153 Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leserinnen und Leser,
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Rechtsprechung Allgemeines Vertragsrecht 178 03/06
266. Betriebliche Altersversorgung, Auslegung einer Anpassungsklausel Die Klausel eines Ruhevertrages, mit dem Wortlaut „bei Erhöhung oder Ermäßigung des Tarifgehalts T6/4 des Tarifvertrags für die Angestellten in der Metallindustrie Nord-Württemberg/Nord-Baden erhöhen bzw. ermäßigen sich entsprechend das Ruhegehalt, das Witwengeld und die Waisenrente“, umfasst keine Sonder- und Einmalzahlungen. Dies ergibt sich aus der Auslegung der Klausel gemäß §§ 133, 157 BGB im Hinblick auf deren objektiven Erklärungsgehalt ausgehend vom Wortlaut der Klausel. Die Vertragsparteien haben nicht geregelt, dass sich Erhöhungen oder Ermäßigungen „des Tarifgehalts“ und damit aller tarifvertraglich geregelten Gehaltsbestandteile auf das Ruhegehalt des Klägers auswirken sollen, sondern dass entsprechende Änderungen „des Tarifgehalts T6/4 des Tarifvertrages“, dem nach den jeweils geltenden Gehaltstabellen immer konkrete Geldbeträge zugeordnet waren, maßgeblich sein sollen. Dies legt die Auslegung nahe, dass die Vertragsparteien ausschließlich an Veränderungen des Tabellenwertes, den der jeweils gültige Gehaltstarifvertrag für das 4. Beschäftigungsjahr der Tarifgruppe T6 ausweist, anknüpfen wollten. Hierfür spricht auch die Verwendung des Singular („des Tarifvertrages“), womit die Vertragsparteien gerade nicht auf sämtliche Tarifverträge der Metallindustrie verwiesen haben. Gegen eine weitergehende Auslegung spricht auch, dass der maßgebliche Ruhegehaltsvertrag im vorliegenden Fall bereits 1979 und damit lange Zeit vor der erstmaligen Vereinbarung von Einmalzahlungen in der Metallindustrie geschlossen wurde. Auch die Interessenlage der Parteien bei Abschluss des Ruhegehaltsvertrags und der damit verfolgte Regelungszweck sprechen für die Auffassung der Beklagten. Die Beklagte hat mit der Regelung, die Entwicklung des Ruhegehalts solle sich entsprechend dem Tarifgehalt T6/4 entwickeln, aus guten Gründen einen ohne Schwierigkeiten zu ermittelnden Tabellenwert zur Basis der erforderlichen Berechnungen gemacht. Sie wollte damit klare Verhältnisse schaffen, was, wie die Erfahrung mit Spannungsklauseln lehrt, unerlässlich ist. ■ Arbeitsgericht Stuttgart vom 8. September 2005, 35 Ca 2814/05, Berufung wurde eingelegt eingereicht von Rechtsanwalt Jürgen Schmitt, Friedrichstraße 5 (Zeppelin Carré), 70174 Stuttgart, Tel: 0711/22 41 99–0, Fax: 0711/22 41 99–79, www.shp-anwaltskanzlei.de; kanzlei@shp-anwaltskanzlei.de 267. Betriebsübergang, Beschäftigungsanspruch, formelle Voraussetzungen, Nachweis des Betriebsübergangs einer Steuerberatungsgesellschaft 1. Die Rechtskraft des in einem Kündigungsrechtsstreits ergangenen Urteils umfasst nicht den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Beschäftigung, da er einen anderen 03/06 Rechtsprechung Allgemeines Vertragsrecht prozessualen Anspruch darstellt. Gegenstand der Kündigungsschutzklage ist (nur) die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis aus Anlass einer ganz bestimmten Kündigung aufgelöst worden ist oder nicht. 2. Es bedarf neben der Beschäftigungsklage keiner zusätzlichen Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf den Beklagten übergegangen ist und mit diesem zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht. Vielmehr ist der Betriebsübergang als Vorfrage im Beschäftigungsprozess zu prüfen (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 13. Juni 1985–2 AZR 410/84). 3. Zu den maßgeblichen Kriterien für die Feststellung eines Betriebsübergangs gehören nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts: – die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, – der Übergang oder Nichtübergang der materiellen Betriebsmittel, – der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs, – die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, – der etwaige Übergang der Kundschaft, – der Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit und – die Dauer einer evtl. Unterbrechung dieser Tätigkeit. Dabei brauchen nicht alle Kriterien erfüllt zu sein, um einen Betriebsübergang anzunehmen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Anschluss an EuGH vom 11.3.97 – RS C-13/95; zuletzt EuGH, Urteil vom 15.12.2005 – C 232/04 und C 233/04, BAG, Urteil vom 24.5.2005 – 8 AZR 333/04 –). 