen. Darüber<br />

hinausgehende Hanglagen fuhren zu höheren Baukosten, da besondere<br />

bauliche Maßnahmen, wie die Herstellung eines Planums für die Umgebung<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

des Hauses, der Bau von Stützmauern, Treppen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücksauffahrten,<br />

erforderlich werden. Stärkere Hanglagen senken somit in der Regel den<br />

Liegenschaftswert, eventuell vorhandene Vorteile, wie eine besonders<br />

schöne Aussicht, können sich allerdings ausgleichend auswirken. Südhange<br />

sind attraktiver als Nordhänge.<br />

Die Beschaffenheit des Untergr<strong>und</strong>s hat einen wesentlichen Einfluss auf die<br />

bauliche Nutzungsmöglichkeit des Gr<strong>und</strong>stücks. Ungünstige Bodenverhältnisse<br />

führen zu höheren Baukosten. Höhere F<strong>und</strong>ierungskosten<br />

verursachen aufgeschütteter Boden, steiles Hanggelände, schwerer<br />

Stichboden (weicher, sandiger Lehm oder Ton) <strong>und</strong> Hackboden (fester<br />

Lehm, Ton oder Mergel). Felsboden verteuert die Baukosten besonders, da<br />

Sprengarbeiten notwendig sind. Hochstehendes Gr<strong>und</strong>wasser erfordert<br />

aufwendige Abdichtungen am Kellergeschoss oder sogar den Bau einer<br />

Betonwanne. Eventuell muss auf einen Keller verzichtet werden.<br />

(8) Ver- <strong>und</strong> Entsorgung, Technische Infrastruktur<br />

Trink- <strong>und</strong> Nutzwasserversorgung<br />

Ein Gr<strong>und</strong>stück ist in dieser Hinsicht dann als voll aufgeschlossen zu<br />

bezeichnen, wenn in unmittelbarer Nähe der Anschluss an eine öffentliche<br />

oder genossenschaftliche Wasserversorgungsanlage möglich ist. Bei der<br />

Eigenversorgung aus einer Quelle oder einem Brunnen ist auf eine<br />

einwandfreie Trinkwasserqualität <strong>und</strong> die Ergiebigkeit auch in<br />

Trockenzeiten zu achten.<br />

Ist der Anschluss an das öffentliche Wasserversorgungsnetz nur über eine<br />

weitere Entfernung möglich, so wirken sich die entstehenden Mehrkosten<br />

auf das Gr<strong>und</strong>stück Wert mindernd aus.<br />

Abwasserbeseitigung<br />

In der Regel werden die Abwässer durch den Anschluss an ein öffentliches<br />

Kanalnetz entsorgt. Ist ein öffentlicher Kanal vorhanden, oder wird er<br />

nachträglich errichtet, so wird ein Anschluss meistens zwingend<br />

vorgeschrieben, wobei relativ hohe Anschlusskosten entstehen.<br />

Sollte für ein Gr<strong>und</strong>stuck keine Anschlussmöglichkeit bestehen, so ist zu<br />

prüfen, ob die Entsorgung auf der eigenen Liegenschaft möglich ist. Dabei<br />

werden die Abwässer durch die Klärung in einer eigenen Kläranlage <strong>und</strong><br />

16


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Ableitung der geklärten Abwässer in einen Vorfluter <strong>und</strong> Versickerung oder<br />

durch die Sammlung in dichten Senkgruben <strong>und</strong> Abfuhr der Fäkalien<br />

beseitigt. Die eigene Kläranlage stellt allerdings die teuerste<br />

Abwasserbeseitigung dar.<br />

Energieversorgung<br />

Ein Stromanschluss ist fast für jede bauliche Anlage notwendig. Ist eine<br />

gewerbliche oder industrielle Nutzung vorgesehen, so ist auf die<br />

Möglichkeit eines Kraftstromanschlusses zu achten. Auch bei der Nutzung<br />

für Wohnzwecke muss zumindest ein Kraftstromanschluss, z.B. für<br />

Elektroherd, Sauna usw., vorgesehen sein. Erhebliche Kosten können<br />

dadurch verursacht werden, wenn eine lange Zuleitung oder ein Fall einer<br />

Neubebauung die Errichtung eines Transformators erforderlich sind.<br />

Eine immer größere Rolle spielt die Energieversorgung mit Fernwärme <strong>und</strong><br />

Ferngas. Da diese Energien eine günstige Alternative zum Strom darstellen,<br />

wirkt sich die zusätzliche Versorgung damit werterhöhend aus.<br />

(9) Rechte <strong>und</strong> Lasten<br />

Gr<strong>und</strong>dienstbarkeiten<br />

Bei Gr<strong>und</strong>dienstbarkeiten stehen sich ein dienendes <strong>und</strong> ein herrschendes<br />

Gr<strong>und</strong>stück gegenüber. Die Gr<strong>und</strong>dienstbarkeit ist für das dienende<br />

Gr<strong>und</strong>stück eine Belastung <strong>und</strong> für das herrschende Gr<strong>und</strong>stück ein<br />

Bestandteil. Gr<strong>und</strong>dienstbarkeiten sind unteilbar <strong>und</strong> belasten immer das<br />

ganze Gr<strong>und</strong>stück. Wird ein Gr<strong>und</strong>stück geteilt, so bleibt jeder Teil mit der<br />

Dienstbarkeit belastet.<br />

Gr<strong>und</strong>dienstbarkeiten sind z.B. Hausservitute, Feldservitute (Wegerechte,<br />

Notwegerechte), Wasserrechte (Wasserschöpfrecht, Viehtränke, Wasser - Zu<br />

- <strong>und</strong> Ableitung), Weiderechte, Waldrechte (z.B. Holzbezugsrecht) <strong>und</strong><br />

Leitungsrechte (einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen kann das Recht,<br />

eine elektrische Leitung über fremden Gr<strong>und</strong> zu fuhren, zu betreiben <strong>und</strong> zu<br />

erhalten, zwangsweise eingeräumt werden).<br />

Nicht jede Gr<strong>und</strong>dienstbarkeit wirkt sich Wert- erhöhend oder -mindernd<br />

aus, sondern es hängt von der Bedeutung <strong>und</strong> der Größe des Vor- bzw.<br />

Nachteils ab.<br />

17


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Persönliche Dienstbarkeiten<br />

Die persönliche Dienstbarkeit ist an die Person des Berechtigten geb<strong>und</strong>en,<br />

nicht übertragbar <strong>und</strong> nicht vererblich, <strong>und</strong> erlischt mit dessen Tod.<br />

Persönliche Dienstbarkeiten sind z.B. Dienstbarkeit der Wohnung,<br />

Fruchtgenussrecht.<br />

Reallasten<br />

Die Reallast verpflichtet den Eigentümer eines Gr<strong>und</strong>stücks, an den<br />

Berechtigten wiederkehrende Leistungen zu erbringen. Der Eigentümer, der<br />

die Reallast begründet hat, haftet für diese Leistungen nicht nur mit dem<br />

Gr<strong>und</strong>stück, sondern auch mit seinem gesamten Vermögen (z.B. das Recht<br />

auf lebenslangen Unterhalt beim Ausgedinge).<br />

Vorkaufs- <strong>und</strong> Wiederkaufsrechte<br />

Die dinglichen Vorkaufs- <strong>und</strong> Wiederkaufsrechte haben keinen oder wenig<br />

Einfluss auf den Wert des Gr<strong>und</strong>stücks, da der Vorkaufsberechtigte den<br />

gleichen Kaufpreis zahlt wie ein anderer Interessent. Ein Nachteil für das<br />

belastete Gr<strong>und</strong>stück liegt nur dann vor, wenn das Wiederkaufsrecht mit<br />

einem festen Gr<strong>und</strong>stückspreis verb<strong>und</strong>en ist, der unter dem Marktwert liegt.<br />

1.4 Eigenschaften von bebauten Immobilien<br />

Stellvertretend wird hier das Gut Wohnung betrachtet; die meisten der<br />

gemachten Aussagen treffen in ähnlicher Form auch auf Häuser <strong>und</strong><br />

Gewerbeimmobilien (Büros, Geschäfte oder Produktionsstätten) zu.<br />

(1) Unteilbarkeit der Wohnung<br />

Wohnungen sind nicht oder nur bedingt teilbar. In den meisten Füllen ist es<br />

nicht möglich, einen zusätzlichen Raum zu mieten oder einen Raum<br />

abzugeben, es sei denn bei Untervermietung Die Unteilbarkeit der<br />

Wohnungsnachfrage hat somit zur Folge, dass der nachfragende Haushalt<br />

auf Preisveränderungen, die eine gewisse, von dem Haushalt individuell<br />

festgesetzte Obergrenze übersteigen nur reagieren kann, indem er zwischen<br />

2 Wohnungstypen springt, Das impliziert, dass die konventionellen<br />

18


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Konzepte der Preis- <strong>und</strong> Einkommenselastizität der Nachfrage auf den<br />

Wohnungsmarkt kaum anwendbar sind.<br />

(2) Dauerhaftigkeit – Länge des Lebenszyklus<br />

Die Wohnung ist das langlebigste aller lebensnotwendigen Konsumgüter<br />

<strong>und</strong> wird von mehreren Haushalten hintereinander genutzt. Entsprechend der<br />

technischen Qualität des erstellten Baukörpers wird eine bis zu l00-jährige<br />

Nutzungsdauer unterstellt, die oft noch überschritten wird (<strong>und</strong> bei<br />

entsprechender Instandhaltung des Gebäudes auch gesteigert werden kann),<br />

andererseits aber oft deshalb nicht zu erreichen ist, weil sich für das<br />

Nutzungsangebot keine Nachfrage mehr findet. Drei Aspekte verdienen in<br />

diesem Zusammenhang Beachtung:<br />

• Infolge seiner Dauerhaftigkeit bleibt das Gut lange potentiell<br />

marktwirksam. So kann es während seiner Lebensdauer mehrmals am<br />

Markt angeboten werden (Besitzer- oder Mieterwechsel); neben dem<br />

Markt für Neubauten ergibt sich somit auch ein<br />

Gebrauchtwohnungsmarkt. Gr<strong>und</strong>sätzlich ist dies kein Spezifikum des<br />

Wohnungsmarktes. Auch andere Märkte, insbesondere der<br />

Automobilmarkt, kennen derartige Prozesse. Doch während sich an<br />

diesen Märkten die potentielle Marktwirksamkeit auf kurz- bis<br />

mittelfristige Zeiträume erstreckt, ist - bedingt durch die Lebensdauer<br />

des Gutes - am Wohnungsmarkt ein langfristiger Marktbezug<br />

gegeben.<br />

• Die lange physische <strong>und</strong> ökonomische Lebensdauer von Wohnungen<br />

führt dazu, dass die Zu- <strong>und</strong> Abgänge im Gesamtbestand relativ<br />

gering sind. Daher kann sich der Gesamtbestand auch langfristig nur<br />

recht zögernd an Nachfrageveränderungen anpassen, wodurch die<br />

Gebrauchtwohnungsmärkte gegenüber den Neubaumärkten eine<br />

größere Bedeutung erlangen.<br />

• Aus der langfristigen Nutzungsmöglichkeit resultiert in Verbindung<br />

mit den hohen Produktionskosten das Problem eines geringen<br />

Kapitalumschlags. Ist dann in Relation zu den Baukosten das im<br />

Mietwohnungsbau zu erzielende Nutzungsentgelt niedrig, ergibt sich<br />

eine Erhöhung des Investitionsrisikos, denn es ist bei der langen<br />

Lebensdauer des Gutes „Wohnung“ fast unmöglich, das Volumen <strong>und</strong><br />

die zeitliche Verteilung der in Zukunft zu erwartenden Einnahmen<br />

<strong>und</strong> Ausgaben zu projektieren <strong>und</strong> damit den Kapitalwert einer<br />

19


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

solchen Investition zu berechnen. Die Unmöglichkeit, eine<br />

Vorausschätzung der den Wohnungsmarkt beeinflussenden Faktoren<br />

über den gesamten Nutzungszeitraum einer Wohnung zu leisten,<br />

kompliziert die Investitionsentscheidung. Ist aber erst einmal das<br />

Wohnobjekt errichtet, ist es auch bei hohen auf ihm ruhenden<br />

finanziellen Belastungen wirtschaftlich nicht sinnvoll, das Gut<br />

Wohnung aus dem Markt zu nehmen, sollte die Miete alle Kosten<br />

nicht mehr decken. Die Langfristigkeit der Vermarktung macht somit<br />

eine ausschließlich auf Mieteinnahmen ausgerichtete<br />

Investitionsmotivation risikoreich, dem Investor bleibt als alleiniges<br />

Datum eine Garantie der Unsicherheit.<br />

• Soll ein Wohnungsangebot langfristig marktwirksam bleiben, wird der<br />

Investor auf Änderungen der Wohngewohnheiten <strong>und</strong><br />

Wohnansprüche reagieren müssen, wenn er sein Angebot auf<br />

bestimmte Nachfragerkreise ausrichten will. Ebenso wird er auch<br />

ohne derartige Änderungen der Nachfragerichtung für den<br />

technischen Erhalt seines Besitzes durch Maßnahmen der<br />

Instandhaltung <strong>und</strong> Instandsetzung Sorge tragen müssen. Ständige<br />

Reinvestitionserfordernisse ergeben sich somit als dritte Konsequenz<br />

der langen Lebensdauer des Marktgutes.<br />

(3) Lange Produktionsdauer<br />

Der Herstellungsprozess von Wohnungen ist als langwierig zu<br />

charakterisieren: zwischen Investitionsentscheidung <strong>und</strong> Fertigstellung des<br />

Objektes vergehen in der Regel zwei Jahre. Witterungsabhängigkeit des<br />

Bauprozesses <strong>und</strong> die lohnintensive Produktionsweise setzen einem<br />

Bemühen zur Reduzierung dieser Frist durch Rationalisierung enge Grenzen.<br />

Damit wird aber die Anpassung an unterschiedliche Marktlagen erschwert,<br />

denn zwischen dem Erkennen etwa einer Unterversorgung, der Reaktion<br />

hierauf <strong>und</strong> dem Wirksamwerden dieser Reaktion liegt ein Time-lag in der<br />

oben beschriebenen Größenordnung.<br />

Der Einfluss auf die Struktur der Wohnverhältnisse kann aus demselben<br />

Gr<strong>und</strong>e nicht zeitlich unmittelbar gelingen: Denn gemessen am gesamten<br />

Wohnungsbestand macht der jährliche Neuzugang etwa 2 bis 3 v. H. aus.<br />

Lange Produktionsdauer <strong>und</strong> Kapazität der Bauwirtschaft begrenzen damit<br />

den unmittelbaren Einfluss der Neuproduktion auf das Marktgeschehen.<br />

20


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

(4) Hohe Produktionskosten<br />

Aus den hohen Produktionskosten bei der Erstellung von Wohnraum<br />

resultieren Einflüsse, die Unterschiede zwischen wohnlicher Versorgung<br />

<strong>und</strong> Versorgung mit anderen Gütern bedingen. In der Regel ist der Bauherr<br />

nicht in der Lage, das Gut aus vorhandenen Barmitteln zu kaufen; so beträgt<br />

der Preis einer Neubauwohnung gegenwärtig das Acht- bis zehn Fache des<br />

Jahreseinkommens eines Durchschnittsverdieners.<br />

Anmerkung: Durchschnittlicher m2-Preis einer Neubaueigentumswohnung in<br />

Österreich: € 2.000.-; in Wien: € 2.800.-: ergibt bei einer 80m2-Wohnung zwischen €<br />

160.000.- <strong>und</strong> € 225.000.-<br />

Als erste Folge ergibt sich daraus für viele Haushalte die Unmöglichkeit,<br />

eine Wohnung als eigenen Besitz zu erwerben. Darum ist auf dem<br />

Wohnungsmarkt wie in sonst keinem Bereich des privaten Konsums das<br />

Phänomen der Miete verbreitet. Des Weiteren ergibt sich für die Bauherren<br />

die Notwendigkeit, die Herstellungskosten mit langfristig ausgeliehnen<br />

Mitteln kreditieren zu lassen. Die Wohnversorgung gerät hierdurch in eine<br />

starke Abhängigkeit von den Verhältnissen am Kapitalmarkt. Durch die<br />

Verzinsung <strong>und</strong> Tilgung derartiger Kredite entsteht ein hoher, periodisch<br />

anfallender Kostenblock, der in der Miete bzw. in der Belastung (bei<br />

Wohneigentum) seinen Niederschlag findet <strong>und</strong> diese in ihrer absoluten<br />

Höhe weitgehend bestimmt.<br />

Analog zur Unüblichkeit, wegen ihrer Höhe die Kosten eines neu<br />

erworbenen Wohnobjekts auf einmal aus Barmitteln zu begleichen, ergibt<br />

sich für einen Vermieter die Unmöglichkeit, das in ein Objekt investierte<br />

Kapital relativ schnell herauszulösen, da Mietzahlungen in einer derartigen<br />

Höhe nicht zu erwirtschaften sein werden. Damit ergibt sich parallel zur<br />

langen Nutzungsdauer des Gutes eine langfristige Kapitalbindung im Objekt.<br />

Im Mietwohnungsbau stehen den hohen Anfangsinvestitionen Einkünfte<br />

gegenüber, die erst über eine lange Zeitperiode hinweg erwachsen.<br />

Außerdem herrscht beim Anbieter über die Höhe der zu erwartenden<br />

Einkünfte große Unsicherheit, da er nicht in der Lage ist, die langfristige<br />

Entwicklung der Nachfrage nach Wohnungen <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Entwicklung der Mietpreise vorherzusehen. Diese Tatsache beeinflusst auch<br />

sein Investitionsverhalten.<br />

21


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

(7) Hohe Transaktionskosten<br />

Beim Kauf/Verkauf einer Immobilie fallen hohe Suchkosten<br />

(Maklerkosten), Verhandlungskosten, Vertragsabschlußkosten <strong>und</strong> andere<br />

Transaktionskosten (Gr<strong>und</strong>erwerbssteuer, etc. ) an<br />

(8) Begrenzte Substitutierbarkeit<br />

Wohnen zählt zu den „basic needs“, den Vitalbedürfnissen des Menschen,<br />

deren Befriedigung zur Sicherung einer biologischen wie auch geistigen<br />

Existenz unerlässlich ist. Hieraus resultiert die Sonderstellung, die die<br />

Nachfrage nach Wohnraum innerhalb der Bedürfnisstruktur eines Haushaltes<br />

besitzt.<br />

Die Nachfrager haben praktisch keine Möglichkeit der Substitution. Es<br />

lassen sich zwar graduelle Unterschiede in Bezug auf Zeitpunkt <strong>und</strong> Qualität<br />

der Bedürfnisbefriedigung feststellen, doch existieren weder Ersatzgüter,<br />

noch ist auf Dauer eine zeitliche Aussetzung des Bedarfs denkbar. Die<br />

Wohnung gehört - zumindest traditionell - zu der Kategorie des starren<br />

Bedarfs eines Haushalts. Dies gilt jedoch nur für den Gr<strong>und</strong>bedarf<br />

Es ist nämlich sinnvoll, den Wohnbedarf <strong>und</strong> die sich daraus ergebende<br />

Wohnungsnachfrage in 2 Komponenten zu zerlegen:<br />

a) den Gr<strong>und</strong>bedarf, der nur auf die lebensnotwendige Versorgung mit<br />

Wohnraum abgestellt ist;<br />

b) den darüber hinausgehenden Bedarf, der durch andere Faktoren, wie z. B.<br />

Geltungsbedarf, Prestigestreben Vermögensanlage etc. ausgelöst wird.<br />

Diesem Sachverhalt entspricht auch die Trennung zwischen normativem <strong>und</strong><br />

subjektivem Bedarf. Der normative Bedarf kann als eine politische<br />

Definition des Gr<strong>und</strong>bedarfs gesehen werden. Indem man als normativen<br />

Bedarf z. B. eine bestimmte m2-Wohnfläche pro Person festsetzt,<br />

operationalisiert man den Begriff des Gr<strong>und</strong>bedarfs. Die Aufteilung der<br />

Nachfrage in zwei Komponenten ist jedoch kein spezifisches<br />

Charakteristikum des Gutes Wohnen, sondern sie gilt für alle langlebigen<br />

Konsumgüter So kann beispielsweise der Gr<strong>und</strong>bedarf an individueller<br />

motorisierter Fortbewegung durch den Erwerb eines Mopeds gedeckt<br />

werden. Zunehmende qualitative Anspruche, z. B. nach Witterungsschutz,<br />

schnellerer <strong>und</strong> sichererer Fortbewegung, aber auch Aspekte demonstrativen<br />

22


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Konsums führen bei vorhandener Kaufkraft zur Nachfrage an anderen<br />

Teilmärkten (Motorrad, Kleinwagen, größeres Automobil). Bei langlebigen<br />

Konsumgütern folgt der Deckung des Gr<strong>und</strong>bedarfs in Abhängigkeit von<br />

individueller Kaufkraft <strong>und</strong> Marktsituation eine qualitative Differenzierung<br />

der Nachfragerichtung.<br />

(9) Mangelnde Marktransparenz<br />

In der Regel ist der Haushalt, der nur selten am Wohnungsmarkt in der Rolle<br />

des Nachfragers aktiv wird, nur unzureichend über das vorhandene Angebot<br />

informiert. Gründe dafür sind der geringe Standardisierungsgrad von<br />

Wohnungen, die räumliche Dispersion des Marktes <strong>und</strong> nicht zuletzt die<br />

Schwierigkeiten <strong>und</strong> Kosten, die bei der Erlangung von Marktinformationen<br />

entstehen. Die Folge ist, dass der Nachfrager bei Markteintritt unrealistische<br />

Vorstellungen vom vorhandenen Wohnungsangebot <strong>und</strong> den herrschenden<br />

Preisen hat, So müssen diese Vorstellungen des Nachfragers in der Folgezeit<br />

einen sukzessiven Anpassungsprozess durchleben, dessen Resultat eine<br />

durch die Angebotsgegebenheiten beschränkte Nachfrage ist. Andererseits<br />

sind auch private Anbieter / Vermieter oft nur unzureichend über<br />

Marktpreise informiert.<br />

Neben diesen allgemeinen Eigenschaften einer Wohnung sind (ähnlich wie<br />

beim unbebauten Gr<strong>und</strong>stück) noch folgende individuelle Merkmale zu<br />

nennen:<br />

(1) Größe der Wohnung<br />

Während bei Wohnungen die Nutzfläche in der Regel einfach zu eruieren<br />

ist, stellt sich diese Aufgaben bei anderen Immobilien oft schwierig dar:<br />

Bruttogeschoßfläche versus Nettogeschoßfläche, inwieweit sind Gänge,<br />

Stiegenhäuser zu berücksichtigen, wie sind Wohnkeller zu bewerten, etc.<br />

Wertaussagen zur Größe einer Wohnung sind vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

bestimmter Moden <strong>und</strong> Trends zu relativieren. Galten Kleinwohnungen (30<br />

– 40 m2) noch vor wenigen Jahren als besonders attraktiv, so sollten derzeit<br />

sogenannte „Singlewohnungen“ zumindest 50 m2 aufweisen. Es gilt aber<br />

nach wie vor, dass größere Wohnungen bezogen auf den m2-Preis billiger<br />

sind.<br />

23


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

(2) Baualter <strong>und</strong> Zustand<br />

Während das Baualter bzw. auch die Zeitpunkte von Sanierungen in der<br />

Regel einfach zu erheben sind, wird beim Zustand meistens eine subjektive<br />

Einschätzung abgegeben.<br />

(3) Höhe der Räume <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>riss<br />

