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Die Berliner Literaturkritik

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Theater in Deutschland<br />

Günther Rühles Bilanz eines halben Bühnen-Jahrhunderts<br />

<strong>Die</strong><br />

<strong>Berliner</strong> <strong>Literaturkritik</strong><br />

Jahrgang IV, Nr. 3 www.berlinerliteraturkritik.de Mai / Juni 2007<br />

gratis<br />

Der Geschichtensammler<br />

Ingo Schulzes neue Geschichten in alter Manier: „Handy“<br />

Lateinamerika: Neu übesetzte Romane von Roberto Arlt und Martìn Kohan Tucholsky:<br />

Ingmar Weber hat Gedichte und Prosatexte Kurt Tucholskys in einem Band versammelt<br />

Mitgutsch & Melville: Der neue Roman „Zwei Leben und ein Tag“ von Anna Mitgutsch


Mittwoch, 2. Mai<br />

Literaturhaus Berlin Lesung. Hugo Hamilton –<br />

„<strong>Die</strong> redselige Insel“. 20 Uhr. Fasanenstraße 23,<br />

10719 Berlin.<br />

Donnerstag, 3. Mai<br />

Stadtbibliothek Spandau Lesung. Marianne und<br />

Otto Draeger – „<strong>Die</strong> Carl-Schurz-Story“. Eintritt frei.<br />

19 Uhr. Hauptbibliothek, Lesecafé, Carl-Schurz-<br />

Straße 13, 13597 Berlin.<br />

<strong>Berliner</strong> Ensemble Lesung & Musik. Kurt-<br />

Tucholsky-Abend – „Wir Negativen!“. Mit einer<br />

Tucholsky-Revue mit Texten, Gedichten und<br />

Liedern erinnert das <strong>Berliner</strong> Ensemble an den 70.<br />

Todestag von Kurt Tucholsky. 19.30 Uhr. Pavillon,<br />

Bertolt-Brecht-Platz 1, 10117 Berlin.<br />

Freitag, 4. Mai<br />

Schwartzsche Villa Lesung. Lesejackpot. Offener<br />

Lesewettkampf mit Kurztexten, keiner länger als<br />

2.30 Minuten. Jede/r Besucher/in ist Jurymitglied<br />

und erhält vier Bewertungschips. <strong>Die</strong> Autorinnen<br />

und Autoren der drei am höchsten bewerteten Texte<br />

werden mit der Anzahl der erhaltenen Chips in Euro<br />

prämiert. 5 €. 20 Uhr. Anmeldungen unter Telefon:<br />

030 – 834 40 66. Großer Salon, Grunewaldstraße<br />

55, 12165 Berlin.<br />

Kaffee Burger Buchpremiere & Musik. Florian<br />

Günther – „11 Uhr morgens“.<br />

Samstag, 5. Mai<br />

Bücherei Kannenberg-Rentschler Lesung.<br />

Cornelia Staudacher – „Vaterlose Töchter“. 5 €. 18<br />

Uhr. Telefon: 030 – 802 93 04. Fischerhüttenstraße<br />

79, 14463 Berlin.<br />

Mittelpunktbibliothek Adalbertstraße Lesung. Im<br />

Rahmen der Langen Buchnacht. Aygen-Sibel Çelik<br />

– „Seidenhaar“. Canan und Sinem haben<br />

unterschiedliche Ansichten zum Thema Kopftuch.<br />

Als die kopftuchtragende Canan nach einem Streit<br />

spurlos verschwindet, macht Sinem sich auf die<br />

Suche nach ihr und ihren Motiven. Eintritt frei. 18.30<br />

Uhr. Adalbertstraße 2, 10999 Berlin.<br />

Sonntag, 6. Mai<br />

<strong>Berliner</strong> Ensemble Lesung & Musik. Robert-<br />

Gernhardt-Abend. Gedicht, Prosa und Lieder von<br />

Robert Gernhardt. 19.30 Uhr. Pavillon, Bertolt-<br />

Brecht-Platz 1, 10117 Berlin.<br />

Montag, 7. Mai<br />

Ingeborg-Drewitz-Bibliothek Lesung &<br />

Diskussion. Freundeskreis der Stadtbibliothek<br />

Steglitz-Zehlendorf präsentieren „Handy“ von Ingo<br />

Schulze. Der Erzählband wird besprochen und diskutiert.<br />

Alle interessierten Leserinnen und Leser<br />

sind dazu herzlich willkommen. Einzige Voraussetzung:<br />

Das vorgestellte Buch sollte den Teilnehmern<br />

des Lesezirkels zumindest in Teilen bereits<br />

bekannt sein. Eintritt frei. 17.30 Uhr.<br />

Grunewaldstraße 3, 12165 Berlin.<br />

Schwartzsche Villa Lesung. Lesen – Zuhören –<br />

Diskutieren. Das Autorenforum ist eine der ältesten<br />

<strong>Berliner</strong> Lesebühnen. Eintritt frei. 19.30 Uhr.<br />

Telefon: 030 – 693 73 51. Kleiner Salon,<br />

Grunewaldstraße 55, 12165 Berlin.<br />

Jüdisches Museum Lesung. Ralph Giordano –<br />

„Erinnerungen eines Davongekommenen“. Dass er<br />

als Sohn einer jüdischen Mutter davonkommen<br />

würde, war unwahrscheinlich. Wie er dennoch davonkam<br />

- und das immer wieder - darüber legt der<br />

Journalist und Schriftsteller Ralph Giordano in der<br />

Mitte seines neunten Lebensjahrzehnts nun<br />

Zeugnis ab, kämpferisch wie eh und je. Hier wird<br />

ein Zeitalter besichtigt, widergespiegelt in der<br />

2<br />

Literaturkalender<br />

Biografie eines Mannes von unerschöpflicher<br />

Kreativität und Aktivität. Bei aller politischen<br />

Durchdringung ist es ein ganz persönliches Buch,<br />

die Bilanz eines Humanisten. 7 / 5 €. 20 Uhr. Altbau,<br />

2. Obergeschoss, Konzertsaal, Lindenstraße 9-14,<br />

10969 Berlin.<br />

<strong>Die</strong>nstag, 8. Mai<br />

Haus <strong>Berliner</strong> Stadtbibliothek Lesung. Tom Wolf<br />

– „Muskatbraun“. 19 Uhr. Ribbeck-Haus, Kleiner<br />

Säulensaal, Breite Straße 36, 10178 Berlin.<br />

Dorotheenstädtische Buchhandlung Lesung.<br />

Autoren der Spree AG – „Wort-Endungen“. <strong>Die</strong><br />

Autoren/innen der Spree AG setzen szenische<br />

Akzente. Sie begleiten ihre Texte mit Ton- und<br />

Bildeinspielungen, dem Visualisieren von Wörtern<br />

und Sätzen sowie Pantomimischen Elementen. Mit<br />

dabei: Volker Bauer, Kathrin Rothgänger, Talon,<br />

Mark Weber, Melanie Kieroth, Andre Lottmann und<br />

Tyrell van Boog. Eintritt frei. 20 Uhr. Telefon: 030 –<br />

394 30 47. Turmstraße 5, 10559 Berlin.<br />

daadgalerie Lesung. Juri Andruchowytsch –<br />

„Moscoviada“. „‚Moscoviada’, Andruchowytschs<br />

erfolgreichstes Buch, ist von überraschender<br />

Aktualität. Das neoautoritäre Russland, der<br />

eifernde Nationalismus, die Verklärung der kommunistischen<br />

Epoche, der chauvinistische Kitsch,<br />

der ideologische Druck – all diese Gespenster<br />

werden in einem karnevalesken Spektakel unter panischem<br />

Gelächter zum Teufel gejagt.“ (Suhrkamp<br />

Verlag) Moderation: Katharina Raabe. 20 Uhr.<br />

Zimmerstraße 90 / 91, 10117 Berlin.<br />

Anna-Seghers-Bibliothek Lesung. Bastienne<br />

Voss – „Drei Irre unterm Flachdach“. Eine<br />

Familiengeschichte voller tiefgründigem Humor,<br />

pointiert und witzig erzählt. Bastienne Voss schreibt<br />

über Ihre Kindheit und Jugend in der DDR der<br />

siebziger und achtziger Jahre und ihr Leben als junge<br />

Frau in der Zeit nach der Wende. In ganz besonderer<br />

Weise hat die Autorin die Beziehung zu<br />

ihrem Großvater geprägt. 5 €. 20 Uhr. Telefon: 030<br />

– 96 27 750. Im Lindencenter, Prerower Platz 2,<br />

13051 Berlin.<br />

Kaffee Burger Lesung. Ann Cotten –<br />

„Fremdwörterbuchsonette“. 20.30 Uhr. Torstraße<br />

58/60, 10119 Berlin.<br />

Mittwoch, 9. Mai<br />

Schwartzsche Villa Lesung & Musik. Johannes<br />

Gahl – „Von dem lebensverjüngenden Wasser“. Ein<br />

alter König beauftragt seine drei Söhne, für ihn das<br />

lebensverjüngende Wasser zu suchen, das ihn<br />

wieder jung machen soll. Johannes Gahl erzählt<br />

das ungarische Märchen mit dem Klavier. Für<br />

Kinder von 6 - 8 Jahre. 4,50 €. 10.30 Uhr. Großer<br />

Salon, Grunewaldstraße 55, 12165 Berlin.<br />

Humboldt-Bibliothek Lesung. Ilja Trojanow – „Der<br />

Weltensammler“. „Ein spannender Roman über den<br />

englischen Abenteurer Richard Burton (1821-<br />

1890). Anstatt in den Kolonien die englischen<br />

Lebensgewohnheiten fortzuführen, lernt er wie besessen<br />

die Sprachen des Landes, vertieft sich in<br />

fremde Religionen und reist zum Schrecken der<br />

Behörden anonym in den Kolonien herum. Trojanows<br />

farbiger Abenteuerroman über diesen Exzentriker<br />

zeigt, warum der Westen bis heute nichts<br />

von den Geheimnissen der anderen Welt begriffen<br />

hat.“ (Hanser Verlag) 7 €. 19.30 Uhr. Karolinenstraße<br />

19, 13507 Berlin.<br />

Instituto Cervantes Lesung. Ignacio Martínez de<br />

Pisón – „Der Tod des Übersetzers“. 5 / 3 €. 19.30<br />

Uhr. Kartentelefon: 030 – 25 76 18 23. Rosenstraße<br />

18-19, 10178 Berlin.<br />

<strong>Berliner</strong> Ensemble Lesung. Axel Hacke – „Der<br />

weiße Neger Wumbaba kehrt zurück“. 20 Uhr.<br />

Bertolt-Brecht-Platz 1, 10117 Berlin.<br />

Lehmanns Fachbuchhandlung Lesung. Ulrich<br />

Wickert –„Gauner muss man Gauner nennen“.<br />

Ulrich Wickert gehört zu den bekanntesten<br />

Journalisten und Autoren Deutschlands. In seinem<br />

neuen Buch schreibt er über sein Heimatland<br />

Deutschland. Wer sind wir? Was sind die Werte auf<br />

die es ankommt, damit Deutschland kein<br />

„Sanierungsfall“ (Kanzlerin Merkel) bleibt? Seine<br />

Antworten stellt er in seinem neuen Buch vor. 10 €.<br />

20.15 Uhr. Kartentelefon: 030 – 61 79 11 95.<br />

Hardenbergstraße 5, 10623 Berlin.<br />

Thalia-Buchhandlung Spandau Lesung. Cecelia<br />

Ahern – „Vermiss mein nicht“. 5 €. 20.15 Uhr. In den<br />

Spandau Arcaden, Klosterstraße 3, 13581 Berlin.<br />

Mudd-Club Lesung. <strong>Die</strong> Surfpoeten. Ein Abend der<br />

Liga für Kampf und Freizeit. 21 Uhr. Große<br />

Hamburger Straße 17, 10115 Berlin.<br />

Donnerstag, 10. Mai<br />

Haus <strong>Berliner</strong> Stadtbibliothek Lesung. Knut<br />

Elstermann – „Tante Gerda“. Der <strong>Berliner</strong><br />

Filmkritiker und Moderator Knut Elstermann (radioeins)<br />

liest aus seiner bewegenden Reportage über<br />

das Schicksal seiner „Tante Gerda“, die in<br />

Auschwitz ihr Kind verlor und doch den Glauben an<br />

das Gute im Menschen behalten hat. <strong>Die</strong> Reise in<br />

die Familiengeschichte führt den Autor bis in die<br />

USA und nach Israel und konfrontiert ihn unversehens<br />

mit seinem eigenen, in der DDR geprägten<br />

Geschichtsbild. 19 Uhr. Ribbeck-Haus, Berlin-Saal,<br />

Breite Straße 36, 10178 Berlin.<br />

<strong>Berliner</strong> Ensemble Lesung. Peter Matic liest<br />

Thomas Manns „Tristan“. 19.30 Uhr. Bertolt-Brecht-<br />

Platz 1, 10117 Berlin.<br />

Theodor Tucher Restaurant Lesung & Musik. Jojo<br />

Weiß – „Chaos in Weiß“. An der Gitarre Dr.git.rock.<br />

Dirk Schlömer, ehemaliger Weggefährte von Rio<br />

Reiser. 7 €. 20 Uhr. Reservierung: 030- 22 48 94 64.<br />

Pariser Platz 6a, 10117 Berlin.<br />

Karstadt Lesung. Wladimir Kaminer – „Ich bin kein<br />

<strong>Berliner</strong>“. 20 Uhr. Hermannplatz, 10967 Berlin.<br />

Literaturforum im Brecht-Haus Buchvorstellung.<br />

Christel Berger – „Friedrich Wolf 1953“. 20 Uhr.<br />

Chausseestraße 125, 10115 Berlin.<br />

Literaturwerkstatt Berlin Lesung & Gespräch.<br />

Übersetzer packen aus: Roberto Bolaño –<br />

Magischer Realismus ohne Real Maravilloso.<br />

Moderation: Katharina Döbler, <strong>Literaturkritik</strong>erin aus<br />

Berlin. 20 Uhr. 5 / 3 €. Knaackstraße 97, 10435<br />

Berlin.<br />

Café Lyrik Lesung. „Annas Krimistunde - die<br />

Fortsetzung“. Schaurig-schöne Mordgeschichten<br />

von Agatha Christie gelesen von der Schauspielerin<br />

Anna Srivastava. 20 Uhr. Kollwitzstraße 97, 10435<br />

Berlin.<br />

Backfabrik Lesung & Gespräch. 7. Literatursalon.<br />

Ariadne von Schirach – „Der Tanz um die Lust“. 6 /<br />

4 €. 20 Uhr. Telefon: 030 – 44 03 16 11. Saarbrücker<br />

Straße 36-38, 10405 Berlin.<br />

Lehmanns Fachbuchhandlung Klaus Scherer –<br />

„Von Sibirien nach Japan“. 20.15 Uhr.<br />

Hardenbergstraße 5, 10623 Berlin.<br />

RAW-Tempel Lesung. Chaussee der Enthusiasten.<br />

<strong>Die</strong> schönsten Schriftsteller Berlins lesen was. 4 €.<br />

21 Uhr. Revaler Straße 99, 10245 Berlin.<br />

Laine-Art Lesung. Brauseboys. <strong>Die</strong> Lesebühne im<br />

Wedding. 3 €. 21 Uhr. Hinterhof, Liebenwalder<br />

Straße 39, 13347 Berlin.<br />

Freitag, 11. Mai<br />

Literaturhaus Berlin Lesung. Davide Longo – „Il<br />

mangiatore di pietre“. Davide Longo, geboren 1971<br />

in Carmagnola, wurde für seinen ersten Roman „Un<br />

mattino a Irgalem” mit dem „Premio Grinzane<br />

Cavour“ und dem „Premio Via Po“ für das beste<br />

Debüt 2001 ausgezeichnet. <strong>Die</strong> italienische Kritik<br />

feiert ihn als einen der besten Nachwuchsautoren.<br />

____________________________<br />

Fortsetzung auf Seite 13<br />

<strong>Die</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Literaturkritik</strong>


Inhalt<br />

4 Rolf Hochhuth Theater in Deutschland 1887–1945. Seine<br />

Ereignisse – seine Menschen von Günther Rühle.<br />

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 1296<br />

Seiten.<br />

5 Alexander Kluy <strong>Die</strong> Fünfte Welt. Ein Logbuch von Raoul Schrott.<br />

Haymon Verlag, Innsbruck, Wien 2007. 128<br />

Seiten, zahlr. Abb.<br />

6 Roland H. Wiegenstein Das böse Spielzeug. Roman von Roberto Arlt.<br />

Bibliothek Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006,<br />

200 Seiten.<br />

Sekundenlang. Roman von Martìn Kohan.<br />

Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007, 270<br />

Seiten.<br />

8 Klaus Hammer Augen in der Großstadt. Gedichte & Prosa von<br />

Kurt Tucholsky. Herausgegeben von Ingmar<br />

Weber. Grafiken von Hans Ticha. Edition<br />

Büchergilde, Frankfurt am Main 2006. 351<br />

Seiten.<br />

10 Annette Merbach Zwei Leben und ein Tag. Roman von Anna<br />

Mitgutsch. Luchterhand Literaturverlag,<br />

München 2007. 352 Seiten.<br />

12 Martin Jankowski Handy – Dreizehn Geschichten in alter Manier<br />

von Ingo Schulze. Berlin Verlag, Berlin 2007.<br />

288 Seiten.<br />

13 Holger Böthling Bob Dylan. Leben, Werk, Wirkung von Jens<br />

Rosteck. (Suhrkamp BasisBiographie 18).<br />

Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 160<br />

Seiten.<br />

Mind out of Time. <strong>Die</strong> Musik von Bob Dylan<br />

1986 – 2001. von Paul Williams. Übersetzt aus<br />

dem Amerikanischen von Clemens Brunn.<br />

Palmyra Verlag, Heidelberg 2006. 546 Seiten.<br />

2 & 14–15 Literaturveranstaltungen in Berlin<br />

IMPRESSUM:<br />

<strong>Die</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Literaturkritik</strong> (ISSN 1613-6292), Jahrgang IV, Nr. 3 (Mai / Juni 2007). <strong>Die</strong> <strong>Berliner</strong><br />