4. Für die Frage des Vorliegens eines Betriebsübergangs kann sich der Arbeitnehmer auf den Beweis des ersten Anscheins berufen, wenn er darlegt, dass der in Anspruch Genommene nach einer Einstellung des Geschäftsbetriebes durch den bisherigen Inhaber die wesentlichen Betriebsmittel verwendet, um einen gleichartigen Geschäftsbetrieb zu führen (vgl. BAG, Urteil vorn 15.5.85–5 AZR 276/84; HWK/Willemsen / Müller-Bonanni, Arbeitsrechtskommentar, § 613a BGB Rn 375). 5. Ob neben den Büroräumen auch die komplette Büroeinrichtung und sämtliche Arbeitsmittel übertragen worden sind, kann dahinstehen. Bei Dienstleistungsbetrieben kann nur begrenzt auf sächliche Betriebsmittel abgestellt werden. Im Mittelpunkt stehen hier vor allem die immateriellen Betriebsmittel wie der Kundenstamm, die Kundenlisten, die Geschäftsbeziehungen zu Dritten und das Know-how des Betriebes, die Fachkenntnisse einzelner Mitarbeiter, die Einführung des Unternehmens am Markt. Die Ausstattung des Betriebes mit technischen Einrichtungen und Büromaterial tritt in ihrer Bedeutung zurück. Bei Dienstleistungsunternehmen, die üblicherweise mit ihren Kunden längerfristige Verträge abschließen, wie z. B. in der Steuerkanzlei Mandantenverträge, gehören die Beziehungen zu den Kunden zu den wesentlichen immateriellen Betriebsmitteln. Die Übertra- 179
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266. Betriebliche Altersversorgung, Auslegung einer Anpassungsklausel<br />
Die Klausel eines Ruhevertrages, mit dem Wortlaut „bei<br />
Erhöhung oder Ermäßigung des Tarifgehalts T6/4 des<br />
Tarifvertrags für die Angestellten in der Metallindustrie<br />
Nord-Württemberg/Nord-Baden erhöhen bzw. ermäßigen<br />
sich entsprechend das Ruhegehalt, das Witwengeld <strong>und</strong> die<br />
Waisenrente“, umfasst keine Sonder- <strong>und</strong> Einmalzahlungen.<br />
Dies ergibt sich aus der Auslegung der Klausel gemäß §§ 133,<br />
157 BGB im Hinblick auf deren objektiven Erklärungsgehalt<br />
ausgehend vom Wortlaut der Klausel.<br />
Die Vertragsparteien haben nicht geregelt, dass sich Erhöhungen<br />
oder Ermäßigungen „des Tarifgehalts“ <strong>und</strong> damit<br />
aller tarifvertraglich geregelten Gehaltsbestandteile auf das<br />
Ruhegehalt des Klägers auswirken sollen, sondern dass<br />
entsprechende Änderungen „des Tarifgehalts T6/4 des<br />
Tarifvertrages“, dem nach den jeweils geltenden Gehaltstabellen<br />
immer konkrete Geldbeträge zugeordnet waren,<br />
maßgeblich sein sollen. Dies legt die Auslegung nahe, dass<br />
die Vertragsparteien ausschließlich an Veränderungen des<br />
Tabellenwertes, den der jeweils gültige Gehaltstarifvertrag<br />
für das 4. Beschäftigungsjahr der Tarifgruppe T6 ausweist,<br />
anknüpfen wollten. Hierfür spricht auch die Verwendung des<br />
Singular („des Tarifvertrages“), womit die Vertragsparteien<br />
gerade nicht auf sämtliche Tarifverträge der Metallindustrie<br />
verwiesen haben. Gegen eine weitergehende Auslegung<br />
spricht auch, dass der maßgebliche Ruhegehaltsvertrag im<br />
vorliegenden Fall bereits 1979 <strong>und</strong> damit lange Zeit vor<br />
der erstmaligen Vereinbarung von Einmalzahlungen in der<br />
Metallindustrie geschlossen wurde. Auch die Interessenlage<br />
der Parteien bei Abschluss des Ruhegehaltsvertrags <strong>und</strong> der<br />
damit verfolgte Regelungszweck sprechen für die Auffassung<br />
der Beklagten. Die Beklagte hat mit der Regelung, die<br />
Entwicklung des Ruhegehalts solle sich entsprechend dem<br />
Tarifgehalt T6/4 entwickeln, aus guten Gründen einen ohne<br />
Schwierigkeiten zu ermittelnden Tabellenwert zur Basis der<br />
erforderlichen Berechnungen gemacht. Sie wollte damit klare<br />
Verhältnisse schaffen, was, wie die Erfahrung mit Spannungsklauseln<br />