Ähnlich wie das Baualter kann auch die Raumhöhe objektiv gemessen<br />

werden, werden die Einschätzung eines „guten“ bzw. „schlechten“<br />

Gr<strong>und</strong>risses nicht so einfach ist.<br />

(4) Orientierung <strong>und</strong> Stockwerkslage<br />

Die Orientierung nach Himmelsrichtungen sollte sich auf die<br />

Hauptwohnräume beziehen. Neben der Himmelsrichtung sind aber auch<br />

Eigenschaften wie Hoflage oder Aussicht auf stark befahrene Straßen zu<br />

vermerken. Die Stockwerkslage ist mit dem Vorhandensein bzw.<br />

Nichtvorhandensein eines Liftes zu relativieren. Generell wird die<br />

Stockwerkslage gerne als Indikator für „Aussicht“ herangezogen.<br />

(5) Ausstattung<br />

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier genannt: Keller(abteil), Zahl<br />

der Bäder, WCs, Heizungsart, Balkon, Terrasse, Garten, Loggia (Größe),<br />

Anschlüsse für Gas, Telefon, Internet, Kabel-TV.<br />

(6) Möblierung<br />

Häufig werden hier die drei Kategorien „voll“, „teilweise“ (Küche) <strong>und</strong><br />

„nicht“ möbliert herangezogen. Ohne den genauen Zustand der Möbel zu<br />

kennen, sind aber Werturteile generell nicht möglich.<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

1.5 Anbieter <strong>und</strong> Nachfrager auf dem<br />

Immobilienmarkt<br />

1.5.1 Anbieter am Immobilienmarkt<br />

Immobilienmärkte zeichnen sich auch dadurch aus, dass sehr<br />

unterschiedliche Personen <strong>und</strong> Personengruppen als Anbieter auftreten.<br />

An erster Stelle sind physische Personen zu nennen, die als private Akteure<br />

auf den verschiedenen Segmenten des Immobilienmarktes agieren. So zum<br />

Beispiel, wenn Baugr<strong>und</strong>stücke, Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen<br />

privat verkauft oder vermietet (verpachtet) werden. Dies kann unmittelbar<br />

oder unter Beiziehung von Vermittlern (Maklern) geschehen.<br />

Die zweite wichtige Gruppe sind gemeinnützige Wohnungsunternehmungen,<br />

die einer sozialen Verpflichtung zur Wohnungsversorgung unterliegen <strong>und</strong><br />

vor allem als Anbieter von Wohnungen auftreten.<br />

Bei freien Wohnungsunternehmen steht hingegen das Gewinnmotiv an erster<br />

Stelle.<br />

Bedeutend sind auch Gebietskörperschaften. Am Bodenmarkt können<br />

Länder sog. Baurechtsgründe (langfristige Verpachtung von Gründen zur<br />

Errichtung von Einfamilienhäusern im Eigentum) oder Gemeinden<br />

unmittelbar Baugründe anbieten. In Österreich <strong>und</strong> hier besonders in Wien<br />

spielt auch der Sektor der Gemeindewohnungen eine herausragende Rolle.<br />

1.5.2. Nachfrager am Immobilienmarkt<br />

Hier ist zu unterscheiden zwischen jener Nachfragergruppe, die auf dem<br />

Immobilienmarkt als „Endverbraucher“ (Endnutzer) auftritt <strong>und</strong> jener<br />

Gruppe, die (vor allem) Baugr<strong>und</strong>stücke zur weiteren Verwertung nachfragt.<br />

Zu Ersteren sind private Haushalte zu zählen, die vor allem Wohnungen<br />

bzw. Familienhäuser nachfragen. Definitionskriterium für Haushalte ist das<br />

gemeinsame Wirtschaften. Ein Haushalt kann auch aus einer Einzelperson<br />

bestehen. Ebenso Endverbraucher sind Betriebe, die unterschiedliche<br />

Gewerbeimmobilien (Büros, Produktionsstätten, etc.) nachfragen.<br />

25


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Auf der anderen Seite sind es vor allem Wohnbaugesellschaften <strong>und</strong><br />

Genossenschaften (sowohl gemeinnützig als auch gewinnorientiert) als auch<br />

Gebietskörperschaften die für ihre Projekte auf dem Gr<strong>und</strong>stücksmarkt tätig<br />

werden.<br />

1.6 Besonderheiten des Immobilienmarktes<br />

Der Begriff Markt wird in der Literatur allgemein umschrieben als das<br />

Zusammentreffen von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage.<br />

Diese leerformelhafte Umschreibung des Marktvorganges erfährt durch v.<br />

Stackelberg eine Konkretisierung dahingehend, dass unter Markt die<br />

gedankliche Zusammenfassung aller Kauf- <strong>und</strong> Verkaufsakte eines<br />

bestimmten Gutes innerhalb eines bestimmten Gebietes <strong>und</strong> Zeitraumes<br />

verstanden wird.<br />

Konstitutiv für das Vorhandensein eines Marktes ist demnach das Handeln<br />

von Akteuren in Bezug auf ein bestimmtes Wirtschaftsgut, wobei der<br />

Marktvorgang als Austausch von Leistungen zu charakterisieren ist. Die<br />

räumliche <strong>und</strong> zeitliche Eingrenzung, die v. Stackelberg in seiner Definition<br />

vornimmt, deutet bereits an, dass in der Realität für ein Wirtschaftsgut<br />

verschiedene (räumliche <strong>und</strong> sachliche) Märkte existieren können.<br />

Aus dieser Spezifizierung <strong>und</strong> den diskutierten Eigenschaften ist unmittelbar<br />

ersichtlich, dass es sich bei Immobilien um sehr heterogene Güter handelt,<br />

die sich in ihren Eigenschaften wesentlich voneinander unterscheiden. Es<br />

scheint deshalb auch nicht sinnvoll, "ein typisches Gut Immobilie" zu<br />

definieren, sondern für verschiedene Analysezwecke jeweils bestimmte<br />

Merkmale herauszugreifen, diese in Einzelmodellen zu analysieren <strong>und</strong><br />

später eine Verallgemeinerung oder Synthese anzustreben".<br />

Bevor auf den Boden- <strong>und</strong> den Wohnungsmarkt speziell eingegangen wird,<br />

seien einige generelle Besonderheiten angeführt:<br />

Neben der Unterscheidung objektspezifischer Märkte (Kleingärtenmarkt,<br />

Markt der Dachgeschosswohnungen, etc.) wird bei Immobilienmärkten<br />

häufig auch eine regionale Abgrenzung vorgenommen. Dies ergibt sich u.a.<br />

aus der Lebenssituation der nachfragenden Haushalte, die auf Gr<strong>und</strong> von<br />

26


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Arbeitsplatz, Schule oder Ähnlichem nur in einem bestimmten, räumlich eng<br />

abgegrenzten Segment agieren.<br />

Die Mehrzahl der Immobilienmärkte ist durch eine große Zahl von Nachfragern<br />

gekennzeichnet, die jedoch nur einen verschwindend kleinen Teil an<br />

der Gesamtnachfrage ausmachen. Man spricht von einer atomistischen oder<br />

polypolistischen Nachfragestruktur. Die Nachfrager haben unterschiedliche<br />

Präferenzen, die sich aus ihren individuellen Motiven ableiten lassen <strong>und</strong><br />

sie sind über die Preise <strong>und</strong> die Struktur der angebotenen Immobilien nur<br />

unvollständig informiert. Demnach besitzen die Anbieter quasi ein Monopol<br />

für ihre Offerten, jedoch sind diese Güter so ähnlich, dass die Anbieter in<br />

enger Substitutionskonkurrenz zueinander stehen. Für den Fall, dass auf<br />

diesen Märkten zugleich auch viele Anbieter auftreten, was für<br />

Immobilienmärkte sicherlich zutrifft, haben Chamberlain (1933), Gutenberg<br />

(1965) u.a. das Marktmodell der "Monopolistischen Angebotskonkurrenz"<br />

entwickelt.<br />

Charakteristisch für diese Marktform ist etwa im Gegensatz zum Modell der<br />

"Vollkommenen Konkurrenz", dass der Anbieter nicht die gesamte<br />

Nachfrage verliert, wenn er den Preis für sein Gut anhebt <strong>und</strong> nicht unbegrenzt<br />

Nachfrager hinzugewinnt, wenn er den Preis geringfügig senkt. Sein<br />

Spielraum bei der Preisgestaltung wird umso größer sein, je exklusiver er<br />

das Bild oder Image seines Anbots gestalten kann.<br />

Diese Art von "Non-Price-Competition" spielt auch beim "heterogenen<br />

Oligopol" eine wichtige Rolle. Oligopolistische Angebotskonkurrenz ist<br />

gekennzeichnet durch einige wenige Anbieter, denen eine große Zahl von<br />

Nachfragern gegenübersteht <strong>und</strong> diese Marktform trifft besonders auf den<br />

Wohnungsmarkt mit den gemeinnützigen <strong>und</strong> gewinnorientierten<br />

Wohnbaugesellschaften zu. Typisch für die Strategien der einzelnen<br />

Anbieter ist, dass sie bei der Vermarktung ihres Produktes die erwarteten<br />

Reaktionen der anderen Oligopolisten miteinbeziehen.<br />

Darüber hinaus können am Immobilienmarkt auch noch Beispiele für andere<br />

Marktformen identifiziert werden:<br />

Angebotsmonopol:<br />

Dies trifft beispielsweise auf die Wohnungen der Gemeinde Wien zu.<br />

27


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Exkurs: Preisbildung am Bodenmarkt<br />

Die Bildung <strong>und</strong> Entwicklung der Preise für Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden hat seit<br />

Begründung der Nationalökonomie immer wieder das (oft emotionale)<br />

Interesse einer breiten Öffentlichkeit gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ist immer stärker zu<br />

einem Kernproblem der Wohnungs- <strong>und</strong> Städtebaupolitik sowie der<br />

Raumordnungspolitik geworden: Das Faktum, dass mit der Verfügung über<br />

Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden Einkommen zu erzielen ist <strong>und</strong> umso eher, je mehr mit<br />

Änderung gesamtwirtschaftlicher Daten Bodenwertsteigerungen einhergehen,<br />

blieb immer Objekt reformerischer <strong>und</strong> vielfach radikaler<br />

Erörterungen.<br />

Da die Begriffe „Bodennutzung“ <strong>und</strong> „Gr<strong>und</strong>rente“ bei der Diskussion um<br />

Fragen des Bodenwertes <strong>und</strong> -preises von zentraler Bedeutung sind, sollen<br />

sie zunächst erläutert werden:<br />

Als Bodennutzung wird die zukünftig realisierbare Verwendung des Bodens<br />

bezeichnet. Hierzu gehört die land- <strong>und</strong> forstwirtschaftliche Nutzung des<br />

Bodens ebenso wie dessen Verwendung als Standort für Wohn- <strong>und</strong><br />

Geschäftsgebäude, Gewerbe-, Dienstleistungs- <strong>und</strong> Industriebetriebe.<br />

Verwaltungsgebäude, Infrastruktureinrichtungen oder für sonstige Zwecke.<br />

Jedes Gr<strong>und</strong>stück der insgesamt nicht vermehrbaren Bodenmenge einer<br />

Volkswirtschaft ist zu einem gegebenen Zeitpunkt einer bestimmten<br />

Bodennutzung gewidmet.<br />

Zwischen Bodennutzung <strong>und</strong> Bodenpreis besteht eine enge Verbindung. Sie<br />

ergibt sich über die Gr<strong>und</strong>rente.<br />

Die Gr<strong>und</strong>rente ist nach heutiger wirtschaftstheoretischer Auffassung der<br />

Preis für die Bodennutzung bzw. das Einkommen, das aus dem produktiven<br />

Einsatz von Bodennutzung für den Bodeneigentümer entsteht. Die<br />

Gr<strong>und</strong>rente hat wie Lohn <strong>und</strong> Zins einen doppelten Aspekt: einerseits ist sie<br />

ein Preis- <strong>und</strong> Kostenfaktor für die Wirtschaftseinheit, welche Bodennutzungen<br />

produktiv verwerten, andererseits ist sie eine Einkommenskategorie<br />

für die Landbesitzer. Zudem ist die Rente in mikroökonischer<br />

Sicht als Regulativ auf dem Gr<strong>und</strong>stücksmarkt anzusehen.<br />

Zur Erklärung der Gr<strong>und</strong>rente sind in der Nationalökonomie verschiedene<br />

Theorien entwickelt worden. Die ersten Erklärungsansatze, die sich auf den<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

landwirtschaftlichen Bereich beziehen <strong>und</strong> heute noch als F<strong>und</strong>ament für die<br />

Erklärung der Bodenpreisbildung gelten, stammen von Ricardo <strong>und</strong> von von<br />

Thünen.<br />

Ausgangspunkt bei Ricardo ist die These, dass für die Agrarproduktion<br />

zunächst die qualitativ besten Böden genutzt werden. Wenn die Nachfrage<br />

nach fruchtbarem Boden jedoch größer ist als das Angebot an Boden mit<br />

optimaler Qualität, werden auch die weniger fruchtbaren Böden zur<br />

Agrarproduktion herangezogen. Die auf den Böden verschiedener Güte<br />

geernteten Produkte erzielen am Markt zwar den gleichen Preis, bei<br />

gleichem Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit <strong>und</strong> Kapital ist aber die<br />

quantitative Ausbeute auf den fruchtbareren Böden größer, wodurch letztlich<br />

ein höherer Ertrag bzw. im Vergleich zu den schlechteren Böden eine<br />

Differenzialrente erwirtschaftet wird.<br />

Von Thünen dagegen unterstellt in seiner Theorie vom isolierten Staat das<br />

Vorhandensein einer großen Fläche von Boden mit gleich guter Qualität.<br />

Inmitten dieser Fläche liegt die einzige vorhandene <strong>Stadt</strong>, in der die<br />

erzeugten Agrarprodukte verkauft werden können. Nach von Thünens<br />

Auffassung bestimmt die Höhe des Preises, den das Produkt am Markt<br />

erzielt, zusammen mit den Produktions- <strong>und</strong> den Transportkosten die<br />

Gr<strong>und</strong>rente. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Transportkosten, erstens,<br />

mit der Distanz zwischen Produktionsort <strong>und</strong> Markt proportional ansteigen<br />

<strong>und</strong>, zweitens, je nach Art des Produktes differieren. Entsprechend der Idee<br />

der Gewinnmaximierung wird der Landwirt auf seinem Boden jeweils das<br />

Produkt anbauen, bei dem die Differenz zwischen dem erreichbaren<br />

Marktpreis <strong>und</strong> der Summe aus Produktions- <strong>und</strong> Transportkosten am<br />

größten ist. Aufbauend auf dem Modell von v. Thünen hat Alonso 1964 eine<br />

Theorie der Bodenpreisbildung entwickelt, wobei er auch Wohnbauland <strong>und</strong><br />

Gewerbebauland mit einbezieht. Er unterstellt eine Menge vereinfachender<br />

<strong>und</strong> z. T. unrealistischer Prämissen, wie etwa eine atomistische Konkurrenz<br />

<strong>und</strong> vollkommene Markttransparenz, die eine empirische Überprüfung des<br />

Modells kaum zulassen. Auf der Basis seiner Prämissen entwickelt er auf<br />

der Gr<strong>und</strong>lage der klassischen Theorie des Haushalts <strong>und</strong> der Unternehmung<br />

Gebotspreiskurven für die drei möglichen Arten der Bodennutzung<br />

Gewerbe/Büro, Wohnen <strong>und</strong> Landwirtschaft, wobei das Preisgebot von der<br />

Entfernung des Bodens vom <strong>Stadt</strong>zentrum abhängt. Je nach Bodennutzung<br />

ist diese Entfernung für die Gr<strong>und</strong>rente von unterschiedlicher Bedeutung.<br />

Die Art der Bodennutzung wird in diesem Modell über den Bodenmarkt<br />

29


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

bestimmt, d.h. sie ist davon abhängig, bei welcher Nutzungsart ein Anbieter<br />

für ein gegebenes Gr<strong>und</strong>stück den höchsten Preis erzielen kann.<br />

Bei den empirischen Untersuchungen über die Bodenpreisbildung wird von<br />

der Hypothese ausgegangen dass die Lage des Bodens für den erzielbaren<br />

Preis von entscheidender Bedeutung ist, wobei eine <strong>Stadt</strong> als räumlicher<br />

Bezugspunkt genommen wird. Brigham versuchte, von dieser Hypothese<br />

ausgehend, die Abhängigkeit der Bodenpreise von der Erreichbarkeit der<br />

Arbeitsplätze für die Region Los Angeles zu zeigen. Mills überprüfte anhand<br />

historischen Datenmaterials die Abhängigkeit der Bodenwerte von der<br />

Entfernung zum Zentrum für Chicago. Eine ähnliche Untersuchung führte<br />

Seyfried für die <strong>Stadt</strong> Seattle durch.<br />

Der Gr<strong>und</strong>rente kommt jedoch nicht nur eine preistheoretische Funktion zu.<br />

Sie ist aufgr<strong>und</strong> ihres funktionellen Charakters innerhalb der<br />

Einkommensverteilung auch eine soziale Kategorie. Ein Teil des<br />

Gr<strong>und</strong>renteneinkommens wird von unterschiedlichen Standpunkten aus<br />

gesehen als unverdient erachtet, da mit seiner Erzielung keine produktive<br />

Leistung verb<strong>und</strong>en ist. Die Ausschaltung spekulativer Momente im Prozess<br />

der Bodenpreisbildung <strong>und</strong> die Sicherung einer Entscheidungsbefugnis der<br />

Allgemeinheit in der Frage der Bodennutzung haben schon früh zu einer<br />

Diskussion um Erfassung <strong>und</strong> Besteuerung von Bodenwertsteigerungen<br />

sowie zur radikaleren Forderung nach einer Sozialisierung des Bodens<br />

geführt. Im Folgenden sollen die wesentlichen Argumente pro <strong>und</strong> contra<br />

Erfassung <strong>und</strong> Besteuerung von Bodenwertsteigerungen sowie die<br />

rechtlichen Möglichkeiten zu ihrer Realisierung erörtert werden.<br />

Exkurs: Zu Fragen der Erfassung von Bodenwertsteigerungen <strong>und</strong><br />

Bodenpolitik<br />

Die Idee einer Abschöpfung des Bodenwertzuwachsens beruht auf der<br />

ethischen Vorstellung, dass das gesamte Einkommen durch persönliche<br />

Anstrengungen oder Opfer gerechtfertigt sein müsse. Vor allem seit<br />

Ricardos Gr<strong>und</strong>rententheorie gewann der Gedanke an Bedeutung, die<br />

Gemeinschaft habe ein bevorzugtes oder ausschließliches Recht auf die<br />

Gr<strong>und</strong>rente, da die Gr<strong>und</strong>rente Einkommensquelle ohne Arbeit sei <strong>und</strong> von<br />

der Gemeinschaft geschaffen sei, die wiederum das Entstehen von<br />

Nutzungsansprüchen <strong>und</strong> Lagevorteilen bedinge. Dieser Gedanke hatte<br />

schon früh zu Vorschlagen geführt, die von der speziellen <strong>und</strong> bevorzugten<br />

30


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Besteuerung der Gr<strong>und</strong>rente bzw. Bodenwerte bis zur vollständigen<br />

Sicherung der Gr<strong>und</strong>rente für die Gemeinschaft durch eine<br />

Bodensozialisierung reichten. Stewart Mill, der Ricardos Gr<strong>und</strong>rententheorie<br />

aufnahm, führte den Begriff des “unearned increment“ ein, weil bei<br />

wachsender Bevölkerung <strong>und</strong> zunehmender Nachfrage nach Boden das<br />

Einkommen der Gr<strong>und</strong>eigentümer ohne jegliche Anstrengung steige.<br />

Hinsichtlich der intendierten Form der Überführung der Gr<strong>und</strong>rente an die<br />

Allgemeinheit lassen sich drei Ansätze unterscheiden:<br />

1. Im Interesse einer Steigerung der volkswirtschaftlichen Produktivität wird<br />

eine Bodenübertragung an den Staat verlangt. Eine<br />

Wertsteigerungserfassung wird für ungerecht gehalten, da die Gr<strong>und</strong>rente<br />

ohne Zutun des Eigentümers steigen könne. Es gibt nicht einmal eine<br />

Rechtfertigung dafür, sie durch eine Besteuerung nur zu schmälern.<br />

2. Weiterhin wird die Auffassung vertreten, jede Bodenwertsteigerung bzw.<br />

das damit verb<strong>und</strong>ene Einkommen sei unverdient, weil sie dem<br />

Bodeneigentümer sittlich nicht gebühre.<br />

Wenn er sie beziehe, sei das ethisch nicht einwandfrei, da alle<br />

Nichtbodenbesitzer nur durch Arbeit <strong>und</strong>/oder Kapitaleinsatz Einkommen<br />

beziehen könnten. Darüber hinaus komme sie nur privilegierten Schichten<br />

zugute, da die Mehrzahl der Menschen eben keinen Boden besitzt. Diese<br />

Auffassung wird auch heute noch im Kern von denjenigen vertreten, die<br />

zum Wertsteigerungsproblem Stellung genommen haben oder selbst<br />

Vorschläge zur Besteuerung entwickelt haben. Dabei wird bei der<br />

Besteuerung der Rente auf das arbeitslose Einkommen abgezielt, das nicht<br />

seiner Entstehung nach arbeitslos, sondern arbeitslos bezogen wird.<br />

3. Ein weiterer, aktuell wohl am häufigsten vertretener Standpunkt ist der,<br />

dass sich die Wertsteigerungen des Bodens auf Leistungen oder<br />

Aufwendungen der Allgemeinheit zurückführen lassen. Weil die<br />

Gemeinschaft sozusagen Urheberin der Wertsteigerung sei, habe sie auch<br />

einen Anspruch darauf. Der Steuerung der Bodenpreise kommt in diesen<br />

Konzepten auch eine Steuerungsfunktion für die Bodennutzung zu:<br />

Landschaft, Industrie <strong>und</strong> Wohnsiedlungen sowie der Verkehr sollen in<br />

einem wohl koordinierten Beziehungszusammenhang stehen. Diese Aufgabe<br />

kann aber innerhalb einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht durch den<br />

Markt gelöst werden. Den handelnden Wirtschaftssubjekten fehlt es dazu am<br />

31


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

nötigen Überblick, ebenso wie wirtschaftliches Interesse im Einzelfall nicht<br />

notwendigerweise dem allgemeinen Interesse entspricht.<br />

Mit den Forderungen nach Besteuerung von Bodenwertsteigerungen <strong>und</strong><br />

Sozialisierung des Bodens werden Art. 14 <strong>und</strong> 15 des Gr<strong>und</strong>gesetzes direkt<br />

angesprochen. In Art. 14 Abs. 1 wird das Privateigentum zur<br />

verfassungsrechtlichen Norm <strong>und</strong> damit zum Kern unserer Gesellschafts-<br />

