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Anwaltsblatt 2000/01 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Abhandlungen<br />

reiche. Anders hingegen die E JBl 1994, 835: Die Täterin hatte<br />

im Laufe von zweieinhalb Jahren 2500 Flaschen Paracodein zu<br />

30 Gramm an eine Person weitergegeben. Dort meinte der OGH,<br />

daß sich aus der schon festgestellten Gewerbsmäßigkeit des Tuns<br />

der Angeklagten der Vorsatz auf fortgesetzte Tatbegehung folgern<br />

ließe und es daher auch zulässig sei, die abgegebenen Suchtgiftmengen<br />

zu addieren. Eine Gleichsetzung mit der Gewerbsmäßigkeit<br />

führt jedoch zu einer unzulässigen Doppelverwertung. 31 )<br />

Venier fordert für den Gesamtvorsatz, daß sich der Täter von Beginn<br />

seiner Handlungen an einen zahlen- oder mengenmäßigen<br />

bestimmten (End-)Erfolg vorstellen muß. 32 ) Und auch Schmoller hält<br />

einen Fortsetzungszusammenhang nur bei einer „ratenweisen“ Abgabe<br />

von Suchtmitteln möglich. 33 ) Eine Abgabe in Raten setzt wohl<br />

eine von vornherein feststehende Gesamtmenge voraus. In 13 Os<br />

117/91 wird der Gesamtvorsatz hingegen daraus abgeleitet, daß<br />

eine „vereinbarte Lieferung ohne jegliche Beschränkung“ geplant<br />

war. Bei diesem Sachverhalt ist jedoch, entgegen der Meinung des<br />

OGH, ein von Anfang an auf eine bestimmte Menge gerichteter<br />

Gesamtvorsatz gerade nicht verwirklicht. Bloße Wiederholungsabsicht<br />

reicht dafür eben nicht aus. 34 ) Zu Recht meint Birklbauer<br />

daher, daß ein Gesamtvorsatz nur dann angenommen werden<br />

kann, wenn die Suchtmittelmenge, auf die sich der (Gesamt-)Vorsatz<br />

des Täters bezieht, schon von Beginn an feststeht, er sie zB<br />

schon in einem Depot gelagert hat. 35 )<br />

Vorgänge, die sich im Inneren des Täters abspielen, sind sicherlich<br />

im Rahmen einer Entscheidungsfindung der schwierigste Feststellungsbereich.<br />

Doch die Rsp darf sich dieser Prüfung nicht entziehen,<br />

indem sie den gewünschten Vorsatz einfach aus allem und<br />

jedem ableitet. So scheint es jedoch im Suchtmittelbereich bei der<br />

Feststellung eines Gesamtvorsatzes zu sein. Das Vorliegen eines<br />

Depots oder ein ratenweiser Verkauf aus einer Gesamtmenge ist<br />

objektiv feststellbar. Die Rsp sollte daher dieses einzige Indiz, das<br />

für einen Gesamtvorsatz spricht, unbedingt in die Prüfung miteinbeziehen.<br />

Nur so kann die mE nach dringend gebotene Einschränkung<br />

bei der Annahme eines Fortsetzungszusammenhanges gelingen.<br />

Dabei darf nicht außer acht gelassen werden, daß auch der<br />

Erwerb, Besitz und Handel mit einer nicht großen Menge Suchtgift<br />

bei Annahme der Gewerbsmäßigkeit mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe<br />

