Anwaltsblatt 2000/01 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag
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Menge zusammengerechnet als auch bei mehreren Tathandlungen<br />
unter Feststellung eines Fortsetzungszusammenhanges eine Zusammenrechnung<br />
zur großen Menge vorgenommen. Die Folge davon<br />
sind hohe Haftstrafen für Süchtige und, wie schon erwähnt, die Einschränkung<br />
bzw Unmöglichkeit der im SMG vorgesehenen Therapie-<br />
und Diversionsmaßnahmen. Denn schließlich ist bei abhängigen<br />
Personen die Geldbeschaffung für den Drogenkonsum mit<br />
dem Verkauf von Drogen verbunden, und eine Zusammenrechnung<br />
von Suchtmitteln führt hier zwangsläufig immer zur Strafbarkeit<br />
nach § 28 oder § 31 SMG. Das ist ein fundamentaler Anschlag<br />
auf die Intention des SMG. Der Gesetzgeber hat sich<br />
schließlich schon unzählige Male zu „Therapie statt Strafe“ bekannt!<br />
II. Zusammenrechnung bei<br />
verschiedenen Suchtmitteln<br />
In der E 13 Os 91/97 hat der OGH bei 200 gr Cannabisharz<br />
(enthielt 90% der Grenzmenge von 20 gr THC), 3 gr Heroin (zumindest<br />
10% Reinheitsgehalt und damit ein Fünftel der mit 1,5 gr<br />
angenommenen Grenzmenge) und fünf LSD-Trips eine große<br />
Menge Suchtgift nach § 12 Abs 1 SGG angenommen. Diese Zusammenrechnungspraxis<br />
stammt aus dem Jahre 1988. 10 ) Doch dieser<br />
leitsatzbegründenden Entscheidung lag ein gänzlich anderer<br />
Sachverhalt zugrunde: Der Täter hatte im Rahmen eines einheitlichen<br />
Tatgeschehens versucht, eine große Menge Cannabis zu<br />
schmuggeln und zusätzlich 2 gr Kokain besessen. Es stellte sich<br />
nun das Problem, ob der Täter nur das versuchte Verbrechen des<br />
§ 12 Abs 1 SGG (jetzt § 28 SMG) zu verantworten hätte, oder ob<br />
ihm hinsichtlich des Kokains zusätzlich auch § 16 Abs 1 SGG<br />
(jetzt § 27 SMG) zur Last gelegt werden müßte. Den OGH beschäftigte<br />
also die Frage, ob der § 12 SGG ein selbständiges Delikt<br />
oder die Qualifikation eines Deliktes (nämlich von § 16 SGG)<br />
sei. Sieht man § 12 SGG als selbständiges Delikt an, dann steht er<br />
in Konkurrenz zu § 16 SGG, der Täter verwirklicht zwei voneinander<br />
unabhängige Straftaten. Für die Strafzumessung wirkt dann<br />
das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen erschwerend.<br />
Wird § 12 SGG als Qualifikation angesehen, kann keine Konkurrenz<br />
zwischen den Delikten angenommen werden. Denn in diesem<br />
Fall umfaßt § 12 SGG als Qualifikation das Grunddelikt mit und<br />
knüpft an die zusätzlich geforderten Tatbildmerkmale eine höhere<br />
Strafdrohung. 11 ) Bei dieser Lösung ist dann eben der schwerere<br />
Erfolg bei der Strafzumessung entsprechend zu berücksichtigen.<br />
Sachliche Bedeutung hatte dieses Problem schon damals nicht. Der<br />
OGH nahm eine Qualifikation an. Er wollte einen Gesamterfolg<br />
verwirklicht haben und spricht daher im Leitsatz von einer „insgesamt<br />
großen Menge“ iSv einem „größeren Schaden“. Für eine<br />
Zusammenrechnung kleiner Mengen verschiedener Suchtgifte zu<br />
einer großen Menge, die erst durch die Zusammenrechnung zur<br />
großen Menge wird, hätte diese Entscheidung schon damals nicht<br />