<strong>und</strong> Wirtschaftsordnung überhaupt erhoben. Demgegenüber betont Abs. 2<br />

desselben Artikels die Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Art. 14 Abs. 3 <strong>und</strong><br />

Art, 15 ermöglichen in Einzelfällen sogar Enteignungen <strong>und</strong><br />

Vergesellschaftung, allerdings nur unter Zahlung einer angemessenen<br />

Entschädigung. Durch dieses Dilemma, das bei der Rechtsauslegung<br />

zwangsläufig entsteht, wird der Eigentumsbegriff mit einer erheblichen<br />

Unsicherheit belastet.<br />

Abgesehen von der verfassungsrechtlichen Problematik, müssen<br />

bodenpolitische Maßnahmen immer zwei Ziele im Auge haben:<br />

1) Sie müssen die Mobilität des Baubodens erhöhen <strong>und</strong> dampfend auf die<br />

Preiserwartungen einwirken <strong>und</strong><br />

2) sie dürfen die private Investitionsbereitschaft nicht beschränken. Denn die<br />

gewaltigen städtebaulichen Aufgaben der Zukunft lassen sich ohne die<br />

Investitionsbereitschaft privaten Kapitals nicht lösen.<br />

Im Folgenden soll untersucht werden, in weicher Weise die Abschöpfung<br />

unverdienter Wertzuwächse die Erreichung dieser Ziele beeinflusst. Dabei<br />

sollen zwei Formen der Abschöpfung diskutiert werden: der<br />

Planungswertausgleich (Planungswertabgabe) <strong>und</strong> die Bodenwertzuwachssteuer.<br />

Der Planungswertausgleich findet in Deutschland seine konkrete<br />

Realisierung in der Ausgleichsabgabe nach § 41 StBauFG. Damit wird der<br />

Forderung nach der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG)<br />

entsprochen. Man geht dabei von dem Gr<strong>und</strong>gedanken aus, dass ein<br />

Eigentümer für Wertsteigerungen seines Bodens, die sich aus neuen<br />

Planungsfestsetzungen ergeben, einen Ausgleichsbetrag an die öffentliche<br />

Hand entrichten muss, da ihr - <strong>und</strong> damit letztlich der Allgemeinheit - durch<br />

den Ausbau der Infrastruktur enorme Kosten entstanden sind.<br />

32


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Allgemein lassen sich sieben Hauptargumente gegen ein<br />

Abschöpfungssystem in Form einer Bodenwertzuwachssteuer anführen:<br />

1. Die Höhe des unverdienten Einkommens aus Bodenbesitz kann nicht<br />

genau berechnet werden.<br />

2. Bodenwertveränderungen sind weder quantitativ, zeitlich noch<br />

räumlich auf einzelne Ursachen zurückführbar.<br />

3. Wenn der Allgemeinheit das Recht zugestanden wird,<br />

Bodenwertsteigerungen abzuschöpfen, dann muss sie gerechterweise<br />

bei Bodenwertminderungen auch zum Ausgleich herangezogen<br />

werden können.<br />

4. Da die Abgabe elastisch gehandhabt werden muss, kann eine<br />

Stabilisierung der Bodenpreise nicht erwartet werden.<br />

5. Wie das Beispiel der Baulandsteuer gezeigt hat, führt eine<br />

Bodenwertzuwachssteuer nicht zu einer erhöhten Bodenabgabewilligkeit,<br />

sondern wirkt eher in umgekehrter Richtung.<br />

Da eine derartige Abschöpfung das Verhältnis von Angebot <strong>und</strong><br />

Nachfrage auf den Baumärkten nicht tangiert, kann sie keine Kosten<br />

senkende Wirkung haben.<br />

6. Auch eine Steigerung des Sozialprodukts kann von der Einführung<br />

einer solchen Steuer nicht erwartet werden.<br />

Will man die Bildung <strong>und</strong> Entwicklung der Bodenpreise unter Wahrung der<br />

privaten Verfügungsmacht so beeinflussen, dass Auswüchse in Form von<br />

übertriebenen Preissteigerungen möglichst gering gehalten werden, so sind<br />

Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Geschehen auf dem Bodenmarkt<br />

mit marktwirtschaftlichen Mitteln beeinflussen. Dabei ist zu beachten, dass<br />

es „natürlich ... immer schwer sein (wird), die Waage zwischen<br />

Sozialpflichtigkeit <strong>und</strong> Privateigentum in Einklang zu halten“; ob durch<br />

Eingriffe der öffentlichen Hände mit vorsichtiger Tendenz der<br />

Kommunalisierung auch wirklich etwas Besseres geschaffen wird, ist jedoch<br />

zu bezweifeln. Die Auswahl der zur Beeinflussung des Bodenmarktes<br />

geeigneten Maßnahmen <strong>und</strong> Mittel erfordert die Kenntnis der auf diesem<br />

Markt agierenden Parteien, ihrer Verhaltensweisen <strong>und</strong> die<br />

Berücksichtigung aller die Bodenpreisbildung bestimmenden Faktoren.<br />

33


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

2. <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

2.1 Wertbegriffe<br />

Vor Ermittlung von Immobilienwerten ist die Frage zu stellen, welcher Wert<br />

ermittelt werden soll. Werten ist teleologisch <strong>und</strong> bedarf eines<br />

Wertesystems.<br />

Im Lexikon der Philosophie wird der Wert als Beziehung zwischen einem<br />

Gegenstand <strong>und</strong> einem Maßstab durch einen wertenden Menschen definiert.<br />

Wesentlich sind dabei die Entscheidungsmöglichkeiten, die dem wertenden<br />

Menschen in der jeweiligen Situation zur Verfügung stehen. Bewerten heißt<br />

vergleichen, d.h. ein Bewertungsobjekt wird einem Vergleichsobjekt<br />

gegenübergestellt <strong>und</strong> vom bekannten auf den unbekannten Preis<br />

geschlossen.<br />

Nachstehend werden verschiedene in Österreich gebräuchliche<br />

Wertdefinitionen, wie sie in Gesetzen verankert sind, beschrieben. Im<br />

Vergleich dazu werden der international übliche Verkehrswert <strong>und</strong> die<br />

Definition des fairen Wertes der internationalen Buchführungsstandards<br />

dargestellt.<br />

2.1.1 Verkehrswert<br />

Der Verkehrswert ist in § 2 Abs. 2 <strong>und</strong> 3 des Liegenschaftsbewertungsgesetzes<br />

(LBG), wie folgt definiert:<br />

Der Verkehrswert ist der Preis, der bei Veräußerung der Sache üblicherweise<br />

im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden kann. Die besondere<br />

Vorliebe <strong>und</strong> andere ideelle Wertzumessungen einzelner Personen haben bei<br />

der Ermittlung des Verkehrswertes außer Betracht zu bleiben.<br />

Der Verkehrswert ist der zentrale Wertbegriff im Rahmen der<br />

österreichischen Wertermittlung. In der ÖNORM B 1802 existiert keine<br />

Definition des Verkehrswertes. Das Ziel der Gr<strong>und</strong>stücksbewertung ist –<br />

von Ausnahmen abgesehen – die Ermittlung des Verkehrswertes.<br />

34


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Es ist daher unter dem Verkehrswert begrifflich jener Wert zu verstehen, der<br />

im allgemeinen Gr<strong>und</strong>stücksverkehr am wahrscheinlichsten zu erzielen ist.<br />

2.1.2 Einheitswert<br />

Der Einheitswert wird auf Basis des Bewertungsgesetzes vom zuständigen<br />

Finanzamt ermittelt. Der Einheitswert dient als Bemessungsgr<strong>und</strong>lage für<br />

verschiedene Steuern, wie z.B. der Gr<strong>und</strong>steuer, der Erbschaftssteuer, etc.<br />

<strong>und</strong> liegt in der Regel deutlich unter dem Verkehrswert. Eine Relation<br />

zwischen Verkehrswert <strong>und</strong> Einheitswert kann generell nicht festgelegt<br />

werden.<br />

2.1.3 Marktwert<br />

Marktwert ist der in Europa <strong>und</strong> international harmonisierte Wertbegriff für<br />

den aktuellen Wert (Bewertungsstichtag), den eine Immobilie repräsentiert.<br />

Er ist in unterschiedlichen Quellen definiert, wobei jedoch sachlich keine<br />

Unterschiede gegeben sind. Der Marktwert wird für vielfältige<br />

Bewertungszwecke ermittelt, wobei der Begriff in Österreich vorwiegend im<br />

Bankenwesen sowie im Bilanzierungsbereich verwendet wird.<br />

Das internationale Komitee für Bewertungsstandards (IVCS) hat<br />

gemeinsam mit dem Europäischen Dachverband der Immobilienbewerter<br />

(TEGoVA) nachfolgende Definition des Marktwertes festgelegt:<br />

Der Marktwert ist der geschätzte Betrag, zu dem eine Immobilie in einem<br />

funktionierenden Immobilienmarkt zum Bewertungsstichtag zwischen einem<br />

verkaufsbereiten Verkäufer <strong>und</strong> einem kaufbereiten Erwerber nach<br />

angemessenem Vermarktungszeitraum in einer Transaktion im<br />

gewöhnlichen Geschäftsverkehr verkauft werden könnte, wobei jede Partei<br />

mit Sachkenntnis, Umsicht <strong>und</strong> ohne Zwang handelt. Beim Marktwert<br />

dürfen Steuern <strong>und</strong> Nebenkosten nicht berücksichtigt werden.<br />

Es sei hier angeführt, dass es auch sog. „Non-Market-Values“ gibt<br />

35


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

2.1.5 Beleihungswert<br />

Der Beleihungswert ist ein eigenständig ermittelter Wert <strong>und</strong> nicht mit dem<br />

stichtagsbezogenen Marktwert oder Verkehrswert ident.<br />

Neben den angeführten Wertbegriffen existieren noch weitere national<br />

übliche Wertbegriffe, wie z.B. jener des Versicherungswertes, etc. Auch<br />

international existieren diverse Wertbegriffe die auch im Konnex mit den<br />

regionalen Marktbedingungen des jeweiligen Immobilienmarktes zu<br />

bewerten sind.<br />

2.1.6 Market Value als „Existing Use Value”<br />

Der „Existing Use Value“ ist der beste Preis, zu dem eine Liegenschaftstransaktion<br />

bedingungslos gegen Geldzahlung am Bewertungsstichtag<br />

stattfinden würde unter den Annahmen:<br />

• eines gewillten Verkäufers,<br />

• eines angemessenen Zeitraums vor dem Tag der Bewertung für<br />

Vermarktung, für Übereinkunft über Preis <strong>und</strong> Bedingungen <strong>und</strong> für<br />

den Verkaufsabschluss unter Berücksichtigung der Eigenschaften des<br />

Objektes sowie der Marktsituation,<br />

• dass die Marktsituation, die Marktwerte <strong>und</strong> andere Umstände zu<br />

jedem früheren angenommenen Tag zwischen dem<br />

Bewertungsstichtag <strong>und</strong> dem Tag der angenommenen notariellen<br />

Beurk<strong>und</strong>ung der Transaktion dieselben waren,<br />

• dass weitergehende Offerten durch Kaufinteressenten mit besonderem<br />

Interesse an dem Objekt nicht berücksichtigt werden <strong>und</strong><br />

• dass jede der Parteien nach ordnungsmäßiger Vermarktung<br />

unabhängig, wohlwissend <strong>und</strong> ohne Zwang gehandelt hat,<br />

• dass das Objekt in absehbarer Zukunft lediglich für die bestehende<br />

Nutzung geeignet ist <strong>und</strong><br />

• dass das Objekt zum Verkaufszeitpunkt völlig leer steht <strong>und</strong> als<br />

Einheit verkauft wird.<br />

2.1.7 Market Value als „Alternative Use Value“<br />

36


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Der „Alternative Use Value“ ist der Wert bei Unterstellter bzw. theoretisch<br />

möglicher Umnutzung des Objektes in der Zukunft.<br />

2.2 Methoden der <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Die <strong>Immobilienbewertung</strong>sverfahren in Österreich lassen sich in gesetzlich<br />

festgelegte <strong>und</strong> nicht kodifizierte Verfahren unterteilen.<br />

2.2.1 Liegenschaftsbewertungsgesetz<br />

Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung <strong>und</strong> des großen Anteils am<br />

Volksvermögen, das in Österreich in Immobilien geb<strong>und</strong>en ist, erfährt die<br />

Wertermittlung eher eine stiefmütterliche Behandlung im österreichischen<br />

Recht.<br />

Das Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG), BGBl. Nr. 150/1992 ist ein<br />

maßgeblicher Schritt dazu, in Österreich eine eigenständige rechtliche<br />

Gr<strong>und</strong>lage auf dem Gebiet der Liegenschaftsbewertung zu schaffen. Davor<br />

existierten als rechtliche Gr<strong>und</strong>lagen die Liegenschaftsbewertungsrichtlinien<br />

aus dem Jahr 1977 <strong>und</strong> 1982 <strong>und</strong> die Realschätzordnung aus dem Jahr 1897.<br />

Zur Realschätzordnung ist anzuführen, dass diese nur für das<br />

Exekutionsverfahren anzuwenden war, was vielfach verkannt wurde. Gemäß<br />

Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, durfte die Realschätzordnung bei<br />

der Feststellung des Verkehrswertes bei unentgeltlich erworbenen<br />

Liegenschaften nicht herangezogen werden, da vom Herstellungswert <strong>und</strong><br />

nicht vom Anschaffungswert ausgegangen wurde. Ziel des<br />

Liegenschaftsbewertungsgesetzes ist es, einen rechtlichen Rahmen als<br />

Orientierungs- <strong>und</strong> Entscheidungshilfe, ohne allzu enge Grenzen für die<br />

Tätigkeit des Sachverständigen zu schaffen. Zwingend anzuwenden ist das<br />

Liegenschaftsbewertungsgesetz nur im gerichtlichen Verfahren <strong>und</strong> im<br />

Verwaltungsverfahren mit sukzessiver gerichtlicher Kompetenz<br />

(Enteignung).<br />

Für den Bereich der privaten Wertermittlungen ist das LBG nicht<br />

anzuwenden, daher wurde die ÖNORM B 1802 geschaffen.<br />

37


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

ÖNORM B 1802<br />

Im Zuge der Neubearbeitung der Normenserie B 1801 mussten die<br />

verkehrswertrelevanten Regelungen außer betracht bleiben, daher wurde im<br />

Jahr 1998 eine eigene ÖNORM B 1802 „Gr<strong>und</strong>lagen der<br />

Liegenschaftsbewertung“ geschaffen.<br />

Die ÖNORM B 1802 ist in neun Abschnitte wie folgt gegliedert:<br />

1 Anwendungsbereich<br />

2 Begriffsbestimmungen<br />

3 Allgemeine Gr<strong>und</strong>sätze<br />

4 Einflussgrößen der Wertermittlung<br />

5 Wertermittlungsverfahren<br />

6 Wahl des Wertermittlungsverfahrens<br />

7 Flächen <strong>und</strong> Rauminhalte<br />

8 Bezugsnormen <strong>und</strong> notwendige Rechtsvorschriften<br />

9 Stichwortverzeichnis<br />

Der Anwendungsbereich der ÖNORM B 1802 betrifft die Ermittlung der<br />

Gr<strong>und</strong>lagen des Verkehrswertes von bebauten <strong>und</strong> unbebauten<br />

Gr<strong>und</strong>stücken <strong>und</strong> Liegenschaftsteilen, einschließlich der Bestandteile, wie<br />

z.B. Gebäude, Außenanlagen, Superädifikate <strong>und</strong> Baurechte. Die Inhalte<br />

betreffen die Nachvollziehbarkeit des Verfahrens, des Bef<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der<br />

Schlussfolgerung.<br />

Superädifikate oder Überbauten sind selbständige Bauwerke, die auf<br />

fremden Gr<strong>und</strong> in der Absicht aufgeführt werden, dass sie nicht stets<br />

darauf bleiben sollen (§ 435 ABGB). Das Fehlen der Absicht, das Bauwerk<br />

stets auf fremden Gr<strong>und</strong> zu belassen, muss nach außen erkennbar in<br />

Erscheinung treten, <strong>und</strong> zwar entweder durch die Bauweise des Gebäudes<br />

(Markt- <strong>und</strong> Praterhütten, Schrebergartenhäuschen) oder dadurch, dass das<br />

Gebäude auf Gr<strong>und</strong> eines zeitlich begrenzten Benutzungsrechtes errichtet<br />

wird. Superädifikate sind selbst bei fester Bauweise als beweglich<br />

anzusehen. Im Gegensatz zum Baurecht handelt es sich beim Superädifikat<br />

um keinen selbstständigen Bestandteil einer Gr<strong>und</strong>buchseinlage.<br />

Das Baurecht ist das dingliche, veräußerliche <strong>und</strong> vererbliche Recht, auf<br />

oder unter der Bodenfläche eines fremden Gr<strong>und</strong>stücks ein Bauwerk zu<br />

haben. Es besteht unabhängig vom Eigentumsrecht am Gr<strong>und</strong>stück.<br />

38


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Sinn <strong>und</strong> Zweck des Baurechts ist es, dem Eigentümer seine Rechte an der<br />

Liegenschaft zu erhalten <strong>und</strong> künftigen Verwendungen nicht endgültig<br />

vorzugreifen. Es wird dadurch auch vermieden, dass dringend benötigte<br />

Bauflächen ungenutzt bleiben. Zudem erspart sich der Bauberechtigte den<br />

Kaufpreis für den Gr<strong>und</strong>.<br />

Das Bauwerk gehört dem Eigentümer des Bauwerks, der Gr<strong>und</strong> dem<br />

Gr<strong>und</strong>eigentümer. Diese Personen müssen nicht ident sein.<br />

Das Baurecht entsteht durch bücherliche Eintragung im C-Blatt der<br />

belasteten Liegenschaft. Es muss sich auf den ganzen Gr<strong>und</strong>buchskörper<br />

beziehen. Im Anschluss an die belastete Einlage wird eine eigene<br />

Baurechtseinlage eröffnet, die wie ein selbständiger Gr<strong>und</strong>buchskörper zu<br />

behandeln ist. Alle Eintragungen gegen den Bauberechtigten (z.B.<br />

Veräußerung oder Belastung des Baurechts) sind in dieser Einlage zu<br />

vollziehen. Dem Baurechtsinhaber stehen am Bauwerk die Rechte eines<br />

Eigentümers <strong>und</strong> am Gr<strong>und</strong>stück die Rechte eines Nutznießers zu.<br />

Das Baurecht gilt als unbewegliche Sache, ein errichtetes Bauwerk ist Teil<br />

des Baurechtes <strong>und</strong> somit ebenfalls unbeweglich.<br />

Das Baurecht kann nicht auf weniger als 10 <strong>und</strong> nicht auf mehr als 100 Jahre<br />

bestellt werden. Innerhalb des festgelegten Zeitraumes ist seine Beendigung<br />

durch Vereinbarung möglich. Bei Erlöschen des Baurechts fällt das Bauwerk<br />

an den Gr<strong>und</strong>eigentümer, der den Baurechtsinhaber mangels anderer<br />

Vereinbarung für ein Viertel des vorhandenen Bauwertes entschädigen<br />

muss.<br />

2.2.2 Kodifizierte Wertermittlungsverfahren<br />

Gemäß Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG) sind Wertermittlungsverfahren<br />

anzuwenden, die dem jeweiligen Stand der Wissenschaft<br />

entsprechen. Als solche Verfahren kommen insbesondere das Vergleichswertverfahren<br />

gemäß § 4 LBG, das Ertragswertverfahren gemäß § 5 LBG<br />

<strong>und</strong> das Sachwertverfahren gemäß § 6 LBG in Frage. Aber auch andere<br />

gesetzliche Regelungen, wie z.B. das Handelsgesetzbuch (HGB), das<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Aktiengesetz (AktG), das Bewertungsgesetz <strong>und</strong> das Wohnungseigentumsgesetz<br />

(WEG) enthalten diesbezügliche Vorgaben.<br />

Die im LBG angeführten Wertermittlungsverfahren können entsprechend<br />

dem zeitlichen Ansatz, wie folgt gegliedert werden:<br />

Sachwertverfahren Vergleichswertverfahren Ertragswertverfahren<br />

Vergangenheit<br />

Herstellungswert<br />

Aus Vergangenheit<br />

Vergleichspreise<br />

Möglichst<br />

Verkehrswert<br />

ermittelt aus<br />

Vergleichswert,<br />

Ertragswert,<br />

Sachwert<br />

Wertermittlungsstichtag<br />

Nachstehend werden die drei im Liegenschaftsbewertungsgesetz<br />

angeführten Wertermittlungsverfahren überblicksartig vorgestellt.<br />

2.2.2.1 Vergleichswertverfahren<br />

Im Vergleichswertverfahren wird der Verkehrswert der Liegenschaft durch<br />

den zeitnahen Vergleich mit bereits realisierten <strong>und</strong> unter Marktbedingungen<br />

zustande gekommenen Kaufpreisen vergleichbarer Liegenschaften<br />

abgeleitet. Das Vergleichswertverfahren gilt als das theoretisch geeignetste<br />

Verfahren zur Verkehrswertermittlung.<br />

Die Vergleichbarkeit der Rahmenbedingungen entsprechend der Struktur des<br />

nachstehenden Bildes ist zu prüfen, wobei unterstellt wird, dass auch alle<br />

weichen Faktoren monetär bewertet werden:<br />

40<br />

Zukunft<br />

Zeitachse<br />

Nutzen<br />

Künftig erwartbar


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Voraussetzung für die Anwendung des Vergleichswertverfahrens ist die<br />

Verfügbarkeit von zeitnahen Preisen für Vergleichsliegenschaften. Die<br />

Beurteilung der Vergleichbarkeit ist nur gegeben, wenn Eigenschaften bzw.<br />

Faktoren der Wohnimmobilie sowohl für die zu bewertende als auch die<br />

Vergleichsliegenschaft verfügbar sind <strong>und</strong> eine weitgehende<br />

Übereinstimmung festgestellt wird. Übereinstimmung wird hinsichtlich<br />

sachlicher <strong>und</strong> rechtlicher Faktoren aber auch hinsichtlich des<br />

Bewertungsstichtages in bestimmten Umfang gefordert.<br />

Neben den objektiven Zahlen (Größe, Baujahr, etc.) werden auch subjektive<br />

Qualitätsbeurteilungen getroffen, um zu marktgerechten Vergleichswertergebnissen<br />

zu kommen. Auch ist ein Vergleichsobjekt nicht ausreichend,<br />

sondern es werden mehrere gefordert. Zusätzlich zur Vergleichbarkeit der<br />

Gr<strong>und</strong>stücke ist zu prüfen, ob der jeweilige Marktpreis nicht durch<br />

ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse bestimmt ist. Die<br />

Heterogenität der Wohnimmobilien bewirkt, dass diese Voraussetzungen<br />

kaum gegeben sind <strong>und</strong> das Verfahren daher fast nur bei unbebauten<br />