<strong>Literaturkritik</strong> erscheint zweimonatlich jeweils am ersten Montag eines ungeraden Monats. <strong>Die</strong> Hefte werden<br />

gratis an <strong>Berliner</strong> Buchhandlungen, Bibliotheken und andere Kulturinstitutionen zur Auslage verteilt. Teilen<br />

Sie uns bitte per E-Post mit, wenn Sie in den Verteilerkreis aufgenommen werden möchten und mindestens 50<br />

Exemplare verteilen können. Abonnement im Einzelbezug (ein Jahr / 6 Hefte, inkl. Zustellung in Deutschland):<br />

12,80 €; (außerhalb Deutschlands: 31,50 €).<br />

Redaktion: Martin Schrader (Ltg., v.i.S.d.P.), Daniel Möglich, Lutz Steinbrück. Redaktionelle Mitarbeit:<br />

Angelo Algieri (Termine), Holger Böthling, Karin Ebeling, Stefanie Hardick, Monika Thees.<br />

Redaktionsassistenz: Jessika Haack, Eva Togge-Serdel.<br />

Zeichnungen: Bernd Zeller.<br />

Herstellung & Gestaltung: Franziska Land, Martin Schrader.<br />

Anzeigen-Telefon: ++49 (0)30 804 96 201.<br />

Leserbriefe per E-Post: leserbriefe@berlinerliteraturkritik.de. <strong>Die</strong> Redaktion behält sich vor, Leserbriefe<br />

unter Umständen gekürzt zu veröffentlichen. Bitte teilen Sie uns mit, falls Sie mit einer gekürzten Veröffentlichung<br />

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Nachdruck und andere Nutzung von Texten, Zeichnungen und Fotos (auch von Details und Auszügen) nur mit<br />

schriftlicher Genehmigung der Redaktionsleitung. <strong>Die</strong> Redaktion übernimmt keine Verantwortung für die<br />

Richtigkeit der Angaben in Texten namentlich gekennzeichneter Autorinnen und Autoren. <strong>Die</strong>se vertreten ihre<br />

eigenen Meinungen, nicht notwendigerweise die der Redaktion der <strong>Berliner</strong> <strong>Literaturkritik</strong>. <strong>Die</strong> Redaktion<br />

übernimmt auch keine Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos, Zeichnungen und anderes.<br />

Redaktionsanschrift: Am Sandwerder 1, 14109 Berlin; Tel.: ++49 (0)30 804 96 201. Fax: ++49 (0)30 804 96 206.<br />

E-Postfach: info@berlinerliteraturkritik.de.<br />

Internet: www.berlinerliteraturkritik.de.<br />

Bildnachweis:<br />

Foto Titelseite (Ingo Schulze): © Jim Rakete.<br />

Foto S. 11 (Anna Mitgutsch): © Peter von Felbert.<br />

4. Dezember 2006<br />

* * *<br />

Weitere Rezensionen<br />

im Internet<br />

ILIJA TROJANOW / KATRIN SIMON:<br />

Indien. Land des kleinen Glücks. Ars vivendi<br />

Verlag, Cadolzburg, 2006, 157 S.,<br />

27,90 €.<br />

PAWEL SANAJEW: Begrabt mich hinter<br />

der Fußleiste. Roman. Übersetzt aus dem<br />

Russischen von Natascha Wodin. Verlag<br />

Antje Kunstmann, München 2007. 237 S.<br />

17,90 €.<br />

KUNSTFORUM DER BERLINER<br />

VOLKSBANK / STIFTUNG<br />

PREUßISCHER KULTURBESITZ (Hg.):<br />

Zauber südlichen Lichts – Hans Purrmann<br />

(1880-1966). Berlin 2006. 14.90 €.<br />

ALEXANDER KLUGE: Tür an Tür mit einem<br />

anderen Leben. 350 neue Geschichten.<br />

Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006.<br />

646 S., 22,80 €.<br />

ALEXANDER KLUGE: Geschichten vom<br />

Kino. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main<br />

2007. 351 S., 22,80 €.<br />

INGEBORG WALTER / ROBERTO ZAP-<br />

PERI: Das Bildnis der Geliebten.<br />

Geschichten der Liebe von Petrarca bis<br />

Tizian. C. H. Beck Verlag, München 2007.<br />

160 S., 19,90 €.<br />

GERHARD A. RITTER: Der Preis der<br />

deutschen Einheit. <strong>Die</strong> Wiedervereinigung<br />

und die Krise des Sozialstaates. C.H. Beck<br />

Verlag, München 2006. 551 S., 38 €.<br />

* * *<br />

<strong>Die</strong>se und mehr als 1700 weitere<br />

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www.berlinerliteraturkritik.de<br />

3


GÜNTHER RÜHLE: Theater in Deutschland<br />

1887–1945. Seine Ereignisse – seine<br />

Menschen. S. Fischer Verlag, Frankfurt am<br />

Main 2007. 1296 Seiten, 39,90 €.<br />

Von ROLF HOCHHUTH<br />

Ich weiß nicht, wer gesagt hat: Wie ein Autor<br />

„seine“ Figuren sterben lasse, das kennzeichne<br />

seinen Rang. Wie Günther Rühle<br />

Arthur Schnitzlers Ende und den Beginn<br />

Brechts beschreibt, das charakterisiert gewiss<br />

seinen ersten Band „Theater in Deutschland“.<br />

Er umfasst die Bühnen-Epochen von 1887 bis<br />

1945. Jetzt beginnt der 83-Jährige,<br />

einst Feuilletonchef der „Frankfurter<br />

Allgemeinen Zeitung“, später auch<br />

Intendant in Frankfurt am Main, der<br />

Chronist des deutschsprachigen Theaters<br />

der vergangenen sechzig Jahre<br />

zu werden. Glückauf!<br />

Es ist unvorstellbar, dass sonst jemand<br />

kommen wird, der es wagt, die<br />

Sisyphus-Arbeit zu ergänzen oder<br />

fortzusetzen, die sich Rühle mit diesem<br />

schon jetzt als Standardwerk anerkannten<br />

Opus aufgehalst hat. Ich<br />

wüsste auch keinen, der das so souverän<br />

könnte wie Rühle, der selbst als<br />

Kritiker die Theaterwelt seit dem<br />

Zweiten Weltkrieg so gründlich begleitet,<br />

ja auch mitgestaltet hat insofern,<br />

als das Feuilleton der FAZ –<br />

Furcht einflößend für jeden, der in<br />

den drei Deutsch sprechenden Landen<br />

Kunst macht – deren Maßstäbe<br />

wesentlich mitbestimmt.<br />

Rühle hat den epischen Atem – wer<br />

sonst hat ihn noch? –, den im 19.<br />

Jahrhundert die bis heute beachteten<br />

Historiker Ranke, Mommsen und<br />

Burkhardt hatten; wenn die natürlich<br />

auch von unvergleichlich bedeutenderen<br />

Themen, als Theater es sein<br />

kann, zum Schreiben verlockt wurden.<br />

Faszinierend, wie Rühle es fertig<br />

bringt, einen doch immer gleich<br />

bleibenden Vorgang über einen Zeitraum von<br />

58 Jahren so unterhaltsam darzustellen, mindestens<br />

für jeden, dem Theater etwas bedeutet:<br />

Ein Stück schreiben, es aufführen, neu<br />

inszenieren – und auch, was noch häufiger<br />

der Fall ist: es zu vergessen.<br />

Aufregend ist darüber hinaus, wie Rühle<br />

das Zeitgefühl dreier Generationen überliefert.<br />

Obwohl doch kaum exakt zu definieren<br />

ist, woher dieses Zeitgefühl kommt, was es<br />

ist und wie es wieder geht. Und doch ist es<br />

zweifellos ein Faktum ersten Ranges im geistigen<br />

Haushalt dreier Nationen, die durch<br />

die gleiche Sprache verbunden sind. Und<br />

nichts anderes steuert so sehr wie dieses<br />

Zeitgefühl, was auf Bühnen gezeigt oder was<br />

Von Ibsen bis Frisch<br />

Günther Rühle<br />

auf ihnen ignoriert wird – auch das zeigt Rühle.<br />

Hier zum ersten Mal, in dieser grandiosen<br />

Darstellung, fand ich das überhaupt thematisiert.<br />

Rühle war anwesend bei jedem nennenswerten<br />

Bühnen-Ereignis seit Hitlers Tod –<br />

zwischen Zürich und Berlin, Hamburg und<br />

Wien. Und er hat es unmittelbar berichtet, aus<br />

der Sicht des Mitgerissenen oder Enttäuschten,<br />

jahrzehntelang in der „FAZ“, später dann<br />

bis heute in anderen Zeitungen, auch in<br />

Büchern. Und sogar noch häufiger auch als<br />

Herausgeber, beispielsweise sämtlicher Werke<br />

seines viel berühmteren, aber stets hervor-<br />

ragend unsachlich aburteilenden Vorgängers<br />

Alfred Kerr, der in den Augen Thomas<br />

Manns nie etwas anderes gewesen ist als ein<br />

Scheusal. Obgleich ja Thomas Mann von ihm<br />

verschont blieb, da er kein Theaterautor war.<br />

Von Ibsen bis Frisch – Rühle glückt das eigentlich<br />

Unwahrscheinliche: Auf 1300 Dünndruckseiten,<br />

ohne dass je ein Kapitel zu einer<br />

nur stupid aufzählenden Chronik verkümmert,<br />

während des immensen Zeitraums vom<br />

9. Januar 1887 bis zum 29. März 1945 immer<br />

höchst unterhaltsam zu bleiben. Vom ersten<br />

Auftreten Ibsens, als der in Berlin die<br />

Uraufführung seiner „Gespenster“ selbst inspiziert<br />

bis zum ersten Auftreten eines damals<br />

völlig Unbekannten: Max Frisch, der im<br />

Zürcher Schauspielhaus das Theater der<br />

Nachkriegszeit mit „Nun singen sie wieder“<br />

aus der Taufe hebt.<br />

Rühles nicht mehr wegzudenkende Leistung:<br />

Aus verschollenen Berichten damaliger<br />

Augenzeugen, oft Mitwirkender, sogar Aufführungen<br />

von Stücken anschaulich zu machen,<br />

deren Titel wir alle längst nicht mehr<br />

kennen, ja, von denen wir zumeist nie gehört<br />

haben. Rühles „Theater“ erscheint im S.<br />

Fischer Verlag, der ja selber als der Schrittmacher<br />

seit 1881 (keineswegs nur deutsch<br />

schreibender Autoren) die Geschichte des<br />

Theaters wie kein anderer, wie auch keine<br />

einzelne Bühne, mitgestaltet hat.<br />

Was unsere selbstherrlichen Bühnenmachthaber<br />

der Gegenwart, verwöhnt<br />

von Subventionen und Gehältern,<br />

die in der ersten Jahrhunderthälfte<br />

unvorstellbar waren, nachlesen<br />

könnten bei Rühle, würden sie je dieses<br />

so gründliche Buch lesen: Dass<br />

nicht einer in dieser gewaltigen<br />

Chronik auch nur durch eine Fußnote<br />

noch erwähnt wird, wenn er nicht<br />

Uraufführungen riskierte! Kein Intendant,<br />

kein Regisseur wird auch nur<br />

dem Namen nach überliefert, der<br />

nicht neuen Autoren zum Start verhalf.<br />

Darüber bleibt nachzudenken,<br />

wenn man bei Rühle liest, dass<br />

damals ein Subventions-Theater wie<br />

heute überhaupt nicht denkbar war.<br />

Dass vor Ende des Zweiten Weltkrieges<br />

ganz selbstverständlich, ob Max<br />

Reinhardt, ob Piscator inszenierte,<br />

die Intendanten sich höchst mühsam<br />

für jede neue Aufführung das Geld<br />

erst erbetteln mussten.<br />

Und es bleibt auch darüber nachzudenken,<br />

warum heute, obgleich<br />

doch Deutschland, Schweiz und<br />

Österreich die weitaus höchsten<br />

Subventionen der Welt ihren Theatern<br />

hinschmeißen, deren Machthaber<br />

seit mindestens dreißig Jahren<br />

den Russen Anton Tschechow zum<br />

Meistgespielten in deutschsprachigen Landen<br />

erkoren haben. Nun, warum?<br />

Weil der „Kirschgarten-Dichter“ als solcher<br />

zweifellos der größte Dramatiker Russlands,<br />

auch der politisch harmloseste war!<br />

Und daher das verächtliche Balance-Kunststück<br />

fertig brachte, hundert Jahre lang weder<br />

bei Zaren noch bei Stalinisten auch nur mit<br />

einem einzigen Wort Anstoß zu erregen.<br />

Deshalb gefällt Tschechow wie keiner<br />

sonst auch den heutigen Intendanten. Obgleich<br />

es nie eine Generation gab, bei Rühle<br />

genau nachzulesen, die derart risikolos inszenieren<br />

durfte wie die gegenwärtigen Beherrscher<br />

des deutschen Theaters. �<br />

4 <strong>Die</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Literaturkritik</strong>


