2. Kapitel - Eisenbeis Rechtsanwälte
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
1<br />
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Rechtsanwalt Dr. Uwe Schlegel<br />
<strong>Eisenbeis</strong> Rechtsanwaltsges. mbH, Köln<br />
Grundzüge des Bürgerlichen Rechts<br />
(eine strukturierte Darstellung)<br />
© <strong>Eisenbeis</strong> Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2003
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
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1. <strong>Kapitel</strong>: Einführung in das<br />
Bürgerliche Recht<br />
der Bundesrepublik Deutschland<br />
© <strong>Eisenbeis</strong> Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2003
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
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1. <strong>Kapitel</strong>: Einführung in das Bürgerliche Recht der<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
� Lernhinweis: Bitte lesen Sie die nachfolgenden Ausführun-<br />
gen des 1. <strong>Kapitel</strong>s besonders sorgfältig. Es handelt sich hierbei<br />
um Grundlagen, die das Gesamtverständnis für das Erlernen der<br />
Systematik des Bürgerlichen Rechts erleichtern und einen Ein-<br />
blick in die Technik der Lösung von Klausursachverhalten ge-<br />
währen sollen.<br />
A. Das Deutsche Privatrecht (Übersicht 1)<br />
Als erste Orientierung soll die nachfolgend gezeigte Übersicht 1<br />
dienen:<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
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Bürgerliches<br />
Recht (v.a.<br />
BGB)<br />
Privatrecht<br />
Recht<br />
Sonderprivatrecht<br />
der (z.B.<br />
HGB)<br />
Erläuterungen zu Übersicht 1:<br />
Öffentliches Recht<br />
Handelsrecht<br />
Gesellschaftsrecht<br />
• Recht: Jedes Gemeinwesen bedarf einer Ordnung, die ein<br />
gedeihliches Zusammenleben gewährleisten hilft. Eine solche<br />
Ordnung ist das Recht. Darunter ist die Gesamtheit der<br />
Rechtsvorschriften zu verstehen, durch die das Verhältnis ei-<br />
ner Gruppe von Menschen zueinander (Herr Meier zu Herrn<br />
Müller) oder zu den übergeordneten Hoheitsträgern (Herr<br />
Meier zur Stadtverwaltung der Stadt X) oder zwischen diesen<br />
(die Stadtverwaltung der Stadt Köln zum Regierungspräsiden-<br />
ten) geregelt ist.<br />
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Diese Rechtsvorschriften, auch Normen genannt, können<br />
ausdrücklich (geschrieben) oder nicht ausdrücklich (unge-<br />
schrieben) festgelegt sein, weshalb man auch von geschrie-<br />
benem und ungeschriebenem Recht spricht.<br />
Geschriebenes Recht sind die Rechtsnormen, die in Geset-<br />
zen verzeichnet sind. Zum ungeschriebenen Recht zählt auch<br />
das sog. Gewohnheitsrecht und die jeder Rechtsordnung zu<br />
Grunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken.<br />
Beispiel: Der Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Drit-<br />
ter ist Teil des ungeschriebenen Rechts. Gleiches galt vor<br />
dem Schuldrechtsreformgesetz für die Rechtsinstitute der<br />
positiven Vertragsverletzung und der culpa in contrahen-<br />
do.<br />
• Privatrecht: Der Teil des Rechts, der die Beziehungen zwi-<br />
schen den einzelnen gleichgeordneten Mitgliedern der Ge-<br />
meinschaft regelt. Anders hingegen das öffentliche Recht –<br />
hier geht es in der Regel um ein Unter- und Überordnungs-<br />
verhältnis.<br />
Beispiele:<br />
- Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug = Privatrecht<br />
- Mietvertrag über eine Wohnung/Büroräume = Privat-<br />
recht<br />