Gr<strong>und</strong>stücken, Reihenhäusern <strong>und</strong> Eigentumswohnungen zur Anwendung<br />

kommt.<br />

Da in Österreich im Gegensatz zu Deutschland, keine zentralen<br />

Kaufpreissammlungen (Bodenrichtwertkarten) existieren, ist auch kaum eine<br />

größere Anzahl von Kaufpreisen verfügbar, die für verfeinerte statistische<br />

Verfahren erforderlich wäre.<br />

Da für die Vergleichsliegenschaften am Markt verhandelte Kaufpreise<br />

vorliegen, während für die zu bewertende Liegenschaft ein Wert ermittelt<br />

werden soll, können Abweichungen von ± 15 % auch für gleichartige<br />

Liegenschaften gegeben sein.<br />

Im Rahmen des Vergleichswertverfahrens kann der Wert durch den<br />

unmittelbaren Vergleich mit hinreichend übereinstimmenden Vergleichsliegenschaften<br />

<strong>und</strong> mittelbaren Vergleich, z.B. mit Bodenrichtwerten<br />

ermittelt werden.<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

2.2.2.2 Sachwertverfahren<br />

Der Sachwert ist die technische Wertkomponente <strong>und</strong> besteht aus dem<br />

Bodenwert samt Erschließungskosten, dem Bauwert samt Baunebenkosten<br />

<strong>und</strong> den Kosten der Außenanlagen. Nachstehend wird das Ablaufschema<br />

über die Ermittlung des Verkehrswertes im Sachwertverfahren abgebildet:<br />

Abbildung Schema Sachwertverfahren<br />

Da beim Sachwertverfahren marktferne Werte ermittelt werden, ist der<br />

Anpassungsbedarf, insbesondere in Relation zum Vergleichswertverfahren<br />

verfahrensbedingt ungleich höher. Daher ist das Sachwertverfahren auch für<br />

Ertragsliegenschaften nur bedingt geeignet.<br />

Nachstehend werden wesentliche Komponenten des Sachwertverfahrens, das<br />

sich als substanzorientiertes Verfahren an den Ersatzbeschaffungskosten<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

orientiert, erörtert. Der Bodenwert ist abhängig von der Flächenwidmung<br />

(Wohnbaugebiet, Grünland, etc.), der Lage <strong>und</strong> der infrastrukturellen<br />

Erschließung, der Baureifmachung (Wasser-, Gas-, Kanal- <strong>und</strong><br />

Stromanschluss), der Größe des Gr<strong>und</strong>stückes <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>stücksform<br />

sowie der Bodenbeschaffenheit (Bodenklasse, Gr<strong>und</strong>wasserverhältnisse,<br />

Bodenrelief, Bodenbelastung) <strong>und</strong> einer ev. Bebauung oder Bestockung<br />

(Baumbestand). Der Boden ist ein unbeschränkt nutzbares Gut, sodass keine<br />

Restnutzungsdauer zu berücksichtigen ist.<br />

Unter dem Herstellungswert werden die durchschnittlichen<br />

Herstellungskosten, die aufgewendet hätten werden müssten, wenn das<br />

Gebäude am Bewertungsstichtag errichtet würde. Zu den Herstellungskosten<br />

zählen neben den eigentlichen Baukosten auch die Nebenkosten, wie z.B.<br />

die Planung <strong>und</strong> Bauvorbereitung <strong>und</strong> Finanzierung des Projektes.<br />

Herstellungskosten entstehen sowohl für Gebäude als auch für<br />

Außenanlagen.<br />

Von Wertminderung wegen Baumängeln <strong>und</strong> Schäden spricht man, wenn<br />

die Wohnimmobilie nicht dem Stand der Technik entspricht. Die Ursachen<br />

können einerseits durch Bauschäden die in der Folge zu Folgemängeln<br />

führen oder durch extreme externe Einflüsse bzw. die Nichtdurchführung<br />

der laufenden Instandsetzung.<br />

Unter der Wertminderung infolge Alterung <strong>und</strong> Abnutzung versteht man den<br />

Wertverlust des Gebäudes der durch den üblichen Verschleiß durch laufende<br />

Nutzung entsteht. Hinsichtlich des Alters der Wohnimmobilie wird zwischen<br />

technischer <strong>und</strong> wirtschaftlicher Restnutzungsdauer differenziert.<br />

Abhängig von der Art der Nutzung <strong>und</strong> der Gebäudeart <strong>und</strong> Ausstattung<br />

wurden verschiedene Wertminderungskurven entwickelt. Auch durch<br />

überdurchschnittlich hohe Nutzungskosten <strong>und</strong> besondere Umstände<br />

(verlorener Bauaufwand, schlechte Flächenökonomie) kann eine<br />

Wertminderung auftreten. Auch sonstige Umstände, wie z.B.<br />

Denkmalschutz oder ungeeignete Baustoffe (Asbestzement, etc.) kann eine<br />

Wertminderung bewirkt werden. Außenanlagen werden analog Gebäuden<br />

durch die Herstellungskosten <strong>und</strong> entsprechende Wertminderungen bewertet.<br />

Durch die Summierung von Liegenschaftswert, Gebäudewert <strong>und</strong> Wert der<br />

Außenanlagen wird der Sachwert der Liegenschaft ermittelt.<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Bei der Ableitung des Verkehrswertes aus dem Sachwert der Liegenschaft<br />

sind die generelle Marktlage, die Marktbesonderheiten der bewerteten<br />

Immobilie, z.B. Häuser mit Übergröße, der Grad der Zweckgeb<strong>und</strong>enheit,<br />

die Besonderheiten des Standortes für die Nutzung, der Denkmalschutz <strong>und</strong><br />

sonstige marktrelevante Rahmenbedingungen (Leibrenten, Nutzungsrechte,<br />

etc.) zu berücksichtigen.<br />

2.2.2.3 Ertragswertverfahren<br />

Ausgangsüberlegung für die Anwendung des Ertragswertverfahrens zur<br />

Ermittlung des Verkehrswertes ist die Feststellung, dass der Wert eines<br />

Renditeobjektes von den Erträgen der Wohnimmobilie dominiert ist.<br />

Nachstehend wird das Ablaufschema über die Ermittlung des<br />

Verkehrswertes im Ertragswertverfahren abgebildet:<br />

Abbildung Schema Ertragswertverfahren<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Das Verfahren ist zweigliedrig, da der Barwert aus den Gebäudeerträgen für<br />

die Restnutzungsdauer der Wohnimmobilie ermittelt wird, während beim<br />

Ertrag aus dem Gr<strong>und</strong>stück von einem ewigen Bestand ausgegangen wird.<br />

Das Ertragswertverfahren, das den Wert aus den Erträgen der<br />

Wohnimmobilie ableitet, wird im Wesentlichen durch die Komponenten<br />

Bodenwert, Reinertrag, Bewirtschaftungskosten, Liegenschaftszins <strong>und</strong><br />

Restnutzungsdauer determiniert.<br />

Der Bodenwert wird im Regelfall anhand des Vergleichswertverfahren<br />

ermittelt, unabhängig davon, ob es sich um bebaute oder unbebaute<br />

Gr<strong>und</strong>stücke handelt. Die Vertreter der These vom „gedämpften Bodenwert“<br />

gehen von einem Abschlag für bebaute Liegenschaften aus, da die<br />

Dispositionsfreiheit eingeschränkt ist. Insbesondere gilt dies, wenn das<br />

Ausmaß der tatsächlichen Bebauung hinter der rechtlich zulässigen<br />

Bebauung zurückbleibt.<br />

Bei der Ermittlung des Gebäudewertes wird vom Rohertrag auf den<br />

Reinertrag der Wohnimmobilie geschlossen.<br />

Der Jahresrohertrag umfasst alle bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung <strong>und</strong><br />

zulässiger Nutzung nachhaltig erzielbaren Einnahmen aus dem Gr<strong>und</strong>stück,<br />

wie insbesondere Mieten <strong>und</strong> Pachten in einem Jahr. Die Höhe der Erträge<br />

ist maßgeblich davon abhängig, ob die Wohnimmobilie unter das<br />

Mietrechtsgesetz fällt oder nach den bestandsrechtlichen Bestimmungen des<br />

Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches behandelt wird. Die tatsächlichen<br />

Erträge des Wohnobjektes dürfen nicht ungeprüft in die Bewertung<br />

übernommen werden, sondern nur wenn die Nachhaltigkeit überprüft <strong>und</strong><br />

festgestellt wurde.<br />

Werden die Bewirtschaftungskosten, die je nach Rechtsgr<strong>und</strong>lage<br />

unterschiedlich gegliedert werden, vom Jahresrohertrag abgezogen ergibt<br />

sich der Jahresreinertrag. Beispielsweise werden die Nutzungskosten nach<br />

ÖNORM B 1801-2, wie folgt gegliedert:<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

• KAPITALKOSTEN<br />

• Fremdmittel<br />

• Eigenleistungen<br />

• ABSCHREIBUNGEN<br />

• Ordentliche Abschreibungen<br />

• Außerordentliche Abschreibungen<br />

• STEUERN UND ABGABEN<br />

• Steuern<br />

• Abgaben<br />

• VERWALTUNGSKOSTEN<br />

• Eigenleistungen<br />

• Fremdleistungen<br />

• BETRIEBSKOSTEN<br />

• Ver- <strong>und</strong> Entsorgung<br />

• Aufsichtsdienste<br />

• Technische Dienstleistungen<br />

• Objektreinigung<br />

• Sonstige Dienstleistungen<br />

• ERHALTUNGSKOSTEN<br />

• Instandhaltungskosten<br />

• Instandsetzungskosten<br />

• Restaurierungskosten<br />

• SONSTIGE KOSTEN<br />

Vom Jahresreinertrag werden auch das Mietausfallwagnis <strong>und</strong> die<br />

Verzinsung des Bodenwertes abgezogen. Dadurch wird der Reinertrag der<br />

baulichen Anlage ermittelt. Die Bodenwertverzinsung wird abgezogen, da<br />

diese bei den Einnahmen des Jahresrohertrages bereits berücksichtigt ist.<br />

Dieser Reinertrag der baulichen Anlage wird mit dem Vervielfältiger<br />

multipliziert. Der Vervielfältiger richtet sich nach dem Liegenschaftszinssatz<br />

<strong>und</strong> der Restnutzungsdauer. Im verwendeten Zinssatz sollten die<br />

allgemeinen Risiken, wie z.B. durch Konjunkturschwankungen,<br />

branchenbedingte Probleme, Umweltprobleme <strong>und</strong> das spezielle Risiko<br />

durch die besondere Lage <strong>und</strong> Situation der bewerteten Liegenschaft <strong>und</strong> die<br />

geringe Mobilität bzw. Verwendungsänderung berücksichtigt werden. Die<br />

Bedeutung der Einflussfaktoren zeigt sich durch die Bandbreite beim<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

empfohlenen Liegenschaftszinssatz, zwischen 2,0 <strong>und</strong> 5,5% für<br />

Wohnliegenschaften. Durch die Multiplikation von Reinertrag der baulichen<br />

Anlage mit dem Vervielfältiger ergibt sich der Gebäudeertrag. Wird die<br />

Wertminderung durch Schäden <strong>und</strong> Mängel abgezogen, ergibt sich der<br />

Bauwert der Gebäude.<br />

Durch die Addition von Bodenwert mit dem Bauwert der Gebäude <strong>und</strong> dem<br />

Bauwert der Außenanlagen ergibt sich der Ertragswert der Liegenschaft.<br />

2.2.2.4 Kritik <strong>und</strong> Verbesserungsansätze<br />

Die Verfahren der konventionellen Wertermittlung sind aufgr<strong>und</strong> des<br />

dynamischen Wandels der Nachfrage, höheren Risiken, zunehmendem<br />

Wettbewerb <strong>und</strong> komplexen Interdependenzen zwischen den<br />

Wohnungsmarktakteuren zunehmend problematisch.<br />

Das Vergleichswertverfahren scheint aufgr<strong>und</strong> des Marktbezuges zur<br />

Ermittlung des Verkehrswertes auf den ersten Blick gut geeignet, als Mangel<br />

in der zugr<strong>und</strong>e liegenden Theorie ist anzuführen, dass die auf dem Markt<br />

erzielten Verkaufspreise mit einem Wert verglichen werden. Dies ist<br />

unbedenklich, solange der Preis nicht durch besondere Umstände beeinflusst<br />

wurde, die der Definition des Verkehrswertes widersprechen. Operativ<br />

wären für die Anwendung des Vergleichswertverfahren eine entsprechende<br />

Anzahl von Vergleichspreisen, qualitative Informationen zu diesen<br />

Vergleichspreisen <strong>und</strong> Umrechnungskoeffizienten erforderlich, sodass deren<br />

Affinität zur bewertenden Wohnimmobilie überprüft werden kann.<br />

Aufgr<strong>und</strong> fehlender diesbezüglich zugänglicher Datenbanken in Österreich,<br />

der Heterogenität von Wohnimmobilien <strong>und</strong> des dynamischen Wandels im<br />

Zeitablauf sind diese Anforderungen nur selten im erforderlichen Umfang<br />

gegeben.<br />

Die theoretische Eignung des Vergleichswertverfahren erscheint unstrittig,<br />

die praktische Umsetzung scheitert jedoch in Österreich vielfach an der<br />

Operationalisierung mangels entsprechender Vergleichspreise sowie<br />

Informationen zur Qualität der Vergleichsimmobilien, wobei insbesondere<br />

die Umrechnungen <strong>und</strong> Anpassungen durch Vergleichsrechnungen zwischen<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Wertermittlungsgr<strong>und</strong>stück <strong>und</strong> Vergleichsgr<strong>und</strong>stücken teilweise<br />

problematisch sind.<br />

Das Sachwertverfahren basiert auf substanzorientierten Ansätzen, die auf<br />

den Kosten für das Gr<strong>und</strong>stück <strong>und</strong> das Gebäude aufbauen. Der<br />

Substanzwert wird nach mathematisch mehr oder weniger exakten<br />

Verfahren errechnet, die daher zusätzlich erforderliche Marktanpassung<br />

stellt einen Verfahrensbruch <strong>und</strong> den größten Schwachpunkt des Verfahrens<br />

dar. Die Marktanpassung ist systematisch schwer nachvollziehbar<br />

darzustellen, außer der Verkehrswert wäre bekannt. Es wird daher eine<br />

mangelnde Marktnähe des Sachwertverfahrens konstatiert.<br />

Ein weiterer Schwachpunkt des Sachwertverfahrens liegt in der Vergangenheitsorientierung,<br />

da historische Herstellungskosten <strong>und</strong> problematisch zu<br />

belegende Wertminderungsansätze zum Sachwert führen. Das<br />

Entwertungsproblem kann durch die Gleichstellung vom Alter der<br />

Wohnimmobilie <strong>und</strong> Entwertung nicht abschließend gelöst werden, da der<br />

Wert primär mit dem Nutzen <strong>und</strong> nicht mit dem Alter der Wohnimmobilie<br />

korreliert. Die nutzerseitigen Anforderungen unterliegen einem Wandel, der<br />

durch die Wohnung im Zeitablauf besser oder schlechter erfüllt wird,<br />

andererseits werden Verbesserungen bzw. immobilienseitige Anpassungen<br />

(Renovierung) nicht laufend sondern periodisch umgesetzt. Das<br />

Sachwertverfahren berücksichtigt primär die Sichtweise des Anbieters einer<br />

Immobilie, die Sicht des Nachfragers <strong>und</strong> somit des Nutzens bleibt<br />

weitgehend - außer dem Aspekt der Marktanpassung - unbeleuchtet. Auch<br />

wenn davon ausgegangen wird, dass der Sachwert korrekt <strong>und</strong> nachvollziehbar<br />

ermittelt wird, stellt sich die Frage, inwieweit die auf den<br />

Bewertungsstichtag ab geminderten Herstellungskosten dem Verkehrswert<br />

entsprechen. Dies hat dazu geführt, dass einzelne Autoren den Sachwert aus<br />

der Bewertung verbannen, andere den Substanzwert als Synonym für<br />

künftiges Leistungspotential (um)definieren.<br />

Zusammenfassend sind die mangelnde Marktorientierung <strong>und</strong> die<br />

unzureichende Berücksichtigung der Nachfrageaspekte zentrale Mängel des<br />

Sachwertverfahrens.<br />

Das Ertragswertverfahren basiert auf der Annahme, dass der Wert einer<br />

unter Renditeaspekte erworbenen Wohnimmobilie von den Erträgen, die<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

sich aufgr<strong>und</strong> der zukünftigen Nutzenpotentiale erzielen lassen, determiniert<br />

wird.<br />

Der nachhaltige Jahresreinertrag <strong>und</strong> Zinssatz sind die dominanten Faktoren<br />

für die Wertermittlung nach dem Ertragswertverfahren, wobei relativ<br />

geringfügige Änderungen dieser Indikatoren, erhebliche ergebnisrelevante<br />

Auswirkungen haben. Als zentrale Nachteile des Ertragswertverfahren sind<br />

die impliziten Ansätze zu nennen, beispielsweise sollen durch den Zinssatz<br />

verschiedenste Aspekte, wie z.B. die Nachfrageentwicklung, die sich<br />

ändernden Marktrahmenbedingungen, etc. abgedeckt werden, wobei in<br />

Österreich keine Gutachterausschüsse existieren, die Zinssätze festlegen.<br />

Auch die häufig getroffene Annahme, dass der Bewirtschaftungsaufwand<br />

einem Prozentsatz des Mietertrages entspricht, ist abzulehnen, da diese<br />

Kosten mit den Herstellungskosten korrelieren <strong>und</strong> nicht mit den<br />

Mietkosten. Ein weiterer Nachteil des Ertragswertverfahrens liegt in der<br />

einseitigen Fokussierung auf die Ziele des Wohnungsmarktanbieters.<br />

Im Hinblick auf die Lebenszyklusbetrachtung von Wohnimmobilien ist den<br />

Nutzenaspekten, d.h. der Erfüllung der sich ändernden Nutzenanforderungen<br />

<strong>und</strong> der Höhe der investorunabhängigen Nutzenkosten (zweite Miete) eine<br />

hohe Bedeutung für den Wert beizumessen.<br />

Generell werden gegenüber dem Kapitalwertkonzept nachstehende<br />

Vorbehalte angeführt:<br />

• Die in Zukunft anfallenden <strong>und</strong> abzuzinsenden Finanzströme<br />

(nachhaltiger Reinertrag) sind nicht bekannt <strong>und</strong> nur grob vorhersehbar<br />

• Der Zeithorizont (wirtschaftliche Restnutzungsdauer), bis zu dem<br />

Vorausschätzungen erfolgen sollen, ist unbestimmt<br />

• Der Zinssatz, mit dem die Abzinsung erfolgen soll, kann insbesondere<br />

im Hinblick auf die zu berücksichtigende Risikoprämie nur vage<br />

geschätzt werden<br />

• Die Verwendung konstanter Wachstumsraten ist fragwürdig <strong>und</strong> geht am<br />

Problem der sich dynamisch entwickelnden Ökonomie vorbei<br />

Auch tragen die vielfältigen Interdependenzen <strong>und</strong> Synergien zwischen den<br />

einzelnen Stakeholdern <strong>und</strong> die Unvollkommenheit des Marktes zur<br />

Komplexitätssteigerung bei.<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Als Nachteil aller drei konventionellen Wertermittlungsverfahren ist<br />

deren mangelnde theoretische F<strong>und</strong>ierung, die vergangenheitsbezogene<br />

Betrachtung, die implizitern Ansätze <strong>und</strong> die fehlende ganzheitliche<br />

Ausrichtung <strong>und</strong> die unzureichende Berücksichtigung der zukünftigen<br />

Einflussnahme durch die verschiedenen Wohnungsmarktakteure auf den<br />

Verkehrswert anzuführen. Insbesondere wird die Bedeutung der<br />

Vergangenheitsdaten von Ökonomen für den Marktwert gering eingeschätzt.<br />

Die vorstehenden Ausführungen zeigen auch die Bedeutung der<br />

Zweckbezogenheit von Gutachten, z.B. ist für renditeorientierte Sichtweisen<br />

das Ertragswertverfahren, für substanzorientierte Sichtweisen, wie z.B. die<br />

Wiederherstellungskosten im Versicherungsfall das Sachwertverfahren die<br />

eher geeignete Methode.<br />

Der Gr<strong>und</strong>stücksmarkt wird nicht von Juristen, Ingenieuren <strong>und</strong><br />

Betriebswirten, sondern überwiegend normalen Verkäufern <strong>und</strong> Käufern<br />

gestaltet, es ist daher notwenig, den Markt für Wohnimmobilien laufend zu<br />

beobachten. Es ist ein Übergewicht juristischer <strong>und</strong> formaler Bezüge<br />

gegenüber marktwirtschaftlichen Denkweisen festzustellen. Faktisch<br />

überwiegt die Orientierung an formalen Verfahrenabläufen<br />

(Sachwertverfahren, Ertragswertverfahren, etc.) gegenüber ökonomischen<br />

Marktbetrachtungen durch die Sachverständigen. Dies scheint eher durch<br />

den Usus <strong>und</strong> die Ausbildung der Gutachter bedingt, als durch die<br />

legistischen Gr<strong>und</strong>lagen in Österreich, da das LBG die Anwendung von<br />

Wertermittlungsverfahren vorschreibt, die dem Stand der Wissenschaft<br />

entsprechen <strong>und</strong> nur demonstrativ die drei Verfahren anführt.<br />

Ausgehend von den gutspezifischen Besonderheiten, den psychologischen<br />

<strong>und</strong> soziologischen Aspekten, dem Stakeholderkonzept <strong>und</strong> den Problemen<br />

der konventionellen Wertermittlungsverfahren, wird daher im nächsten<br />

Kapitel ein ganzheitlich ausgerichtetes, zukunftsorientiertes<br />

Immobilienwertmodell entwickelt, dass die Einflussmöglichkeiten der<br />

Wohnungsmarktakteure auf die Wertentwicklung von Wohnimmobilien<br />

explizit berücksichtigt. Ziel ist die Darstellung der wesentlichen Faktoren<br />

<strong>und</strong> Eingangsparameter für die Wertentwicklung von Wohnimmobilien.<br />

51


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

2.2.2 Nicht kodifzierte Verfahren<br />

2.2.2.1 Discounted Cashflow (DCF) (nach Ross-Brachmann)<br />

Die so genannte DCF-Methode ist ein international weit verbreitetes<br />

Verfahren, das insbesondere in den angelsächsischen Ländern eine hohe<br />

Verbreitung genießt.<br />

Es handelt sich um ein so genanntes „Barwertverfahren“: Aus dem<br />

Eigentum an einer Immobilie resultieren jährliche Einnahmen <strong>und</strong><br />

Ausgaben, deren Saldo als Cash-Flow bezeichnet wird. Über einen frei<br />

gewählten Beobachtungszeitraum (in der Regel zwischen 8 <strong>und</strong> 15 Jahren<br />

wird der jährliche Cash-Flow aus der zu bewertenden Immobilie ermittelt,<br />

auf den Bewertungsstichtag abdiskontiert <strong>und</strong> die Summe der einzelnen<br />

Barwerte ermittelt.<br />

Zum Ablauf des Betrachtungszeitraums wird der Restwert der Immobilie<br />

geschätzt <strong>und</strong> der Verkaufserlös (Bruttoverkaufserlös abzüglich<br />

Verkaufsnebenkosten) ebenfalls auf den Bewertungsstichtag diskontiert. Zur<br />

Schätzung des Bruttoverkaufserlöses wird regelmäßig auf den<br />

Rohertragsvervielfältiger zurückgegriffen; da dieser allerdings für einen<br />

Schätzhorizont von 8 bis 15 Jahren kaum gesichert abgeleitet werden kann,<br />

wird er in der Regel in Orientierung an den Vervielfältiger in Ansatz<br />

gebracht, der zum Bewertungszeitpunkt als angemessen <strong>und</strong> marktkonform<br />

angesehen wird, d.h. er wird in gleicher Höhe oder geringfügig (bis zu einer<br />

