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153 Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leserinnen und Leser,

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en rechtfertigen würde. Jedenfalls fehlt es an einer besonderen,<br />

die Interessen der Beklagten überwiegenden Dringlichkeit<br />

an der begehrten Unterlassung.<br />

■ Arbeitsgericht Stuttgart<br />

vom 14. Oktober 2005, 18 Ga 110/05, rkr.<br />

eingereicht von Rechtsanwalt Jürgen Schmitt, Friedrichstraße<br />

5 (Zeppelin Carré), 70174 Stuttgart, Tel: 0711/22 41 99–0,<br />

Fax: 0711/22 41 99–79,<br />

www.shp-anwaltskanzlei.de, kanzlei@shp-anwaltskanzlei.de<br />

259. Aufhebungsvertrag, Anforderungen an die Schriftform,<br />

Treu <strong>und</strong> Glauben, widersprüchliches Verhalten<br />

1. Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen begründete<br />

Arbeitsverhältnis zum 31.3.2004 aufgelöst worden<br />

ist.<br />

Am 30.12.2003 schickte der Kläger seinem Vorgesetzten M.<br />

eine E-Mail, in der er mitteilte, er habe vor, die Beklagte<br />

zum 31.3.2004 zu verlassen. Er habe ein mehr als attraktives<br />

Angebot erhalten <strong>und</strong> werde dieses zu 100 % annehmen. Er<br />

werde die Schreiben, die für die Kündigung nötig sind, in der<br />

nächsten Woche auf den Weg bringen <strong>und</strong> hoffe, dass ihm<br />

diesbezüglich keine Steine in den Weg gelegt werden.<br />

Unter dem 21. Januar 2004 schrieb die Beklagte dem Kläger,<br />

sie habe die E-Mail erhalten <strong>und</strong> vermerkt, dass er zum<br />

31.3.2004 ausscheiden werde, um eine neue Position anzunehmen.<br />

Der Kläger setzte am 21.1.2004 handschriftlich die Worte<br />

„Geht in Ordnung“ unter diesen Brief <strong>und</strong> unterzeichnete.<br />

Anlässlich einer Abteilungsleiterversammlung im Januar 2004<br />

bekräftigte der Kläger gegenüber seinem Vorgesetzten in<br />

Anwesenheit seiner Arbeitskollegen, er werde zum März<br />

ausscheiden.<br />

Am 31.3.2004 übergab der Kläger in Hannover seine Arbeitsmittel,<br />

insbesondere den Dienstwagen, seine Werkzeuge usw.<br />

an seinen Vorgesetzten.<br />

Mit Wirkung vom 1.4.2004 meldete er sich arbeitslos.<br />

Unter dem 27.5.2004 forderte der Kläger die Beklagte über<br />

seinen Prozessbevollmächtigten bei Ankündigung von Schadensersatzansprüchen<br />

auf, eine geänderte Arbeitsbescheinigung<br />

auszustellen <strong>und</strong> in dieser auszuweisen, dass er aus<br />

betriebsbedingten Gründen aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden<br />

sei.<br />

Bei der Überprüfung seines Antrags auf Zahlung von Arbeitslosengeld<br />

wurde der Kläger seitens der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit<br />

nach seiner Eigenkündigung gefragt. Er fingierte sodann<br />

ein Kündigungsschreiben <strong>und</strong> legte es der B<strong>und</strong>esagentur für<br />