- Ordnungsbehörden- und Polizeirecht (Abschleppen ei-<br />
nes Kfz aus Fußgängerzone) = öffentliches Recht<br />
- Gewährung von BAFöG = öffentliches Recht<br />
• Bürgerliches Recht: Der Teil des Rechts, der für jedermann<br />
gilt. Gesetzlich geregelt v.a. im Bürgerlichen Gesetzbuch<br />
(BGB).<br />
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Das BGB ist mit Wirkung zum 01.01.2002 in wesentlichen<br />
Teilen modernisiert worden. Das sog. Schuldrechtsreformge-<br />
setz betrifft in erster Linie den allgemeinen Teil des BGB (1.<br />
Buch) sowie das Recht der Schuldverhältnisse (<strong>2.</strong> Buch). Das<br />
bis zum 31.1<strong>2.</strong>2001 geltende Recht gilt noch in Teilen fort.<br />
Besonderheiten gelten auch für das Recht der Verjährung<br />
(dazu weiter im Verlaufe des Skripts).<br />
• BGB: Das BGB ist unterteilt in fünf Bücher -<br />
_ 1. Buch: Allgemeiner Teil (§§ 1–240 BGB)<br />
_ <strong>2.</strong> Buch: Recht der Schuldverhältnisse, kurz Schuldrecht<br />
(§§ 241–853 BGB)<br />
_ 3. Buch: Sachenrecht (§§ 854–1296 BGB)<br />
_ 4. Buch: Familienrecht (§§ 1297–1921 BGB)<br />
_ 5. Buch: Erbrecht (§§ 1922-2385 BGB)<br />
� Achtung: Funktion des allgemeinen Teils: Das Allgemeine<br />
wird „vor die Klammer gezogen“, die nachfolgenden Teile be-<br />
handeln Besonderheiten, d.h., soweit an anderer Stelle nichts<br />
speziell geregelt ist, gelten die Bestimmungen des allgemei-<br />
nen Teils des BGB für das gesamte Privatrecht.<br />
� Beachte: Die gleiche Systematik gilt auch im Schuldrecht<br />
(<strong>2.</strong> Buch des BGB). Dort enthalten die Abschnitte 1 bis 7<br />
(§§ 241-432 BGB) das sog. allgemeine Schuldrecht, der 8.<br />
Abschnitt (§§ 433-853 BGB) das besondere Schuldrecht.<br />
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• Abgrenzung des Bürgerlichen Rechts zum Sonderprivat-<br />
recht der Kaufleute: Das Sonderprivatrecht der Kaufleute ist<br />
u.a. geregelt im Handelsgesetzbuch (HGB), Aktiengesetz<br />
(AktG) und GmbH-Gesetz (GmbHG). Hier sind besondere<br />
qualifizierende Merkmale (u.a. die Kaufmannseigenschaft<br />
nach den §§ 1 ff. HGB) erforderlich, damit das jeweilige Ge-<br />
setz zur Anwendung gelangen kann.<br />
B. Einführung in das BGB<br />
I. Ansprüche und Anspruchsgrundlagen<br />
� Achtung: Ziel dieser Lerneinheit ist es vor allem, dass Sie<br />
den für Klausuren sehr wichtigen sog. Gutachtenstil beherrschen<br />
lernen. Bitte lesen Sie die Ausführungen sorgfältig durch!<br />
1. Grundsätze<br />
� Merke 1: Privatrechtliche Fälle handeln von Personen die An-<br />
sprüche geltend machen. Ausschließlich Anspruchsnormen (An-<br />
spruchsgrundlagen) sind geeignet, Ansprüche zu erfüllen.<br />
� Merke 2: Anspruchsnormen werden mit Hilfe der Legaldefini-<br />
tion des Anspruchs in § 194 Abs. 1 BGB gefunden. Danach ist<br />
der Anspruch das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unter-<br />
lassen verlangen zu können.<br />
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� Merke 3: Anspruchsnormen setzen sich im Tatbestand aus<br />
Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolge(n) zusammen.<br />
Nur wenn die Rechtsfolge mit dem übereinstimmt, was der An-<br />
spruchsteller begehrt, kann mit der Prüfung der Tatbestandsvor-<br />
aussetzungen begonnen werden.<br />
Beispiele für Anspruchsgrundlagen: §§ 433 Abs. 1, Abs. 2;<br />
535 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; 823 Abs. 1; 826; 985 BGB (Bitte<br />
die angegebenen §§ nachlesen!). Keine Anspruchsgrundla-<br />
gen sind hingegen u.a. §§ 104, 105, 195 BGB.<br />