Jahresrohmiete) niedriger gewählt.<br />

Anwendungsbereiche des DCF-Verfahrens<br />

Das DCF-Verfahren wird in der Praxis nicht nur als Bewertungsverfahren<br />

sondern auch zur Analyse von Investitionsentscheidungen eingesetzt:<br />

Während zu Bewertungszwecken lediglich objektive Größen Eingang finden<br />

dürfen, können zur Beurteilung <strong>und</strong> Analyse von Investitionsentscheidungen<br />

spezifische Besonderheiten des betreffenden Investments/Investors<br />

berücksichtigt werden; dies sind u. a. Finanzierungskonditionen, steuerliche<br />

Effekte <strong>und</strong> subjektive Präferenzen des Investors.<br />

Diese unterschiedliche Ausrichtung des Verfahrens findet auch im<br />

anzuwendenden Zinssatz ihren Niederschlag:<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

• Bei Einsatz des Verfahrens zu Bewertungszwecken ist der interne<br />

Zinssatz zu ermitteln; es handelt sich wie beim klassischen<br />

Ertragswertverfahren um den Zinssatz, der bei der Anwendung zum<br />

Verkehrswert führt; er ist dementsprechend aus dem Marktgeschehen<br />

abzuleiten; man spricht vom I.R.R.-Verfahren (Internal rate of<br />

Return).<br />

• Bei der Verwendung des Verfahrens zur Beurteilung <strong>und</strong> Analyse von<br />

Investitionsentscheidungen kommt ein investitionsorientierter<br />

Zinssatz zur Anwendung (Net Present Value Methode); er leitet sich –<br />

je nach Ausgangslage – aus der Verzinsung der Alternativinvestition,<br />

der Finanzierung der geplanten Investition oder anderen subjektiven<br />

Kriterien ab.<br />

Zum Einsatz zu Bewertungszwecken eignet sich jedoch nur das auf Basis<br />

objektiver Größen durchgeführte DCF-Verfahren.<br />

DCF-Verfahren versus Ertragswertverfahren<br />

Der Vergleich zwischen DCF-Verfahren <strong>und</strong> Ertragswertverfahren hat sich<br />

in den letzten Jahren zu einem „Methodenstreit“ entwickelt: Insbesondere<br />

die nicht sachgerechte Behauptung, dass die Ertragswertermittlung nur<br />

Vergangenheitsgrößen berücksichtigt <strong>und</strong> damit als „veraltet“ beurteilt wird,<br />

wohingegen in die DCF-Methode durchaus auch Zukunftserwartungen <strong>und</strong><br />

Prognosen einfließen können <strong>und</strong> ihm das Image des dynamischen<br />

zukunftsorientierten Prognoseverfahren zugesprochen wird, ist dieser<br />

Diskussion sicherlich nicht förderlich.<br />

Bei sachlicher Betrachtung muss letztendlich festgestellt werden, dass das<br />

Ergebnis jedes der beiden Verfahren weniger von seiner Methode, als<br />

vielmehr von den jeweiligen Eingangsgrößen <strong>und</strong> der Bewertungskompetenz<br />

seines Anwenders abhängig ist.<br />

Auch die sachgerechte Anwendung des Ertragswertverfahren stellt<br />

ausschließlich auf die zukünftigen Erträge ab <strong>und</strong> sieht zudem die<br />

Möglichkeit vor, Besonderheiten hinsichtlich der Zahlungsströme zu<br />

berücksichtigen; allerdings müssen diese auf dem Weg von<br />

Sonderrechnungen in das Verfahren eingeführt werden. Dies gilt auf der<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Einnahmenseite für Ausgangssituationen wie die Vermietung ober- bzw.<br />

unterhalb des Marktniveaus, Staffelmietvereinbarungen, Leerstände <strong>und</strong><br />

mietfreie Zeiten sowie auf der Ausgabenseite für die differenzierte<br />

Behandlung von fixen <strong>und</strong> inflationsabhängigen Kosten sowie für die<br />

zeitgerechte Berücksichtigung von größeren Instandhaltungsmaßnahmen.<br />

Das auf Gr<strong>und</strong> seiner Berechnungsmethodik primär dynamisch ausgelegte<br />

DCF-Verfahren hat allerdings ohne Zweifel folgende Vorteile:<br />

Es ermöglicht eine differenzierte Darstellung der Entwicklung von einzelnen<br />

Einnahme- <strong>und</strong> Ausgabeströmen, d.h. besondere vertragliche<br />

Vereinbarungen <strong>und</strong> die Konsequenzen unterschiedlicher Mietverhältnisse<br />

können besser dargestellt werden.<br />

Auf Gr<strong>und</strong> der periodenweisen Aufführung der Einnahmen <strong>und</strong> Ausgaben<br />

ist insgesamt eine transparentere Darstellung möglich; aperiodisch<br />

auftretende Kosten können besser in die Berechnungen eingeführt werden;<br />

z.B. Revitalisierungs- <strong>und</strong> Modernisierungskosten.<br />

Dem stehen jedoch auch Risiken <strong>und</strong> Nachteile gegenüber:<br />

Die differenzierten Darstellungsmöglichkeiten verleiten zu Scheingenauigkeiten;<br />

nicht in allen Bewertungsfällen ist es erforderlich – die<br />

Möglichkeiten der Methode auszureizen oder überzustrapazieren; es handelt<br />

sich letztendlich um eine Schätzung. Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt, dass das Ergebnis<br />

jeder Berechnung nur so gut ist wie seine Eingangsgrößen.<br />

Die Wahl des angemessenen/sachgerechten Zinssatzes ist das zentrale<br />

Problem des DCF-Verfahrens; hierzu sind Informationen über den Cash-<br />

Flow von Vergleichsobjekten sowie interne Zinssätze bei Veräußerungen<br />

erforderlich. Die differenzierte Rechenmethodik des DCF-Verfahrens, die<br />

die Besonderheiten des Einzelobjektes herausstellt, wird bei Rückrechnung<br />

kaum zu einer ausreichenden Anzahl von Vergleichsobjekten für eine<br />

gesicherte Ableitung des internen Zinssatzes führen. Für den<br />

Liegenschaftszins beim Ertragswertverfahren stehen demgegenüber –<br />

zumindest derzeit noch – deutlich mehr Kaufpreisauswertungen zur<br />

Verfügung.<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Die Methodik der pauschalen Schätzung des Verkaufserlöses der Immobilie<br />

nach Ablauf der Betrachtungszeit (8 – 15 Jahre) wird der Bedeutung dieser<br />

Wertkomponente innerhalb der Gesamtrechnung nicht gerecht: Bei einem<br />

Bürogebäude mit einer Gesamtnutzungsdauer von 60 Jahren ist der<br />

Beobachtungszeitraum der ersten 10 Jahre nur in einer Größenordnung<br />

zwischen 40 <strong>und</strong> 50 % für den gesamtwert der Immobilie Wert bildend; der<br />

verbleibende Teil von über 50 % wird durch den diskontierten Verkaufserlös<br />

gebildet.<br />

Ausblick<br />

In der Praxis findet das DCF-Verfahren derzeit noch überwiegend zur<br />

Vorbereitung <strong>und</strong> Analyse von Investitionsentscheidungen Anwendung. Zu<br />

seiner Anwendung als alleinigem Bewertungsverfahren fehlt es sowohl an<br />

einer qualifizierten Auswertung von aus dem Marktgeschehen abgeleitetem<br />

methodengerechten Zinssätzen (Internal Rate of Return) sowie dem<br />

einzelnen Sachverständigen am „Gefühl für eben diesen Zinssatz“, der<br />

keinen Bezug zum bekannten Liegenschaftszinssatz hat. Die<br />

finanzmathematische Methodik hingegen ist – insbesondere mit Hilfe<br />

entsprechender EDV-Programme – leicht erlern- <strong>und</strong> beherrschbar.<br />

Für das DCF-Verfahren sprechen nicht nur die oben aufgezeigten Vorteile<br />

bei der Darstellung <strong>und</strong> Berechnung komplexer Zahlungsströme, sondern<br />

auch die Harmonisierungsbestrebungen im Europäischen Raum hinsichtlich<br />

der Bewertungsverfahren. Dabei steht zu erwarten, dass die weit verbreiteten<br />

angelsächsischen Bewertungsverfahren zunehmend Bedeutung erlangen <strong>und</strong><br />

mittelfristig zumindest gleichwertig neben den österreichischen <strong>und</strong><br />

deutschen Verfahren Akzeptanz <strong>und</strong> Anwendung finden.<br />

2.2.2.2 Residualwertverfahren (nach Ross-Brachmann)<br />

Diese Verfahren kann zur Bewertung von Gr<strong>und</strong>stücken herangezogen<br />

werden <strong>und</strong> zwar für den Bodenwert bebauter Gr<strong>und</strong>stücke mit<br />

untergeordneter bzw. minderwertiger Bebauung bzw. für unbebaute<br />

Gr<strong>und</strong>stücke, die auf Gr<strong>und</strong> ihrer planungsrechtlichen Prämissen <strong>und</strong> der<br />

Rahmenbedingungen des Marktes zu einer kurzfristigen Bebauung geeignet<br />

sind.<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Das Verfahren unterstellt eine fiktive, wirtschaftlich sinnvolle Bebauung des<br />

bereffenden Gr<strong>und</strong>stücks, ermittelt dessen möglichen Veräußerungserlös<br />

nach Fertigstellung <strong>und</strong> bringt hiervon alle im Zusammenhang mit der<br />

Bebauung, Vermarktung <strong>und</strong> Finanzierung anfallenden Kosten inkl. Eines<br />

angemessenen Unternehmergewinns in Abzug; zudem werden die<br />

Erwerbsneben- <strong>und</strong> Vorhaltekosten des Gr<strong>und</strong>stücks berücksichtigt. Als<br />

Ergebnis von Erlös <strong>und</strong> Kosten ergibt sich der aus der Sicht eines Investors<br />

für das unbebaute Gr<strong>und</strong>stück maximal zahlbare Kaufpreis.<br />

Schwächen des Verfahrens<br />

Die Eingangsgrößen sind schwierig zu ermitteln. Die Ermittlung des<br />

Verkaufserlöses nach Fertigstellung der geplanten Baumaßnahme basiert auf<br />

Prognosen der nachhaltigen Mieten zum Zeitpunkt der Fertigstellung; aus<br />

diesem langen Prognosehorizont resultieren erhebliche Risiken, z.B. die<br />

Gefahr sich verändernder Marktbedingungen. Auch die Überschreitung von<br />

kalkulierten Baukosten gehört zu den regelmäßig auftretenden<br />

„Phänomenen“ bei der Realisierung von Immobilienprojekten.<br />

Die Methode ist sehr fehleranfällig, d.h. geringe Abweichungen bei den<br />

Eingangsgrößen führen zu großen Veränderungen beim Ergebnis. Da<br />

insbesondere die beiden Parameter „Verkaufserlös“ <strong>und</strong> „Herstellkosten“<br />

jeweils regelmäßig eine hohe absolute Wertgröße haben, wirken sich bereits<br />

geringe Veränderungen/Fehler bei deren Kalkulation überproportional stark<br />

auf das vergleichsweise kleine Residuum (Bodenwert) aus.<br />

2.2.2.2 Modell der Hedonischen Preise<br />

Die Beobachtung lehrt, dass auf dem städtischen Bodenmarkt bestimmte<br />

Gr<strong>und</strong>stücke mit sehr unterschiedlicher Ausprägung ihrer Eigenschaften<br />

gleiche Preise, hingegen bestimmte Gr<strong>und</strong>stücke, in denen einzelne<br />

Eigenschaften gleich ausgeprägt sind, sehr verschiedene Preise erzielen<br />

können. Diese Beobachtung deutet darauf, dass städtische Gr<strong>und</strong>stücke nicht<br />

nur in der Dimension Menge oder Größe (nach Flächeneinheiten) zu<br />

bewerten sind, sondern dass ihr Wert vieldimensional gemessen werden<br />

muss.<br />

56


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Unter diesem Aspekt gilt für Gr<strong>und</strong>stücke im Besonderen die Feststellung<br />

von K. LANCASTER, wonach nicht Güter an sich, sondern die Ausprägung<br />

ihrer Eigenschaften den Bezug zum individuellen Nutzen, zu den<br />

Präferenzen <strong>und</strong> konsumtechnologischen Bedingungen ihrer Nutzer<br />

herstellen. Danach stellt sich die methodische Frage, wie die Preisbildung<br />

auf dem Gr<strong>und</strong>stücksmarkt mit Hilfe des konsumtechnologischen Ansatzes<br />

von K. LANCASTER modelliert werden kann. Jedenfalls kommen die<br />

Gr<strong>und</strong>stückspreise nicht wie auf Märkten für homogene Güter zustande,<br />

indem sich die nachgefragte Menge beim sogenannten Gleichgewichtspreis<br />

mit der Angebotsmenge deckt. Vielmehr gilt für städtische Gr<strong>und</strong>stücke (im<br />

Sinne von W. ALONSO), dass einerseits dem Nachfrager <strong>und</strong> Nutzer bei<br />

derselben Zahlungsbereitschaft Gr<strong>und</strong>stücke mit sehr unterschiedlichem<br />

Eigenschaftenprofil zur Wahl stehen können, dass andererseits jedoch auch<br />

für den Anbieter eines Gr<strong>und</strong>stücks Nachfrager bzw. Nutzer mit sehr<br />

verschiedenen Präferenzen <strong>und</strong> nutzungstechnologischen Vorstellungen<br />

gleichwertige Vertragspartner für eine Transaktion sein können. Nimmt man<br />

an, dass sich auf dem städtischen Bodenmarkt jedes Gr<strong>und</strong>stück von jedem<br />

anderen in seinem Eigenschaftenprofil unterscheidet, dann entspricht jedem<br />

Gr<strong>und</strong>stück eine eigene Nachfragermenge, während sich zugleich jeder<br />

Nachfrager ein eigenes Sortiment verschiedener ihn interessierenden Gr<strong>und</strong>stücke<br />

schafft. Dabei bezieht sich die Preisforderung des<br />

Gr<strong>und</strong>stücksanbieters auf Nachfrager bzw. Nutzer mit verschiedenen<br />

Konsum- bzw. Produktionstechnologien <strong>und</strong> Präferenzen; die Bereitschaft<br />

der Nachfrager, das betreffende Gr<strong>und</strong>stück zu einem bestimmten Preis zu<br />

erwerben, beruht hingegen auf dem Vergleich verschiedener Gr<strong>und</strong>stücke,<br />

die in gleicher Weise für beabsichtige Nutzungstechnologien geeignet sind<br />

bzw. den besonderen Präferenzen dieses potentiellen Nutzers entsprechen.<br />

Den städtischen Gr<strong>und</strong>stücksmarkt kennzeichnet es danach, dass die<br />

Nachfrager <strong>und</strong> Nutzer nicht die gewünschten Eigenschaften der sie<br />

interessierenden Gr<strong>und</strong>stücke getrennt kaufen <strong>und</strong> nach ihren Präferenzen<br />

<strong>und</strong> nutzungstechnologischen Erfordernissen beliebig bündeln können,<br />

sondern dass sie das aktuell immer sehr beschränkte Angebot von<br />

Gr<strong>und</strong>stücken darauf überprüfen müssen, in welchem der<br />

gr<strong>und</strong>stücksspezifischen Eigenschaftenbündel sie ihre nutzungstechnologischen<br />

Vorstellungen <strong>und</strong> Präferenzen am besten verwirklichen<br />

können. Bei ihrer Kaufentscheidung müssen dann die Nachfrager in der<br />

Regel notwendigerweise in Kauf nehmen, dass in dem Eigenschaftsprofil<br />

des erworbenen Gr<strong>und</strong>stücks ein Teil ihrer nutzungstechnologisch begründet<br />

57


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

gewünschten Eigenschaftsausprägungen nicht, hingegen andere unter<br />

Umständen nutzungstechnologisch schädliche Eigenschaftsausprägungen<br />

unerwünscht enthalten sind.<br />

Unter diesem Aspekt können die Eigenschaften von städtischen<br />

Gr<strong>und</strong>stücken als nachgeordnete Güter (<strong>und</strong> Übel), die einzelnen<br />

Eigenschaftsausprägungen als Gut- <strong>und</strong> Übelmengen, angesehen werden.<br />

Innerhalb jedes einzelnen Gr<strong>und</strong>stücks (als "Güterbündel") sind Güter <strong>und</strong><br />

Übel gekoppelt.<br />

Mit solcherart begrifflichen Vorverständnis hat S. ROSEN (aufbauend auf<br />

A. COURT, K. LANCASTER <strong>und</strong> W. ALONSO) für analoge<br />

Anwendungen das "Modell der Hedonischen Preise" für die marktliche<br />

"implizit-Bewertung" der Eigenschaften von Gütern entwickelt. Mit der<br />

Methode der hedonischen("Liebhaber"-)Preise ergibt sich der Gr<strong>und</strong>stückspreis<br />

als Summe aus den implizit-bewerteten Einzelpreisen für die im<br />

Gr<strong>und</strong>stück gekoppelten Güter <strong>und</strong> Übel (=Eigenschaften in ihren<br />

Ausprägungen).<br />

Auf die Frage, wie hedonische Preise aus den Ausprägungen der<br />

zugeordneten Gr<strong>und</strong>stückseigenschaften abgeleitet werden können, gibt die<br />

umfangreiche Literatur (vgl. u.a. J. ROTHENBERG, G.C. GALSTER, R.V.<br />

BUTLER <strong>und</strong> J. PITKIN) keine eindeutige Auskunft. Im allgemeinen wird<br />

die These vertreten, dass der hedonische Preis für eine Guteigenschaft nicht<br />

linear mit deren Ausprägungsmenge zunimmt (Bei negativen Eigenschaften<br />

sollte der hedonische Preis in entsprechender Weise mit deren<br />

Ausprägungsmengen abnehmen). In der empirischen Analyse können<br />

Preisfunktionen für die im einzelnen Gut "Gr<strong>und</strong>stück" gebündelten<br />

Eigenschaften (nach üblichen statistischen Verfahren) nur mit den<br />

durchschnittlichen Ausprägungsmengen der Eigenschaften zu einzelnen<br />

Gr<strong>und</strong>stücken - <strong>und</strong> nicht marginal (wie auf homogenen Märkten für das von<br />

verschiedenen Anbietern zuletzt produzierte Gut) ermittelt werden.<br />

Aus diesem methodischen Problem folgt, dass entweder die Funktion der<br />

hedonischen Preise für die Ausprägungen der einzelnen Gr<strong>und</strong>stückseigenschaften<br />

oder die Funktion, mit der aus den einzelnen hedonischen<br />

Preisen der Gesamtpreis für Gr<strong>und</strong>stücke gebildet wird, nicht-linear sind.<br />

58


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Im Sinne des Modells von S. ROSEN werden im Folgenden die hedonischen<br />

Preise für die Eigenschaften eines Gr<strong>und</strong>stücks formalisiert:<br />

Es wird davon ausgegangen, dass ein Haushalt aus seinem Einkommen E für<br />

ein Gr<strong>und</strong>stück einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen bereit ist. Dafür<br />

stehen ihm unterschiedliche Gr<strong>und</strong>stücke G mit den Eigenschaften g 1, g 2, g 3,<br />

...., g n zur Wahl.<br />

G = (g 1, g 2 ... g n)<br />

Aus jeder der Gr<strong>und</strong>stückseigenschaften gi zieht der Haushalt seinen Nutzen<br />

oder Schaden. Die Bereitschaft ϕ, für ein bestimmtes Gr<strong>und</strong>stück G einen<br />

Preis zu zahlen, ergibt sich aus dem Haushaltseinkommen y <strong>und</strong> aus den<br />

Präferenzen für die einzelnen Gr<strong>und</strong>stückseigenschaften.<br />

ϕ = ϕ(g 1, g 2 ... g n; y; α)<br />

wobei α den Vektor der eigenschaftenspezifischen Präferenzen<br />

kennzeichnet. Man kann (im Sinne von S. ROSEN u.a.) unterstellen, dass<br />

die Ausprägungen der einzelnen Gr<strong>und</strong>stückseigenschaften analog wie die<br />

Mengen einzelner Güter behandelt werden können <strong>und</strong> damit die<br />

entsprechenden Nutzenfunktionen konkav sind. Dann wird die<br />

Zahlungsbereitschaft für das Gr<strong>und</strong>stück (als "Bündel von Eigenschaften")<br />

mit der Ausprägung jeder einzelnen positiven Eigenschaft zu-, jeder<br />

einzelnen negativen Eigenschaft abnehmen; die Veränderung ist allerdings<br />

degressiv. Die partielle Ableitung der Zahlungsbereitschaft für ein<br />

Gr<strong>und</strong>stück i nach der Ausprägung einer bestimmten Gr<strong>und</strong>stückseigenschaft<br />

δϕ/δg i offenbart die Zahlungsbereitschaft des Haushalts für die<br />

Eigenschaft gi. S. ROSEN nimmt an, dass die marginale Zahlungsbereitschaft<br />

der Nachfrager für eine Eigenschaft mit deren zunehmender<br />

Ausprägungsmenge, wenn positiv, abnimmt.<br />

Symmetrisch zur Zahlungsbereitschaft der Nachfrage der Haushalte kann im<br />

Prinzip die Preiserwartung der Anbieter von Gr<strong>und</strong>stücken beschrieben<br />

werden. Dabei ist ϕ der Preis, den ein Besitzer beim Verkauf seines<br />

Gr<strong>und</strong>stücks erwartet. Indem die Besitzer in der Regel ihr Gr<strong>und</strong>stück<br />

entweder selbst nutzen oder von Fremden nutzen lassen, ziehen sie aus der<br />

aktuellen Nutzung ihren Ertrag x <strong>und</strong> bewerten diesen nutzungstechno-<br />

59


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

logisch mit eigenen Präferenzen ß. An diesen Werten orientieren die<br />

Anbieter von Gr<strong>und</strong>stücken ihre Minimalforderung an Verkaufspreisen.<br />

ψ = ψ (g 1,g 2 ... g m, x, ß),<br />

wobei ß den Vektor der eigenschaftenspezifischen Präferenzen des Besitzers<br />

bzw. des Vornutzers des Gr<strong>und</strong>stücks ausdrückt. Man kann im Sinne von S.<br />

ROSEN u.a. unterstellen, dass die Nutzen- bzw. Ertragsfunktion der<br />

Anbieter von Gr<strong>und</strong>stücken konvex ist, so dass auch die Preiserwartung ψ<br />

der Gr<strong>und</strong>stücksanbieter mit der Ausprägungsmenge einer jeden positiven<br />

Gr<strong>und</strong>stückseigenschaft zunimmt. Der Marktpreis für das Gr<strong>und</strong>stück i<br />

ergibt sich dann nach den klassischen Kriterien, wenn die Zahlungsbereitschaft<br />

seines Nachfragers <strong>und</strong> die Preisforderung seines Anbieters<br />

identisch sind.<br />

(ψ i = ψ i)<br />

Das hier beschriebene Modell für die marktliche implizit-Bewertung von<br />

Gütern liefert in dieser Forschungsarbeit die Erklärung dafür, dass virtuelle<br />