bedroht ist. Nur die Tatsache, daß dieser Strafrahmen<br />

geringer ist als die fünf Jahre des § 28 Abs 2 SMG, kann kein<br />

Grund sein, die Rechtsfigur des Fortsetzungszusammenhanges<br />

„über Gebühr zu strapazieren“. 36 )<br />

IV. § 29 StGB – eine brauchbare Lösung?<br />

Nach § 29 StGB können Werte und Schadensbeträge zusammengerechnet<br />

werden, wenn der Täter mehrere Taten derselben Art<br />

begangen hat. Hochmayr deutet die Möglichkeit an, § 29 StGB im<br />

Rahmen des SMG analog anzuwenden, weil schließlich bei diesen<br />

Taten immer dasselbe Rechtsgut, nämlich das der Volksgesundheit,<br />

verletzt wird und das SMG mit der großen bzw der übergroßen<br />

Menge ebenso zwei Qualifikationsstufen kennt wie das StGB mit<br />

den Wertgrenzen von S 25.000,– bzw S 500.000,–. 37 ) Diese<br />

„Gemeinsamkeiten“ dürfen aber nicht über die Unterschiede hinwegtäuschen.<br />

Ein Auto und ein Moped, beides Kfz, haben zusammenrechenbare<br />

Werte, sie haben Neuwertpreise, Gebrauchtlistenpreise usw. Heroin<br />

und Haschisch sind beides Suchtmittel, aber in ihrer Wirkung<br />

und ihrer Gefährlichkeit sind sie grundverschieden, sie haben<br />

höchstens einen Schwarzmarktpreis gemeinsam. Und schließlich<br />

spricht § 29 StGB nur vom Wert einer Sache oder von der Höhe<br />

des Schadens. Mengenangaben, die keinen Schaden ausdrücken,<br />

werden auch im StGB nicht zusammengerechnet38 ) und selbst auch<br />

da, wo es um (Schadens-)Beträge geht, ist eine Anwendung des<br />

§ 29 StGB nicht immer möglich. 39 )<br />

Auch Birklbauer schließt die analoge Anwendung des § 29 StGB<br />

aus, da diese Bestimmung sich eben nicht auf die Suchtmittelgrenzmengen<br />

bezieht. Er führt aus, daß dazu eine eigene Bestimmung<br />

im Suchtmittelrecht notwendig wäre. 40 ) Doch wozu sollte eine solche<br />

Bestimmung gut sein? § 27 SMG bzw § 30 SMG kämen kaum<br />

mehr zur Anwendung, und die daraus folgende Strafverschärfung<br />

würde die Intention des SMG „Therapie statt Strafe“ völlig zunichte<br />

machen!<br />

V. Zusammenfassung<br />

Die Zusammenrechnung verschiedenartiger Suchtmittel steht mit<br />

dem SMG nicht im Einklang und ist daher entschieden abzulehnen.<br />

Die Grenzmengen der §§ 28, 31 SMG sind durch die SGV<br />

und PGV abschließend geregelt worden.<br />

Die Zusammenrechnung von gleichartigen Suchtmitteln aus mehreren<br />

Tathandlungen ist nur im Rahmen des Fortsetzungszusammen-<br />

31) Birklbauer, ÖJZ 1999, 306.<br />

32) Venier, Fortsetzungszusammenhang, 43.<br />

33) Schmoller, Zur Zukunft des „fortgesetzten Deliktes“ in: Aktuelles zum Finanzstrafrecht<br />

(1998), 57; OGH in SSt 58/54 und Os 137/98 sowie<br />

Foregger/Litzka/Matzka, Kommentar zum SMG § 28 Anm III.2 verlangen<br />

einen Vorsatz, der „auf eine Tatbestandsverwirklichung in Teilmengen“<br />

gerichtet ist. Ob das schon eine von vornherein vorhandene und<br />

mengenmäßig bestimmte Gesamtmenge voraussetzt, geht daraus nicht<br />

direkt hervor.<br />

34) Venier, Fortsetzungszusammenhang, 26.<br />

35) Birklbauer, ÖJZ 1999, 305f.<br />

36) Birklbauer, ÖJZ 1999, 306.<br />

37) Hochmayr, RZ 1999, 116.<br />

38) Auch die Vorteile, die ein Beamter im Rahmen von § 304 StGB fordert,<br />

annimmt oder sich versprechen läßt, können nicht zusammengerechnet<br />

werden, weil diese Beträge weder der Wert einer Sache sind, gegen<br />

die sich die Handlung richtet, noch den Schaden daraus beziffern:<br />

Bertel in WK 1 § 304 Rz 19a.<br />

39) Vgl den „geringen Wert“ nach § 141 StGB oder § 142 Abs 2 StGB:<br />

Leukauf/Steininger StGB 3 § 29 Rz 3.<br />

40) Birklbauer, ÖJZ 1999, 306.<br />

16 AnwBl <strong>2000</strong>/1

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