<strong>2.</strong> Das Rechtsgutachten/die vier „W“/stilistische Hin-<br />
weise für die Bearbeitung einer Fallklausur<br />
Fall: A überfährt mit einem Auto die Katze des B, deren<br />
nächtlicher Lärm A schon seit langem störte. B verlangt von A<br />
100,00 € (= objektiver Wert des Tieres).<br />
Die Prüfung eines solchen Falles geht nach einem immer glei-<br />
chen Muster vor sich:<br />
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a) 1. Schritt: Die vier „W“<br />
• Wer (= Anspruchsteller)<br />
• will was (= Anspruchsgegenstand)<br />
• von wem (= Anspruchsgegner)<br />
• woraus (= Anspruchsgrundlage)?<br />
aa) Im Ausgangsfall will B (wer?) Schadensersatz in Höhe von<br />
100,00 € (was?) von A (von wem?).<br />
Der Jurist formuliert dies, indem er im Rahmen seines Rechts-<br />
gutachtens einen sog. Obersatz – in der Regel im Konjunktiv –<br />
bildet:<br />
„B könnte gegen A einen Anspruch auf Schadenersatz in Hö-<br />
he von 100,00 € geltend machen.“<br />
bb) Das 4. „W“ – woraus? - bereitet üblicherweise die größten<br />
Schwierigkeiten, denn hier ist eine gute Gesetzeskenntnis unab-<br />
dingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit.<br />
Vorliegend kommt ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB unter<br />
dem Gesichtspunkt der Eigentumsverletzung in Betracht. Damit<br />
ist der Obersatz wie folgt zu vervollständigen:<br />
„B könnte gegen A einen Anspruch auf Schadenersatz in Hö-<br />
he von 100,00 € aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichts-<br />
punkt der Eigentumsverletzung geltend machen.“<br />
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b) <strong>2.</strong> Schritt: Die Anspruchsprüfung<br />
Ist der Obersatz formuliert, ist mit der Prüfung der Anspruchsvor-<br />
aussetzungen fortzufahren. Dazu sind diese nacheinander zu<br />
benennen und ihr Vorliegen für den konkreten Fall zu überprü-<br />
fen.<br />
Den Vorgang, der den Vergleich zwischen der abstrakten Norm<br />
mit ihren Erfordernissen (= Anspruchsvoraussetzungen) und dem<br />
konkreten Sachverhalt darstellt, nennt man Subsumtion. Damit<br />
ist gemeint, dass man, nachdem eine Anspruchsvoraussetzung<br />
benannt wurde (im Ausgangsbeispiel des § 823 Abs. 1 BGB u.a.<br />
die Verletzung des Eigentums), anschließend versucht, den vor-<br />
liegenden – konkreten – Sachverhalt unter die – abstrakte – Vor-<br />
aussetzung „zu packen“ (= zu subsumieren).<br />
Im Beispielsfall müsse demnach wie folgt fortgefahren werden:<br />
„Möglicherweise könnte B ... (s.o.). Dieser Anspruch könnte<br />
sich ... (s.o.). Dann müsste A das Eigentum des B widerrecht-<br />
lich verletzt haben (= Nennung der Anspruchsvorausset-<br />
zung(en). A hat die Katze des B getötet. Durch diese Hand-<br />
lung hat A das Eigentum des B verletzt; dies geschah auch<br />
widerrechtlich (= Subsumtion).“<br />
c) 3. Schritt: Ausspruch der Rechtsfolge(n)<br />
Sind sämtliche Voraussetzungen des geprüften Anspruchs er-<br />
füllt, kann die vom jeweiligen Tatbestand vorgesehene Rechts-<br />
folge (es können unter Umständen auch mehrere sein), ausge-<br />
sprochen werden. Für den Beispielsfall heißt dies:<br />
„Damit ist A dem B nach § 823 Abs. 1 BGB zum Schadenser-<br />
satz in Höhe von 100,00 € verpflichtet.“<br />
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II. Zusammenfassung: Gutachtliche Prüfung eines<br />
Anspruchs/einer Anspruchsgrundlage<br />
� Lernhinweis: Prüfungsschemata dürfen nicht als Selbstzweck<br />
dienen! Schemata sollen Ihnen das Lernen komplexer Lernein-<br />