lehrt, unerlässlich ist.<br />
■ Arbeitsgericht Stuttgart<br />
vom 8. September 2005, 35 Ca 2814/05, Berufung wurde eingelegt<br />
eingereicht von Rechtsanwalt Jürgen Schmitt, Friedrichstraße<br />
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267. Betriebsübergang, Beschäftigungsanspruch, formelle<br />
Voraussetzungen, Nachweis des Betriebsübergangs<br />
einer Steuerberatungsgesellschaft<br />
1. Die Rechtskraft des in einem Kündigungsrechtsstreits<br />
ergangenen Urteils umfasst nicht den vom Kläger geltend<br />
gemachten Anspruch auf Beschäftigung, da er einen anderen<br />
03/06<br />
Rechtsprechung<br />
Allgemeines Vertragsrecht<br />
prozessualen Anspruch darstellt. Gegenstand der Kündigungsschutzklage<br />
ist (nur) die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis<br />
aus Anlass einer ganz bestimmten Kündigung aufgelöst<br />
worden ist oder nicht.<br />
2. Es bedarf neben der Beschäftigungsklage keiner zusätzlichen<br />
Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zu einem<br />
bestimmten Zeitpunkt auf den Beklagten übergegangen<br />
ist <strong>und</strong> mit diesem zu unveränderten Arbeitsbedingungen<br />
fortbesteht. Vielmehr ist der Betriebsübergang als Vorfrage im<br />
Beschäftigungsprozess zu prüfen (vgl. dazu: BAG, Urteil vom<br />
13. Juni 1985–2 AZR 410/84).<br />
3. Zu den maßgeblichen Kriterien für die Feststellung eines<br />
Betriebsübergangs gehören nach der Rechtsprechung des<br />
Europäischen Gerichtshofes <strong>und</strong> des B<strong>und</strong>esarbeitsgerichts:<br />
– die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs,<br />
– der Übergang oder Nichtübergang der materiellen Betriebsmittel,<br />
– der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs,<br />
– die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft,<br />
– der etwaige Übergang der K<strong>und</strong>schaft,<br />
– der Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor <strong>und</strong> nach dem<br />
Übergang verrichteten Tätigkeit <strong>und</strong><br />
– die Dauer einer evtl. Unterbrechung dieser Tätigkeit.<br />
Dabei brauchen nicht alle Kriterien erfüllt zu sein, um einen<br />
Betriebsübergang anzunehmen (ständige Rechtsprechung<br />
des B<strong>und</strong>esarbeitsgerichts im Anschluss an EuGH vom<br />
11.3.97 – RS C-13/95; zuletzt EuGH, Urteil vom 15.12.2005 –<br />
C 232/04 <strong>und</strong> C 233/04, BAG, Urteil vom 24.5.2005 – 8 AZR<br />
333/04 –).<br />
4. Für die Frage des Vorliegens eines Betriebsübergangs<br />
kann sich der Arbeitnehmer auf den Beweis des ersten<br />
Anscheins berufen, wenn er darlegt, dass der in Anspruch<br />
Genommene nach einer Einstellung des Geschäftsbetriebes<br />
durch den bisherigen Inhaber die wesentlichen Betriebsmittel<br />
verwendet, um einen gleichartigen Geschäftsbetrieb<br />
zu führen (vgl. BAG, Urteil vorn 15.5.85–5 AZR 276/84;<br />
HWK/Willemsen / Müller-Bonanni, Arbeitsrechtskommentar,<br />
§ 613a BGB Rn 375).<br />
5. Ob neben den Büroräumen auch die komplette Büroeinrichtung<br />
<strong>und</strong> sämtliche Arbeitsmittel übertragen worden<br />
sind, kann dahinstehen. Bei Dienstleistungsbetrieben kann<br />
nur begrenzt auf sächliche Betriebsmittel abgestellt werden.<br />
Im Mittelpunkt stehen hier vor allem die immateriellen<br />
Betriebsmittel wie der K<strong>und</strong>enstamm, die K<strong>und</strong>enlisten,<br />
die Geschäftsbeziehungen zu Dritten <strong>und</strong> das Know-how<br />
des Betriebes, die Fachkenntnisse einzelner Mitarbeiter, die<br />
Einführung des Unternehmens am Markt. Die Ausstattung des<br />
Betriebes mit technischen Einrichtungen <strong>und</strong> Büromaterial<br />
tritt in ihrer Bedeutung zurück. Bei Dienstleistungsunternehmen,<br />
die üblicherweise mit ihren K<strong>und</strong>en längerfristige<br />
Verträge abschließen, wie z. B. in der Steuerkanzlei Mandantenverträge,<br />
gehören die Beziehungen zu den K<strong>und</strong>en zu<br />
den wesentlichen immateriellen Betriebsmitteln. Die Übertra-<br />
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