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153 Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leserinnen und Leser,

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Rechtsprechung<br />

Kündigungsschutzrecht<br />

291. Auflösungsantrag des Arbeitgebers, Leiter der internen<br />

Revision, mangelnde Eignung bei Verkennung der<br />

Sorgfaltspflichten<br />

Erklärt der Leiter der internen Revision eines Konzerns in seinem<br />

Kündigungsschutzprozess, er habe bei einer Kassenprüfung<br />

einer Konzerngesellschaft nur die rechnerische Übereinstimmung<br />

zwischen Kassenbestand <strong>und</strong> Kassenbuch festgestellt,<br />

dagegen sei es nicht seine Aufgabe gewesen, eine<br />

kurz vor der Prüfung ausgestellte Quittung über eine Barauszahlung<br />

an den Geschäftführer der Konzerngesellschaft,<br />

auf der kein Verwendungszweck angegeben worden sei, auf<br />

ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen, so kann dies auf eine<br />

fehlende Eignung schließen lassen <strong>und</strong> jedenfalls einen Auflösungsantrag<br />

rechtfertigen.<br />

■ Landesarbeitsgericht Köln<br />

vom 19. April 2005, 9 (6) Sa 1059/04, Nichtzulassungsbeschwerde<br />

eingelegt zum AZ 2 AZN 727/05<br />

292. Außerordentliche Kündigung, verhaltensbedingt, Beleidigung<br />

durch Betriebsratsmitglied als „Sklaventreiber“,<br />

§ 103 BetrVG, Bedeutung einer Entschuldigung<br />

Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Zustimmung des<br />

Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung seines Mitgliedes<br />

A. Der am 6. Juni 1970 geborene, verheiratete <strong>und</strong> 2<br />

Kindern gegenüber unterhaltspflichtige Beteiligte zu 3 ist seit<br />

dem 1. Juli 1998 im Betrieb der Antragstellerin <strong>und</strong> Beteiligten<br />

zu 1 in Heppenheim als Linienhandwerker in der Abteilung<br />

Technik beschäftigt <strong>und</strong> als stellvertretender Vorsitzender Mitglied<br />

des dort gewählten Betriebsrats, des Beteiligten zu 2. In<br />

dem Betrieb sind r<strong>und</strong> 90 Arbeitnehmer tätig.<br />

In der Zeit vom 1. August 2005 bis zum 12. August 2005 waren<br />

bei der Antragstellerin in Abstimmung mit dem Betriebsrat<br />

Betriebsferien vorgesehen. Tatsächlich wurde bei der Antragstellerin<br />

am 10. August 2005 produziert. An diesem Tag kam<br />

es in der Kantine zwischen A. <strong>und</strong> der stellvertretenden Produktionsleiterin<br />

S. zu einem Streitgespräch, nachdem S. die<br />

Linienhandwerker zur Rede stellte, weil sie gemeinsam ihre<br />

Pause nahmen.<br />

Dabei sprachen sich A. <strong>und</strong> S. gegenseitig mit „Du“ an. Die<br />

Antragstellerin behauptet, A. habe S. angeschrien, sie solle<br />

künftig die Linie abstellen, da insgesamt Betriebsferien seien.<br />

Daraufhin habe S. geäußert, A. rege sich nur auf, weil die<br />

Mitarbeiter <strong>und</strong> Mitarbeiterinnen freiwillig zum Arbeiten gekommen<br />

seien. Hierauf habe A. erklärt, die Mitarbeiter, die<br />

freiwillig erschienen seien, seien doch alle blöde, S. sei keine<br />

Produktionsleiterin <strong>und</strong> beschimpfte sie wörtlich als „Sklaventreiber“.<br />