heiten erleichtern helfen. Sie werden rasch erkennen, dass hier<br />
kein stures Auswendiglernen, sondern vielmehr ein verständiges<br />
Durchdenken der Materie ausreichend ist, um den Lernerfolg auf<br />
Dauer zu sichern.<br />
Prüfungsschema 1: Vorgehen bei der gutachtlichen Prüfung<br />
eines Anspruchs<br />
1. Obersatz: Fraglich ist, ob A gegen B einen Anspruch auf...<br />
(z.B. Schadensersatz) nach § ... geltend machen kann.<br />
<strong>2.</strong> Anspruchsvoraussetzung(en) benennen: Voraussetzung<br />
dafür ist, dass ...<br />
3. Subsumtion (= Vergleich zwischen konkretem Sachverhalt<br />
und abstrakter Norm)<br />
4. Folgerung 1: Damit liegen die Anspruchsvoraussetzungen<br />
(s.o. <strong>2.</strong>) vor.<br />
5. Folgerung 2: Sind sämtliche Anspruchsvoraussetzungen<br />
bejaht worden, steht A der Anspruch nach § ... gegen B zu<br />
(s.o. 1.).<br />
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Anspruchsaufbau (sog. System zivilrechtlicher An-<br />
sprüche)<br />
� Lernhinweis: Die Einzelheiten der Ansprüche werden im Ver-<br />
laufe des Skripts behandelt. Nachfolgende Ausführungen sollen<br />
lediglich als eine erste Übersicht dienen.<br />
Prüfungsschema 2: System zivilrechtlicher Ansprüche<br />
1. Vertragliche Ansprüche<br />
_ Vertragliche Ansprüche stellen die speziellste Regelung dar und sind daher<br />
an erster Stelle zu prüfen.<br />
a) Primär: gerichtet auf Erfüllung<br />
_ In erster Linie richten sich vertragliche Ansprüche auf Erfüllung (z.B. Bezah-<br />
lung des Kaufpreises nach § 433 Abs. 2 BGB, Lieferung einer mangelfreien<br />
Sache, § 433 Abs. 1 S. 1 BGB).<br />
b) Sekundär: Ansprüche aus Leistungsstörung<br />
_ Hier ist zum einen zwischen dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht (s.<br />
Allgemeines Schuldrecht) und den Leistungsstörungen bei den einzelnen Ver-<br />
tragstypen (s. Besonderes Schuldrecht) zu unterscheiden; zum anderen gibt<br />
es verschiedene Arten der Leistungsstörungen.<br />
Nachfolgend eine kurze Übersicht der Leistungsstörungen:<br />
aa) Unmöglichkeit<br />
_ Wenn der Schuldner eine Leistung nicht erbringen kann, schuldet er sie<br />
auch nicht, § 275 Abs. 1-3 BGB. Es kommt aber eine Verpflichtung des<br />
Schuldners in Betracht, wonach er statt der unmöglichen Leistung Schadens-<br />
ersatz (statt der Leistung) schuldet, §§ 280 Abs. 1 S. 1, 281, 283 BGB (Aus-<br />
nahme: § 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Statt des Anspruchs auf Schadensersatz<br />
kann der Gläubiger auch den Ersatz von Aufwendungen verlangen (§ 284<br />
BGB – sog. frustrierte Aufwendungen). Unabhängig von einem Verschulden<br />
besteht ein Anspruch auf das sog. stellvertretende Kommodum, § 285 BGB.<br />
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Bei einem gegenseitigen Vertrag muss der Gläubiger ggfls. die Gegenleistung<br />
nicht mehr erbringen, § 326 Abs. 1, 1. Fall BGB.<br />
bb) Schuldnerverzug<br />
_ Den neben der Leistung zu ersetzenden Verzögerungsschadens hat der<br />
Schuldner nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 286 BGB zu leisten<br />
(§ 280 Abs. 2 BGB). Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger<br />
nach §§ 280 Abs. 3, 281 BGB geltend machen. Den Rücktritt regelt v.a. § 323<br />
Abs. 1 BGB.<br />
cc) Andere Pflichtverletzungen<br />
_ Hier sind zwei Arten zu unterscheiden:<br />
a) Pflichtverletzungen, die sich auf die Leistung beziehen, Leistung erfolgt<br />
nicht pflichtgemäß (sog. Schlechtleistung) – geregelt u.a. in §§ 434 ff. BGB<br />
(für den Kaufvertrag); Schadensersatz über § 280 Abs. 1 BGB.<br />