Abhandlungen<br />
Grundlage werden dürfen. Aus diesem Leitsatz läßt sich eine solche<br />
Zusammenrechnung nicht ableiten. Der Grenzwert der großen<br />
Menge war schon alleine durch den Schmuggel von Cannabis<br />
erreicht, nur deswegen kam § 12 SGG zur Anwendung.<br />
Nach der neuen Rechtslage ergibt sich die Unmöglichkeit einer solchen<br />
Zusammenrechnung direkt aus dem Gesetz. § 28 Abs 1<br />
SMG und § 31 Abs 1 SMG verweisen auf den § 28 Abs 6 SMG<br />
bzw auf § 31 Abs 3 SMG. Diese zeigen, daß sich die Tatbilder<br />
auf Verordnungen beziehen. Daher ist das gesetzliche Tatbild<br />
nicht alleine aus dem Gesetz zu entnehmen. So sind die §§ 28, 31<br />
SMG Blankettatbestände und werden durch die SGV und PGV ausgefüllt.<br />
12 ) Die Mengenangaben in den Verordnungen werden also<br />
zum Tatbestandsmerkmal der Delikte und damit für die Gerichte<br />
bindend. 13 ) Dabei war im Hinblick auf Art 18 B-VG bzw § 1 StGB<br />
besonders die taxative Festlegung der Grenzmengen wichtig, da<br />
das frühere SGG diesen Bestimmtheitsgrundsätzen nicht entsprach.<br />
Die Befürworter einer Zusammenrechnung14 ) übersehen diese Bindungswirkung<br />
und orientieren sich an der deutschen Praxis. Aber<br />
die deutsche Rechtslage kann nicht herangezogen werden. Die<br />
BRD hat kein Blankettstrafgesetz, das durch bindend wirkende Verordnungen<br />
ausgefüllt wird. Vielmehr wurden vom BGH Grenzwerte<br />
festgelegt, die aber für die Untergerichte nicht verbindlich<br />
sind und daher auch nur zum Teil von ihnen übernommen wurden.<br />
15 ) Auch in Österreich gab es bis zum Erlaß des SMG keine<br />
bindenden Grenzmengen. Das seit 1985 existierende Gutachten<br />
des „Beirates zur Bekämpfung des Mißbrauchs von Alkohol und<br />
anderen Suchtmitteln“ 16 ) legte zwar mengenmäßige Grenzwerte<br />
für die einzelnen Suchtgifte fest, hatte aber keinen Verordnungscharakter<br />
und schloß daher nicht aus, eine Kombination verschiedener<br />
Suchtgifte als große Menge anzusehen. Diese Rechtsunsicherheit<br />
hat Österreich durch die normative Festlegung der Grenzmengen<br />
beseitigt. Schließlich kam es dem Gesetzgeber ja gerade<br />
darauf an, endlich ein Gesetz zu schaffen, bei dem der Normanwender<br />
den Inhalt einer Bestimmung zweifelsfrei erkennen kann. 17 )<br />
Die Befürworter einer Zusammenrechnung setzen sich nicht nur<br />
über die tatbildmäßigen Grenzen des § 28 SMG und des § 31<br />
SMG hinweg, ihre Gesetzesauslegung ist auch nicht verfassungskonform.<br />
Durch eine solche Art der Zusammenrechnung würde die<br />
Mengenberechnung wieder dem Ermessen der Gerichten überlassen<br />
sein. Genau das wollte das neue SMG ja verhindern!<br />
10) EvBl 1988/127.<br />
11) Kienapfel, AT 7 , 33.<br />
12) Triffterer AT 2 , 59.<br />
13) Foregger/Litzka/Matzka, Kommentar zum SMG § 28 Anm IV.1.<br />
14) Birklbauer, Probleme bei der Grenzmengenberechnung nach dem<br />
neuen Suchtmittelrecht, ÖJZ 1999, 302f; Hochmayr, RZ 1999, 112ff.<br />
15) Körner, BtMG 4 § 29a Rz 45ff; Weber, BtMG § 29a Rz 72ff.<br />
16) JABl 1985/28 in Foregger/Litzka, Kommentar zum SGG 2 , 111.<br />
17) RV zum SMG 110 BlgNR 20. GP in Schwaighofer, Suchtmittelrecht,<br />
104.<br />
AnwBl <strong>2000</strong>/1 13