Preise für Gr<strong>und</strong>stücke geschätzt werden können, deren Eigenschaften zwar<br />

unmittelbar bekannt, deren hedonische Preise hingegen aus Funktionen<br />

übernommen werden, die aus zuvor bekannten Gr<strong>und</strong>stückspreisen geschätzt<br />

worden sind.<br />

60


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Die Modelle GPSIM <strong>und</strong> ÖGRUSIM<br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Hedonischen<br />

Preisen<br />

Methoden<br />

Logarithmische Regressionsanalyse<br />

Ln (P) = C + α 1E 1 + α 2E 2 + … + α nE n<br />

P = EXP (C + α 1E 1 + α 2E 2 + … + α nE n )<br />

P … Preis des Gutes<br />

E i … Eigenschaften<br />

α i … zu schätzende Parameter (Preise der Eigenschaften)<br />

C … Modellkonstante<br />

Preis des Gutes:<br />

Produkt der Preise der Eigenschaften<br />

(Auf- bzw. Abschläge)<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Hedonischen<br />

Preisen<br />

Beispiel<br />

P = EXP (9,869 + 0.13 * BAD + 0.954 * LNM2 + 0.0076 * SOZ)<br />

Was bedeuten die Parameter:<br />

0.13 (BAD): EXP (0.13) = 1.1388: eine Wohnung mit Bad ist um ca. 14<br />

% teurer als eine Wohnung ohne Bad<br />

0.0076 (SOZ): EXP (0.0076 *10) = 1.079: Ein um 10% höherer<br />

Akademikeranteil in der Umgebung erhöht den Preis um ca. 8 %<br />

61<br />

6<br />

7


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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Hedonischen<br />

Preisen<br />

Simulation<br />

P = EXP (9,869 + 0.13 * BAD + 0.954 * LNM2 + 0.0076 * SOZ)<br />

(1) 80 m2, Badezimmer, 40 % Akademikeranteil in Umgebung)<br />

P (geschätzt): EXP(9,869 + 0.13 + 4.382 * 0.954 + 0.304) =<br />

EXP(14.4834) = 1.950.117 ATS = € 141.720<br />

(2) 40 m2, kein Badezimmer, 5% Akademikeranteil<br />

P (geschätzt): EXP (9,869 + 3.6889 * 0.954 + 0.038) =<br />

EXP (13.4262) = 677.531 ATS = € 49.238<br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Hedonischen<br />

Preisen<br />

GPSIM – Analyse <strong>und</strong> Simulation Wiener Immobilien<br />

(räumliche Bezugseinheit: Baublock)<br />

Arten von Immobilien<br />

• Eigentumswohnungen (neu <strong>und</strong> gebraucht)<br />

• Mietwohnungen (vermietete Eigentumswohnungen): freie Mieten <strong>und</strong><br />

Richtwertmieten<br />

• Mietbüros<br />

• Ein- <strong>und</strong> Zweifamilienhäuser (Preise <strong>und</strong> Mieten)<br />

• Baugründe (nach Bauklassen bzw. erzielbarer Nutzfläche)<br />

62<br />

8<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit<br />

Hedonischen Preisen<br />

Datenbasis<br />

• Geschäftsfälle der Austria Immobilienbörse (A!B), vormals W!B<br />

• Kaufpreissammlung der MA 69<br />

• Zahl der Beobachtungen: ca. 50.000.-<br />

• Zeitperiode: 1986 – 2006<br />

• Ca. 1 Drittel effektive Transaktionen, ca. 2 Drittel Angebotspreise<br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Hedonischen<br />

Preisen<br />

• Ausstattungsvariable<br />

Erklärende Variable<br />

• Adresse/Baublockcode<br />

• Zeitpunkt des Anbots bzw. der Transaktion<br />

• Preis/Miete<br />

• Betriebskosten / Mehrwertsteuer<br />

• Nutzfläche / Gr<strong>und</strong>stücksfläche<br />

• Zustand<br />

• Baujahr<br />

• Stockwerkslage<br />

• Verfügbarkeit von Strom, Gas, Wasser, Kanal, Telefon, Kabel-TV<br />

• Zahl <strong>und</strong> Größe der Räume, Badezimmer, Balkone, Terrassen, Garagen<br />

• Heizungsart<br />

• Möblierung<br />

63<br />

10<br />

11


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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Hedonischen<br />

Preisen<br />

(2) Lagevariable<br />

Erklärende Variable<br />

• Naturraum: Höhenlage, Hangneigung, Nähe zu Parkanlagen,<br />

Wasserflächen, Weingärten, Wiesen <strong>und</strong> Wäldern<br />

• Infrastruktur: Erreichbarkeit des <strong>Stadt</strong>zentrums im öffentlichen <strong>und</strong> im<br />

Individualverkehr, Nähe zu Haltestellen des öffentlichen Verkehrs,<br />

Nahversorgungsqualität<br />

• Soziales Milieu: Anteil der Akademiker, der Pensionisten oder von<br />

Gastarbeitern in der Nachbarschaft<br />

• Ökologie: Belastungen durch Lärm oder Staub, Parkplatzsituation,<br />

Verbauungsdichte<br />

• <strong>Stadt</strong>gestalt: Lage in Schutzzonen, Nähe zu Denkmälern <strong>und</strong><br />

Monumenten<br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Hedonischen<br />

Preisen<br />

Modellergebnisse<br />

Baualter <strong>und</strong> Zustand der Wohnung<br />

Hier ist angeführt, um wieviel Prozent sich eine sonst gleichgelegene <strong>und</strong> gleichausgestattete<br />

gebrauchte Eigentumswohnung von einer Referenzkategorie = 100% (hier: sehr gut<br />

ausgestattete Wohnung; Baujahr vor 1919) unterscheidet.<br />

BJ: vor 1919; Zustand: gut: 76%<br />

BJ: vor 1919; Zustand: durchschnittlich/mäßig: 69%<br />

BJ: 1919-1940; Zustand: sehr gut: 92%<br />

BJ: 1919-1940; Zustand: gut: 81%<br />

BJ: 1919-1940; Zustand: durchschnittlich/mäßig: 71%<br />

BJ: 1946-1960; Zustand: sehr gut: 95%<br />

BJ: 1946-1960; Zustand: gut: 81%<br />

BJ: 1946-1960; Zustand: durchschnittlich/mäßig: 76%<br />

BJ: 1961-1970; Zustand: sehr gut: 91%<br />

BJ: 1961-1970; Zustand: gut: 82%<br />

BJ: 1961-1970; Zustand: durchschnittlich/mäßig: 77%<br />

BJ: 1971-1975; Zustand: sehr gut: 94%<br />

BJ: 1971-1975; Zustand: gut: 88%<br />

BJ: 1971-1975; Zustand: durchschnittlich/mäßig: 79%<br />

BJ: 1976-1980: (Zustand: sehr gut): 96%<br />

BJ: 1981-1985: (Zustand: sehr gut): 102%<br />

BJ: 1986-1990: (Zustand: sehr gut): 107%<br />

BJ: 1991 <strong>und</strong> später: (Zustand: sehr gut): 117%<br />

64<br />

12<br />

13


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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Hedonischen<br />

Preisen<br />

Vorhandensein von Garage <strong>und</strong> Balkon<br />

Balkon vorhanden: 103%<br />

Garage/Autoabstellplatz vorhanden (nicht die Kosten): 104%<br />

Badezimmer vorhanden: 114%<br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Hedonischen<br />

Preisen<br />

Lage der Wohnung im Haus / Vorhandensein von Lift <strong>und</strong>/oder<br />

Terrasse<br />

Hier ist angeführt, um wieviel Prozent sich eine sonst gleichgelegene <strong>und</strong> gleichausgestattete<br />

gebrauchte Eigentumswohnung von einer Referenzkategorie=100% (hier: Erdgeschoßwohnung<br />

ohne Terrasse) unterscheidet.<br />

Erdgeschoß / Terrasse /Eigengarten: 115%<br />

1/2 Stock / keine Terrasse: 101%<br />

1/2 Stock / Terrasse: 103%<br />

3/4 Stock / kein Lift / keine Terrasse: 90%<br />

3/4 Stock / kein Lift / Terrasse: 93%<br />

3/4 Stock / Lift / keine Terrasse: 105%<br />

3/4 Stock / Lift / Terrasse: 117%<br />

5/6 Stock / kein Lift / keine Terrasse: 71%<br />

5/6 Stock / kein Lift / Terrasse: 95%<br />

5/6 Stock / Lift / keine Terrasse: 108%<br />

5/6 Stock / Lift / Terrasse: 121%<br />

höher / kein Lift / keine Terrasse: 58%<br />

höher / kein Lift / Terrasse: 99%<br />

höher / Lift / keine Terrasse: 108%<br />

höher / Lift / Terrasse: 124%<br />

65<br />

14<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Hedonischen<br />

Preisen<br />

Lagefaktoren<br />

Geben an, um wie viel Prozent eine gebrauchte Eigentumswohnung, bei der ein Lagefaktor<br />

seine maximale Ausprägung hat, teurer ist als eine sonst gleiche Wohnung, bei der dieser<br />

Lagefaktor seine minimale Ausprägung hat<br />

Beispiel:<br />

Lagefaktor: Soziales Milieu (Anteil der Akademiker <strong>und</strong> Maturanten in der Nachbarschaft): 56 %.<br />

Bedeutet, dass eine Wohnung um 56 % teurer ist, wenn in ihrer Nachbarschaft 60%<br />

(=Maximum) Akademiker <strong>und</strong> Maturanten wohnen, als eine sonst gleiche Wohnung, wo in der<br />

Umgebung nur 0,6 % (=Minimum) Akademiker <strong>und</strong> Maturanten wohnen.<br />

Soziales Milieu (Akademikeranteil) 56 %<br />

Industrie <strong>und</strong> Gewerbe in der Nachbarschaft: -4 %<br />

Verkehrslärm -7,5 %<br />

Aufwand bei der Suche von Parkplätzen -6 %<br />

Erreichbarkeit des <strong>Stadt</strong>zentrums (mix aus IV <strong>und</strong> ÖV) 13 %<br />

Höhenlage <strong>und</strong> Hangneigung (Fernsicht/Aussicht) 10 %<br />

Dichte Verbauung in der Nachbarschaft -17 %<br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Hedonischen<br />

Preisen<br />

Lagefaktoren<br />

Nähe zu Parks 6 %<br />

Nähe zu Weingärten, Wälder <strong>und</strong> Wiesen 20 %<br />

Nähe zu Wasserflächen 2 %<br />

Nähe zu Kleingärten, Friedhöfen <strong>und</strong> sonstigen Grünflächen 12 %<br />

Nähe zu Schutzzonen <strong>und</strong> denkmalgeschützten Gebäuden 14 %<br />

Nähe zu kulturellen Einrichtungen 2 %<br />

66<br />

16<br />

17


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Hedonischen<br />

Preisen<br />

Ein konkretes Beispiel<br />

Eigentumswohnung: 1230 Maurer Lange Gasse<br />

Baujahr: 2000<br />

Zustand: sehr gut<br />

Größe: 87,67 m2 davon 7,43 m2 Loggia<br />

Badezimmer, Kellerabteil, kein Garagen/Autoabstellplatz<br />

im 2. Stock gelegen<br />

Ergebnis:<br />

Baulicher Wert pro m2 : € 1.382.-<br />

Gr<strong>und</strong>anteil pro m2: € 544.-<br />

Gesamtwert pro m2 Nutzfläche: € 1.926.-<br />

Gesamtwert des Objektes: € 168.852.-<br />

Univ. Prof.<br />

Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

TU Wien<br />

Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Hedonischen<br />

Preisen<br />

Anwendungen<br />

Immobilienindizes<br />

Aus dem Modell können unmittelbar Indizes abgeleitet werden, die die<br />

zeitliche Entwicklung einzelner Immobilienkategorien widerspiegeln.<br />

Inzwischen liegen für die meisten Immobilienkategorien quartalsweise<br />

Indizes vor, die getrennt für Wien <strong>und</strong> das restliche Österreich berechnet<br />

werden. Die Ermittlung wird von der Österreichischen Nationalbank<br />

mitfinanziert.<br />

http://www.srf.tuwien.ac.at/feil/immo.htm<br />

67<br />

18<br />

24


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

2.3 Praxis der <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

2.3.1 Verkehrswertermittlung unbebauter<br />

Gr<strong>und</strong>stücke<br />

Für die Ermittlung des Verkehrswerts eines unbebauten Gr<strong>und</strong>stücks eignet<br />

sich am besten das Vergleichswertverfahren.<br />

Folgende Punkte sollten besonders beachtet werden:<br />

• Es muss eine ausreichende Zahl geeigneter Vergleichsgr<strong>und</strong>stücke<br />

vorhanden sein.<br />

• Nicht jeder Kaufpreis ist für einen Preisvergleich geeignet, z.B.<br />

Liebhaberpreise, Gefälligkeitspreise unter Verwandten <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en,<br />

Kaufpreise in Zwangsversteigerungs- oder Konkursverfahren.<br />

• Die Vergleichsgründstucke müssen bei den maßgeblichen<br />

Wertfaktoren, wie Lage, Bodenbeschaffenheit, Größe, Gestaltung,<br />

Erschließungsgrad, Art <strong>und</strong> Maß der zulässigen Nutzung, vergleichbar<br />

sein.<br />

• Unterschiede in den maßgeblichen Wertfaktoren zwischen den<br />

Vergleichsgr<strong>und</strong>stücken <strong>und</strong> dem zu bewertenden Gr<strong>und</strong>stück müssen<br />

durch Zu- oder Abschläge angemessen ausgeglichen werden.<br />

• Die Kaufpreise der Vergleichsgr<strong>und</strong>stücke sollten um den<br />

Bewertungsstichtag zustande gekommen, aber zumindest nicht älter<br />

als 4 Jahre sein. Preisänderungen, die bis zum Bewertungsstichtag<br />

eingetreten sind, müssen durch angemessene Zu- <strong>und</strong> Abschläge<br />

berücksichtigt werden.<br />

Vergleichspreise können mit Hilfe der Urk<strong>und</strong>ensammlung des Gr<strong>und</strong>buchs,<br />

Auskünften von allgemein beeideten <strong>und</strong> gerichtlich zertifizierten<br />

Sachverständigen <strong>und</strong> Realitätenbüros sowie Hinweisen von zuständigen<br />

Gemeindeämtern erhoben werden.<br />

Mit den bereits erhobenen Gr<strong>und</strong>preisen sollte eine eigene Gr<strong>und</strong>-<br />

/Kaufpreissammlung angelegt werden, auf die man immer wieder<br />

zurückgreifen kann.<br />

68


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Grünland<br />

Für die Verkehrswertermittlung sind vor allem die land- <strong>und</strong><br />

forstwirtschaftlich genutzten Flächen von Bedeutung.<br />

Als grobe Richtwerte können gelten:<br />

für Wiesenflächen: 2 – 3 €<br />

für Ackerflächen: 3 – 5 €<br />

für Waldflächen (je nach Entwicklung): 2 – 5 €<br />

für Weingärten: 6 – 10 €<br />

im städtischen Bereich werden (unbebaubare) Gartenflächen ca. ein Drittel<br />

des Baulandpreises bezahlt.<br />

2.3.2 Ermittlung des Bodenwertes bebauter<br />

Gr<strong>und</strong>stücke<br />

Die Ermittlung des Bodenwerts bebauter Gr<strong>und</strong>stucke stellt sich schwieriger<br />

dar als bei unbebauten, da verlässliche <strong>und</strong> marktkonforme Wertermittlungsmethoden<br />

nur bedingt zur Verfügung stehen. Vor allem die vorhandene<br />

Bebauung wirft besondere Bewertungsprobleme auf.<br />

In der Frage, ob die vorhandene Bebauung den Bodenwert beeinflusst oder<br />

nicht, stehen zwei Meinungen gegenüber.<br />

Einige Experten vertreten die Auffassung, dass der Umstand der Bebauung<br />

bei der Bewertung des Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Bodens außer Acht zu lassen <strong>und</strong> der<br />

Bodenwert eines bebauten Gr<strong>und</strong>stucks so zu behandeln sei, als ob dieses<br />

unbebaut wäre.<br />

Dem steht die Meinung gegenüber, dass eine vom Maß der zulässigen<br />

baulichen Nutzung abweichende tatsächliche Bebauung unter bestimmten<br />

Voraussetzungen den Bodenwert des Gr<strong>und</strong>stücks durchaus beeinflussen<br />

kann. Allerdings führt nicht jede Minderausnutzung gegenüber der<br />

69


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

zulässigen Bebauung zu einer Wertminderung des Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Bodens. Eine<br />

Minderausnutzung wirkt sich dann nicht auf den Bodenwert aus, wenn das<br />

Maß der zulässigen baulichen Nutzung durch Aufstockung oder Anbau<br />

ausgeschöpft werden kann. In diesen Fällen ist der volle Bodenwert<br />

vergleichbarer unbebauter Gr<strong>und</strong>stücke anzusetzen.<br />

Wenn das Maß der zulässigen baulichen Nutzung nicht ausgeschöpft werden<br />

kann, z.B. bei nichtaufstockbaren Gebäuden, ist der Bodenwert durch die<br />

tatsächliche Bebauung gemindert. Die Wertminderung richtet sich nach dem<br />

Minderertrag <strong>und</strong> der Restnutzungsdauer des Gebäudes. Erfahrungsgemäß<br />

nehmen die erzielbaren Erträge in den oberen Geschossen eines Gebäudes<br />

ab, vor allem dann, wenn die unteren Geschosse gewerblich genutzt werden.<br />

Die Dauer der Minderausnutzung richtet sich im Allgemeinen nach der<br />

Restnutzungsdauer des Gebäudes. Bei einer langen Restnutzungsdauer wird<br />

der Bodenwert stärker gemindert als bei einer geringeren Nutzungsdauer.<br />

Mit zunehmendem Alter des Gebäudes steigt der reduzierte Bodenwert his<br />

zur Höhe eines vergleichbaren unbebauten Gr<strong>und</strong>stücks. Es kann davon<br />

ausgegangen werden, dass Gebäude mit einer Restnutzungsdauer von<br />

weniger als 20 Jahren keine Bodenwertminderung verursachen. Eine Rolle<br />

spielt auch die Objektgröße, da eingeschossige Gebäude meistens mit einem<br />

geringeren Kostenaufwand abgebrochen werden können als<br />

mehrgeschossige Objekte.<br />

Das Ausmaß der Wertkorrektur bei einer Minderausnutzung gegenüber der<br />

zulässigen baulichen Nutzung ergibt sich nach folgender Formel:<br />

(Ertragsminderung x Restnutzungsdauer) / 100<br />

Beispiel:<br />

Aufgr<strong>und</strong> des Bebauungsplans sind drei Geschosse zulässig. Das<br />

Gr<strong>und</strong>stück ist allerdings nur mit einem zweigeschossigen Gebäude verbaut,<br />

welches aus bautechnischen Gründen nicht aufgestockt werden kann.<br />

Der Minderertrag gegenüber der zulässigen Bebauung beträgt daher 33%.<br />

Restnutzungsdauer des Gebäudes 50 Jahre<br />

Berechnung:<br />

(33 x 50) /100 = 16,5<br />

70


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Der Bodenwert ist somit um den Abschlag wegen Minderausnutzung in<br />

Höhe von 16,5 % zu reduzieren.<br />

2.3.3 Ermittlung des Verkehrswerts bebauter<br />

Liegenschaften im Sachwertverfahren<br />

Der Liegenschaftswert setzt sich im Sachwertverfahren aus folgenden drei<br />

Komponenten zusammen:<br />

• Bodenwert<br />

• Bauwert des/der Gebäude(s)<br />

• Bauwert der Außenanlagen<br />

Bodenwert<br />

Der Bodenwert wird im Vergleichswertverfahren ermittelt. Eventuell muss<br />

ein Abschlag wegen Minderausnutzung berücksichtigt werden.<br />

Bauwert des Gebäudes<br />

Der Bauwert des Gebäudes wird nach dem bereits dargestellten Schema<br />

ermittelt<br />

Herstellungswert<br />

Der Herstellungswert oder Neubauwert ist auf Preisbasis zum<br />

Bewertungsstichtag zu ermitteln Es sind dabei nicht jene anzusetzen, die für<br />

die Errichtung der baulichen Anlagen seinerzeit aufgewendet wurden,<br />

sondern ein fiktiver Kostenbetrag der für die Neuerrichtung der baulichen<br />

Anlagen zum Bewertungsstichtag aufgewendet werden musste (Normalherstellungswert).<br />

Eine gewählte Berechnungseinheit wird mit den Richtwerten<br />

für die jeweilige Berechnungsfläche vervielfacht.<br />

Die Berechnungseinheiten sind vorzugsweise für:<br />

Wohn-, Geschäfts-, Büro- u. gewerblich genutzte Bauten: m 3 Bruttorauminhalt<br />

Eigentumswohnungen, Einfamilienhäuser: m 2 Wohnnutzfläche<br />

Industriegebäude, Hallen: m2 Bruttogr<strong>und</strong>rissfläche<br />

71


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Bruttogr<strong>und</strong>rissfläche<br />

Die Bruttogr<strong>und</strong>rissfläche ist die Summe aller Gr<strong>und</strong>rissflächen in einer<br />

Gr<strong>und</strong>rissebene (z.B. Kellergeschoss, Erdgeschoss, Obergeschoss,<br />

Dachgeschoss) <strong>und</strong> wird in m2 angegeben.<br />

Zu unterscheiden sind Gr<strong>und</strong>rissflächen<br />

• allseitig umschlossener (umbauter) Räume<br />

• die nicht allseitig in voller Hohe umschlossen, jedoch überdeckt sind,<br />

z.B. Flächen von Loggien, vorkragenden Bauteilen <strong>und</strong> aufgelösten<br />

Geschossen<br />

• die weder allseitig umschlossen noch überdeckt sind, z.B. Flächen von<br />

Balkonen oder Dachterrassen<br />

• von ausgebauten <strong>und</strong> nichtausgebauten Dachgeschossen<br />

Die Bruttogr<strong>und</strong>rissfläche ist nach den äußeren Begrenzungen (inklusive<br />

Wandaußenverputz oder Wandaußenverkleidung) des Geschosses zu<br />

berechnen. Die Maße können dem Gr<strong>und</strong>riss der amtlich bewilligten<br />

Baupläne entnommen werden (die Gr<strong>und</strong>risse der Pläne stellen den Schnitt<br />

in 1 m Höhe dar).<br />

Nicht zur Bruttogr<strong>und</strong>rissfläche zählen die nichtnutzbaren Gr<strong>und</strong>rissflächen<br />

von Hohlräumen zwischen der Geländeoberfläche <strong>und</strong> der<br />

Unterkonstruktion baulicher Anlagen, die nichtnutzbaren Zwischenräume<br />

bei Kaltdächern oder Dachräumen sowie nichtnutzbare Flachdächer.<br />

Die Bruttogr<strong>und</strong>rissfläche wird vor allem für die Bewertung von<br />

Hallenbauten verwendet. Bei mehrgeschossigen Objekten mit gleichem<br />

Gr<strong>und</strong>riss der einzelnen Geschosse kann die Bruttogr<strong>und</strong>rissfläche des<br />

