Anwaltsblatt 2000/01 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Fernsehsendungen – Beschränkung der Sendezeit für Werbung RL 89/552/EWG des Rates vom 3. 10. 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit idF der RL 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. 6. 1997 1. Art 11 Abs 3 der RL 89/552/EWG idF RL 97/36/EG sieht das Bruttoprinzip vor. Bei der Berechnung des 45-Minuten-Zeitraumes zum Zweck der Festlegung der zulässigen Zahl von Werbeunterbrechungen bei der Übertragung audiovisueller Werke wie Kinospielfilme und Fernsehfilme ist also die Werbedauer in den genannten Zeitraum einzubeziehen. 2. Art 11 Abs 3 iVm Art 3 Abs 1 der RL 89/552/EWG in der geänderten Fassung erlaubt den Mitgliedstaaten, für die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter das Nettoprinzip für Werbung vorzusehen, die in die laufenden Sendungen eingefügt werden kann, mithin zu bestimmen, dass bei der Berechnung des fraglichen Zeitraums die Werbedauer nicht einbezogen werden darf, wobei diese Vorschriften mit sonstigen einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts vereinbar sein müssen. Die Art 5 EGV (jetzt Art 10 EG), 6, 30 EGV (jetzt Art 12 EG und 28 EG) und 85 EGV (jetzt Art 81 EG) sowie der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz finden keine Anwendung auf eine nationale Regelung, die die Anwendung des Nettoprinzips auf die Fernsehveranstalter vorsieht, die der Rechtshoheit des betreffenden Mitgliedstaats unterworfen sind. Nach Art 59 (jetzt Art 49 EG) ist es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, gem Art 3 Abs 1 der RL 89/552/EWG die Anwendung des Nettoprinzips vorzusehen. EuGH, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rundfunkanstalten (ARD)/ Pro Sieben Media AG, Rs C-6/98, Urteil vom 28. 10. 1999 Berichte aus Europa – Brüssel Nach dem deutschen Grundgesetz haben die Länder die Gesetzgebungsbefugnis für Hörfunk und Fernsehen. Werbeausstrahlungen sind gemäß dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinigten Deutschland geregelt. Dies gilt für öffentlich-rechtliche sowie private Fernsehveranstalter. Im Ausgangsverfahren geht es um die Berechnung der nach diesen einschlägigen deutschen Vorschriften zulässigen Zahl von Werbeunterbrechungen bei Kinospielfilmen, die von privaten Fernsehveranstaltern ausgestrahlt werden. Gemäß dem Bruttoprinzip wäre nach Ansicht der Bekl in den Zeitraum, für den die zulässige Zahl der Unterbrechungen berechnet wird, die Dauer der Werbung einzubeziehen, gemäß dem von Klägerseite befürworteten Nettoprinzip würde die Dauer der Werke selbst einbezogen werden. Vor diesem Hintergrund würde die Anwendung des Bruttoprinzips unter Umständen mehr Werbeunterbrechungen ermöglichen als die des Nettoprinzips. Das vorlegende Gericht wollte daher im Wesentlichen wissen, ob die einschlägige Bestimmung des Art 11 der RL 89/552/EWG in der geänderten Fassung das Brutto- oder das Nettoprinzip vorsieht. Da sowohl aus dem Wortlaut allein, auch in den unterschiedlichen sprachlichen Fassungen, als auch im Lichte der Entstehungsgeschichte der Vorschriften, die Bestimmung widersprüchlich und mehrdeutig blieb, griff der EuGH auf das mit der Regelung verfolgte Ziel zurück: Hauptziel der Richtlinie ist die Sicherstellung freier Ausstrahlungen von Fernsehsendungen. Beschränkungen müssen dies daher klar zum Ausdruck bringen. Eine Beschränkung ist zudem möglichst eng auszulegen. Vor diesem Hintergrund erlaubt das Bruttoprinzip eine größere Zahl von Werbeunterbrechungen als das Nettoprinzip. Das vorlegende Gericht wollte weiters wissen, ob unter Zugrundelegung dieser einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen den Mitgliedstaaten erlaubt ist, das Nettoprinzip vorzusehen. Der EuGH kommt zum Schluss, dass die Erreichung des Ziels der Richtlinie nicht gefährdet würde, wenn die Mitgliedstaaten die Werbung strengeren Bestimmungen unterwerfen. Zur Frage der Vereinbarkeit mit dem Loyalitätsprinzip des Art 10 EG sowie dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz stellt der EuGH fest, dass die streitige Einschränkung Verkaufsmodalitäten betrifft. Im Sinne seiner Keck- und Mithouard-Rechtsprechung (Rs C-267/91 und C-268/91, Slg 1993, I-6097) stellt der EuGH dann fest, dass jene Voraussetzungen für nationale Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, aber nicht unter Art 30 EG-Vertrag fallen, im Anlassfall erfüllt sind. Auch die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen iSd Verwirklichung des angestrebten Ziels, nämlich des Schutzes der Verbraucher gegen ein Übermaß an Werbung, werden vom EuGH aufgrund der Fakten des Anlassfalls nicht in Frage gestellt. 22 AnwBl 2000/1

