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153 Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leserinnen und Leser,

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Betriebsverfassungs- /<br />

Personalvertretungsrecht<br />

319. Betriebsrat, Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten,<br />

Reisezeiten unterliegen nicht der Mitbestimmung<br />

der Arbeitszeit<br />

Im Arbeitszeitgesetz ist der Begriff der Reisezeit nicht definiert.<br />

Auch außerhalb des genannten Gesetzes gibt es für<br />

den Bereich des Arbeitsrechts keine gesetzliche Definition<br />

der Reisezeit. In der Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur wird allgemein<br />

zwischen Wegezeiten <strong>und</strong> Dienstreisezeiten differenziert<br />

(vgl. Baeck/Deutsch, ArbZG, 2. Auflage, § 2 Rn 68; BAG,<br />

Urt. v. 22.2.1978–4 AZR 579/76 – AP Nr. 3 zu § 17 BAT; BAG,<br />

Beschluss v. 23.7.1996–1 ABR 17/96 –). Unter einer Dienstreise<br />

wird gemeinhin die Fahrt an einen Ort verstanden, an<br />

dem ein Dienstgeschäft zu erledigen ist; als Wegezeit gilt die<br />

Zeit, die aufgewendet wird für die Fahrt von der Betriebsstätte<br />

zu einer außerhalb der Betriebsstätte gelegenen Arbeitsstätte<br />

<strong>und</strong> zurück (BAG, Urt. v. 22.2.1978–4 AZR 579/76 –<br />

AP Nr. 3 zu § 17 BAT) oder die Zeit, die der Arbeitnehmer<br />

von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte <strong>und</strong> zurück aufwenden<br />

muss (BAG, Urt. v. 8.12.1960–5 AZR 304/58 –). Die zuletzt<br />

genannte Wegezeit wird ausschließlich der privaten Sphäre<br />

zugeordnet <strong>und</strong> gilt deshalb als Ruhezeit, denn der Arbeitnehmer<br />

nimmt die Arbeit erst an seinem Arbeitsplatz auf.<br />

Insoweit besteht weder ein Vergütungsanspruch noch wird<br />

ein Mitbestimmungsrecht ausgelöst. Betriebsbedingte Wegezeiten<br />

hingegen werden als vergütungspflichtige Arbeitszeit<br />

<strong>und</strong> auch als solche i. S. des Arbeitszeitschutzes angesehen<br />

(BAG, Beschluss v. 23.7.1996, a. a. O.). Bei Dienstreisen wird<br />

jedoch unterschieden: Hat der Arbeitnehmer während der<br />

Fahrt eine Arbeitsaufgabe zu erfüllen (etwa als Sekretär oder<br />

Teilnehmer einer Besprechung) oder ist er jedenfalls zu einer<br />

belastenden Tätigkeit verpflichtet (etwa zum Lenken eines<br />

Fahrzeugs), dann wird die Reisezeit als Arbeitszeit gewertet.<br />

Ist die Reisezeit hingegen mit keiner zusätzlichen Belastung<br />

verb<strong>und</strong>en, soll es sich nicht um Arbeitszeit handeln (vgl. BAG,<br />

Urt. v. 22.2.1978– 4 AZR 579/76 –). Ob es sich bei betriebsbedingten<br />

Reisezeiten um Arbeitszeiten oder arbeitsfreie Zeiten<br />

handelt, ist demnach mit Hilfe der Beanspruchungstheorie zu<br />

beantworten (Baeck/Deutsch, a. a. O., Rn 73).<br />

Der Begriff der Arbeitszeit i. S. von § 87 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 BetrVG<br />

ist allerdings nicht deckungsgleich mit dem Begriff der vergütungspflichtigen<br />

Arbeitszeit <strong>und</strong> der Arbeitszeit i. S. des Arbeitszeitschutzes.<br />

Er bestimmt sich vielmehr nach dem Zweck<br />

des Mitbestimmungsrechts. Die Beteiligung des Betriebsrats<br />

nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG soll die Interessen der Arbeitnehmer<br />

an einer sinnvollen Arbeitszeit- <strong>und</strong> Freizeiteinteilung<br />

<strong>und</strong> -gestaltung schützen (BAG, Beschluss v. 21.12.1982–1<br />

ABR 14/81 –; BAG, Beschluss v. 15.12.1992–1 ABR 38/92 –;<br />

BAG, Beschluss v. 23.7.1996, a. a. O.). Zweck des Mitbestimmungsrechts<br />

bei der Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit<br />

nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist es, die Interessen der<br />