<strong>Die</strong> Wüste<br />

zu queren<br />

RAOUL SCHROTT: <strong>Die</strong> Fünfte Welt. Ein<br />

Logbuch. Haymon Verlag, Innsbruck, Wien<br />

2007. 128 Seiten, zahlr. Abb., 17,90 €.<br />

Von ALEXANDER KLUY<br />

Der in Landeck geborene und heute in Irland<br />

lebende Tiroler Autor Raoul Schrott gehört in<br />

der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur<br />

eindeutig zur Familie der Wanderer, der<br />

Weltengänger, der Nomaden. Nicht nur<br />

Sprachgrenzen überschreitet der 1964 geborene<br />

Autor mit großer Souveränität, was er<br />

mit Übersetzungen aus mehr als einem<br />

Dutzend Sprachen in seiner bei Kritik wie<br />

Publikum gleichermaßen erfolgreichen polyglotten<br />

Anthologie „<strong>Die</strong> Erfindung der<br />

Poesie“ nachdrücklich unter Beweis stellt.<br />

Auch faktische Grenzen lotet er gern und mit<br />

Vorliebe aus.<br />

Nach „<strong>Die</strong> Wüste Lop Nor“ (2000), einem<br />

Gang durch die Wüste, und seinem sehr umfänglichenReiseroman<br />

„Tristan da<br />

Cunha“ (2003) ist er<br />

nun wieder zu einem<br />

weiteren unbekannten<br />

weißen<br />

Flecken von Geografie<br />

und Literatur<br />

aufgebrochen – in<br />

das Dreieck der<br />

nordafrikanischen<br />

Länder Tschad, Sudan<br />

und Libyen, nahe<br />

des medial bekannterenKrisenherdes<br />

Darfur.<br />

Zusammen mit<br />

einem Fernsehteam<br />

des „Zweiten<br />

Deutschen Fernsehens“<br />

und einem<br />

halben Dutzend Wissenschaftler reiste er im<br />

Winter 2005 von N’Djamena, der Hauptstadt<br />

des Tschad, durch das Ennedi nach<br />

Nordosten ins Erdis, „zum letzten<br />

Außenposten der Zivilisation vor dem<br />

Nichts“ (Schrott), dem aufgelassenen, mittlerweile<br />

zum größten Teil bereits von<br />

Sanddünen begrabenen Fort Agoza, einst der<br />

entfernteste Stützpunkt der französischen<br />

Fremdenlegion.<br />

Schrott, der Anfang der 1990er Jahre das<br />

Abenteuerbuch des echten „englischen<br />

Patienten“ Ladislaus Almásy für das deutsche<br />

Publikum entdeckte und dem Haymon Verlag<br />

damit einen überraschenden Longseller bescherte,<br />

schildert diese fünfte Welt (die vierte<br />

ist jene der Nomadenstämme) wortmächtig<br />

und doch überraschend zurückhaltend.<br />

4. Dezember 2006<br />

<strong>Die</strong>ser Band ist literarischer Essay, subjektiver<br />

Reisebericht und Medienkritik in einem<br />

– die Bemerkungen des Regisseurs über die<br />

bereits vor der Reise ins Unbekannte festgelegten<br />

Bildmotive und seine Kommentare,<br />

das Material der wohl für 19.30 Uhr angesetzten<br />

Sendung sei jetzt bei acht Uhr angelangt<br />

und jetzt müsse ein Knaller her, sonst<br />

würden die Zuschauer zu den Acht-Uhr-<br />

Nachrichten umschalten, sind so ätzend wie<br />

ernüchternd.<br />

Schrott ist im Ursprungsbecken der<br />

menschlichen Zivilisation unterwegs. Von<br />

diesen extrem trockenen, mittlerweile unfruchtbaren<br />

und lebensabweisenden Gebieten<br />

setzte die Wanderung der Menschheit ein gen<br />

Norden ins Niltal, wo sich später die pharaonische<br />

Hochkultur entwickelte. Er folgt den<br />

Spuren eines ägyptischen Forschers, der 83<br />

Jahre vor ihm in diese unwirtliche Region<br />

aufgebrochen war und diese erforscht hatte,<br />

und sieht sich selbst auf dieser Reise ins<br />

Nichts eigenen Veränderungen gegenüber,<br />

der Wüste als existenzieller Herausforderung,<br />

und letzten großen Fragen nach Leben, Überleben,<br />

Kunst und der conditio humana.<br />

Schön und aufschlussreich ist das illustrierte<br />

Schlussdrittel dieses schmalen Ban-<br />

Foto aus Roul Schrott: <strong>Die</strong> Fünfte Welt<br />

des, der Schwarz-Weiß-Fotografien des Kameramannes<br />

Hans Jakobi enthält und einige<br />

ausgewählte historische Aufnahmen sowie<br />

Pläne und Zeichnungen, die Raoul Schrott in<br />

Pariser Archiven ausfindig machte. Lediglich<br />

die Bildunterschriften kommen manchmal<br />

gewollt pathetisch daher. Dass er diesen<br />

Band, in dem er den unangestrengten Duktus<br />

von vor Ort gemachten Notizen beibehalten<br />

hat, dem Verlagshaus Haymon, das ihn einst<br />

entdeckte und nachhaltig förderte (und von<br />

dem er vor rund zehn Jahren zum Münchner<br />

Carl Hanser Verlag wechselte), zu dessen 25.<br />

Geburtstag zur Publikation überantwortete,<br />

ist eine nette Geste. Was allerdings nichts<br />

daran ändert, dass dieses schmale Bändchen<br />

eher ein Neben- und Seitenwerk im Schrottschen<br />

Literaturkosmos ist. �<br />

Besser als die<br />

Konkurrenz<br />

Was haben Heidi Klum und Eisbär Knut<br />

gemeinsam? Wenn Sie das auch nicht<br />

interessiert, ist pardon für Sie genau richtig<br />

oder jedenfalls fast, so genau kann man das<br />

auf die Entfernung nicht sagen. Kaufen Sie<br />

jedenfalls das Heft oder gucken Sie unverbindlich<br />

auf<br />

www.pardon-magazin.de<br />

Wir freuen uns auf Sie.<br />

5


Zwischen Boxkampf, Diktatur und Avantgarde<br />

ROBERTO ARLT: Das böse Spielzeug.<br />

Roman. Bibliothek Suhrkamp, Frankfurt am<br />

Main 2006, 200 Seiten, 13,80 €.<br />

MARTÌN KOHAN: Sekundenlang.<br />

Roman, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am<br />

Main 2007, 270 Seiten, 19,80 €.<br />

Von ROLAND H. WIEGENSTEIN<br />

Der Ich-Erzähler Silvio Astier, der in Roberto<br />

Arlts Roman „Das böse Spielzeug“ auftritt,<br />

ist zu Beginn seiner Geschichte vierzehn, am<br />

Ende sechzehn Jahre alt. Es ist die Geschichte<br />

eines aufgeweckten Jungen aus Buenos<br />

Aires verelendeter Mittelschicht zu Beginn<br />

der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts.<br />

Silvio treibt sich herum, begeht <strong>Die</strong>bstähle,<br />

versucht gar (vergeblich) seine Schule<br />

in die Luft zu sprengen, er arbeitet bei einem<br />

Antiquar, versucht in die Armee zu kommen,<br />

verkauft Papier en gros und plant schließlich<br />

mit dem Herumtreiber „Hinkefuß“ den<br />

Einbruch bei einem reichen Architekten,<br />

überlegt es sich anders, verpfeift seinen<br />

Kumpel und fühlt sich als „Verräter“ auf einmal<br />

frei: „Alles versetzt mich in Staunen.<br />

Bisweilen ist mir, als wäre ich vor einer<br />

Stunde auf die Erde gekommen und alles sei<br />

neu, flammend, schön.“ Der Verrat an dem<br />

einzigen Menschen, der so etwas wie ein<br />

Freund war, entfernt Silvio aus allem, was<br />

ihm bis dahin selbstverständlich war, er wird<br />

in den Süden gehen – und arbeiten.<br />

<strong>Die</strong>se krude Geschichte entstand 1926. Ihr<br />

Autor Roberto Arlt (1900-1942), Sohn eines<br />

preußischen Vaters und einer Triestiner Mutter,<br />

die nach Argentinien ausgewandert waren,<br />

arbeitete als Journalist, schrieb täglich eine<br />

Zeitungskolumne und verfasste Romane<br />

und Theaterstücke, ohne doch je mehr als das<br />

gerade Notwendige zum Leben zu verdienen.<br />

„<strong>Die</strong> Mischung aus Demütigung und<br />

Humor ruft nach einem verstörten, unbehaglichen<br />

Lachen. Das unbefriedigte Verlangen<br />

erscheint in verschiedenen Aspekten des<br />

Buchs, aber immer als sekundärer Aspekt; die<br />

wahre sittliche Schule Astiers ist das Verbrechen.<br />

<strong>Die</strong> vier Episoden des Romans<br />

schildern die Erkundung des Bösen als Weg<br />

der Transzendenz.“ So Juan Villoro im<br />

Nachwort zur deutschen Ausgabe des Buchs.<br />

Es wäre als eine lateinamerikanische Variation<br />

von Themen bei Dostowjewski (Raskolnikow)<br />

und Nietzsches „neuer Moral“<br />

kaum mehr als eine Kuriosität (freilich eine,<br />

die lange entstand, bevor sich die Pariser<br />

Existenzialisten mit dem Thema des Verrats<br />

so inständig auseinandersetzten), wäre seine<br />

stilistische Qualität nicht so überzeugend:<br />

Arlt bedient sich zwar, wie es uns die Übersetzerin<br />

Elke Erb mitteilt, eines (kaum übersetzbaren)<br />

Sprachfundus aus dem „Lun-<br />

fardo“, dem Dialekt der großstädtischen<br />

Unterschicht, aber eben nicht nur, die<br />

Reflexionen seines Helden entsprechen in<br />

keiner Weise dem Erkenntnisstand eines<br />

Halbwüchsigen, sie sind vielmehr gescheit,<br />

verdreht, hoch gebildet, seine Sinneseindrücke<br />

schildert er in sorgsam gewählten<br />

Worten.<br />

Silvio ist nur eine Maske, die sich der<br />

Autor vorhält. Seine Orts- und Personenbeschreibungen<br />

sind präzis und häufig von großer<br />

poetischer Schönheit, die Wendungen der<br />

Geschichte auf überraschende Pointen hin angelegt.<br />

Arlt düpiert die Leser, die sich gerade<br />

dazu entschlossen haben, für diesen kleinkri-<br />

Roberto Arlt<br />

minellen, unordentlichen, phantasievollen<br />

Jungen Sympathie zu empfinden, mit einem<br />

brutalen, bösen Schluss, in dem Silvio, seinen<br />

ekstatischen Bekundungen zum Trotz, als<br />

fragwürdiges Subjekt erscheint. Manchmal<br />

wirkt dies Buch, als sei da einer von Robert<br />

Walsers komischen Träumern in die Fänge eines<br />

bösen Geistes geraten.<br />

Zu verstehen ist diese seltsame und reizvolle<br />

Art, eine Geschichte zu erzählen (und<br />

im Erzählen gleichsam ständig zu dementieren)<br />

nur aus der gesellschaftlichen und politischen<br />

Unruhe, die Argentinien seit je bestimmt<br />

hat und die während Arlts Lebzeiten<br />

zu Putschen, bald wieder beseitigten demokratischen<br />

Strukturen und einer fortschreitenden<br />

Verarmung breiter Bevölkerungsschichten<br />

geführt hat. <strong>Die</strong> Weltwirtschaftskrise von<br />

1929 gab dem unruhigen Land dann den<br />

Rest.<br />

Arlt hat dies in zwei weiteren Romanen:<br />

„<strong>Die</strong> sieben Irren“ und „Der Flammenwer-<br />

fer“, die 1931 und 1932 erschienen sind, auf<br />

eine wahnwitzig komische Weise beschrieben:<br />

die „Irren“ nämlich, Außenseiter der<br />

Gesellschaft und Käuze allesamt, planen ihre<br />

eigene „Revolution“, die sie durch die<br />

Errichtung von Bordellen finanzieren wollen.<br />

Auch hier gibt es Verrat, gar Mord und am<br />

Ende des zweiten Bandes erschießt der Held<br />

Erdosain, Chemiker von Beruf, seine hässliche<br />

Frau und sich selbst: keine Revolution.<br />

Selten wurde die Vergeblichkeit einer politischen<br />

und gesellschaftlichen Anstrengung so<br />

gründlich und grotesk höhnisch verlacht, wie<br />

in diesen Büchern. Dagegen war der erste<br />

Roman buchstäblich ein Kinderspiel.<br />

Als in den siebziger Jahren des vorigen<br />

Jahrhunderts die lateinamerikanische Literatur<br />

auch hierzulande als eine von bedeutender<br />

Modernität entdeckt, übersetzt und<br />

viel gelesen wurde – der große Borges,<br />

Gabriel García Márquez, Julio Cortázar, Juan<br />

Carlos Onetti, Lezama Lima, Alejo Carpentier,<br />

Joao Guimarez Rosa, Pablo Neruda,<br />

Carlos Fuentes, Mario Llosa und viele andere<br />

–, veröffentlichte der Insel Verlag auch die<br />

beiden langen Romane Arlts.<br />

<strong>Die</strong> Begeisterung für die unglaublich lebendige,<br />

„barocke“ Vielfalt dieser Literatur<br />

eines Kontinents legte sich freilich bald wieder:<br />

So lange dort blutige Diktatoren (in<br />

Argentinien von Peron bis Videla) herrschten,<br />

waren lateinamerikanische Intellektuelle und<br />

die Bevölkerungen dieser von Spannungen<br />

und Widersprüchen zerrissenen Länder en<br />

vogue. Seit aber Linksregierungen verschiedenster<br />

Couleur – vom großsprecherischen<br />

Venezolaner Hugo Chávez bis zur nüchternen<br />

Chilenin Bachelet und dem, zwischen Mut<br />

und Zögern schwankenden derzeitigen argentinischen<br />

Präsidenten Nestor Kirchner – versuchen,<br />

virtuell reiche, durch eine schamlose<br />

Clan- und Klientelpolitik ruinierte Staaten<br />

mühsam wieder zu befrieden, hat das Interesse<br />

deutlich nachgelassen: <strong>Die</strong> Mühen der<br />

Ebene sind nicht so spannend.<br />

Arlts „Böses Spielzeug“ war ein Vorspiel –<br />

aber dieser kurze Roman macht begreiflich,<br />

warum alles so wurde, wie es ist. Er ist ein<br />

Vorreiter des großen literarischen Aufbruchs<br />

Lateinamerikas in die Neuzeit, der bis heute<br />

nachwirkt, auch wenn seine großen Helden<br />

fast alle schon tot sind. Vielleicht sollte es der<br />

Verlag auch noch einmal mit den „Sieben<br />

Irren“ und dem „Flammenwerfer“ versuchen:<br />

Es würde sich lohnen.<br />

Der 1967 geborene Argentinier Martín<br />

Kohan gehört nicht nur zeitlich einer anderen<br />

Generation an, als die Heroen der lateinamerikanischen<br />

Literatur, seine Art zu schreiben<br />

ist grundlegend anders als die der großen<br />

Vorgänger. Waren diese modern, so fällt es<br />

bei Kohan nicht schwer, ihn zur „Postmoderne“<br />

zu rechnen. Sein Roman „Sekunden-<br />

6 <strong>Die</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Literaturkritik</strong>