Hierauf habe S. erwidert, der Betriebsrat wolle nur das<br />

Unternehmen kaputt machen <strong>und</strong> habe die Kantine verlassen.<br />

2. Der Antragstellerin steht kein wichtiger Gr<strong>und</strong> i. S.d. § 626<br />

Abs. 1 BGB zur Seite. Insofern kann dahinstehen, ob der von<br />

ihr behauptete Verlauf des Gesprächs des Beteiligten zu 3<br />

mit S. zutrifft. Auch wenn man ihn als wahr unterstellt, liegt<br />

190 03/06<br />

in den vom Beteiligten zu 3 getätigten Äußerungen kein die<br />

außerordentliche Kündigung rechtfertigender Gr<strong>und</strong>.<br />

2.1. Den Vortrag der Antragstellerin zugr<strong>und</strong>e legend hat<br />

der Beteiligte zu 3 hier zwar seine das Arbeitsverhältnis betreffenden<br />

Pflichten, nämlich die Nebenpflicht, den Betriebsfrieden<br />

nicht zu stören, schuldhaft verletzt. Die Beleidigung<br />

von Vorgesetzten stellt dann, wenn sie nach Form <strong>und</strong> Inhalt<br />

eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeutet,<br />

einen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus<br />

dem Arbeitsverhältnis dar (BAG, Urt. v. 21. Januar 1999–2 AZR<br />

665/98 – RdA 2000, 109, 110; 26. Mai 1977–2 AZR 632/76 – AP<br />

Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Die Bezeichnung<br />

einer Vorgesetzten als „Sklaventreiberin“ stellt eine Formalbeleidigung<br />

dar, die als solche nicht den Schutz der Meinungsfreiheit,<br />

Art. 5 GG genießt. Dem Vorgesetzten wird mit der<br />

Bezeichnung als „Sklaventreiber“ unterstellt, er missachte in<br />

massiver Weise nicht nur Arbeitnehmerrechte, sondern Menschenrechte<br />

schlechthin. Dies hält sich nicht mehr innerhalb<br />

einer, sei es auch polemischen, Meinungsk<strong>und</strong>gabe, sondern<br />

stellt eine Aberkennung des sozialen Achtungsanspruchs des<br />

Vorgesetzten dar.<br />

2.2. Es fehlt jedoch an der auf der zweiten Stufe zu prüfenden<br />

Erforderlichkeit der Kündigung. Eine negative Prognose<br />

für den zukünftigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses folgt hier<br />

weder aus dem Bestehen einer Wiederholungsgefahr noch<br />

aus einer irreparablen Störung des Betriebsfriedens, die einer<br />

gedeihlichen zukünftigen Zusammenarbeit entgegenstünde.<br />

Maßgeblicher Zeitpunkt für die anzustellende Prognose ist<br />

insofern im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG, anders als im<br />

Kündigungsschutzverfahren, der Schluss der letzten mündlichen<br />

Verhandlung. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin<br />

in diesem Zeitpunkt damit rechnen musste, A. werde<br />

(auch) zukünftig Beleidigungen gegen Vorgesetzte aussprechen,<br />

ergeben sich aus der Akte nicht. A. bestreitet die fragliche<br />

Äußerung gemacht zu haben, verteidigt sie also nicht<br />

etwa als angemessen. Dass es bereits früher zu vergleichbaren<br />

Pflichtverletzungen wie der nun behaupteten kam, sagt auch<br />

die Antragstellerin nicht.<br />

Allein aus der – unterstellten – einmaligen Bezeichnung der<br />

S. kann nach den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht<br />

auf eine zukünftige Belastung des Arbeitsverhältnisses zwischen<br />

der Antragstellerin <strong>und</strong> A. geschlossen werden. Zum<br />

einen handelt es sich um eine Äußerung, die in einem – unabhängig<br />

vom konkreten Gesprächsverlauf – unstreitig von beiden<br />

Seiten emotional <strong>und</strong> heftig geführten Disput fiel. Auch<br />

nach dem Vortrag der Antragstellerin griff S. den A. vor der<br />

behaupteten Äußerung persönlich an, indem sie ihm unsachliche<br />

Motive für seine Kritik an der Fortführung der Produktion<br />

unterstellte, nämlich persönliche Verärgerung darüber, dass<br />

so viele Mitarbeiter freiwillig erschienen seien. Nur hinsichtlich<br />

des Zeitpunkts innerhalb des Gesprächs streitig äußerte<br />

S. zudem, der Betriebsrat wolle das Unternehmen kaputt machen,<br />

erhob ihrerseits also massive <strong>und</strong> rechtfertigungsbedürftige<br />

Vorwürfe.

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