Erdgeschosses mit der Geschossanzahl multipliziert werden. Sind die<br />

Ausmaße der einzelnen Geschosse unterschiedlich, müssen die Bruttogr<strong>und</strong>rissflächen<br />

der einzelnen Geschosse ermittelt <strong>und</strong> zusammengezählt werden.<br />

Bruttorauminhalt<br />

Der Bruttorauminhalt ist in m 3 anzugeben.<br />

Der Bruttorauminhalt eines Gebäudes wird umschlossen:<br />

72


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Seitlich:<br />

Von den Außenflächen (Oberflächen des Wandaußenverputzes oder der<br />

Wandaußenverkleidung) der Umfassungsmauern<br />

Unten:<br />

Unterkante der Trag- <strong>und</strong> Fußbodenkonstruktion des untersten Geschosses<br />

Oben:<br />

Bei nichtausgebautem Dachgeschoss von der Oberfläche des<br />

Dachgeschoßfußbodens, bei ausgebautem Dachgeschoss von den<br />

Außenflächen der umschließenden Wände <strong>und</strong> Decken.<br />

Nicht zum Bruttorauminhalt eines Gebäudes zählen:<br />

Dachaufbauten <strong>und</strong> -vorsprünge, Balkone <strong>und</strong> Terrassen, Vordächer,<br />

Vorlegestufen <strong>und</strong> Freitreppen, Licht- <strong>und</strong> Luftschächte, freistehende oder<br />

angebaute Rauch- <strong>und</strong> Abgasfänge, Rauchkanäle (Füchse), F<strong>und</strong>amente aller<br />

Art (ausgenommen F<strong>und</strong>amentplatten), Vorkehrungen gegen drückendes<br />

Wasser sowie mit einem Gebäude baulich nicht verb<strong>und</strong>ene unterirdische<br />

Bauten (z.B. außerhalb des Gebäudes befindliche Tiefgaragen, Schutzräume,<br />

Fußgängertunnel).<br />

Zur Ermittlung des Bruttorauminhalts werden die Bruttogr<strong>und</strong>rissflächen mit<br />

den aus den Bauplänen zu entnehmenden zugehörigen Geschosshöhen<br />

multipliziert.<br />

Die Geschosshöhe ist der Abstand zwischen der Oberfläche des Fußbodens<br />

<strong>und</strong> der Oberfläche des darüber liegenden Fußbodens. Bei Flachdächern<br />

ohne Dachraum wird die Höhe his zur Außenfläche des Daches genommen.<br />

Beim untersten Geschoss ist zur vorne definierten Höhe die Dicke der<br />

gesamten Trag- <strong>und</strong> Fußbodenkonstruktion (aber ohne F<strong>und</strong>amente,<br />

ausgenommen F<strong>und</strong>amentplatten) hinzuzurechnen.<br />

Wenn kein Bauplan vorliegt <strong>und</strong> die Geschosshöhe geschätzt werden muss,<br />

so sind bei Gebäuden jüngeren Baujahrs eine Höhe von 2,8 his 3 m, <strong>und</strong> bei<br />

Altbauten 4 m anzusetzen. Man kann auch die lichte Höhe der Räume<br />

ausmessen <strong>und</strong> für Massivdecken 30 cm <strong>und</strong> für Tramdecken 40 cm<br />

dazurechnen.<br />

Für die Bewertung müssen die Bruttorauminhalte von Gebäudeteilen, die<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

sich in Konstruktion <strong>und</strong> Ausstattung wesentlich von den übrigen<br />

Bauwerksteilen unterscheiden getrennt ermittelt werden.<br />

Nettogr<strong>und</strong>rissfläche<br />

Die Nettogr<strong>und</strong>rissfläche ist die Summe aller nutzbaren Gr<strong>und</strong>rissflächen<br />

zwischen den Oberflächen der Wände in einer Gr<strong>und</strong>rissebene. Die<br />

Nettogr<strong>und</strong>rissfläche wird aus den lichten Fertigmaßen errechnet.<br />

Zu den Nettogr<strong>und</strong>rissflachen zählen auch die Gr<strong>und</strong>rissflächen:<br />

• von Aufzugschachten, begehbaren Schächten, betriebstechnischen<br />

Anlagen oder betrieblichen Einbauten<br />

• von mobilen Wandelementen <strong>und</strong> Einbaukästen<br />

• freistehender Rohre, Leitungen <strong>und</strong> dgl.<br />

• von Wandöffnungen, sofern deren lichte Höhe mindestens 2 m beträgt<br />

(aber nicht die Gr<strong>und</strong>rissflächen von Türöffnungen).<br />

Nicht zu den Nettogr<strong>und</strong>rissflächen zählen die Gr<strong>und</strong>rissflächen von Zähler-<br />

, Fenster- <strong>und</strong> Parapetnischen sowie anderen Wandnischen, sofern deren<br />

Höhe 2 m unterschreitet.<br />

Die Nettogr<strong>und</strong>rissflache wird eingeteilt in:<br />

• Nutzfläche: Jener Teil der Fläche, der aufgr<strong>und</strong> der<br />

Zweckbestimmung des Gebäudes genutzt wird (z.B. Wohnnutzfläche,<br />

betrieblich genutzte Fläche)<br />

• Ver- <strong>und</strong> Entsorgungsfläche: Diese Fläche ist für die Unterbringung<br />

der allgemein benötigten haustechnischen Einrichtungen bestimmt.<br />

Dazu<br />

gehören Anlagen für Wasser- <strong>und</strong> Energieversorgung, Heizung,<br />

Lüftung, Klimatisierung, Beleuchtung, Abwasserbeseitigung,<br />

Abfallbeseitigung, Aufzugs- <strong>und</strong> Fördertechnik sowie sonstige<br />

Betriebstechnik.<br />

• Verkehrsfläche: Teil der Nettogr<strong>und</strong>rissfläche, der allgemein<br />

zugänglich ist <strong>und</strong> welcher der Benützung baulicher Anlagen dient<br />

(z.B. Eingangshalle, Gänge, Stiegenlaufe, Aufzugsschächte,<br />

Fahrtreppen usw.)<br />

74


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Wohnnutzfläche<br />

Unter Wohnnutzflache versteht man die anrechenbare Nettogr<strong>und</strong>rissfläche<br />

der Räume von Wohnungen.<br />

Zur Wohnnutzfläche gehören nicht die Nettogr<strong>und</strong>rissflächen von:<br />

• Geschäftsräumen <strong>und</strong> gewerblich genutzten Räumen<br />

• Wirtschaftsräumen wie Futterküchen, Vorratsräume, Backstuben,<br />

Räucherkammern, Ställe, Scheunen, Abstellraume <strong>und</strong> ähnliche<br />

Räume<br />

• Zubehörräumen wie Keller, Waschküche, Abstellräume außerhalb der<br />

Wohnung, Dachböden, Trockenräume, Schuppen, Garagen usw.<br />

• Die Nettogr<strong>und</strong>rissfläche von Balkonen, (Dach)-Terrassen <strong>und</strong><br />

gedeckten Freisitzen sollte bei der Bewertung mit einem Richtpreis<br />

von r<strong>und</strong> einem Drittel bis einem Viertel des Preises für die<br />

Wohnnutzfläche angesetzt werden.<br />

Die Berechnung dieser Flächenart ist für die Bewertung von<br />

Eigentumswohnungen <strong>und</strong> für die Ertragswertermittlung bei<br />

Mehrparteienwohnhäusern, in welchen Räume entweder freistehen oder<br />

durch die Liegenschaftseigentümer genutzt werden, während der Rest<br />

vermietet ist, von Bedeutung.<br />

Die Wohnnutzfläche kann mit Hilfe der Gr<strong>und</strong>risspläne ermittelt werden <strong>und</strong><br />

zwar werden die Wohnnutzflächen der einzelnen Räume zusammen gezählt.<br />

Wenn Kaufverträge von Eigentumswohnungen oder Mietverträge zur<br />

Verfügung stehen, so kann die Wohnnutzfläche meistens aus diesen<br />

entnommen werden.<br />

Ermittlung der Richtpreise<br />

Die Richtpreistabellen enthalten durchschnittliche Erfahrungswerte von<br />

Herstellungskosten für Objekte mit einer bestimmten Nutzung<br />

(Einfamilienwohnhaus, Eigentumswohnung, gewerblich <strong>und</strong> industriell<br />

genutzte Gebäude usw.), Bauweise (Reihen-, Gruppenbauweise,<br />

Einzelgebäude, ein- oder mehrgeschossige Bauweise), Bauart (Konstruktion<br />

<strong>und</strong> verwendete Baustoffe) sowie Ausstattung (einfache, gute, luxuriöse).<br />

Entscheidend für die Richtwerte ist auch die Region, in der sich die<br />

75


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Liegenschaft befindet. In Gebieten, wo die Gebäude mit erheblichen<br />

Eigenleistungen gebaut werden (z.B. in ländlichen Gemeinden), fallen die<br />

Richtpreise niedriger aus.<br />

Zu beachten ist, dass bei gewerblich <strong>und</strong> industriell genutzten Objekten die<br />

Umsatzsteuer nicht zu berücksichtigen ist, bei privat genutzten<br />

Liegenschaften muss sie jedoch in den ermittelten Wert einbezogen werden.<br />

Die Richtwerte werden in Euro pro m3 Bruttorauminhalt bzw. pro m2<br />

Wohn-/Sonstige Nutzfläche oder Bruttogr<strong>und</strong>rissfläche angegeben. Sind<br />

Gebäudeteile oder Geschosse sehr unterschiedlich ausgestattet, so sind die<br />

Herstellungskosten dafür getrennt unter Ansatz der zutreffenden Preise zu<br />

ermitteln.<br />

76


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

77


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Wertminderung wegen Alters<br />

Technische Lebensdauer<br />

Die technische Lebensdauer wird von der Qualität des Baumaterials<br />

bestimmt. Die Obergrenze der Gesamtlebensdauer hängt von der<br />

Haltbarkeitsgrenze der tragenden Bauteile ab.<br />

Ein Gebäude besteht aus Teilen, die nur einmal hergestellt werden (z.B.<br />

Außenwände, Decken, Treppen) <strong>und</strong> solchen, deren technische Lebensdauer<br />

geringer ist <strong>und</strong> die daher periodisch erneuert werden müssen (z.B.<br />

Dachrinnen, Rohrleitungen, Heizungsanlagen).<br />

Neben der Qualität des Baumaterials sind auch die durchgeführten<br />

Instandhaltungsarbeiten entscheidend, da bei deren Unterlassen die<br />

tragenden Teile ungehindert Witterungseinflüssen ausgesetzt sein können<br />

<strong>und</strong> daher erheblich schneller altern (z.B. schadhaftes Dach).<br />

Wirtschaftliche Nutzungsdauer<br />

Unter der wirtschaftlichen Nutzungsdauer versteht man die Zeitspanne, in<br />

der ein Gebäude zu den jeweils herrschenden wirtschaftlichen Bedingungen<br />

entsprechend seiner Zweckbestimmung allgemein wirtschaftlich nutzbar ist.<br />

Gründe für eine Verkürzung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer sind vor<br />

allem:<br />

• Modernen Bedürfnissen nicht entsprechender, unwirtschaftlicher<br />

Aufbau (z.B. Gr<strong>und</strong>riss, Geschosshöhe, Raumtiefe, Konstruktion<br />

usw.).<br />

• Zeitbedingte oder persönliche Baugestaltung, die modernen<br />

Anforderungen nicht entspricht.<br />

• Zurückbleiben hinter den allgemeinen Anforderungen an ges<strong>und</strong>e<br />

Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsverhältnisse.<br />

• Technische <strong>und</strong> wirtschaftliche Entwicklung von Branchen (z.B.<br />

Tankstellen, Kinos).<br />

Die wirtschaftliche Nutzungsdauer ist in der Regel kürzer als die technische<br />

Lebensdauer.<br />

78


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Gewöhnliche Lebensdauer<br />

Diese hängt im Wesentlichen von der Bauart (Konstruktion <strong>und</strong> verwendete<br />

Baustoffe), der Bauweise (Massivbau, Fertigteilbau) <strong>und</strong> Nutzung ab. Die<br />

gewöhnliche Lebensdauer berücksichtigt damit in angemessener Weise<br />

sowohl die technische Lebensdauer als auch die wirtschaftliche<br />

Nutzungsdauer.<br />

Der Berechnung der Alterswertminderungsquote können folgende<br />

Erfahrungswerte über die gewöhnliche Gebäudelebensdauer zugr<strong>und</strong>e gelegt<br />

werden:<br />

Gebäudeart Gewöhnliche<br />

Lebensdauer<br />

in Jahren<br />

Einfamilienhäuser<br />

Bauausführung<br />

<strong>und</strong> Wohngebäude in normaler 80<br />

Einfamilienhäuser<br />

Bauausführung<br />

<strong>und</strong> Wohngebäude in einfacher 60-80<br />

Fertighäuser auf Holzbasis 40-60<br />

Büro- <strong>und</strong> Verwaltungsgebäude 40-80<br />

Geschäfts- Kaufhäuser 40-60<br />

Supermärkte 20-40<br />

Hallen, Fabriksgebäude 30-50<br />

Betriebsgebäude (Industrie) 10-30<br />

Schuppen 20-30<br />

Verkürzung oder Verlängerung der gewöhnlichen Lebensdauer<br />

Zu einer Verkürzung der Lebensdauer führen nicht behebbare Baumängel<br />

(z.B. F<strong>und</strong>ierungsmängel) <strong>und</strong> - Schäden sowie Schäden, die nur mit<br />

unverhältnismäßig hohen Kosten behoben werden können.<br />

Eine Verlängerung der Restlebensdauer tritt dann ein, wenn das Gebäude in<br />

seinen wichtigsten Bauteilen wie Mauern Decken, Treppen, Dach erneuert<br />

oder verbessert worden ist. Bauliche Maßnahmen an nicht tragenden Teilen<br />

(z.B. Neugestaltung der Fassade) oder normaler Instandhaltungsaufwand<br />

führen zu keiner Verlängerung der Lebensdauer.<br />

79


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Die wirtschaftliche <strong>und</strong> technische Entwicklung kann dazu führen, dass sich<br />

ein Gebäude wirtschaftlich schneller abnutzt. als man aufgr<strong>und</strong> seines Alters<br />

annehmen würde. Die wirtschaftliche Überalterung tritt besonders bei alten<br />

Einfamilienwohnhäusern älteren Hotelgebäuden <strong>und</strong> Warenhäusern sowie<br />

Gewerbe- <strong>und</strong> Industrieobjekten, die den heutigen betriebswirtschaftlichen<br />

<strong>und</strong> technischen Anforderungen nicht mehr genügen, auf.<br />

Wichtig ist, dass sich die Verwendung des Gebäudes gegenüber der<br />

gewöhnlichen Lebensdauer für jeden Eigentümer verkürzt, d.h. dass auch<br />

bei einer anderweitigen Nutzung die volle wirtschaftliche Verwertbarkeit<br />

verloren geht.<br />

Bei den oben genannten Fällen ist es zweckmäßig die voraussichtlich noch<br />

verbleibende Restlebensdauer zu schätzen, sodass man zusammen mit den<br />

seit dem Baujahr vergangenen Jahren die gewöhnliche Gebäudelebensdauer<br />

erhält.<br />

Beispiel:<br />

Gewöhnliche Lebensdauer: 80 Jahre<br />

Alter des Gebäudes: 40 Jahre<br />

Wirtschaftliche Nutzbarkeit: nur noch 10 Jahre<br />

Die tatsächliche gewöhnliche Lebensdauer beträgt somit:<br />

Alter: 40 Jahre<br />

+ Restlebensdauer 10 Jahre<br />

Somit 50 Jahre<br />

Alterswertminderung von Ein-, Um- <strong>und</strong> Aufbauten<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich muss die Alterswertminderung für jedes Gebäude getrennt<br />

berechnet werden. Ein-, Um- <strong>und</strong> Aufbauten teilen allerdings das Schicksal<br />

des Hauptgebäudes. Für die Berechnung der Wertminderung wird das Alter<br />

jenes Teils (Altbau oder Neubau) zugr<strong>und</strong>e gelegt, der überwiegt. Nur wenn<br />

ein Erweiterungsbau nach Größe <strong>und</strong> Bauart eigenständig genutzt werden<br />

kann, wird die Wertminderung wegen Alters getrennt ermittelt.<br />

80


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Vertragliche Nutzungsdauer<br />

Bei Baurechten <strong>und</strong> Superädifikaten richtet sich die gewöhnliche<br />

Gebäudelebensdauer nach der Vertragslaufzeit.<br />

Berechnung der Alterswertminderung<br />

Die Wertminderung wegen Alters wird vom eventuell um die<br />

Wertminderung wegen Baumängel <strong>und</strong> Bauschäden gekürzten<br />

Herstellungswert berechnet. Damit soll die Wertminderung erfasst werden,<br />

die sich dadurch ergibt, dass das Gebäude altert <strong>und</strong> abgenutzt wird.<br />

Zur Ermittlung werden das derzeitige Alter des Gebäudes <strong>und</strong> die zu<br />

erwartende gewöhnliche Lebensdauer benötigt.<br />

Für die Alterswertminderung sind verschiedene Formen entwickelt worden,<br />

<strong>und</strong> zwar:<br />

Lineare Wertminderung wegen Alters<br />

Diese Alterswertminderungsform kommt im Allgemeinen in Betracht bei<br />

Gebäuden mit aufwendiger Innenausstattung (z.B. Einfamilienwohnhäuser),<br />

bei Fabrik- <strong>und</strong> Werkstättengebäuden, die einem verstärkten Verschleiß<br />

unterliegen <strong>und</strong> bei Gebäuden, die nachlässig oder gar nicht baulich instand<br />

gehalten werden.<br />

Die Formel zur Berechnung der Wertminderung in % lautet:<br />

(Gebäudelebensalter / gewöhnliche Lebensdauer) x 100<br />

Progressive Wertminderung wegen Alters (nach Ross)<br />

Im Gegensatz zur linearen Abschreibung weist diese Form eine leichte<br />

Progression auf. Sie kann bei Wohn- <strong>und</strong> Geschäftshäusern (Büro-,<br />

Verwaltungsgebäuden, Ladengeschäften, Warenhäusern usw.) mit einfacher<br />

bis normaler Ausstattung <strong>und</strong> guter baulicher Instandhaltung angewendet<br />

werden.<br />

81


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Die Formel zur Berechnung der Wertminderung in % lautet:<br />

⎡ ⎛<br />

⎢1<br />

⎜<br />

x<br />

⎢2<br />

⎜<br />

⎢⎣<br />

⎝<br />

2<br />

Gebäudelebensalter<br />

gewöhnlicheLebensdauer<br />

Parabolische Wertminderung wegen Alters<br />

2<br />

82<br />

+<br />

Gebäudelebensalter<br />

gewöhnlicheLebensdauer<br />

⎞⎤<br />

⎟⎥<br />

⎟ x100<br />

⎟⎥<br />

⎠⎥⎦<br />

Diese weist eine bedeutend stärkere Progression auf. Sie eignet sich für<br />

Gebäude mit geringwertiger Innenausstattung <strong>und</strong> mittlerer Beanspruchung<br />

(Lagergebäude, nicht stark beanspruchte Gebäude der Industrie,<br />

landwirtschaftliche Gebäude), die sich, gemessen an ihrem Alter in einem<br />

guten baulichen Zustand befinden<br />

Die Formel zur Berechnung der Wertminderung in % lautet:<br />

⎡⎛<br />

⎢⎜<br />

⎢⎜<br />

⎜<br />

⎢⎣<br />

⎝<br />

2<br />

Gebäudelebensalter<br />

gewöhnlicheLebensdauer<br />

2<br />

⎞⎤<br />

⎟⎥<br />

⎟ x100<br />

⎟⎥<br />

⎠⎥⎦<br />

Kurven der verschiedenen Wertminderungstabellen<br />

A Lineare Wertminderung wegen Alters<br />

B Progressive Wertminderung wegen Alters (nach Ross)<br />

C Parabolische Wertminderung wegen Alters


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

I<br />

Für die Berechnung der Alterswertminderung werden vor allem die lineare<br />

<strong>und</strong> die progressive Wertminderung herangezogen.<br />

Begrenzung der Alterswertminderung<br />

Bei älteren Gebäuden, die ihrem Alter entsprechend genutzt werden <strong>und</strong><br />

weder baufällig noch abbruchreif sind, werden in der Regel noch mindestens<br />

30 % des Herstellungswerts bei einem Verkauf erzielbar sein.<br />

Abschläge wegen besonderer wertbeeinflussender Umstände<br />

Der Gebäudesachwert ist eventuell um besondere wertbeeinflussende<br />

Umstände zu korrigieren.<br />

Ungünstige Lageverhältnisse<br />

Die Lage eines Gr<strong>und</strong>stücks wirkt sich zwar in erster Linie auf den<br />

Bodenwert aus, kann aber auch den Wert des Gebäudes beeinflussen; z.B.<br />

Einfamilienwohnhaus in unmittelbarer Nähe einer Fabrik.<br />

Beeinträchtigung durch Immissionen<br />

Besonders negativ können sich Verkehrs- <strong>und</strong> Industrieimmissionen wie<br />

Lärm, Rauch, Staub, Gerüche, Erschütterungen usw., auswirken.<br />

Beeinträchtigungen durch Lärm ergeben sich vor allem durch die Nähe zu<br />

Hauptverkehrsstraßen, Flugplätzen, größeren Bahnhöfen usw.<br />

Industriebetriebe führen des öfteren zu Belästigungen durch Rauch, Staub<br />

<strong>und</strong> Geruch. Belästigungen durch Erschütterungen treten in der Nähe von<br />

Presswerken <strong>und</strong> Steinbrüchen auf.<br />

Unorganischer Aufbau der Gebäude<br />

Dies kommt vor allem bei Fabriksliegenschaften vor.<br />

83


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Der unorganische Aufbau entsteht z.B. wenn ein Unternehmen expandiert<br />

<strong>und</strong> die notwendigen Erweiterungsbauten ohne gründliche Planung<br />

durchgeführt werden.<br />

Mit Hilfe des Lageplans kann geprüft werden, welche Wege die Werkstoffe<br />

bei ihrer Verarbeitung zurücklegen. Zur Bemessung des Abschlags kann der<br />

Prozentsatz herangezogen werden, um den die tatsächlichen<br />

Produktionskosten von den Produktionskosten eines Normalbetriebs<br />

abweichen.<br />

Verlorener Bauaufwand<br />

Diesem Abschlag liegt die Überlegung zugr<strong>und</strong>e, dass bei einem eventuellen<br />

Verkauf ein Teil der tatsächlichen Baukosten dadurch verloren geht, dass<br />

dem Käufer eines Gebäudes dieses nach seinem Sinn etwas anders gebaut<br />

hätte <strong>und</strong> somit das vom Verkäufer errichtete Hans den geschmacklichen<br />

<strong>und</strong> bautechnischen Vorstellungen des nachfolgenden Käufers nicht zur<br />

Gänze entspricht. Auch besonders luxuriöse <strong>und</strong> extrem moderne<br />