lang“, der 2005 in Buenos Aires erschien und<br />

jetzt bei Suhrkamp auf Deutsch, erwähnt<br />

zwar mehrfach Julio Cortázar, mit dessen experimentellen<br />

Texten es in der Tat eine gewisse<br />

Verwandtschaft gibt, aber sein Buch hat<br />

dennoch mehr mit dem Kino, etwa Robert<br />

Altmanns „Short Cuts“ zu tun, als mit einem<br />

chronologisch erzählten Roman.<br />

Vielmehr verwirrt Kohan den Leser zunächst<br />

gründlich. Was haben die Streitgespräche<br />

von Ledesma und Verani, dem<br />

Feuilleton- und dem Sportredakteur einer<br />

kleinen Zeitung in Trelew, einer Provinzstadt<br />

weit südlich von Buenos Aires, mit dem geradezu<br />

mythischen Boxkampf zu schaffen,<br />

der im September 1923 zwischen dem amtierenden<br />

Weltmeister Jack Dempsey und seinem<br />

argentinischen Herausforderer Luis<br />

Angel Firpo stattfand, den dieser nur dank<br />

der Tatsache verloren hat, dass der Schiedsrichter<br />

Gallagher Dempsey falsch angezählt<br />

hat? Was haben Richard Strauß und Gustav<br />

Mahler mit einem Mann zu tun, der sich 1923<br />

(am Tag des Boxkampfes in New York) in<br />

seinem Hotelzimmer in Buenos Aires aufgehängt<br />

hat?<br />

Das Verwirrspiel, das Kohan erst anrichtet<br />

und dann langsam auflöst, (man erfährt zum<br />

Beispiel den Vornamen des Ich-Erzählers<br />

Roque, nämlich Alfaro, erst auf Seite 234),<br />

bringt scheinbar weit voneinander entfernte<br />

Ereignisse in einer Weise zusammen, die zunächst<br />

dem paradoxen mathematischen Theorem<br />

zu gleichen scheint, dem zufolge der<br />

Flügelschlag eines Schmetterlings in Peking<br />

in Europa ein Erdbeben auslösen könne, und<br />

nicht nur dies. Es wechselt in längeren und<br />

kürzeren Absätzen auch zwischen drei<br />

Zeitebenen: dem September 1923, als am 24.<br />

dieses Monats der Boxkampf in New York<br />

stattfand und um die gleiche Zeit eine<br />

Konzerttournee der Wiener Philharmoniker<br />

in Buenos Aires Station machte, bei der<br />

Richard Strauß dirigierte und neben eigenen<br />

Werken auch Gustav Mahlers 1. Symphonie<br />

aufführte; dem Juli 1973, als Ledesma und<br />

Verani über Artikeln brüten, die sie für eine<br />

Sonderausgabe ihrer Zeitung zu deren fünfzigjährigem<br />

Bestehen im September<br />

schreiben sollen: Ledesma hat sich das<br />

Mahler-Konzert ausgesucht, Verani den<br />

Boxkampf, der alle Argentinier aufregte, weil<br />

sie ihren Matador um den Sieg gebracht<br />

sahen; und schließlich dem Jahr 1990, in dem<br />

Roque versucht, das was 1923 und 1973 geschah<br />

und immer noch unverbunden nebeneinander<br />

steht aufzulösen. Dabei entwickelt<br />

sich ein veritabler Kriminalfall.<br />

Kohan knüpft sein Netz immer dichter. Er<br />

benutzt Zeitlupenschilderungen von enervierender<br />

Präzision (gleich als müsste er den<br />

„Noveau Roman“ noch einmal erfinden), um<br />

das Geschehen am Boxring zu beschreiben,<br />

in das er sowohl den Ringrichter Gallagher<br />

als auch den Fotografen Donald Mitchel mit<br />

ihren Lebensgeschichten einbezieht. Mitchell<br />

4. Dezember 2006<br />

stand 1923 am Ring, er sollte den Kampf mit<br />

der Kamera dokumentieren.<br />

Der Autor behandelt in weit größerem<br />

Tempo sowohl die Vermutungen der Figuren<br />

über das, was sich zugetragen haben könnte<br />

und Roques Recherchen nach der Wahrheit,<br />

schiebt immer wieder die gebildeten und absurden<br />

Dialoge über Mahlers und Strauß’<br />

Beziehung ein, erwähnt beiläufig sogar<br />

Politisches: die „gute alte Zeit“ unter dem<br />

Präsidenten Alvear (1923) und die nicht so<br />

guten unter Perón. Aber da halten sich die<br />

Protagonisten bedeckt, es bleibt bei beiläufigem<br />

Gerede.<br />

Es gelingt Kohan von Kapitel zu Kapitel<br />

besser, den Leser zu fesseln: Schließlich will<br />

Martìn Kohan<br />

man wissen, wie er aus den „Cuts“ herauskommt<br />

und seine so witzige wie vertrackte<br />

Geschichte zu Ende bringt. Das gelingt ihm<br />

mit überraschenden Kapiteln am Ende, deren<br />

Nummern er mit Ausrufezeichen versieht, als<br />

ginge es darum, den Zählvorgang im Ring zu<br />

wiederholen. Alles hat wirklich mit allem zu<br />

tun: das Konzert, der Boxkampf, der Tote im<br />

Hotel.<br />

<strong>Die</strong> parodistische Begabung dieses Autors<br />

ist so wenig zu übersehen, wie sein Ehrgeiz,<br />

seine Story zu komplizieren, er weiß alles<br />

über Verzögerungen und Beschleunigungen,<br />

er prunkt auf eine ironische Weise mit seiner<br />

Bildung und gibt stimmige Porträts der<br />

Figuren. Am Ende ist jeder Leser zufrieden,<br />

der durchgehalten hat. Er hat einen Autor entdeckt,<br />

der die große Tradition der lateinamerikanischen<br />

Literatur auf neue Weise fortsetzt.<br />

�<br />

* * *<br />

Leseproben im Internet<br />

CHRISTIAN KRACHT / INGO NIER-<br />

MANN: METAN. Verlag Rogner &<br />

Bernhard. Berlin 2007. 144 S., 14,90 €.<br />

WALTER KEMPOWSKI: Das Echolot.<br />

Abgesang ’45. Ein kollektives Tagebuch.<br />

btb Verlag, München 2007. 496 S., 12.- €.<br />

JÖRG-UWE ALBIG: Land voller Liebe.<br />

Tropen Verlag, Berlin 2006. 230 S., 18,80 €.<br />

KOLJA MENSING: Minibar.<br />

Erzählungen. Verbrecher Verlag, Berlin<br />

2007.144 S., 13.- €.<br />

BRANKICA BECEJAC: Ich bin so wenig<br />

von hier wie von dort. Leben und Werk.<br />

Originalveröffentlichung, mit 26 s/w-Fotos.<br />

Edition Nautilus, Hamburg 2006.<br />

253 S., 19,90 €.<br />

ANDREA LEVY: Eine englische Art von<br />

Glück. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main<br />

2007. 560 S., 22,90 €.<br />

DONNA ROSENTHAL: <strong>Die</strong> Israelis.<br />

Leben in einem außergewöhnlichen Land.<br />

Übersetzt aus dem Englischen von Karl<br />

Heinz Siber. C.H. Beck, München 2007.<br />

410 S., 24,90 €.<br />

JOHN CONNOR: Vergiftete Seelen. Ein<br />

Karen-Sharpe-Roman. Aus dem Englischen<br />

von Heike Steffen. Goldmann, München<br />

2007. 480 S., 8,95 €.<br />

* * *<br />

<strong>Die</strong>s alles unter<br />

www.berlinerliteraturkritik.de<br />

7


KURT TUCHOLSKY: Augen in der<br />

Großstadt. Gedichte & Prosa. Herausgegeben<br />

von Ingmar Weber. Grafiken von Hans<br />

Ticha. Edition Büchergilde, Frankfurt am<br />

Main 2006. 351 Seiten. 21,90 €.<br />

Von KLAUS HAMMER<br />

<strong>Die</strong> fünf Finger an einer Hand<br />

Als Ignaz Wrobel, Theobald Tiger, Peter<br />

Panter, Kaspar Hauser und manchmal auch<br />

Kurt Tucholsky schrieb er in der „Weltbühne“<br />

seine Meisterwerke der Stilkunst, des<br />

Humors und der Satire. Das waren seine „5<br />

PS“, die selbständig ihr Eigenleben, ihr<br />

Eigenschaffen entfalteten.<br />

„Und es war nützlich, fünfmal vorhanden<br />

zu sein – denn wer glaubt in<br />

Deutschland einem politischen<br />

Schriftsteller Humor? Dem Satiriker<br />

Ernst? Dem Verspielten Kenntnis<br />

des Strafgesetzbuches, dem<br />

Städteschilderer lustige Verse?<br />

Humor diskreditiert. Wir wollten<br />

uns nicht diskreditieren lassen und<br />

taten jeder seins. Ich sah mit ihren<br />

Augen, und ich sah sie alle fünf:<br />

Wrobel, einen essigsauren, bebrillten,<br />

blaurasierten Kerl, in der Nähe<br />

eines Buckels und roter Haare;<br />

Panter einen beweglichen, kugelrunden,<br />

kleinen Mann; Tiger sang<br />

nur Verse, waren keine da, schlief<br />

er – und nach dem Kriege schlug<br />

noch Kaspar Hauser die Augen auf,<br />

sah in die Welt und verstand sie<br />

nicht. Eine Fehde zwischen ihnen<br />

wäre durchaus möglich. Sie dauert<br />

schon siebenunddreißig Jahre.“<br />

So charakterisierte Tucholsky in der Einleitung<br />

zu seinem ersten, von Ernst<br />

Rowohlt herausgegebenen Sammelband<br />

seiner Schriften die vier Pseudonyme, die<br />

verschiedenen Rollen seines Metiers:<br />

Ignaz Wrobel ist der stachelige Satiriker,<br />

Peter Panter der Theaterkritiker, literarische<br />

Rezensent und Reiseschriftsteller, Theobald<br />

Tiger der Versemacher, Kaspar Hauser sieht<br />

eine Welt, die er nicht versteht.<br />

Kurt Tucholsky steht nicht im Medium eines<br />

einzigen Genres für seine Zeit, sondern<br />

mit seiner Person und seinem Werk insgesamt.<br />

Mühelos wechselte der Meister der<br />

kleinen Form von einem Bereich in den anderen,<br />

von der Prosa zur Lyrik, vom Feuilleton<br />

zur satirischen Skizze, von der Glosse zur<br />

Reportage, von der Kritik zum Pamphlet,<br />

vom Chanson und Couplet zum Tagebuch in<br />

Versen und zum politischen Gedicht, vom<br />

Kabarettsong zum kleinen Roman.<br />

Seine Erfahrungen im Ersten Weltkrieg<br />

und seine Enttäuschung über die „Republik<br />

ohne Republikaner“ ließen ihn politisch stark<br />

nach links tendieren und insbesondere Justiz<br />

und Militär der Weimarer Republik scharf an-<br />

greifen. Dabei liegen die literarischen Anfänge<br />

Tucholskys schon in der Zeit vor dem<br />

Ersten Weltkrieg. Seit 1913 schrieb er<br />

Theaterkritiken für Siegfried Jakobsohns<br />

Zeitschrift „<strong>Die</strong> Schaubühne“. „<strong>Die</strong> Schaubühne“<br />

wurde 1918 zur „Weltbühne“ und<br />

Tucholsky mit seinen „5 PS“ zu einem der<br />

produktivsten Autoren der 20er Jahre. Er besaß<br />

eine höchstentwickelte kritische Intelligenz<br />

mit viel Sinn für Nuancen und zugleich<br />

einen unbestechlichen Gerechtigkeitssinn.<br />

Dazu trat als typisch <strong>Berliner</strong> Zug eine<br />

Neigung zu Pathos und Sentimentalität, gekoppelt<br />

mit der Fähigkeit, beides zu durch-<br />

Kurt Tucholsky<br />

schauen, beides für die ethische Legitimierung<br />

seiner scharfen Kritik fruchtbar zu<br />

machen. Mit unerschütterlichem Mut versuchte<br />

der Prosaist Tucholsky seine politischen<br />

Gegner zu stellen. Aber im Grunde<br />

blieb er der sensible Ästhet, der bis zur<br />

Selbstvernichtung tapfer die Rolle des<br />

Moralisten spielte.<br />

Aus den „Gesammelten Werken“ Tucholskys<br />

hat Ingmar Weber Prosa und Lyrik ausgewählt,<br />

die sich bis heute ihre Aktualität und<br />

Faszinationskraft bewahrt haben. Der Herausgeber<br />

der Sammlung hat als Gliederung -<br />

unabhängig von den hier vertretenen Genres<br />

– eine Mischung von thematischer und<br />

chronologischer Folge, also das autobiographische<br />

Prinzip gewählt. In zehn Kapiteln<br />

folgen dem vorangestellten poetischen Credo<br />

des Autors ausgewählte thematische<br />

Komplexe, die jeweils chronologisch ge-<br />

ordnet sind. In der Tat, Tucholskys Arbeiten<br />

sind Gelegenheitsprosa und -lyrik, sie<br />

markieren die Entwicklung seiner eigenen<br />

Existenz wie die seiner Zeit und präsentieren<br />

sich insgesamt als Tagebuch. In diesem<br />

Tagebuch sind die 20er und frühen 30er Jahre<br />

kritisch reflektiert. Und in diesem Tagebuch<br />

ging es Tucholsky um öffentliche Wirkung.<br />

Unter dem Titel „Zwei Seelen“ stellte<br />

Theobald Tiger dem Publikum der „Weltbühne“<br />

1926 seine Zerrissenheit vor: „Ich,<br />

Herr Tiger, bestehe zu meinem Heil / aus einem<br />

Oberteil und einem Unterteil…“ So zufrieden<br />

er auch mit seinem „Oberteil“ ist –<br />

Tucholsky hat seine Fahne nie mehr nach<br />

dem Wind gehängt noch sie jemals verborgen<br />

–, so verächtlich geht er mit seinem<br />

„Unterteil“ um, seinem mitunter<br />

krassen Egoismus, seiner Abhängigkeit<br />

vom Wohlleben, seinem oft gallebitteren<br />

Pessimismus, seiner sexuellen Verführbarkeit.<br />

Schreibend hat sich Tucholsky das<br />

Verständnis für das politische Gewirr um<br />

ihn herum erarbeitet und seinen eigenen<br />

Standort bestimmt. In „Wir Negativen“<br />

legte er schon 1919 dar, warum er dieser<br />

zur Monarchie zurückstrebenden Republik<br />

sein Nein entgegenhielt. Gleichzeitigs<br />

war er des Nein-Sagens müde,<br />

wollte auch aktiv an der Neugestaltung<br />

der Politik teilnehmen, sich einmischen,<br />

seine Vorstelllungen umsetzen.<br />

Zum Goethe-Jahr 1932 verfasste Kaspar<br />

Hauser unter dem Titel „Hitler und<br />

Goethe“ einen parodistischen Schulaufsatz,<br />

dessen glänzende Einfälle noch den<br />

heutigen Leser zum Schmunzeln bringen.<br />

In seinem letzten zornigen Pamphlet<br />

gegen das Militär schlechthin – „Der<br />

bewachte Kriegsschauplatz“ (1931) –<br />

steht der paradoxe Satz „Soldaten sind<br />

Mörder“, der damals wie auch heute die<br />

Gemüter erregt hat. Seiner Kritik am Richterstand<br />

verlieh Tucholsky mehrfach als Theobald<br />

Tiger Ausdruck, so 1921 mit einem erstaunlich<br />

anmutendem politischen Instinkt,<br />

als er die „Deutsche Richtergeneration 1940“<br />

voraussah: „Zum Hakenkreuz erzogen, / das<br />

damals Mode war, / vom Rektor angelogen –<br />

/ So wurdst du Referendar…“<br />

Das größte Aufsehen als Autor erregte<br />

Tucholsky mit seiner bissigsten, politisch-polemischen<br />

Textsammlung „Deutschland,<br />

Deutschland über alles“ von 1929, einem<br />

brillanten Feuerwerk aus Witz und Wut, ausgestattet<br />

mit Fotomontagen von John Heartfield.<br />

Prismenartig wird hier in vielfachen<br />

Brechungen sein zehnjähriger Kampf um diese<br />

Republik transparent. Mit dem Phänomen<br />

des Nationalsozialismus beschäftigte sich der<br />

Autor hauptsächlich als Satiriker. Er hat die<br />

Nazis lächerlich bis auf die Knochen ge-<br />

8 <strong>Die</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Literaturkritik</strong>


macht. Im besten Berlinisch ist eine seiner<br />

gelungensten politischen Satiren, „Ein älterer,<br />

aber leicht besoffener Herr“ (1930), geschrieben.<br />

Zahllose aktuelle Anspielungen,<br />

die heute kein Mensch mehr versteht, hätten<br />

aber erklärt werden müssen, um in den<br />

Genuss dieses trefflichen Textes zu kommen.<br />

Als Pendant hätte man sich zudem das philosophisch<br />

weise Gedicht „Also wat nu – ja<br />

oder ja?“ von 1931 dazu gewünscht, eine<br />

Blütenlese plötzlicher Gedankenblitze.<br />

Tucholskys Miniaturen sprechen alles aus,<br />

halten nichts zurück. Der Autor versteckt<br />

seine Intelligenz nicht, sondern spielt sie aus,<br />

erfreut sich an ihr und andere mit ihr. Über<br />

was er auch schreibt, er tut es mit Charme<br />

und Eleganz. Ob er eine Szene aus dem<br />

Alltag beschwört, die er selbst erlebt hat oder<br />

seinem fiktiven Doppelgänger, Herrn Wendriner,<br />

zuordnet, ob er einen Theaterabend<br />

oder ein neues Buch mit wenigen sicheren<br />

Strichen beschreibt und zugleich analysiert,<br />

ob er zu einem Ereignis des öffentlichen<br />

Lebens, sei es zu einem politischen oder<br />

einem juristischen Skandal, sei es zu einem<br />

Jubiläum oder einem Kriminalfall, Stellung<br />

bezieht: der Leser kann sich auf Grund der<br />

Spontaneität Tucholskys sofort und<br />

mühelos mit dem Autor einverstanden erklären<br />

und seine Solidarität bekunden. Kaum<br />

ein Autor ist so sehr Vertrauter des Lesers,<br />

weckt sein Vertrauen, ohne es zu missbrauchen,<br />

wie Tucholsky.<br />

Gereimte Zeitgeschichte hat Theobald<br />

Tiger in meist boshaft-amüsanter Form so<br />

treffend wie kein anderer geschrieben. Tucholsky<br />

lieferte für Interpreten wie Paul<br />

Graetz, Rosa Valetti, Trude Hesterberg, Kate<br />

Kühl, Mady Christians oder Wilhelm Bendow<br />

launige Conferencen, pointiere Sketche<br />

und Monologe, kess-erotische Couplets oder<br />

klassenkämpferische Chansons. Textlich und<br />

rhythmisch besonders hinreißende Chansons<br />

sind politischer Natur, von Pazifismus oder<br />

von der Idee des Klassenkampfes eingegeben,<br />

manche ganz „privat“ gemeint, beschaulich,<br />

versonnen und auch verliebt. Was hier<br />

oft so leicht und launig daherkommt, war das<br />

Ergebnis harter Arbeit.<br />

Seinem letzten Buch, 1931 erschienen,<br />

gab Tucholsky den beziehungsreichen Titel<br />

„Lerne lachen ohne zu weinen“. <strong>Die</strong> „heitere<br />

Schizophrenie“, die er im Vorwort zu seinem<br />

Buch „Mit 5 PS“ so beiläufig erwähnt hatte,<br />

war jetzt traurige, selbstzerstörerische, aber<br />

in diesem Falle auch noch einmal schöpferische<br />

Wirklichkeit geworden. Theobald Tiger<br />

hielt in dem Gedicht „An das Publikum“<br />

(1931) einem in dumpfer Gleichgültigkeit<br />

und lammfrommer Anpassungsbereitschaft<br />

dahindämmernden Publikum den Spiegel<br />

vor: „Hochverehrtes Publikum, / sag mal: bist<br />

du wirklich so dumm…?“<br />

In seinen letzten Jahren bezeichnete<br />

Tucholsky sich als „aufgehörten Schriftsteller“<br />

und wollte nichts mehr veröffent-<br />

4. Dezember 2006<br />

lichen. Seine wachsenden Selbstzweifel, die<br />

zunehmenden Depressionen hatten ihre<br />

Gründe nicht allein in menschlichen Verlusten<br />

und Enttäuschungen (der Tod Siegfried<br />

Jacobsohns und das Scheitern der Ehe mit<br />

Mary), in einem quälenden Leiden (einer pathologischen<br />

Verengung der oberen Atemwege),<br />

die eine Reihe von Operationen notwendig<br />

machten, sondern auch in der entmutigenden<br />

Verdunkelung der politischen Szenerie.<br />

Er kam zu der Erkenntnis, dass seine unbestrittenen<br />

schriftstellerischen Erfolge keine<br />

Wirkung auf die machtverkörpernden Institutionen<br />

erzielten. Seit 1930 hatte er sich ganz<br />

nach Schweden zurückgezogen. 1933 wurden<br />

in Hitlerdeutschland seine Werke verbrannt<br />

und der Autor ausgebürgert. Als er zwei Jahre<br />

später in einem Göteborger Krankenhaus<br />

starb, deutet zwar alles auf einen Selbstmord<br />

hin, aber einen Beweis dafür gibt es nicht.<br />

Es macht nicht viel Sinn, nach Texten zu<br />

fragen, die der Herausgeber in diesen Band<br />

nicht aufgenommen hat. Jede Auswahl ist<br />

letzten Endes subjektiv, und eine solche<br />

Subjektivität ist denn auch zu respektieren.<br />

Aber dass die Skizze „<strong>Die</strong> Laternenanzünder“<br />

(1925), die in parodistischer Form das<br />

Bild eines Berufs entwirft, der schon zur Zeit<br />

der Abfassung des Textes keine Existenzberechtigung<br />

mehr hatte, vergessen worden ist,<br />

mag doch höchst bedauerlich erscheinen. <strong>Die</strong><br />

vielschichtige Thematik dieser Satire –<br />

Bürokratismus, Überorganisation, Berechtigungsunwesen,<br />

Nationalismus, Militarismus,<br />

Polizei- und Obrigkeitsstaat – ist auch heute<br />

noch von unverminderter Aktualität, wenn<br />

sich auch die Vorzeichen und Erscheinungsformen<br />

gewandelt haben. Und sie ist hinreißend<br />

geschrieben, so dass man sein Vergnügen<br />

daran gehabt hätte.<br />

<strong>Die</strong> Illustrationen von Hans Ticha, Original-Flachdruckgrafiken,<br />

deren einzelne Bilder<br />

in Farbauszügen direkt auf die Druckplatte<br />

belichtet wurden, geben der Anthologie ihr<br />

besonderes Gepräge. Sie zeigen eine skurrile<br />

Welt und die Figuren sind wie Marionetten<br />

modelliert. Es geht dem Künstler in seiner<br />

präzis dingbezogenen Darstellungsweise und<br />

seiner plastisch räumlichen Bildorganisation<br />

um die graphische Verdeutlichung menschlichen<br />

Seins. �<br />

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Philipp Wendland, Uhlandstr. 184,<br />