03/06<br />

Rechtsprechung<br />

Personalvertretungsrecht<br />

Arbeitnehmer bei der Anordnung zusätzlicher Arbeitsleistungen<br />

zur Geltung zu bringen. Dazu gehört neben der Frage,<br />

ob die Arbeitszeit überhaupt verlängert werden soll, vor allem<br />

auch eine gerechte Verteilung der mit der Leistung von Überst<strong>und</strong>en<br />

verb<strong>und</strong>enen Belastungen <strong>und</strong> Vorteile. Ausgehend<br />

von diesem Regelungszweck hat das B<strong>und</strong>esarbeitsgericht als<br />

Arbeitszeit i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG auch die sog. Rufbereitschaft<br />

angesehen. Während dieser erbringt der Arbeitnehmer<br />

zwar keine eigentliche Arbeitsleistung, er muss sich<br />

aber zur jederzeitigen Arbeitsaufnahme bereithalten. Bei Aufstellung<br />

eines Rufbereitschaftsplans wurde deshalb ein Mitbestimmungsrecht<br />

bejaht (BAG, Urteil vom 21.12.1982, AP Nr. 9<br />

zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit).<br />

Der vorliegende Fall ist jedoch mit einer Rufbereitschaft nicht<br />

vergleichbar. Dem Beteiligten zu 1. ist zwar zuzugeben, dass<br />

durch die angeordnete Fahrt zum auswärtigen Dienstort der<br />

betreffende Arbeitnehmer in seiner Freizeitgestaltung eingeschränkt<br />

wird. Dies reicht aber für ein Mitbestimmungsrecht<br />

nach § 87 Abs. 1 Ziff. 2 u. 3 BetrVG nicht aus. Dies hat das<br />

B<strong>und</strong>esarbeitsgericht (Beschluss v. 23.6.1996, a. a. O.) berücksichtigt,<br />

als es angenommen hat, das auch während der Rufbereitschaft<br />

keine eigentliche Arbeitsleistung erbracht wird<br />

<strong>und</strong> die Beschränkungen hinsichtlich der Freizeitgestaltung<br />

in der Regel eher geringer als bei Dienstreisen sind, da der<br />

Arbeitnehmer sich im gewohnten Lebensbereich aufhalten<br />

kann. Die Rufbereitschaft ist aber unmittelbar auf die Arbeitsleistung<br />

bezogen. Sie bringt zeitlich nicht voraussehbare, aber<br />

in der Tätigkeit angelegte <strong>und</strong> auch zusätzlich Arbeitseinsätze<br />

mit sich. Wegen der Unvorhersehbarkeit dieser Einsätze <strong>und</strong><br />

der Notwendigkeit der unverzüglichen Arbeitsaufnahme ist es<br />

gerechtfertigt, für die Mitbestimmung des Betriebsrats schon<br />

auf die Vorstufe der Arbeitsbereitschaft abzustellen. Insoweit<br />

geht es letztlich auch hier um eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit,<br />

nämlich darum, wie die Arbeitnehmer zur Leistung<br />

zusätzlicher Arbeiten heranzuziehen sind (BAG, a. a. O.).<br />

Im Übrigen wäre noch zu beachten, wenn man allein die<br />

mit einer Reise verb<strong>und</strong>ene Beschränkung der privaten Lebensgestaltung<br />

ausreichen lassen würde: Um die Reisezeit<br />

der Arbeitszeit im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne immer<br />

gleichzusetzen, müsste dies nicht nur für die Fahrzeit gelten,<br />

sondern auch für jeden erforderlichen Aufenthalt am auswärtigen<br />

Dienstort, z. B. auch für Übernachtungen. Folgerichtig<br />

wäre die gesamte am auswärtigen Dienstort verbrachte<br />

Zeit als Arbeitszeit i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 BetrVG<br />

anzusehen. Dies kann aber nicht gewollt sein (BAG, a. a. O.).<br />

Dem schließt sich die Kammer an. Es besteht im Ausgangsfall<br />

auch keine Veranlassung, insoweit von der bisherigen Rechtsprechung<br />

abzuweichen.<br />

■ Sächsisches Landesarbeitsgericht<br />

vom 12. Juli 2005, 7 TaBV 7/04<br />

eingereicht von Rechtsanwalt Roland Gross, Christianstraße<br />

27, 04105 Leipzig, Tel: 0341/98462–0, Fax: 0341/98462–24<br />

leipzig@advo-gross.de; www.advo-gross.de<br />

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