Arbeit vor.<br />

2. Das Arbeitsverhältnis ist jedoch durch einen Aufhebungsvertrag<br />

vom 21.1.2004 aufgelöst worden.<br />

a) Wesentlicher Inhalt des Aufhebungsvertrages ist die<br />

einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu einem<br />

bestimmten zukünftigen Termin (vgl. Wank, Münchener<br />

Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2000, § 115 Rn 17).<br />

Ein solcher Aufhebungsvertrag liegt hier in der Vereinbarung<br />

03/06<br />

Rechtsprechung<br />

Allgemeines Vertragsrecht<br />

vom 21.1.2004. Zwar teilt die Beklagte dem Kläger zunächst<br />

mit, man habe von Herrn M. die E-Mail vom 30.12.2003 erhalten<br />

<strong>und</strong> vermerkt, dass er zum 31.3.2004 aus der Gesellschaft<br />

ausscheide. Damit bringt die Beklagte unter Bezugnahme auf<br />

gerade jene E-Mail, mit der der Kläger seinen Abkehrwillen<br />

mitgeteilt hatte, unmissverständlich ihrerseits ihr Einverständnis<br />

mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck.<br />

Diese Erklärung ist nichts anderes als das Angebot zum<br />

Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Dieses Angebot hat<br />

der Kläger dadurch angenommen, dass er es gegengezeichnet<br />

<strong>und</strong> hinzugefügt hat: „Geht in Ordnung“. Damit haben<br />

beide Parteien in einer Vertragsurk<strong>und</strong>e bek<strong>und</strong>et, dass das<br />

Arbeitsverhältnis zum 31.3.2004 aufgelöst werden soll.<br />

b) Dieser Aufhebungsvertrag ist auch nicht deshalb unwirksam,<br />

weil es an der nach § 623 BGB erforderlichen Schriftform<br />

fehlen würde.<br />

Die Ausgestaltung des Schriftformerfordernisses bestimmt<br />

sich nach § 126 BGB. Notwendig ist, dass die Urk<strong>und</strong>e<br />

eigenhändig unterschrieben wird (§ 126 Abs. 1 S. 1 BGB).<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich muss die Unterzeichnung der Parteien auf<br />

derselben Urk<strong>und</strong>e erfolgen (§ 126 Abs. 2 S. 1 BGB.<br />

Umstritten ist, ob es ausreicht, wenn die eine Partei das<br />

Angebot unterzeichnet <strong>und</strong> die andere Partei die Annahme<br />

erklärt (ablehnend: ErfK/Müller-Gloege, a.a.0. Rn 23 m.w.H.).<br />

Unter Beachtung von Sinn <strong>und</strong> Zweck des gesetzlichen Formerfordernisses<br />

muss es jedoch als ausreichend angesehen<br />

werden, wenn die Unterzeichnung des Angebotes durch<br />

eine Partei <strong>und</strong> die Annahme ohne Änderungen durch die<br />

andere Partei durch Unterzeichnung auf derselben Urk<strong>und</strong>e<br />

erfolgt, etwa auch mit einem Zusatz „einverstanden“ (vgl.<br />

BGH, v. 14.7.2004 – XII ZR 68/02, NJW 2004, 2962; Hessisches<br />

Landesarbeitsgericht, Urt. v. 16.3.2004, 2 Sa 1771/04 – n.v.,<br />

zitiert nach juris).<br />

Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht<br />

an. Hiernach liegt ein formwirksamer Aufhebungsvertrag vor.<br />

Denn Angebot <strong>und</strong> Annahme nebst jeweiliger Unterschrift<br />

befinden sich auf derselben Vertragsurk<strong>und</strong>e.<br />

c) Selbst wenn man annähme, dass die zum Ausdruck gebrachte<br />

Erklärung beider Parteien, das Arbeitsverhältnis zum<br />

31.3.2004 zu beenden, nicht formwirksam wäre, dann wäre es<br />

dem Kläger jedenfalls infolge des Verbots widersprüchlichen<br />

Verhaltens (venire contra factum proprium) verwehrt, sich auf<br />

diese Formunwirksamkeit zu berufen.<br />

Die gesetzlichen Formvorschriften sind gegenüber der Erfüllung<br />

der Schutzzwecke, die zu ihrer Normierung geführt<br />

haben, verselbständigt (vgl. BAG, Urt. v. 16.9.2004 – 2 AZR<br />

659/03, AP Nr. 1 zu § 623 BGB).<br />

Die Berufung auf einen Formmangel kann ausnahmsweise<br />

gegen Treu <strong>und</strong> Glauben verstoßen. Das kann unter dem<br />

Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire<br />

contra factum proprium) dann der Fall sein, wenn der<br />

Erklärungsgegner einen besonderen Gr<strong>und</strong> hatte, auf die Gültigkeit<br />

der Erklärung trotz des Formmangels zu vertrauen <strong>und</strong><br />

der Erklärende sich mit der Berufung auf den Formmangel<br />

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