10623 Berlin • Bertolt-Brecht-Bibliothek,<br />

Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin • Bezirksbibliothek<br />

am Luisenbad, Travemünder Str.<br />

2, 13357 Berlin • Bezirksbibliothek Friedrichshain-Kreuzberg,<br />

Grünberger Str. 54,<br />

10245 Berlin • Bibliothek Tiergarten Süd,<br />

Lützowstr. 27, 10785 Berlin • Boulevardbuch,<br />

Deitmerstr. 14, 12163 Berlin • Bruno-<br />

Lösche-Bibliothek, Perleberger Str. 33,<br />

10559 Berlin • Bücher am Nonnendamm,<br />

Nonnendammallee 87a, 13629 Berlin •<br />

Bücherei Kannenberg-Retschler, Fischerhüttenstr.<br />

79, 14163 Berlin • Büchergilde<br />

Buchhandlung am Wittenbergplatz, Kleiststr.<br />

19, 10787 Berlin • Bücherturm, Berkaer<br />

Str. 40, 14199 Berlin • Buchhandlung am<br />

Spreebogen, Kirchstraße 21, 10557 Berlin •<br />

Buchhandlung im Kik, Marzahner Promenade,<br />

12679 Berlin • Buchhandlung Holzapfel,<br />

Teltower Damm 27, 14169 Berlin •<br />

Buchhandlung Rainer Bartusch / Bücherecke,<br />

Maaßenstr. 8, 10777 Berlin • Cafe im<br />

Literaturhaus / Cafe-Restaurant Wintergarten,<br />

Fasanenstr. 23, 10719 Berlin • Chatwins,<br />

Goltzstr. 40, 10781 Berlin • Dunckel-<br />

Bar, Gormannstr. 14, 10119 Berlin •<br />

Dussmann das Kulturkaufhaus, Friedrichstr.<br />

90, 10117 Berlin • FU Uni-Bibliothek,<br />

Garystr. 39, 14195 Berlin • Greenhouse,<br />

Theater im, Roonstraße 12, 14163 Berlin •<br />

Hacker und Presting, Leonhardstr. 22,<br />

14057 Berlin • Hallen am Borsigturm, Am<br />

Borsigturm 2 • Hansa-Bibliothek, Altonaer<br />

Str. 15, 10557 Berlin • Hans-Wurst-Nachfahren,<br />

Gleditschstr. 5, 10781 Berlin • Haus<br />

der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-<br />

Allee 10, 10557 Berlin • Hugendubel,<br />

Tauentzienstr. 13, 10789 Berlin • Hugendubel,<br />

Friedrichstr. 83, 10117 Berlin-Mitte •<br />

Hugendubel, Potsdamer Platz Arkaden,<br />

10785 Berlin • Hugo-Heimann-Bibliothek,<br />

Swinemünder Str. 80, 13355 Berlin •<br />

Humboldt-Uni, Unter den Linden, Hauptgebäude<br />

• Humboldt-Universität (Wirtschaftswissenschaften),<br />

Spandauer Str. 1,<br />

10178 Berlin • John-F.-Kennedy-Institut, FU,<br />

Lansstr. 7-9 • Kaffee Burger, Torstraße 60,<br />

10115 Berlin • Karstadt am Hermannplatz<br />

(Buchabteilung), 10967 Berlin • Käthe<br />

Kollwitz Buchhandlung, Danziger Straße 59,<br />

10435 Berlin • Kisch & Co, Buchhandlung,<br />

Oranienstr. 25, 10999 Berlin • Kleines<br />

Theater, Südwestkorso 64, 12161 Berlin •<br />

Kneifzange, Friedrichstraße 176-179, 10117<br />

Berlin • Kohlhaas & Copany, Fasanenstr. 23,<br />

10719 Berlin • Komische Oper, Behrenstraße<br />

55-57, 10117 Berlin • Kommedia<br />

Buchhandlung, Marheinekplatz, 15, 10961<br />

Berlin • Kunsthof Wolfgang Feyerabend,<br />

Oranienburger Straße 27, 10117 Berlin •<br />

Lehmanns Fachbuchhandlung, Schumannstraße<br />

20 / 21, 10117 Berlin • Literaturforum<br />

im Brecht-Haus, Chausseestraße 125,<br />

10115 Berlin • Lyrik-Bar, Kollwitzstraße 97,<br />

10405 Berlin • Marga Schoeller<br />

Bücherstube, Knesebeckstr 33, 10623<br />

Berlin • Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstr.<br />

7, 10963 Berlin • Nicolaische Buchhandlung,<br />

Rheinstraße 65, 12159 Berlin • Nocti<br />

Vagus Dunkelrestaurant, Saarbrücker<br />

Straße 36-38, 10405 Berlin • Podewill,<br />

Klosterstr. 68-70, 10179 Berlin • Prager Cafe<br />

Slavia, Wiesbadener Str. 79, 12161 Berlin •<br />

Restauration Walden, Choriner Straße 35,<br />

10435 Berlin • Rewe, Königsstr. 14, 14109<br />

Berlin • Richard Auerbach, Albrechtstraße<br />

10, 12165 Berlin • Saalbau-Neukölln,<br />

Karl-Marx-Straße 141 • Schleichers Buchhandlung,<br />

Königin-Luise-Str. 41, 14195<br />

Berlin • Schiller-Bibliothek, Müllerstr. 48a,<br />

13349 Berlin • Schwartzsche Villa, Grunewaldstraße<br />

55, 12165 Berlin • Schwarze<br />

Risse, Gneisenaustraße 2a, 10961 Berlin •<br />

Schwarze Risse, Kastanienallee 85, 10435<br />

Berlin • Spandau-Arkaden, Klosterstr. 3 •<br />

Staatsbibliothek, Haus 1, Unter den Linden<br />

8, 10117 Berlin • Staatsbibliothek, Haus 2,<br />

Potsdamer Straße 33, 10785 Berlin • Starick<br />

Buchhandlung, Brunnenstraße 197/198,<br />

10119 Berlin • Starick Buchhandlung, Breite<br />

Straße 35-36, 14199 Berlin • Thaer Buchhandlung,<br />

Bundesallee 77, 12161 Berlin •<br />

Thalia im Ringcenter 2, Frankfurter Allee<br />

113-117, 10365 Berlin • Thalia, Schönhauser<br />

Allee 78-80, 10439 Berlin • Thalia,<br />

Hallen am Borsigturm, Am Borsigturm 2,<br />

13507 Berlin • Thalia im Forum Steglitz,<br />

Schlossstr. 1, 12163 Berlin • Thalia / Cafe<br />

Reise / Cafe Götterspeise, Forum Köpenick,<br />

Bahnhofstr. 33-38, 12555 Berlin • UFA-<br />

Fabrik, Viktoriastraße 10-18, 12105 Berlin •<br />

Universität der Künste, Hardenbergstr. 33,<br />

10623 Berlin • Unsicht-Bar, Gormannstr. 14,<br />

10119 Berlin • Urania Berlin, An der Urania<br />

17, 10787 Berlin • Village Voice, Ackerstr.<br />

1a, 10115 Berlin • Volksbühne, Grüner Salon,<br />

Rosa-Luxemburg-Platz / Linienstr. 227,<br />

10178 Berlin • Volkswagen-Bibliothek /<br />

HU&TU-Bibliothek, Fasanenstraße 88 •<br />

Wolff’s Bücherei, Bundesallee 133, 12696<br />

Berlin • Zentralbibliothek Berlin, Breite<br />

Straße 30-36, 10178 Berlin • Zosch,<br />

Tucholskystr. 30, 10117 Berlin<br />

In<br />

Wirklichkeit<br />

geschehen<br />

keine Wunder<br />

ANNA MITGUTSCH: Zwei Leben und<br />

ein Tag. Roman. Luchterhand Literaturverlag,<br />

München 2007. 352 Seiten, 19,95 €.<br />

Von ANNETTE MERBACH<br />

Als sich am 4. November 1851 Nathaniel<br />

Hawthorne und Herman Melville im Dorfgasthaus<br />

in Lenox auf ein Bier treffen,<br />

peitscht der Wind den Regen durch das unwirtliche<br />

Berkshire County/Massachusetts.<br />

Drinnen präsentiert Melville dem verehrten<br />

Schriftstellerkollegen seinen neuesten, noch<br />

druckfrischen Roman: „Moby Dick“. <strong>Die</strong><br />

Lokalpresse schreibt darüber, aber nur weil<br />

es den Anstandsregeln zuwiderlief, dass sich<br />

zwei Eigenbrötler in einem Gasthaus trafen<br />

statt im eigenen Haus. Als Anna Mitgutsch<br />

am 23. März 2007 im Rahmen der Leipziger<br />

Buchmesse ihren achten Roman im Leipziger<br />

Ringcafé vorstellt, nimmt die Welt etwas<br />

mehr Anteil, obwohl Sturm und Regen<br />

draußen ebenso Unwirtlichkeit verbreiten.<br />

Befremdlich. Befremdet. Anna Mitgutschs<br />

neuester Roman handelt vom<br />

Fremdsein in einer anderen und in der eigenen<br />

Kultur und von der Entfremdung zwischen<br />

sich nahe stehenden Menschen. Er<br />

lässt aber auch den Leser nach der Lektüre<br />

befremdet zurück. <strong>Die</strong> Geschichte der Beziehung<br />

zwischen der Österreicherin Edith<br />

und dem US-Amerikaner Leonard beginnt<br />

mit einer Nähe zwischen den beiden, die sie<br />

ihre Unterschiede vergessen lässt. In den<br />

Jahren des Miteinanders und dieser Nähe<br />

werden sie sich zunehmend fremder. Am<br />

Ende ihres Lebens lässt Edith als Ich-<br />

Erzählerin diese Liebes- und Leidensgeschichte<br />

Revue passieren – in Briefen an<br />

Leonard, die sie nie abschickt.<br />

Anna Mitgutsch bleibt auch in ihrem neuen<br />

Roman den zentralen Themen ihrer bisherigen<br />

Prosawerke treu. Wie schon in „Abschied<br />

von Jerusalem“ und „Das andere Gesicht“<br />

geht es um das Fremdsein im Alltag<br />

und um Einsamkeit als Ergebnis der Suche<br />

nach Nähe und Liebe. Wie schon in „Haus<br />

der Kindheit“ geht es um Österreicher, die es<br />

in die USA verschlagen hat und um die<br />

Konflikte bei der Rückkehr in die fremde<br />

„Heimat“. Und wie schon in „Ausgrenzung“<br />

geht es um ein Kind, das anders ist als die<br />

anderen Kinder. Ein Kind, das von seiner<br />

Mutter geliebt wird und das in den Augen der<br />

Welt auffällig und verhaltensgestört ist.<br />

10 <strong>Die</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Literaturkritik</strong>