Bauausführungen werden von den Kaufern nicht voll honoriert.<br />

Der Abschlag wird vorn Gebäudesachwert, berichtigt um die Abschläge<br />

wegen besonderer Wert beeinflussender Umstände, berechnet. In vielen<br />

Fallen können etwa 10 % angesetzt werden.<br />

Bauwert der Außenanlagen<br />

Zu den Außenanlagen zählen Einfriedungen, Gartentore, Platzbefestigungen,<br />

Stützmauern, Schwimmbecken, Tennisplätze usw. Daneben gehören auch<br />

außerhalb des Gebäudes gelegene Versorgungs- <strong>und</strong> Abwasseranlagen dazu.<br />

Bei der Bewertung geht man vom Herstellungswert aus <strong>und</strong> berichtigt diesen<br />

um<br />

• die Wertminderung wegen baulicher Mängel <strong>und</strong> Schäden,<br />

• die Wertminderung wegen Alters<br />

• <strong>und</strong> Minderungen wegen besonderer Umstände.<br />

Bei kleineren Außenanlagen empfiehlt sich der Ansatz eines<br />

Pauschalbetrags.<br />

84


A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Durchschnittlich betragen die Außenanlagen in Prozent der<br />

Gebäudeherstellungskosten bei<br />

• einfachen Anlagen 2 - 4 %<br />

• durchschnittlichen Anlagen 5 - 7 %<br />

• aufwändigen Anlagen 8 - 12 %<br />

Bei aufwändigen Anlagen ist zu prüfen, ob diese überhaupt werterhöhend<br />

sind <strong>und</strong> von einem Käufer honoriert werden.<br />

Der Sachwert einer bebauten Liegenschaft stimmt nicht in jedem Fall mit<br />

dem Verkehrswert überein. Für die Kaufpreise sind vor allem Angebot <strong>und</strong><br />

Nachfrage am Realitätenmarkt entscheidend. Außerdem hängt der<br />

Verkehrswert von der Art <strong>und</strong> Größe sowie der Marktgängigkeit der<br />

Liegenschaft ab.<br />

Abschläge zur Anpassung an den Verkehrswert<br />

Berücksichtigung der Marktlage<br />

Bei Ein- <strong>und</strong> Zweifamilienwohnhäusern mit einem Sachwert von derzeit bis<br />

zu € 230.000.- entsprechen die Sachwerte etwa denen der Kaufpreise. Liegt<br />

der Sachwert einer solchen Liegenschaft darüber, so empfiehlt sich ein<br />

Abschlag in Höhe von 10 bis 20 %. Dabei spielt eine Rolle, dass Liegenschaftskäufe<br />

in der Regel fremdfinanziert werden <strong>und</strong> die Finanzierung den<br />

jeweiligen Einkommensverhältnissen des Käufers angepasst werden muss.<br />

Bei Verkäufen von teuren Liegenschaften nimmt die Zahl der<br />

Kaufinteressenten stark ab, da der Kreis, der bereit ist, hohe Mittel für das<br />

Wohnen einzusetzen, eher dahin tendiert, sich ein Haus nach eigenen <strong>und</strong><br />

individuellen Vorstellungen neu zu bauen.<br />

Auch bei gewerblich <strong>und</strong> industriell genutzten Liegenschaften ist der<br />

Interessentenkreis oft eingeschränkt.<br />

Ungünstige Objektgröße<br />

Große Ein- <strong>und</strong> Zweifamilienwohnhäuser eventuell mit einem Schwimmbad<br />

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

im Gebäude, verursachen hohe Betriebs- <strong>und</strong> Instandhaltungskosten, die<br />

einen Interessenten vom möglichen Kauf abhalten können.<br />

Große, unbebaute Baugr<strong>und</strong>stücke, die nicht teilbar sind, erreichen nicht<br />

immer den ortsüblichen m2-Preis.<br />

Industrieliegenschaften, deren Gebäude im Verhältnis zu der<br />

Gr<strong>und</strong>stücksfläche überdimensioniert sind <strong>und</strong> keine Anbaumöglichkeit<br />

bieten, sowie betrieblich genutzte Gr<strong>und</strong>stücke, die zu klein oder übergroß<br />

sind, werden in der Regel unter dem Sachwert gehandelt.<br />

Starke Zweckgeb<strong>und</strong>enheit<br />

Dieser Abschlag kommt in der Regel nur bei gewerblich <strong>und</strong> industriell<br />

genutzten Liegenschaften vor. Besonders problematisch sind<br />

Industriebauten, die für einen bestimmten Zweck errichtet wurden <strong>und</strong> eine<br />

andere Verwendungsmöglichkeit ohne Vornahme größerer Umbauten<br />

ausschließen.<br />

Ungünstiger Standort<br />

Bei Wohnhäusern wirkt sich die Nähe zu stark befahrenen Straßen usw.<br />

sowie größere Entfernungen zu Versorgungseinrichtungen wertmindernd aus<br />

(z.B. Luxusvilla in einer abgelegenen ländlichen Gemeinde).<br />

Bei Industrieliegenschaften wirken sich vor allem eine fehlende Infrastruktur<br />

oder eventuelle Beschrankungen hinsichtlich Geruchs- <strong>und</strong><br />

Lärmbelästigungen durch die Nähe zu Wohngebieten negativ auf den<br />

Verkehrswert aus.<br />

Denkmalschutz<br />

Steht ein Gebäude unter Denkmalschutz, so darf dieses nicht abgerissen<br />

werden. Darüber hinaus dürfen keine baulichen Veränderungen<br />

vorgenommen werden, die den denkmalgeschützten Charakter<br />

beeinträchtigen würden. Der Eigentümer ist also gehindert, den Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

Boden anderweitig auszunutzen, sodass allenfalls ein Abschlag bis zu 15 %<br />

gerechtfertigt erscheint.<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

2.3.5 Ermittlung des Verkehrswerts bebauter<br />

Liegenschaften im Ertragswertverfahren<br />

Der Liegenschaftswert setzt sich im Ertragswertverfahren aus folgenden<br />

drei Teilen zusammen:<br />

• Bodenwert<br />

• Wert des/der Gebäude(s) (Gebäudeertragswert)<br />

• Wert der Außenanlagen (meistens im Gebäudeertragswert<br />

berücksichtigt)<br />

Bodenwert<br />

Der Bodenwert wird üblicherweise mit Hilfe des Vergleichswertverfahrens<br />

ermittelt. Eventuell ist der Abschlag für Minderausnutzung zu<br />

berücksichtigen.<br />

Wert des Gebäudes<br />

Der Algorithmus zur Ermittlung des Gebäudewertes folgt dem eingangs<br />

beschriebenen Ablaufschema<br />

Rohertrag<br />

Der Rohertrag kann aus Mietaufstellungen <strong>und</strong> Mietzinsabrechnungen<br />

entnommen werden.<br />

Neben der eigentlichen Miete oder Pacht sind im Rohertrag auch sonstige<br />

Kosten, wie Verwaltungskosten, Betriebskosten, Instandhaltungsbeiträge,<br />

enthalten, die für den Vermieter nur Durchlaufcharakter haben <strong>und</strong> vom<br />

Mieter zu tragen sind. Es ist jedoch zu prüfen, ob diese Kosten auch wirklich<br />

im Rohertrag enthalten sind, oder ob diese direkt vom Mieter oder Pächter<br />

getragen werden. In einem solchen Fall dürfen diese Kosten beim Abzug der<br />

Bewirtschaftungskosten nicht mehr berücksichtigt werden. Es ist darauf zu<br />

achten, dass die eigentlichen Miet- oder Pachterträge auf Dauer nachhaltig<br />

erzielt werden können, d.h. die Mieten müssen dem ortsüblichen Niveau<br />

entsprechen. Anhaltspunkte können dabei Mietenspiegel geben. Auskünfte<br />

kann man auch bei Realitätenmaklern <strong>und</strong> -büros einholen.<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Für leer stehende <strong>und</strong> eigen genutzte Räume ist ebenfalls eine Miete<br />

anzusetzen. Werden für Räumlichkeiten keine oder nur geringe Mieten (z.B.<br />

bei Verwandten, Arbeitnehmern) verrechnet, so sind diese zu korrigieren.<br />

Bei überhöhten Mieten (z.B. Gastarbeiterwohnstätten) darf nur das<br />

ortsübliche Niveau berücksichtigt werden.<br />

Bewirtschaftungskosten<br />

Zu den Bewirtschaftungskosten zählen:<br />

• Abschreibung der baulichen Anlagen<br />

• Verwaltungskosten<br />

• Betriebskosten<br />

• Instandhaltungskosten<br />

• Mietausfallwagnis<br />

Abschreibung der baulichen Anlagen<br />

Die Abschreibung entfällt beim Ertragswertverfahren als Unkostenfaktor, da<br />

sie im Vervielfältiger berücksichtigt wird (als Erneuerungsrucklage).<br />

Verwaltungskosten<br />

In den Verwaltungskosten sind die Kosten für Personal <strong>und</strong> Einrichtungen<br />

enthalten, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung <strong>und</strong> Bewirtschaftung der<br />

Liegenschaft notwendig sind. Diese Kosten können auch in den<br />

Betriebskosten enthalten sein.<br />

Zu den bei der Verwaltung anfallenden Leistungen zählen:<br />

• Vermietung<br />

• Mietbuchhaltung, Überwachung des Mieteingangs, Mahnwesen<br />

• Abrechnung von Nebenkosten, Betriebskosten, Steuern <strong>und</strong> Abgaben<br />

• Mietanpassung <strong>und</strong> - Änderung<br />

• Planung, Beauftragung Überwachung <strong>und</strong> Abrechnung von<br />

Instandhaltungs-, Wartungs- <strong>und</strong> Pflegearbeiten<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

• Rechnungsprüfung and Zahlungsverkehr<br />

• Erstellung des Jahresabschlusses<br />

• Bearbeitung von Versicherungsfällen<br />

• Organisation <strong>und</strong> Personalangelegenheiten<br />

Die Verwaltungskosten betragen durchschnittlich 3 - 8 % des Rohertrags;<br />

bei nur einem oder wenigen gewerblichen Großmietern kann dieser Satz auf<br />

1 - 2 % des Rohertrags sinken.<br />

Betriebskosten<br />

Die Betriebskosten sind jene Kosten, die durch den laufenden Gebrauch der<br />

Liegenschaft entstehen and vom Benutzer zu tragen sind.<br />

Hierzu zählen die Kosten für:<br />

• Wasserversorgung<br />

• Abwasserbeseitigung<br />

• Rauchfangkehrung<br />

• Müllabfuhr<br />

• Allgemeinbeleuchtung (Stiegenhaus)<br />

• Versicherung gegen Brandschaden, Haftpflicht usw.<br />

• Hausbesorger<br />

• Hausreinigung<br />

• Aufzug <strong>und</strong> technische Einrichtungen<br />

• Beheizung, Belüftung, Klimatisierung<br />

• Pflege der Außenanlagen<br />

• Warmwasserversorgung<br />

• Schädlingsbekämpfung<br />

Es ist darauf zu achten, dass nur jene Betriebskosten angesetzt werden, die<br />

aus dem Rohertrag gedeckt werden. Betriebskosten die direkt vom Mieter<br />

oder Pächter getragen werden, sind nicht zu berücksichtigen.<br />

Instandhaltungskosten<br />

Die Instandhaltungskosten sind Kosten, die durch Hintanhaltung oder<br />

Beseitigung von baulichen Schäden aus Abnutzung, Alterung <strong>und</strong><br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Witterungseinflüssen entstehen. Sie dienen somit zur Aufrechterhaltung des<br />

bestimmungsmäßigen Gebrauchs der Gebäude während der Nutzungsdauer.<br />

Die Instandhaltungskosten werden üblicherweise vom Eigentümer getragen.<br />

Zu beachten ist, dass nicht die tatsächlichen Kosten des maßgebenden<br />

Jahres berücksichtigt werden, da besonders hohe oder niedrige Kosten den<br />

Wert in einem ungerechtfertigten Ausmaß beeinflussen würden. Auch ein<br />

Kostendurchschnitt der letzten Jahre ist in der Regel nicht brauchbar.<br />

Die jährlichen Instandhaltungskosten werden daher in % der<br />

Herstellungskosten am Bewertungsstichtag berechnet. Je nach Art der<br />

Bauausführung <strong>und</strong> des -zustands betragen die Instandhaltungssätze:<br />

Wohnhäuser: 0,5 bis 1,5 % der Herstellungskosten<br />

Geschäftshäuser: 0,5 bis 2 % der Herstellungskosten<br />

sehr alte, vielfach bereits unter Denkmalschutz stehende Objekte:<br />

durchschnittlich 4 % der Herstellungskosten<br />

Mietausfallwagnis<br />

Das Mietausfallwagnis ist das Wagnis einer Ertragsminderung, die durch<br />

uneinbringliche Miet- <strong>und</strong> Pachtruckstände oder Leerstehen zwischen zwei<br />

Mietverträgen entsteht. Es dient auch zur Deckung der Kosten einer<br />

Rechtsverfolgung auf Zahlung, Kündigung eines Mietverhältnisses oder<br />

Räumung. Bei gewerblich genutzten Räumen ist das Risiko größer, da diese<br />

oft schwieriger zu vermieten sind.<br />

Das Mietausfallwagnis wird mit einem Prozentsatz des Rohertrags<br />

berechnet. Die Sätze betragen bei:<br />

Wohnobjekten: 2 %<br />

Büros <strong>und</strong> Praxen: 2,5 %<br />

gewerblich genutzten Objekten: 2,5 bis 4 %<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Verzinsung des Bodenwerts<br />

Berechnung<br />

Der Gr<strong>und</strong>stücksreinertrag (Jahresrohertrag minus Bewirtschaftungskosten)<br />

ist in einen Verzinsungsbetrag des Bodenwerts <strong>und</strong> in einen<br />

Gebäudeertragsanteil zu teilen.<br />

Der Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden ist zeitlich unbegrenzt, d.h. ewig nutzbar, sodass sich<br />

der Verzinsungsbetrag als Jahreswert einer ewigen Rente errechnet.<br />

Die Formel lautet:<br />

Verzinsung des Bodenwerts = ( Bodenwert x Kapitalisierungszinssatz) / 100<br />

Der Verzinsungsbetrag des Bodenwerts hat für die Berechnung des<br />

Bodenwerts selbst keine Bedeutung <strong>und</strong> dient lediglich der Ermittlung des<br />

auf die baulichen Anlagen entfallenden Reinertragsanteils.<br />

Maßgebender Zinssatz<br />

Es wird gr<strong>und</strong>satz1ich derselbe Zinssatz herangezogen, wie bei der<br />

Kapitalisierung des Gebäudeertragsanteils, da die Kapitalverzinsung des<br />

Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Bodens ebenso wie die des Gebäudes von der Nutzung des<br />

Gr<strong>und</strong>stücks abhängt. Der Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Boden teilt das Schicksal des<br />

Gebäudes, solange dieses steht.<br />

Übergroße Gr<strong>und</strong>stücksflächen<br />

Wenn eine Liegenschaft Gr<strong>und</strong>stücksflächen aufweist, die zur<br />

wirtschaftlichen Nutzung der baulichen Anlagen nicht unbedingt<br />

erforderlich sind <strong>und</strong> selbständig verwertet werden könnten, so sind diese<br />

Flächen für die Verzinsung des Bodenwerts nicht heranzuziehen Solche<br />

Flächen sind z.B. Gr<strong>und</strong>stücksreserven für die Erweiterung von Gewerbe-<br />

<strong>und</strong> Industrieliegenschaften.<br />

Es ist allerdings darauf zu achten, dass für die Ermittlung des Bodenwerts im<br />

Rahmen des stets die gesamte Liegenschaftsfläche (inklusive<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Gr<strong>und</strong>stücksreserven) anzusetzen ist, auch wenn für die Verzinsung des<br />

Bodenwerts nur eine Teilfläche berücksichtigt wird.<br />

Vervielfältiger<br />

Ermittlung des Vervielfältigers<br />

Der Reinertrag der baulichen Anlagen stellt einen Jahresbetrag einer<br />

Zeitrente dar. Der Gebäudeertragswert wird als Barwert einer jährlich<br />

nachschüssig zu zahlenden Rente errechnet. Dabei wird unterstellt, dass der<br />

auf die baulichen Anlagen entfallende Reinertrag während der<br />

Restnutzungsdauer unverändert bleibt.<br />

Mieten werden im Aligemeinen monatlich im Voraus bezahlt, sodass man<br />

annehmen könnte, dass für die Ermittlung des Gebäudeertragswerts der<br />

Barwert einer monatlich vorschüssig zahlbaren Zeitrente heranzuziehen<br />

wäre. Dabei ist aber zu bedenken, dass nicht der monatlich vereinnahmte<br />

Rohertrag identisch mit einer Rentenrate ist, sondern der sich ergebende<br />

Reinertrag einer Jahresabschlussrechnung. Somit ist es durchaus<br />

sachgerecht, den jährlichen Reinertrag mit der Rate einer jährlich<br />

nachschüssig zu zahlenden Zeitrente gleichzusetzen.<br />

Im Reinertrag der baulichen Anlagen sollen sowohl der jährliche<br />

Abschreibungsbetrag ( = Erneuerungsrücklage) für den Gebäudezeitwert als<br />

auch die Verzinsung des Gebäudezeitwerts Deckung finden. Die verzinst<br />

anzulegende Erneuerungsrücklage ist so zu bemessen, dass zu jedem<br />

Bewertungsstichtag der jeweilige Bauwert des Gebäudes bis zum Ende der<br />

Nutzungsdauer angespart werden kann. Zu Beginn der Restnutzungsdauer ist<br />

der Betrag für die Erneuerungsrücklage noch gering, da aufgr<strong>und</strong> des noch<br />

großen Gebäudezeitwerts der Reinertrag noch fast in voller Höhe für die<br />

Verzinsung benötigt wird. Mit fortschreitendem Alter des Gebäudes wird<br />

durch die Abnutzung der Zeitwert <strong>und</strong> damit auch der Verzinsungsbetrag<br />

geringer. Die jährlichen Rücklagenbeträge werden dagegen mit<br />

abnehmender Restnutzungsdauer des Gebäudes größer. Der Reinertrag der<br />

baulichen Anlagen verlagert sich somit allmählich von den<br />

Verzinsungsbeträgen des Gebäudekapitals auf die Rücklagenbeträge für den<br />

anzusammelnden Gebäudezeitwert.<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Der zu verwendende Vervielfältiger richtet sich nach<br />

• dem Kapitalisierungszinssatz <strong>und</strong><br />

• der Restnutzungsdauer des Gebäudes<br />

Es ist zu beachten, dass nur die Restnutzungsdauer <strong>und</strong> nicht die<br />

Gesamtnutzungsdauer den Vervielfältiger beeinflusst.<br />

Die Formel für den Vervielfältiger lautet:<br />

V<br />

=<br />

q<br />

n<br />

q<br />

n<br />

−1<br />

x(<br />

q −1)<br />

Kapitalisierungszinssatz<br />

Allgemeines<br />

Die Höhe des Kapitalisierungszinssatzes ist für die Berechnung des<br />

Gebäudeertragswerts von besonderer Bedeutung. Nach den Regeln der<br />

Rentenrechnung ergibt sich, je niedriger die Verzinsung desto höher der<br />

Vervielfältiger <strong>und</strong> damit der Wert des Gebäudes <strong>und</strong> je höher die<br />

Verzinsung, desto niedriger der Vervielfältiger <strong>und</strong> damit der Wert des<br />

Gebäudes. Mit abnehmender Restnutzungsdauer nimmt allerdings die<br />

Auswirkung der Höhe des Zinssatzes ab.<br />

Ein Kriterium für die Wahl des Kapitalisierungszinssatzes ist das Risiko,<br />

welchem der Ertrag aus dem Realbesitz unterworfen ist.<br />

Einfamilienwohnhäuser sowie land- <strong>und</strong> forstwirtschaftliche Liegenschaften<br />

unterliegen einem geringeren Risiko als gewerbliche oder industriell<br />

genutzte Objekte.<br />

Wie im Bankgeschäft gilt der Gr<strong>und</strong>satz:<br />

Geringes Risiko: kleine Verzinsung<br />

Großes Risiko: hohe Verzinsung<br />

Im Allgemeinen wird man mit folgenden Zinssätzen zu zutreffenden<br />

Liegenschaftswerten kommen:<br />

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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Einfamilienwohnhäuser: 2,5 – 3,5 %<br />

Zweifamilienwohnhäuser: 3,5 – 4 %<br />

Mietwohnhäuser: 2,5 – 4 %<br />

Wohn – <strong>und</strong> Geschäftshäuser: 5 – 5,5 %<br />

Büro – <strong>und</strong> Geschäftshäuser: 5,5 – 6 %<br />

Kaufhäuser, Einkaufszentren, SB-Märkte 6 – 6,5 %<br />

Industriegr<strong>und</strong>stücke 6 – 7 %<br />

Touristische Liegenschaften 8 – 12 %<br />

Land- <strong>und</strong> forstwirtschaftliche Liegenschaften 2,5 – 3,5 %<br />

Die angegebenen Werte differieren noch wesentlich nach ihrer Lage, wobei<br />

es bei sehr guten Lagen (Wiener Innenstadt) zu Reduktionen <strong>und</strong> bei sehr<br />

schlechten Lagen (Peripherie) zu Aufschlägen kommt.<br />

So empfiehlt der Hauptverband der Sachverständigen:<br />

Liegenschaftsart Lage:<br />

hochwertig<br />

Lage: sehr<br />

gut<br />

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Lage: gut Lage: mäßig<br />

Wohnhäuser 2,5 – 4 % 2,5 – 4,5 % 3,0 – 5,0 % 3,5 – 5,5 %<br />

Bürohäuser 3,5 – 5,5 % 4,0 – 6,0 % 4,5 – 6,5 % 5,0 – 7,0 %<br />

Geschäftshäuser 4,0 – 6,0 % 4,5 – 6,5 % 5,0 – 7,0 % 5,5 – 7,5 %<br />

EKZ,<br />

Supermarkt<br />

4,5 – 7,5 % 5,0 – 8,0 % 5,5 – 8,5 % 6,0 – 9,0 %<br />

Gewerbe 5,5 – 8,5 % 6,0 – 9,0 % 6,5 – 9,5 % 7,0 – 10,0 %<br />

Industrie 5,5 – 9,5 % 6,0 – 10,0 % 6,5 – 10,5 % 7,0 – 11,0 %<br />

Land- <strong>und</strong> 2,5 – 3,5 % 2,5 – 3,5 % 2,5 – 3,5 % 2,5 – 3,5 %<br />

Forstwirtschft<br />

http://www.meingr<strong>und</strong>stueck.at/


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<strong>Gr<strong>und</strong>stücksmärkte</strong> <strong>und</strong> <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

L I T E R A T U R<br />

Kranewitter, Heimo (2002); Liegenschaftsbewertung, 4.Auflage; Wien<br />

Heuer, Jürgen (1985); Lehrbuch der Wohnungswirtschaft; 2. Auflage;<br />

Frankfurt am Main<br />

Holzner, Peter <strong>und</strong> Renner, Ulrich; (2005); Ross-Brachmann: Ermittlung<br />

des Verkehrswertes von Gr<strong>und</strong>stücken <strong>und</strong> des Wertes baulicher Anlagen;<br />

29. Auflage; Isernhagen<br />

Bienert, Sven <strong>und</strong> Funk, Margret (Hrsg.) (2007); <strong>Immobilienbewertung</strong><br />

Österreich; Edition ÖVI Immobilienakademie, Wien<br />

95

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