Gleiches Entgelt für Männer und Frauen – Weihnachtsgratifikation RL 92/85/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz 1. Eine Weihnachtsgratifikation der im Ausgangsverfahren streitigen Art ist auch dann Entgelt iS von Art 119 EGV (die Art 117 bis 120 EGV sind durch die Art 136 bis 143 EG ersetzt worden), wenn sie vom Arbeitgeber freiwillig gewährt wird und wenn sie überwiegend oder ausschließlich zum Anreiz für zukünftige Dienstleistung und/oder Betriebstreue dienen soll. Dagegen fällt sie nicht unter den Begriff des Arbeitsentgelts iS von Art 11 Nr 2 Buchstabe b der RL 92/85/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbes- Europa serung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz. 2. Art 119 EGV untersagt es, dass ein Arbeitgeber Arbeitnehmerinnen vollständig von der Gewährung einer freiwillig als Sonderzuwendung zu Weihnachten gezahlten Gratifikation ausschließt, ohne im Jahr der Gewährung der Gratifikation geleistete Arbeit oder Mutterschutzzeiten (Beschäftigungsverbote) zu berücksichtigen, wenn diese Gratifikation eine Vergütung für in diesem Jahr geleistete Arbeit sein soll. Dagegen verbieten es weder Art 119 EGV noch Art 11 Nr 2 der RL 92/85, noch § 2 Abs 6 des Anhangs der RL 96/34/EG zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub, einer Frau im Erziehungsurlaub die Gewährung einer solchen AnwBl 2000/1 23

Fernsehsendungen –<br />

Beschränkung der Sendezeit<br />

für Werbung<br />

RL 89/552/EWG des Rates vom 3. 10. 1989 zur Koordinierung<br />

bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten<br />

über die Ausübung der Fernsehtätigkeit idF der RL 97/36/EG<br />

des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. 6. 1997<br />

1. Art 11 Abs 3 der RL 89/552/EWG idF RL<br />

97/36/EG sieht das Bruttoprinzip vor. Bei der<br />

Berechnung des 45-Minuten-Zeitraumes zum<br />

Zweck der Festlegung der zulässigen Zahl von<br />

Werbeunterbrechungen bei der Übertragung<br />

audiovisueller Werke wie Kinospielfilme und<br />

Fernsehfilme ist also die Werbedauer in den<br />

genannten Zeitraum einzubeziehen.<br />

2. Art 11 Abs 3 iVm Art 3 Abs 1 der RL<br />

89/552/EWG in der geänderten Fassung erlaubt<br />

den Mitgliedstaaten, für die ihrer<br />

Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter<br />

das Nettoprinzip für Werbung vorzusehen,<br />

die in die laufenden Sendungen eingefügt<br />

werden kann, mithin zu bestimmen, dass bei<br />

der Berechnung des fraglichen Zeitraums die<br />

Werbedauer nicht einbezogen werden darf,<br />

wobei diese Vorschriften mit sonstigen einschlägigen<br />

Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts<br />

vereinbar sein müssen. Die Art 5 EGV<br />

(jetzt Art 10 EG), 6, 30 EGV (jetzt Art 12 EG<br />

und 28 EG) und 85 EGV (jetzt Art 81 EG) sowie<br />

der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

finden keine Anwendung auf eine nationale<br />

Regelung, die die Anwendung des Nettoprinzips<br />

auf die Fernsehveranstalter vorsieht, die<br />

der Rechtshoheit des betreffenden Mitgliedstaats<br />

unterworfen sind.<br />

Nach Art 59 (jetzt Art 49 EG) ist es einem Mitgliedstaat<br />

nicht verwehrt, gem Art 3 Abs 1 der<br />

RL 89/552/EWG die Anwendung des Nettoprinzips<br />

vorzusehen.<br />

EuGH, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rundfunkanstalten (ARD)/<br />