Autobiografische Bezüge sind wohl kaum<br />

von der Hand zu weisen. Doch Anna Mitgutsch<br />

ist nicht die Frau, die man nach einer<br />

Lesung in der gepflegten Atmosphäre eines<br />

Stadtcafés danach fragen möchte, welches<br />

Schicksal sie in ihrem Leben trägt. Das, was<br />

sie uns davon mitteilen möchte, fließt in ihre<br />

Romane ein. „Menschen, die gelitten haben,<br />

werden den anderen unheimlich“, lässt die<br />

Autorin ihre Protagonistin Edith sagen.<br />

Damit bezieht sie sich auf das Schicksal<br />

Ediths und ihres Sohnes Gabriel, aber auch<br />

auf das Herman Melvilles. „In der Literatur<br />

4. Dezember 2006<br />

Anna Mitgutsch<br />

lieben wir die Gescheiterten“, schreibt Edith<br />

an anderer Stelle, „auf dem Altar der Literatur<br />

werden sie an unserer Statt geopfert.“<br />

Anna Mitgutsch ist promovierte Literaturwissenschaftlerin.<br />

Sie unterrichtete an Universitäten<br />

in Österreich, England, Südkorea<br />

und den USA. 1985, nach der Veröffentlichung<br />

ihres ersten Romans „<strong>Die</strong> Züchtigung“,<br />

kehrte sie nach Österreich zurück und pendelt<br />

seither zwischen Linz und Boston. Mitgutsch<br />

übersetzt Lyrik und ist die Verfasserin zahlreicher<br />

Essays zu literaturwissenschaftlichen<br />

Themen und einzelnen Autoren. Selbst Autorin<br />

von nunmehr acht Romanen, lässt sie literarische<br />

Recherchen und eigene Erfahrungen<br />

über das Leben in unterschiedlichen Kultur-<br />

kreisen in ihre Werke einfließen. Sie nutzt<br />

diese verschiedenen Ebenen souverän, um<br />

den Roman zu verdichten, Aussagen und<br />

Stimmungen zu untermauern, Parallelen aufzuzeigen<br />

oder den Leser erahnen zu lassen.<br />

„Unser Fluss war der Hudson River“, so<br />

beginnt Edith ihre Erinnerungen zu erzählen.<br />

In der Nähe von Saratoga lernen sich Edith<br />

und Leonard kennen und kehren immer wieder<br />

zu diesem Fluss zurück, auch wenn am<br />

Ende die Donau die Funktion des Hudson erfüllen<br />

muss. Beide sind Literaturwissenschaftler,<br />

Leonard hat gerade seine<br />

Dissertation über Außenseiter<br />

bei Herman Melville abgeschlossen,<br />

als er Edith kennen<br />

lernt. Sie lässt sich bald<br />

von seiner Begeisterung, beinahe<br />

Besessenheit für den<br />

großen Schriftsteller anstekken.<br />

Gemeinsam planen sie<br />

eine – die eine – Melville-<br />

Biografie zu schreiben. Am<br />

Ende scheitert auch dieses<br />

Projekt, andere Forscher haben<br />

die Lebensgeschichte<br />

verfasst, während Edith und<br />

Leonard am Ende nichts<br />

Gemeinsames vorzuweisen<br />

haben.<br />

Sie haben einen Sohn, der<br />

sie weniger verbindet als zu<br />

der mit den Jahren wachsenden<br />

Kluft zwischen ihnen<br />

beiträgt. Gabriel ist ein Außenseiter.<br />

Ein autistischer<br />

junger Mann, der den Anforderungen<br />

des Alltagslebens<br />

nicht gewachsen ist, dem die<br />

Fähigkeit zu Empathie und<br />

sozialer Interaktion fehlt.<br />

Eines der beständig wiederkehrenden<br />

Themen in Ediths<br />

Rückbesinnung und im<br />

Gespräch zwischen ihr und<br />

Leonard ist die Frage nach<br />

den Ursachen für Gabriels<br />

Außenseitertum, nach der<br />

Schuld für seine Defizite.<br />

Eine schulmedizinische<br />

Erklärung für Gabriels Entwicklung<br />

wird beiläufig erwähnt: eine nicht<br />

rechtzeitig behandelte Entzündung in der<br />

Kindheit, während ihrer Jahre in Korea. Doch<br />

Edith geht es nicht um die naturwissenschaftliche<br />

Erforschung von Ursache und Wirkung.<br />

Vielmehr interessieren sie die großen Fragen<br />

von Vertrauen und Beistand, von Verantwortung<br />

und Schicksal. Wie viel von dem, was<br />

uns zusteht, können wir beeinflussen?<br />

Welche Entscheidungen stehen in unserer<br />

Macht? Für welche Entwicklungen tragen wir<br />

die Verantwortung durch unser Handeln und<br />

Fühlen? Welche Auswirkungen haben unsere<br />

Gefühle, die gesagten und die ungesagten<br />

Worte auf den Verlauf unseres eigenen Lebens<br />

und das unserer Mitmenschen?<br />

Natürlich liefert Anna Mitgutsch keine<br />

Antworten darauf. Aber der gesamte Roman<br />

rankt sich um diese Fragen, mäandert, verliert<br />

sich in Nebensträngen, um immer wieder auf<br />

dieses zentrale Thema zurückzukommen.<br />

Anna Mitgutsch sucht sich auf drei Ebenen<br />

diesen Fragen zu nähern. Außer Ediths<br />

Briefen gibt es die Perspektive Gabriels, sein<br />

Erleben und seine Erinnerungen an einem<br />

Tag ein Jahr nach dem Tod seiner Mutter.<br />

Und es gibt das Leben Herman Melvilles, das<br />

Edith als Beinahe-Biografin in allen seinen<br />

Details kennt. Ihre Rückbesinnung untermauert<br />

sie durch Parallelen zu dem Leben des<br />

Schriftstellers.<br />

<strong>Die</strong> Melville-Passagen, basierend auf Mitgutschs<br />

eigener Forschung und den wichtigsten<br />

neueren Biografien von Hershel Parker<br />

und Alexander Pechmann, sind fesselnd. Sie<br />

beleuchten Facetten dieses Zeit seines Lebens<br />

nicht anerkannten Literaten und zeichnen das<br />

Bild eines Mannes, der mehr schrieb als Südseebücher,<br />

der mehr wollte, als ein geduldeter<br />

Außenseiter zu sein und der in seinen letzten<br />

Lebensjahrzehnten seine Kreativität einem<br />

Bürojob opferte, um seine Familie zu ernähren.<br />

Ein Umstand, den viele kreative Köpfe<br />

der Gegenwart aus eigener Erfahrung kennen.<br />

Der Tag aus dem Leben des Außenseiters<br />

Gabriels hingegen bringt uns dessen Blickwinkel<br />

nahe. Gabriel lässt sich nicht integrieren,<br />

schon gar nicht in einer österreichischen<br />

Kleinstadt. <strong>Die</strong>ser Mikrokosmos grenzt alles<br />

aus, was nicht in ihn hineinpasst. <strong>Die</strong> Gesellschaft<br />

wertet, sie stigmatisiert und pathologisiert<br />

alles Fremde. Auch hier arbeitet Anna<br />

Mitgutsch wieder meisterhaft mit Parallelen<br />

zu Leben und Werk Melvilles, zu dessen<br />

Antihelden Bartleby – der Unschuld, die<br />

nichts begreift – und Billy Budd, dem<br />

„sprachlosen Engel“. Melville lässt Billy seine<br />

Sprachlosigkeit zum Verhängnis werden,<br />

er präsentiert keine brauchbare Strategie, ihn<br />

vor der Welt zu retten, denn: „In Wirklichkeit<br />

geschehen keine Wunder.“<br />

Im Unterschied zum Melville-Strang und<br />

zu Gabriels Geschichte verliert sich die erzählte<br />

Erinnerung Ediths sehr oft in Redundanzen.<br />

Ediths Melville-Briefe sind ihre<br />

Liebeserklärung an Leonard, ihr Beitrag zum<br />

gemeinsamen Lebenswerk. Gleichzeitig spürt<br />

sie der Entwicklung ihrer Liebe und der Geschichte<br />

ihres Scheiterns nach. Immer wieder<br />

kommt Edith auf die gleichen Fragen zurück,<br />

auf die es keine Antworten gibt. Für den<br />

Leser sind hier gelegentlich Durststrecken zu<br />

überwinden. Dafür aber gelingt Mitgutsch ein<br />

gutes Ende, was nicht mit Happy End gleichzusetzen<br />

ist, aber mehr sei hier nicht verraten.<br />

Befremdlich und befremdend ist das Ende<br />

des Romans – folgerichtig und doch unerwartet.<br />

Anna Mitgutsch hat wieder einen Roman<br />

vorgelegt, der entsetzlich nah am Leben seiner<br />

Figuren ist. <strong>Die</strong>sem Sog kann man sich<br />

als Leser nicht entziehen. �<br />

11


INGO SCHULZE: Handy – Dreizehn<br />

Geschichten in alter Manier. Berlin Verlag,<br />

Berlin 2007. 288 Seiten, 19,90 €.<br />

Von MARTIN JANKOWSKI<br />

Ingo Schulzes neuer Erzählband bietet einen<br />

Blick hinter die Kulissen des Schreibens, sozusagen<br />

ins Nähkästchen des Autors: Dreizehn<br />

Texte lang dürfen wir ihm bei der literarischen<br />

Fiktionalisierung von Leben zusehen.<br />

Als Milieus begegnen wir der Welt der<br />

Goethe-Institute, Universitätskonferenzen<br />

und Premierenpartys – den Zügen, Taxis und<br />

Flughäfen der Reisenden in Sachen Gegenwartskultur.<br />

Doch die eigentlichen Geschehnisse<br />

haben stets einen persönlichen, sozusagen<br />

privaten Charakter, sodass wir ausnahmslos<br />

höchst eigenwillige, außergewöhnliche<br />

Begebenheiten erfahren.<br />

Stilistisch bleibt der Autor dabei unaufgeregt<br />

bodenständig, denn „…im Alltag gibt es<br />

keine Novellen“, wie es in „Eine Nacht bei<br />

Boris“ heißt. Wobei die Erzählung in der<br />

Erzählung wie schon bei den grandiosen „33<br />

Augenblicken des Glücks“, die Ingo Schulze<br />

1995 schlagartig bekannt machten, ein<br />

Hauptinstrument des Autors ist. <strong>Die</strong>smal erfahren<br />

wir allerlei Pleiten, Pech und Pannen<br />

aus dem Leben des Erzählers und seiner Geliebten<br />

– als literarische Figuren in immer<br />

neuen Verkleidungen zu erleben. Und natürlich<br />

schwebt, wie immer bei Literatur, die<br />

große Frage im Raum, was am Erzählten<br />

denn nun real sei, ob nicht alles In-Worte-<br />

Lust auf Literatur?<br />

„<strong>Die</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Literaturkritik</strong>“ bietet in<br />

ihrer Online-Redaktion regelmäßig die<br />

Möglichkeit zu einem unbezahlten,<br />

dreimonatigen<br />

redaktionellen<br />

Praktikum<br />

NachwuchsjournalistInnen mit viel<br />

Interesse, Engagement und Humor<br />

senden ihre Kurzbewerbung mit<br />

Lebenslauf per E-Post an:<br />

info@berlinerliteraturkritik.de<br />

Wir freuen uns über Ihre Bewerbung!<br />

Es erwartet Sie ein junges freundliches<br />

Redaktionsteam.<br />

Der Geschichtensammler<br />

Fassen von Sprache immer auch Literarisieren<br />

ist, ob das Erzählen eben gar keine<br />

„außerreale Kunst“, sondern schlicht eine<br />

Grundeigenschaft der menschlichen Psyche<br />

ist, Fiktion mithin Teil des Realen.<br />

Zunächst sei angemerkt, dass der Buchtitel<br />

„Handy“ den unbedarften Leser in die Irre<br />

führt. Man könnte erwarten, jetzt auch bei<br />

Schulze trendige Neuzeitprosa vorzufinden,<br />

mit der im großen Stil dem Medienzeitalter<br />

gehuldigt wird. Glücklicherweise trifft das<br />

Versprechern des Untertitels („Dreizehn<br />

Geschichten in alter Manier“) tatsächlich zu.<br />

Wie immer erwartet uns bei Schulze geistiges<br />

Slow Food bei abgestelltem Telefon: Handgemachte<br />

Sätze, echte literarische Sujets,<br />

Beobachtungen über die Absurdität unseres<br />

Alltags aus der Perspektive eines Schriftstellers,<br />

keine Drehbücher im Nachttischformat.<br />

In den Geschichten begegnen dem Schulze-Kenner<br />

gute alte Bekannte aus dem Prenzlauer<br />

Berg, Dresden, der Altenburger Theaterwelt<br />

oder noch östlicheren Welten. Wobei<br />

letztere erneut die besten Storys liefern, etwa<br />

wenn uns „In Estland, auf dem Lande“ ein<br />

bemerkenswerter Bär aufgebunden wird, eine<br />

wahrhaft amüsante Geschichte, wie man sie<br />

(als Provinz-Pendant der „urban legends“)<br />

eben nur an den Wodkatresen östlich der<br />

Oder hören kann. Oder wenn in der letzten<br />

Geschichte quasi nebenbei berichtet wird,<br />

wie der Autor auf Lesereise mit seinem St.-<br />

Petersburg-Buch „33 Augenblicke des<br />

Glücks“ in St. Petersburg selbst plötzlich dazu<br />

verdammt zu sein scheint, all das Unglück,<br />

das seinen Figuren darin widerfährt, nun<br />

auch am eigenen Leibe durchleben zu müssen.<br />

Charakteristisch für Schulze ist, dass der<br />

Erzähler prinzipiell im Bezug auf ein Du erzählt.<br />

Auch noch der Einsame spricht,<br />

existiert und denkt grundsätzlich auf eine<br />

geliebte (an- oder abwesende) andere Person<br />

hin. Eine Erkenntnis über die menschliche<br />

Verfasstheit, die selten so konsequent literarischen<br />

Ausdruck findet. Und egal wo die<br />

Geschichten spielen, ob in Dresden, Petersburg,<br />

Kairo oder Budapest, immer erfahren<br />

wir etwas über die Gefühle einzelner Personen<br />

– kleine Mosaiksteinchen statt großer<br />

Panoramen. Das Leben als Summe kleiner<br />

Schritte, die jeder (Autor, Figuren, Leser) zu<br />

einer Geschichte addieren muss, nicht als<br />

Breitwandformat mit literarischer Soundsoße.<br />

Selbst von New York zeigt Schulze uns<br />

keine Wolkenkratzerschluchten mit Polizeisirenen,<br />

sondern einen seltsamen alten Mann,<br />

der Möhrentorte liebt.<br />

Wie immer bei Ingo Schulze wird die<br />

Technik der erzählenden Fiktionalisierung in<br />

den Geschichten selbst thematisiert. Das geschieht<br />

ganz nebenbei, man liest es als organischen<br />

Teil des Erzählens. Es schmälert das<br />

Lesevergnügen keineswegs, sondern steigert<br />

die natürliche Lust am Zuhören. Ganz so, als<br />

ob wir einen Erlebnisbericht mit Floskeln wie<br />

„Stell Dir vor…“ beginnen und damit die<br />

Aufmerksamkeit des Zuhörers steigern. In<br />

manchen Texten wird die literarische<br />

Verkleidung ganz aufgegeben, wie etwa in<br />

der liebenswert unliterarischen „Epiphanie<br />

am Sonntagabend“ mit den realen Mitgliedern<br />

von Schulzes Familie als Figuren (die<br />

man z. T. deutlich als Vorlagen auch für andere<br />

Figuren nicht nur dieses Buches auszumachen<br />

meint), oder in der schon erwähnten<br />

meisterhaften „Noch eine Geschichte“ am<br />

Schluss des Buches, in der der Erzähler demonstrativ<br />

keinen Namen mehr bekommt<br />

und die Geliebte Namen wie „Petra oder<br />

Katja tragen könnte“, die dann in absichtlicher<br />

Beliebigkeit verwendet werden.<br />

Ingo Schulze kann man sich als Storysammler<br />

vorstellen, der an den Erzählstränden des<br />

Alltags (wie Küchentischen, Kneipentresen,<br />

Diaabenden, Nachttelefonaten oder Grillpartys)<br />

kleine, abgewetzte Geschichten wie<br />

Strandgut sammelt, sie zuhause in eigenen<br />

Worten auf Zetteln archiviert, hier und da<br />

übermalt, und die Episoden schließlich wie<br />

ein Collagenkünstler schwitzend und fluchend<br />

hin und her schiebt, bis sie schließlich<br />

passende Konstellationen ergeben, in denen<br />

sie sich zu literarischen Texten verflechten.<br />

So ergibt sich eine gewisse Heterogenität der<br />

Erzählungen in Stilistik und Dichte, die nicht<br />

immerfort spannend, aber mit keiner Silbe<br />

belanglos sind. Wie man dem Buchanhang<br />

entnehmen kann, sind die Erzählungen zu<br />

verschiedenen Zeiten und Anlässen in den<br />

vergangenen zehn Jahren entstanden.<br />

Ebenso wenig wie auf Schulzes Romane<br />

„Simple Storys“ und „Neue Leben“ passt auf<br />

diese neuen Geschichten das Etikett des<br />

„Raymond Cavers vom Prenzlauer Berg“,<br />

das Schulze einige Feuilleton angehängt haben.<br />

Denn von Anfang an hat ein unverwechselbarer<br />

Schulze-Stil existiert, der sich kaum<br />

mit etwas anderem vergleichen lässt. Das<br />

Unverwechselbare an diesen Geschichten ist<br />

zum Beispiel, dass sie verfilmt ihren ganzen<br />

Zauber verlieren würden. Es ist Literatur, deren<br />

Wesen im Erzählen liegt – in der literarischen<br />

Perspektive auf das Leben, die durch<br />

nichts anderes ersetzt werden kann. Der typische<br />

Schulze-Sound. Man kann diese Art des<br />

Erzählens, die weniger um die schönste Melodie<br />

als vielmehr um die richtige Perspektive<br />

des Beschreibens ringt, behäbig oder gar betulich<br />

nennen. <strong>Die</strong>se „alte Manier“ ist wie ein<br />

Glas Wasser vielleicht nicht besonders originell;<br />

sie ist aber, verglichen mit allerlei neuer<br />

Coca-Cola-Literatur, möglicherweise sogar<br />

uralt. Denn sie geht dem grundlegenden<br />

menschlichen Bedürfnis des Erzählens nach<br />

und ist gerade deshalb notwendig. �<br />

12 <strong>Die</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Literaturkritik</strong>


JENS ROSTECK: Bob Dylan. Leben,<br />

Werk, Wirkung (Suhrkamp BasisBiographie<br />

18). Suhrkamp Verlag, Frankfurt am<br />

Main 2006. 160 Seiten, 7,90 €.<br />

PAUL WILLIAMS: Mind out of Time. <strong>Die</strong><br />

Musik von Bob Dylan 1986 – 2001. Übersetzt<br />

aus dem Amerikanischen von Clemens<br />

Brunn. Palmyra Verlag, Heidelberg 2006. 546<br />

Seiten, 28 €.<br />

Von HOLGER BÖTHLING<br />

Vor über zwanzig Jahren, im September<br />

1986, begann Paul Williams, eine Arbeit über<br />

die Musik Bob Dylans zu verfassen. Was zuerst<br />

nur als ein Buch gedacht war, ist längst<br />

zu einer Lebensaufgabe geworden. Nun ist<br />

der dritte Band seiner Langzeitstudie auf<br />

Deutsch erschienen: „Mind out of Time“.<br />

Williams’ Projekt ist in der Dylan-<br />

Literatur singulär. Er schreibt keine weitere<br />

langweilige Biografie und vertieft<br />

sich auch nicht in wissenschaftliche<br />

Textexegesen. Stattdessen nimmt er<br />

Dylan als Musiker ernst – und das heißt,<br />

als Livekünstler auf der Bühne. Im Fokus<br />

der Untersuchung stehen die Konzertauftritte.<br />

Das bedeutet aber auch, dass<br />

man Bob Dylan zumindest schon einmal<br />

live gesehen haben sollte, um die Lektüre<br />

richtig genießen zu können.<br />

In „Mind out of Time“ nimmt sich<br />

Williams Dylans Schaffen aus den Jahren<br />

1986 bis 2001 vor. Er beschreibt, wie aus<br />

einem abgehalfterten Musiker, der jedes<br />

Gefühl für seine eigenen Songs verloren<br />

hatte, der souveräne und sakrosankte<br />

Altmeister geworden ist, als welcher er<br />

heute auftritt. Dylan war in der Welt der<br />

achtziger Jahre nicht mehr zuhause.<br />

Versuche, sich dem Sound der Ära anzupassen<br />

(wie auf dem Album „Empire<br />

Burlesque“) scheiterten kläglich. Seine Coveralben<br />

und Konzerte (man denke nur an<br />

den peinlichen Live-Aid-Auftritt oder die<br />

Tour mit „Grateful Dead“) klangen äußerst<br />

mau. Der Musiker war von Selbstzweifeln<br />

zerfressen, nahezu am Ende.<br />

Doch Dylan schaffte die Wende. Und zwar<br />

auf der Bühne, wie Williams bemerkt. Dort<br />

oben machte Dylan aus der Not eine Tugend,<br />

seine Unzeitgemäßheit produktiv für sich<br />

nutzbar. Und zwar, indem er sich als Interpret<br />

auf die Beziehung zu den Songs konzentrierte,<br />

die er im Moment des Singens zu<br />

ihnen hatte. Dylan selbst beschreibt das als<br />

ein quasi spirituelles Erlebnis, das ihm 1987<br />

bei einem Konzert im schweizerischen<br />

Locarno widerfuhr. Als er ans Mikrofon trat,<br />

habe ihm eine Stimme im Kopf gesagt: „Ich<br />

halte die Stellung, ob Gott mich erlöst oder<br />

nicht.“ Und weiter erinnert sich Dylan: „Da<br />

wusste ich irgendwie: Ich muss raus auf die<br />

4. Dezember 2006<br />

Zeitloser Geist<br />

Bühne und all diese Songs spielen. Das ist<br />

einfach meine Aufgabe.“<br />

Bald stand der Musiker jährlich an die<br />

hundert Mal auf der Bühne. Als eine Art<br />

moderner fahrender Sänger tut er es noch<br />

immer. <strong>Die</strong> so genannte „Never Ending Tour“<br />

dauert nun schon fast zwanzig Jahre. Nie<br />

spielte Dylan seitdem zweimal dasselbe Set<br />

hintereinander. Seine Lieder stellt er jeden<br />

Abend zu einer neuen, einzigartigen<br />

Dramaturgie zusammen. Dass sich dazwischen<br />

verpatzte Auftritte oder Songs<br />

finden, verschweigt auch Williams nicht.<br />

Aber er macht deutlich, dass jedes Dylan-<br />

Konzert ein besonderes Erlebnis ist. Auf die<br />

Bühne zu gehen, sich immer wieder seinem<br />

Bob Dylan<br />

Publikum zu stellen und seine Lieder neu zu<br />

erfinden: Das ist es, was für Bob Dylan den<br />

Musiker ausmacht. Es gibt nicht mehr viele,<br />

die so denken. Als Livekünstler kommt einem<br />

Dylan tatsächlich wie ein „zeitloser<br />

Geist“ vor.<br />

Paul Williams fängt Dylans Entwicklung<br />

in den betrachteten fünfzehn Jahren gekonnt<br />

ein. Wie schon Günter Amendt in seinem<br />

Vorwort zu dem Vorgängerband schrieb, gelingt<br />

es dem Autor auch diesmal wieder – von<br />

wenigen Ausnahmen abgesehen – emotionale<br />

Anteilnahme und analytischen Anspruch in<br />

einem ausbalancierten Schwebezustand zu<br />

halten. Sicher: Williams wählt einen sehr<br />

subjektiven, emphatischen Zugang. Manchmal<br />

geht er dabei zu weit. Einige Passagen in<br />

„Mind out of Time“ entbehren nicht einer gewissen<br />

Komik oder sind gar homoerotisch<br />

eingefärbt:<br />

„Wie er dabei seinen drahtigen<br />

Körper streckt und reckt, wirkt sehr<br />

eindrucksvoll und attraktiv – ja, er<br />

ist fünfundvierzig, aber noch im-<br />

mer geschmeidig und dynamisch<br />

und auf seine einzigartige Dylan-<br />

Art sexy, einfach interessant anzusehen.“<br />

Doch einen Interpreten wie Williams kann<br />

man jedem Künstler nur wünschen.<br />

Sollten Musikhistoriker einmal erfahren<br />

wollen, „wie es eigentlich gewesen ist“ auf<br />

einem Konzert von Bob Dylan, können sie<br />

Williams Bücher bedenkenlos als Primärquellen<br />

heranziehen. So nah wie er kommt<br />

diesem Phänomen sonst niemand. Man ertappt<br />

sich beim Lesen häufig dabei, zustimmend<br />

mit dem Kopf zu nicken – wie man es<br />

bei einem Konzert zum Groove tut. Dylan<br />

schafft es, auf der Bühne seinen Liedern immer<br />

wieder neue Seiten abzugewinnen, sie<br />

mit neuer Bedeutung für den Zuhörer aufzuladen.<br />

Genauso schafft es Williams,<br />

dieses Gefühl, die Faszination des Zuhörers<br />

für den Leser einzufangen und verständlich<br />

zu machen. Wenn man ein<br />

Kapitel beendet hat, läuft man unwillkürlich<br />

zum Plattenregal und legt Musik von<br />

Dylan auf. Beim Hören grinst man beseelt<br />

und denkt: „Ja, verdammt, der Typ<br />

hat Recht!“<br />

Auf ein ganz anderes Publikum zielt<br />

Jens Rostecks „Bob Dylan. Leben, Werk,<br />

Wirkung“ aus der Suhrkamp-Reihe „BasisBiographie“.<br />

Eine 160 Seiten schmale<br />

Einführung, die notgedrungen an der<br />

Oberfläche bleibt. Rosteck wendet sich<br />

an Leser, die Dylan erst noch für sich entdecken<br />

wollen. Und er tut das als ausgesprochen<br />

virtuoser, oftmals wohltuend<br />

ironischer Erzähler. Dabei wärmt er allerdings<br />

viele Klischees und Mythen auf –<br />

und macht peinliche Fehler. So wird etwa<br />

die Sängerin und Schauspielerin Ronee<br />

Blakely bei Rosteck zu einem Mann. Das<br />

hinterlässt den Eindruck, dass er sich bei der<br />

Recherche nicht allzu viel Mühe gemacht hat.<br />

Rosteck zitiert fast nur aus Gottfried Blumensteins<br />

(nicht mehr taufrischer) Dylan-<br />

Biografie, Nigel Williamsons „The Rough<br />

Guide to Bob Dylan“ und ein paar Zeitungsartikeln.<br />

Auch die Bibliografie ist nicht überall<br />

auf dem neuesten Stand.Leser, die mit einem<br />

breiteren Vorwissen ausgestattet sind,<br />

sollten deshalb vielleicht lieber auf den<br />

Sammelband mit Aufsätzen vom Bob-Dylan-<br />

Kongress in Frankfurt warten, der Mitte des<br />

Jahres bei Suhrkamp erscheinen soll. Da<br />

dürfte bestimmt für jeden eingefleischten<br />

Dylanologen etwas dabei sein. Allen anderen<br />

sei ein Blick in Rostecks Büchlein durchaus<br />

empfohlen. Denn trotzt aller inhaltlicher<br />

Schwächen ist es hübsch zu lesen und macht<br />

Einsteigern sicher Lust auf eine weiterführende<br />

Lektüre. Und das ist nicht das Schlechteste,<br />

was man über eine Einführung sagen<br />

kann. �<br />

13


Fortsetzung von Seite 2<br />

Eine Veranstaltung des Italienischen Kulturinstituts.<br />

19 Uhr. Telefon: 030 – 887 28 60. Fasanenstraße<br />

23, 10719 Berlin.<br />

<strong>Berliner</strong> Ensemble Lesung & Musik. Ein Abend mit<br />

Angela Winkler. Ein Abend voller poetischer Überraschungen<br />

mit Angela Winkler, die sich mit Liedern<br />

und Gedichten in immer wieder andere Figuren verwandelt.<br />

Ihr Gespür für Lieder und Poesie von<br />

Brecht/Weill/Eisler, Else Lasker-Schüler, Ingeborg<br />

Bachmann und Shakespeare verwandelt die Texte<br />

und Noten – wir hören und empfinden sie neu. 20<br />

Uhr. Bertolt-Brecht-Platz 1, 10117 Berlin.<br />

Buchladen Bayerischer Platz Lesung. Helga<br />

Hirsch – „Entwurzelt“. 20 Uhr. Grunewaldstraße 59,<br />

10825 Berlin.<br />

Roter Salon Lesung. Birk Meinhardt – „Im Schatten<br />

der Diva“. 20 Uhr. Volksbühne, Rosa-Luxemburg-<br />

Platz, 10178 Berlin.<br />

Samstag, 12. Mai<br />

<strong>Berliner</strong> Büchertisch Erstes Mehringdammer<br />

Bücherfest: Lesungen ab 14 Uhr. 2. Hof,<br />

Mehringdamm 51, 10961 Berlin.<br />

Alte Kantine Lesung. Kantinenlesen. Eine gemeinsame<br />

Veranstaltung der <strong>Berliner</strong> Vorlesebühnen<br />

Chaussee der Enthusiasten, <strong>Die</strong> Surfpoeten,<br />

Reformbühne Heim & Welt, LSD. 5 €. 20 Uhr. In der<br />

Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, 10435 Berlin.<br />

Sonntag, 13. Mai<br />

Kadima Restaurant Lesung & Musik. Fanny-<br />

Hensel-Matinee. Aus Briefen zwischen Fanny<br />

Hensel und ihrem Bruder Felix Mendelssohn-<br />

Bartholdy, gelesen von Antje Vollmer<br />

(Bundestagsvizepräsidentin a. D.) und am Klavier<br />

begleitet von Markus Wenz. 11 Uhr. Information:<br />

030 – 23 62 67 16. Oranienburger Straße 28, 10117<br />

Berlin.<br />

Fehre6 Lesung. lauter niemand literaturlabor. Jeder<br />

ist eingeladen eigene literarische Texte vorzulesen,<br />

über die gehörten Texte konstruktiv zu diskutieren<br />

oder einfach nur zuzuhören. 20.30 Uhr. Fehrbelliner<br />

Straße 6, 10119 Berlin.<br />

Montag, 14. Mai<br />

Haus <strong>Berliner</strong> Stadtbibliothek Lesung & Konzert.<br />

Franz Fühmann – „<strong>Die</strong> Schöpfung“. Mit Elisabeth<br />

Richter-Kubbutat (Berlin) und Susanne Erhardt<br />

(Berlin). Franz Fühmann setzt sich in der Erzählung<br />

mit der Frage von Schuld und Versagen auseinander.<br />

19 Uhr. Ribbeck-Haus, Kleiner<br />

Säulensaal, Breite Straße 36, 10178 Berlin.<br />

Schwartzsche Villa Lesung. Lesen – Zuhören –<br />

Diskutieren. Das Autorenforum ist eine der ältesten<br />

<strong>Berliner</strong> Lesebühnen. Eintritt frei. 19.30 Uhr.<br />

Telefon: 030 – 693 73 51. Kleiner Salon,<br />

Grunewaldstraße 55, 12165 Berlin.<br />

Jüdisches Museum Lesung. Michael Jürgs – „Eine<br />

berührbare Frau“. Der Journalist Michael Jürgs beschreibt<br />

Eva Hesse (1936-1970) als eine atemlose<br />

Künstlerin, die in ihrer Wahlheimat New York nur<br />

zehn Jahre hatte, um ein ungewöhnlich reiches<br />

Oeuvre zu schaffen. 7 / 5 €. 20 Uhr. Kartentelefon:<br />

030 – 882 42 50. Altbau, Erdgeschoss, Auditorium,<br />

Lindenstraße 9-14, 10969 Berlin.<br />

Literaturwerkstatt Berlin Lesung & Gespräch. Les<br />

Murray – „Gedichte, groß wie Photos“. Ls Murray ist<br />

einer der großen Dichter Australiens. Gespräch mit<br />

seiner Übersetzerin und Verlegerin Margitt Lehbert<br />

aus Schweden. 5 / 3 €. 20 Uhr. Knaackstraße 97,<br />

10435 Berlin.<br />

<strong>Die</strong>nstag, 15. Mai<br />

Kino Babylon Berlin Buchpremiere. Thomas<br />

Binotto – „Mach’s noch einmal, Charlie“. Thomas<br />

Binotto präsentiert jungen Kinofans seinen ganz<br />

Literaturkalender<br />

persönlichen Filmkanon: 100 Filme, die sich lohnen<br />

– und die man dank DVD jederzeit sehen kann. 8 /<br />

5 €. 18.30 Uhr. Telefon: 030 – 242 59 69. Rosa-<br />

Luxemburg-Straße 30, 10178 Berlin.<br />

Vertretung des Freistaates Thüringen beim<br />

Bund Vortrag. Manfred Osten – „Ein Kind des<br />

Friedens? Goethe als Leiter der<br />

Kriegskommission“. Eine Veranstaltung der<br />

Goethe-Gesellschaft.19 Uhr. Mohrenstraße 64,<br />

10117 Berlin.<br />

Literaturforum im Brecht-Haus Lesung &<br />

Gespräch. Barbara Honigmann – „Das Gesicht<br />

wieder finden“. 20 Uhr. Chausseestraße 125, 10115<br />

Berln.<br />

Mittwoch, 16. Mai<br />

Bibliothek Mark Twain Lesung. Evelyn Heller –<br />

„Schön’ Feierabend“. Mit viel Herz, einer großen<br />

Portion Humor und mit erfrischender Kurzweil erzählt<br />

Evelyn Heller die Geschichte einer Frau, der<br />

das Leben manchmal übel mitspielt. Auch in Zeiten<br />

von Hartz IV braucht man nicht zu verzweifeln.<br />

Eintritt frei. 10 Uhr. Foyer, Marzahner Promenade<br />

52-54, 12679 Berlin.<br />

Kulturhaus Mitte Berlin Gespräch. Literatursalon<br />

Mitte. Mit Cécile Wajsbrot und Lars-Arvid Brischke<br />

sowie Gäste. Zukünftig lädt der Schriftsteller Martin<br />

Jankowski (<strong>Berliner</strong> Literarische Aktion e.V.) zum<br />

einmal monatlich (3. Mittwoch) geöffneten<br />

Literatursalon. Vorgestellt werden jeweils zwei<br />

Schriftsteller sowie als Überraschungsgast ein<br />

„Newcomer“. 5 / 3 €. 20 Uhr. Auguststraße 21,<br />

10117 Berlin.<br />

Buchhändlerkeller Lesung. Ariane Breidenstein –<br />

„Und nichts an mir ist freundlich“. „Eine junge Frau,<br />

die Ich-Erzählerin, wird hin- und hergetrieben<br />

zwischen Anpassungsbedürfnis, Aufbegehren und<br />

Verstummen, sie weint, schreit, ruft und flüstert,<br />

klagt sich an, klagt die Welt an, die Familie.“<br />

(Suhrkamp) Moderation: Cornelia Staudacher. 3 €.<br />

20.30 Uhr. Carmerstraße 1, 10623 Berlin.<br />

Mudd-Club Lesung. <strong>Die</strong> Surfpoeten. Ein Abend der<br />

Liga für Kampf und Freizeit. 21 Uhr. Große<br />

Hamburger Straße 17, 10115 Berlin.<br />

Donnerstag, 17. Mai<br />

Laine-Art Lesung. Brauseboys. <strong>Die</strong> Lesebühne im<br />

Wedding. 3 €. 21 Uhr. Hinterhof, Liebenwalder<br />

Straße 39, 13347 Berlin.<br />

RAW-Tempel Lesung. Chaussee der Enthusiasten.<br />

<strong>Die</strong> schönsten Schriftsteller Berlins lesen was. 4 €.<br />

21 Uhr. Revaler Straße 99, 10245 Berlin.<br />

Freitag, 18. Mai<br />

Galerie Mutter Fourage Lesung & Musik. „Kleist<br />

oder Was Sie schon immer über die Entstehung<br />

einer Oper wissen wollten (II)“. Werkstattabend mit<br />

dem Komponisten Rainer Rubbert und der<br />

Schriftstellerin Tanja Langer und Studenten der HfM<br />

„Hanns Eisler“ unter der Leitung von Martin<br />

Schneuing. 11 / 9 / 7 €. 20 Uhr. Chausseestraße<br />

15a, 14109 Berlin.<br />

Zeiss-Großplanetarium Lesung. <strong>Die</strong> schönsten<br />

Sternsagen der Griechen. Sagen und Legenden um<br />

die Sternenbilder und ihre Position am Sternenhimmel.<br />

20 Uhr. Telefon: 030 – 42 18 45 12. Prenzlauer<br />

Allee 80, 12405 Berlin.<br />

Samstag, 19. Mai<br />

Planetarium am Insulaner Lesung & Musik.<br />

Himmelsstrom und Silbermond. Geschichten und<br />

Märchen um den Nachthimmel, musikalisch<br />

untermalt. 20 Uhr. Munsterdamm 90, 12169 Berlin.<br />

Alte Kantine Lesung. Kantinenlesen. Eine gemeinsame<br />

Veranstaltung der <strong>Berliner</strong> Vorlesebühnen<br />

Chaussee der Enthusiasten, <strong>Die</strong> Surfpoeten,<br />

Reformbühne Heim & Welt, LSD. 5 €. 20 Uhr. In der<br />

Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, 10435 Berlin.<br />

<strong>Berliner</strong> Ensemble Lesung. Max Goldt – „QQ“. 20<br />

Uhr. Bertolt-Brecht-Platz 1, 10117 Berlin.<br />

Renaissance-Theater Lesung & Musik. Mascha<br />

Kaléko – „Du hörtest mein Gras wachsen“. Mascha<br />

Kaléko, 1907 in Galizien geboren, eroberte sich mit<br />

ihren Versen als „Philosophin der kleinen Leute“<br />

schon früh das literarische Berlin. 1938 emigrierte<br />

sie in die USA, 1960 ging sie nach Israel und starb<br />

1975 in Zürich. Olaf Taube am Vibraphon. 21.30<br />

Uhr. Telefon: 030 – 312 42 02. Hardenbergstraße 6,<br />

10623 Berlin.<br />

Sonntag, 20. Mai<br />

Schlot Lesung. Der Frühschoppen - Mit 80 Euro<br />

um die Welt. Eintritt frei. 13 Uhr. Chaussestraße 18,<br />

10115 Berlin.<br />

Montag, 21. Mai<br />

Schwartzsche Villa Lesung. Lesen – Zuhören –<br />

Diskutieren. Das Autorenforum ist eine der ältesten<br />

<strong>Berliner</strong> Lesebühnen. Eintritt frei. 19.30 Uhr.<br />

Telefon: 030 – 693 73 51. Kleiner Salon,<br />

Grunewaldstraße 55, 12165 Berlin.<br />

American Academy Buchpräsentation. Cass<br />

Sunstein – „Gesetze der Angst“. „Angst gehört zum<br />

menschlichen Leben wie die Luft zum Atmen. Sie<br />

schärft unsere Aufmerksamkeit für potentielle<br />

Gefahren, weshalb wir gut beraten sind, unsere<br />

Ängste und Befürchtungen ernst zu nehmen. Aber<br />

wie soll der Rechtsstaat auf Ängste seitens der<br />

Bevölkerung etwa vor dem Terrorismus oder vor der<br />

Gentechnik reagieren? <strong>Die</strong>ser Frage sowie dem<br />

prekären Verhältnis zwischen Ängsten, Gefahren<br />

und dem Recht widmet der amerikanische<br />

Rechtsphilosoph Cass R. Sunstein seine vielbeachtete<br />

Seeley Lecture, aus der dieses Buch<br />

hervorgegangen ist.“ (Suhrkamp Verlag) Gespräch<br />

mit Lawrence Lessig. 20 Uhr. Hans Arnhold Center,<br />

Am Sandwerder 17 – 19, 14109 Berlin.<br />

<strong>Die</strong>nstag, 22. Mai<br />

Instituto Cervantes Lesung. Antonio Skármeta –<br />

„Desde Berlín por mientras a Berlín por siempre“.<br />

Antonio Skármeta (Antofagasta / Chile, 1940) arbeitete<br />

bis zum Militärputsch 1973 als<br />

Literaturdozent an der Universität in Santiago de<br />

Chile. Er schreibt Romane, Erzählungen, Hörspiele<br />

und Drehbücher. Von 1974 bis 1989 lebte er als<br />

Exilant in Berlin. Nach dem Ende der Pinochet-<br />

Diktatur kehrte er in seine Heimat zurück. Mit<br />

Berlin, wo er sein Land von 2000 bis 2003 als<br />

Botschafter vertrat, verbindet ihn eine sehr enge<br />

Beziehung. Moderation: Hans Christoph Buch. Auf<br />

Spanisch und Deutsch. 5 / 3 €. 19.30 Uhr.<br />

Rosenstraße 18-19, 10178 Berlin.<br />

Literarisches Colloquium Lesung. A. M. Homes –<br />

„<strong>Die</strong>ses Buch wird Ihr Leben retten“. 20 Uhr. Am<br />

Sandwerder 5, 14109 Berlin.<br />

Mittwoch, 23. Mai<br />

Märkisches Museum Literarische Führung.<br />

„Komm lieber Mai und mach’ die Bäume wieder<br />

grün“ Eine unterhaltsame literarische Führung<br />

durch den Köllnischen Park. 16 Uhr. Anmeldung:<br />

030 – 24 00 21 59. Am Köllnischen Park 5, 10179<br />

Berlin.<br />

Festsaal Kreuzberg Lesung. Jan Weiler – „Gibt es<br />

einen Fußballgott?“ Veranstalter: „11 Freunde“. 19<br />

Uhr. Skalitzer Straße 130.<br />

Italienisches Kulturinstitut Vortrag & Lesung.<br />

Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896 - 1957) zum<br />

50. Todestag. Der Autor von „Il Gattopardo“ wurde<br />

lange Zeit als untypischer Vertreter des italienischen<br />

Nachkriegs-Neorealismus verstanden. Der<br />

Vortrag versucht dieses einseitige Bild zu korrigieren<br />

und mythische sowie mythologische<br />

Anspielungen im Gesamtwerk als Ausdruck einer<br />

subversiven Kritik der Wirklichkeit zu interpretieren.<br />

14 <strong>Die</strong> <strong>Berliner</strong> <strong>Literaturkritik</strong>