Pro Sieben Media AG, Rs C-6/98, Urteil vom 28. 10. 1999<br />

Berichte aus Europa – Brüssel<br />

Nach dem deutschen Grundgesetz haben die Länder die Gesetzgebungsbefugnis<br />

für Hörfunk und Fernsehen. Werbeausstrahlungen<br />

sind gemäß dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinigten<br />

Deutschland geregelt. Dies gilt für öffentlich-rechtliche sowie<br />

private Fernsehveranstalter.<br />

Im Ausgangsverfahren geht es um die Berechnung der nach diesen<br />

einschlägigen deutschen Vorschriften zulässigen Zahl von Werbeunterbrechungen<br />

bei Kinospielfilmen, die von privaten Fernsehveranstaltern<br />

ausgestrahlt werden. Gemäß dem Bruttoprinzip wäre<br />

nach Ansicht der Bekl in den Zeitraum, für den die zulässige Zahl<br />

der Unterbrechungen berechnet wird, die Dauer der Werbung einzubeziehen,<br />

gemäß dem von Klägerseite befürworteten Nettoprinzip<br />

würde die Dauer der Werke selbst einbezogen werden. Vor<br />

diesem Hintergrund würde die Anwendung des Bruttoprinzips unter<br />

Umständen mehr Werbeunterbrechungen ermöglichen als die des<br />

Nettoprinzips.<br />

Das vorlegende Gericht wollte daher im Wesentlichen wissen, ob<br />

die einschlägige Bestimmung des Art 11 der RL 89/552/EWG in<br />

der geänderten Fassung das Brutto- oder das Nettoprinzip vorsieht.<br />

Da sowohl aus dem Wortlaut allein, auch in den unterschiedlichen<br />

sprachlichen Fassungen, als auch im Lichte der Entstehungsgeschichte<br />

der Vorschriften, die Bestimmung widersprüchlich und<br />

mehrdeutig blieb, griff der EuGH auf das mit der Regelung verfolgte<br />

Ziel zurück: Hauptziel der Richtlinie ist die Sicherstellung<br />

freier Ausstrahlungen von Fernsehsendungen. Beschränkungen<br />

müssen dies daher klar zum Ausdruck bringen. Eine Beschränkung<br />

ist zudem möglichst eng auszulegen. Vor diesem Hintergrund<br />

erlaubt das Bruttoprinzip eine größere Zahl von Werbeunterbrechungen<br />

als das Nettoprinzip.<br />

Das vorlegende Gericht wollte weiters wissen, ob unter Zugrundelegung<br />

dieser einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen<br />

den Mitgliedstaaten erlaubt ist, das Nettoprinzip vorzusehen.<br />

Der EuGH kommt zum Schluss, dass die Erreichung des Ziels der<br />

Richtlinie nicht gefährdet würde, wenn die Mitgliedstaaten die<br />

Werbung strengeren Bestimmungen unterwerfen. Zur Frage der<br />

Vereinbarkeit mit dem Loyalitätsprinzip des Art 10 EG sowie dem<br />

allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz stellt der EuGH fest,<br />

dass die streitige Einschränkung Verkaufsmodalitäten betrifft. Im<br />

Sinne seiner Keck- und Mithouard-Rechtsprechung (Rs C-267/91<br />

und C-268/91, Slg 1993, I-6097) stellt der EuGH dann fest, dass<br />

jene Voraussetzungen für nationale Bestimmungen, die bestimmte<br />

Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, aber nicht unter<br />

Art 30 EG-Vertrag fallen, im Anlassfall erfüllt sind. Auch die Verhältnismäßigkeit<br />

der Maßnahmen iSd Verwirklichung des angestrebten<br />

Ziels, nämlich des Schutzes der Verbraucher gegen ein<br />

Übermaß an Werbung, werden vom EuGH aufgrund der Fakten<br />

des Anlassfalls nicht in Frage gestellt.<br />

22 AnwBl <strong>2000</strong>/1

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