Frank Arnold liest Passagen aus den Werken von<br />

Tomasi di Lampedusa. Vortrag von Friedrich<br />

Wolfzettel (Universität Frankfurt a.M.). Lesung von<br />

Frank Arnold. Moderation: Rita Unfer-Lukoschik<br />

(Società Dante Alighieri, Berlin). Auf Deutsch. 19<br />

Uhr. Anmeldung: 030 – 269 94 10.<br />

Hildebrandstraße 2, 10785 Berlin.<br />

Literaturforum im Brecht-Haus Gespräch.<br />

Dichterleben – Matthias Politycki. Richard Pietrass<br />

führt das Gespräch. 20 Uhr. Chausseestraße 125,<br />

10115 Berlin.<br />

Münzsalon Lesung. Kolja Mensing – „Minibar“. 20<br />

Uhr. Münzstraße 23, 10178 Berlin.<br />

Literaturwerkstatt Berlin Lesung & Diskussion.<br />

Verlagskulturen 3: Aufbau Verlagsgruppe. Mit<br />

Bernd Lunkewitz, Verleger aus Berlin und Thomas<br />

Lehr sowie Richard Wagner, Autoren aus Berlin.<br />

Moderation: Gerrit Bartels, <strong>Literaturkritik</strong>er aus<br />

Berlin. 5 / 3 €. 20 Uhr. Knaackstraße 97, 10435<br />

Berlin.<br />

Kulturhaus Mitte Berlin Lesung. Peter Cäsar<br />

Gläser – „Wer die Rose ehrt“. 6 / 4 €. 20 Uhr.<br />

Auguststraße 21, 10117 Berlin.<br />

Mudd-Club Lesung. <strong>Die</strong> Surfpoeten. Ein Abend der<br />

Liga für Kampf und Freizeit. 21 Uhr. Große<br />

Hamburger Straße 17, 10115 Berlin.<br />

Donnerstag, 24. Mai<br />

Hebbel am Ufer 2 Lesung & Musik. LAN. Drei Tage<br />

junge Literatur und Musik. Es lesen: Svenja Leiber,<br />

Finn-Ole Heinrich, Ann Cotten, Thomas Pletzinger,<br />

Uljana Wolf, Kevin Vennemann. Musik von Crazy<br />

for Jane, Bernadette La Hengst, Knarf Rellöm X. 12<br />

/ 8 €. 19.30 Uhr. Kartentelefon: 030-25 90 04 27.<br />

Hallesches Ufer 32, 10963 Berlin.<br />

Museen Dahlem Lesung & Gespräch. Pascal<br />

Mercier – „Lea“. Nach dem großen Erfolg mit dem<br />

Roman „Nachtzug nach Lissabon“ erzählt Pascal<br />

Mercier die dramatische Geschichte einer musikalischen<br />

u. künstlerischen Obsession, einer<br />

tragischen Vater-Tochter-Beziehung und dem<br />

Scheitern zweier Lebensentwürfe. Lesung und<br />

Gespräch mit dem Autor. Eine Veranstaltung von<br />

Schleichers Buchhandlung. 10 / 5 €. 19.30 Uhr.<br />

Lansstraße 8, 14195 Berlin.<br />

Literaturhaus Berlin Lesung. Sjón –<br />

„Schattenfuchs“. „Island im Winter 1883. Eine Frau<br />

ist gestorben und ein Mann geht auf die Jagd. Abba<br />

wird zu Grabe getragen, aber Friðrik will sie nicht<br />

dem Pastor überlassen. Denn der hütet ein dunkles<br />

Geheimnis und verfolgt in der eisigen Landschaft<br />

eine Füchsin, pirscht im Schneesturm an ihren<br />

Schatten heran. Sjón erhielt 2005 den Literaturpreis<br />

des Nordischen Rates.“ (S. Fischer) 20 Uhr.<br />

Fasanenstraße 23, 10719 Berlin.<br />

<strong>Berliner</strong> Ensemble Lesung. Feier für George<br />

Tabori zum 93. Geburtstag. Es liest Hermann Beil.<br />

20 Uhr. Bertolt-Brecht-Platz 1, 10117 Berlin.<br />

Café Lyrik Lesung & Musik. Offene Lesebühne mit<br />

Musik – „Lesen bis zum Umfallen“. Mit<br />

wechselnden musikalischen Gästen. 20 Uhr.<br />

Kollwitzstraße 97, 10435 Berlin.<br />

Lettrétage Lesung. Hermann Melville – „Clarel“.<br />

Der Übersetzer Rainer G. Schmidt liest aus diesem<br />

Werk. 4 €. 20.30 Uhr. Methfesselstraße 23, 10965<br />

Berlin.<br />

Freitag, 25. Mai<br />

Hebbel am Ufer 2 Lesung & Musik. LAN. Drei Tage<br />

junge Literatur und Musik. Es lesen: Melanie Arns,<br />

Antje Rávic Strubel, Kirsten Fuchs, Anja Utler,<br />

Steffen Popp, Saša Staniši?, Musik von Kat<br />

Frankie, Freddy Fischer’s Cosmic Rocktime Band,<br />

Britta. 12 / 8 €. 19.30 Uhr. Kartentelefon: 030-25 90<br />

04 27. Hallesches Ufer 32, 10963 Berlin.<br />

<strong>Berliner</strong> Ensemble Lesung. Bruno Ganz –<br />

„Geschichten über Verbrechen von Friedrich<br />

Schiller und Stewart O’Nan“. 20 Uhr. Bertolt-Brecht-<br />

Platz 1, 10117 Berlin.<br />

Samstag, 26. Mai<br />

Hebbel am Ufer 2 Lesung & Musik. LAN. Drei Tage<br />

junge Literatur und Musik. Es lesen: Tilman<br />

Rammstedt, Monika Rinck, Daniel Falb, Greta<br />

Granderath, Clemens Meyer, Jörg Albrecht. Musik<br />

von Jan Böttcher (Herr Nilsson), Post Holocaust<br />

Pop, Masha Qrella. 12 / 8 €. 19.30 Uhr.<br />

Kartentelefon: 030-25 90 04 27. Hallesches Ufer<br />

32, 10963 Berlin.<br />

Alte Kantine Lesung. Kantinenlesen. Eine gemeinsame<br />

Veranstaltung der <strong>Berliner</strong> Vorlesebühnen<br />

Chaussee der Enthusiasten, <strong>Die</strong> Surfpoeten,<br />

Reformbühne Heim & Welt, LSD. 5 €. 20 Uhr. In der<br />

Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, 10435 Berlin.<br />

Sonntag, 27. Mai<br />

Café Lyrik Lesung. „Das Wagnis des Vertrauens“.<br />

Wjatscheslaw Kuprijanow liest Poetisches und<br />

Prosa aus seinen zahlreichen Büchern. Der Autor,<br />

geboren 1939 in Novosibirsk, Mitglied des<br />

russischen und serbischen Schriftstellerverbandes,<br />

lebt nach dem Studium der Mathematik und der<br />

Sprachwissenschaften als Lyriker und Übersetzer in<br />

Moskau. Er ist Träger des Wladimir-Sokolow-<br />

Preises, Moskau 2002. 20 Uhr. Kollwitzstraße 97,<br />

10435 Berlin.<br />

Fehre6 Lesung. lauter niemand literaturlabor. Jeder<br />

ist eingeladen eigene literarische Texte vorzulesen,<br />

über die gehörten Texte konstruktiv zu diskutieren<br />

oder einfach nur zuzuhören. 20.30 Uhr. Fehrbelliner<br />

Straße 6, 10119 Berlin.<br />

Montag, 28. Mai<br />

Renaissance-Theater Lesung & Musik. Mascha<br />

Kaléko – „Du hörtest mein Gras wachsen“. 20 Uhr.<br />

Telefon: 030 – 312 42 02. Hardenbergstraße 6,<br />

10623 Berlin.<br />

<strong>Die</strong>nstag, 29. Mai<br />

Italienisches Kulturinstitut Lesung. Paolo Di<br />

Stefano – „Tra letteratura e giornalismo“ Paolo Di<br />

Stefano, Feuilletonist und Korrespondent des<br />

„Corriere della Sera“, situiert sich in der Tradition<br />

seiner Vorgänger Montale und Buzzati, alternierend<br />

zwischen Journalismus, Erzählung und Poesie.<br />

Moderation: Franco Sepe (Universität Potsdam).<br />

<strong>Die</strong> Lesung wird auf italienisch gehalten. 19 Uhr.<br />

Anmeldung: 030 – 269 94 10. Hildebrandstraße 2,<br />

10785 Berlin.<br />

Literaturwerkstatt Berlin Lesung. „open poems“ –<br />

das Finale. <strong>Die</strong> Ergebnisse der Schreibwerkstatt<br />

„open poems“ kommen auf die Bühne. Seit Oktober<br />

2006 treffen sich Schülerinnen und Schüler von 16–<br />

20 Jahren in der Literaturwerkstatt Berlin, um unter<br />

der Leitung des Autors Björn Kuhligk mit Sprache,<br />

Versen und verschiedenen poetischen Gattungen<br />

zu experimentieren. <strong>Die</strong> Nachwuchslyriker schrieben<br />

Gedichte zu den Themen Wasser, Jahreszeiten,<br />

Warten, sie verfassten Liebesgedichte, diskutierten<br />

ihre Texte und stellten sich der Kritik. open<br />

poems bot zudem Gelegenheit, allgemeine Fragen<br />

wie die nach dem Wesen des Gedichts, der<br />

Unterscheidung von Lyrik und Prosa, den<br />

„Geboten“ und „Verboten“ beim Schreiben von Lyrik<br />

zu erörtern. 5 / 3 €. 20 Uhr. Knaackstraße 97, 10435<br />

Berlin.<br />

<strong>Berliner</strong> Ensemble Lesung. Samuel Pepys – „<strong>Die</strong><br />

geheimen Tagebücher“. Gelesen von Hellmuth<br />

Karasek und Helmut Krausser. 20 Uhr. Foyer.<br />

Bertolt-Brecht-Platz 1, 10117 Berlin.<br />

Roter Salon Lesung. Carsten Otte – „Sanfte<br />

Illusionen“. „Carsten Otte erzählt von den<br />

Sehnsüchten und Illusionen einer kurstädtischen<br />

Klassengesellschaft. Er treibt seine Figuren in<br />

einen stürmischen Liebesreigen und beerdigt ganz<br />

nebenbei die alte Bundesrepublik.“ (Eichborn) 20<br />

Uhr. Rosa-Luxemburg-Platz, 10178 Berlin.<br />

Mittwoch, 30. Mai<br />

<strong>Berliner</strong> Büchertisch e.V. Lesung. Udo Ulfkotte –<br />

„Heiliger Krieg in Europa.“ „Jeder hat von Bin Laden<br />

und Al-Qaida gehört, doch die wenigsten wissen,<br />

welche Organisation das eigentliche Zentrum der<br />

Islamisten ist, die mit allen radikalen muslimischen<br />

Gruppierungen weltweit vernetzt ist: die 1928 in<br />

Ägypten von Hassan al-Banna gegründete<br />

Muslimbruderschaft. Seit Mitte der sechziger Jahre<br />

auch in Europa tätig, wurde erst vor kurzem ein so<br />

genannter Masterplan von 1982 gefunden, in dem<br />

präzise festgelegt ist, mit welchen legalen und<br />

illegalen sowie terroristischen Mitteln die Islamisten<br />

die westliche Kultur zerstören und ein Kalifat errichten<br />

wollen.“ (Eichborn) 10 / 5 €. 19 Uhr. Telefon:<br />

030 – 61 20 99 96. 2. Hof, Mehringdamm 51, 10961<br />

Berlin.<br />

Literaturforum im Brecht-Haus Buchvorstellung<br />

& Gespräch. Peter Bender – „Deutschlands<br />

Wiederkehr“. Der Journalist und Historiker Peter<br />

Bender hat erstmals die Geschichte der beiden<br />

deutschen Staaten zu einer Geschichte Deutschlands<br />

zusammengedacht. Er berücksichtigt die<br />

DDR im gleichen Maße wie die Bundesrepublik,<br />

seine Fragen gelten Deutschland, das „mehr ist als<br />

die Summe seiner Teile“. Als Zeitzeuge, der den gesamten<br />

Prozess beruflich mitverfolgt hat, gelingt<br />

ihm eine besonders lebendige und anschauliche<br />

Darstellung, durch die zahlreichen Anekdoten und<br />

Geschichten hinter der Geschichte, die der Autor<br />

mit den notwendigen Fakten verdichtet. Kenntnisreich<br />

und elegant bringt Peter Bender die komplexen<br />

geschichtlichen Sachverhalte auf den Punkt.<br />

Moderation: Frank Hörnigk. 20 Uhr. Chausseestraße<br />

125, 10115 Berlin.<br />

Literaturwerkstatt Berlin Diskussion. Der Mythos<br />

Gruppe 47. Podiumsdiskussion im Rahmen der<br />

Tage der deutschsprachigen Literatur 2007 mit Iris<br />

Radisch und <strong>Die</strong>ter Wellershoff. Zum 31. Mal wird<br />

sich Ende Juni der deutschsprachige Literaturbetrieb<br />

in Klagenfurt treffen. <strong>Die</strong> Gründer der Tage der<br />

deutschsprachigen Literatur beriefen sich immer<br />

wieder auf die Gruppe 47 als großes Vorbild. 1953<br />

war Ingeborg Bachmann eine der ersten Preisträgerinnen.<br />

<strong>Die</strong> Gruppe 47 tagte vor 60 Jahren, im<br />

September 1947, zum ersten Mal. Der Mythos um<br />

die Gruppe 47 ist auch heute noch ungebrochen.<br />

Günther Grass und Martin Walser, beide in diesem<br />

Jahr 80 und Mitglieder der Gruppe 47, wirbeln<br />

heute immer noch mehr Staub auf als viele jüngere.<br />

Ein Abend mit Zeitzeugen und Kritikern. 5 / 3 €. 20<br />

Uhr. Knaackstraße 97, 10435 Berlin.<br />

Donnerstag, 31. Mai<br />

Museen Dahlem Lesung & Gespräch. Arnold<br />

Stadler – „Komm wir gehen“. Lesung und Gespräch<br />

mit dem Autor. Eine Veranstaltung von Schleichers<br />

Buchhandlung. 10 / 5 €. 19.30 Uhr. Lansstraße 8,<br />

14195 Berlin.<br />

Literarisches Colloquium Lesung. Ilija Trojanow –<br />

„Nomade auf vier Kontinenten“. 20 Uhr.<br />

Sandwerder 5, 14109 Berlin.<br />

Buchhändlerkeller Wolfgang Schlüter – „Anmut<br />

und Gnade“. 20.30 Uhr. Carmerstraße 1, 10623<br />

Berlin.<br />

RAW-Tempel Lesung. Chaussee der Enthusiasten.<br />

<strong>Die</strong> schönsten Schriftsteller Berlins lesen was. 4 €.<br />

21 Uhr. Revaler Straße 99, 10245 Berlin.<br />

Aktuelle Veranstaltungshinweise für den Monat Juni unter:<br />

www.berlinerliteraturkritik.de<br />

4. Dezember 2006<br />

15


Tinte gibt’s<br />

im Kaufhaus.<br />

Blut nicht.<br />

Termine und Infos 0800 11 949 11 oder www.DRK.de

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