b) Leistungsferne Pflichtverletzungen („der ungeschickte Handwerker“):<br />
Schadensersatz über § 280 I BGB, über § 282 BGB Schadensersatz statt der<br />
Leistung (nach § 324 BGB Rücktrittsrecht beim gegenseitigen Vertrag).<br />
<strong>2.</strong> culpa in contrahendo<br />
_ s. § 311 Abs. 2, 3 BGB (Achtung: c.i.c. spielt u.U. auch dann eine Rolle,<br />
wenn es zu einem Vertragsschluss gekommen ist – z.B. Schaden aus der<br />
Herbeiführung eines ungünstigen Vertrages, hier kann die c.i.c. über § 249 S.<br />
1 BGB einen Anspruch auf Aufhebung des Vertrages begründen!)<br />
3. Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB)<br />
4. Dingliche Ansprüche (= Ansprüche aus Sachenrecht)<br />
a) Ansprüche auf Herausgabe (z.B. § 985 BGB)<br />
b) Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung (z.B. § 1004 BGB)<br />
c) Ansprüche auf Befriedigung aus einem Gegenstand (z.B. § 1113 Abs. 1<br />
BGB) – lediglich Verwertungsbefugnis!<br />
5. Ansprüche aus unerlaubter Handlung (§§ 823 ff. BGB)<br />
6. Bereicherungsrechtliche Ansprüche (§§ 812 ff. BGB)<br />
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� Klausurhinweise: Bitte prägen Sie sich das Prüfungsschema<br />
2 fest ein. Ansprüche sind aus rechtlichen wie praktischen Erwä-<br />
gungen heraus immer in dieser Reihenfolge zu prüfen. In einem<br />
konkreten Fall müssen Sie sich also zunächst fragen, ob ein ver-<br />
traglicher Anspruch besteht. Existiert ein solcher nicht, geht es<br />
weiter mit der Prüfung eines eventuell bestehenden Anspruchs<br />
aus c.i.c. usw. In einer Klausur können selbstverständlich auch<br />
mehrer Ansprüche nebeneinander bestehen. Es sind stets sämt-<br />
liche Ansprüche zu prüfen und ihr Vorliegen gegebenenfalls zu<br />
bejahen. Auch sind bisweilen solche Ansprüche zu prüfen, die<br />
letztlich nicht zu dem durch den Anspruchsteller begehrten Ziel<br />
führen.<br />
III. Das Abstraktionsprinzip<br />
1. Grundaussage des Abstraktionsprinzips<br />
Die Grundaussage des Abstraktionsprinzips lautet: Verpflich-<br />
tungs- und Verfügungsgeschäft sind (rechtlich) von einander zu<br />
trennen.<br />
� Merke: Das Verpflichtungsgeschäft ist grundsätzlich unab-<br />
hängig vom Erfüllungsgeschäft, so dass die Unwirksamkeit des<br />
Grundgeschäfts (z.B. wenn die auf Abschluss des Kaufvertrages<br />
gerichtete Willenserklärung wirksam angefochten worden oder<br />
sonst nichtig ist) das Verfügungsgeschäft (z.B. die dingliche Ü-<br />
bereignung nach § 929 S. 1 BGB) hiervon u.U. unberührt lässt.<br />
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� Achtung: Keinesfalls richtig ist die häufig anzutreffende Auf-<br />
fassung, Verpflichtungsgeschäfte seien ausschließlich im<br />
Schuldrecht, Verfügungsgeschäfte hingegen nur im Sachenrecht<br />
zu finden. Wenn Sie beispielsweise die Bestimmungen über die<br />
Abtretung betrachten (§§ 398 ff. BGB), stellen Sie fest, dass hier<br />
eine Verfügung Ihren Platz im Schuldrecht gefunden hat!<br />
<strong>2.</strong> Beispiel eines einfachen Kaufs – Zeitungskiosk-Fall<br />
1 Kaufvertrag im Sinne des § 433 Abs. 1 S. 1 BGB (= Ver-<br />
pflichtungsgeschäft = schuldrechtlicher Vertrag)<br />
1 sachenrechtlicher Vertrag im Sinne des § 929 S. 1 BGB<br />
(Geld an Kioskhändler) = Verfügungsgeschäft<br />
1 weiterer sachenrechtlicher Vertrag im Sinne des § 929 S. 1<br />
BGB (Zeitung an Kunden) = Verfügungsgeschäft<br />
3. Verpflichtung<br />
Verpflichtung heißt, es verspricht jemand rechtswirksam, etwas<br />
zu tun oder zu unterlassen.<br />
Beispiele: Kaufvertrag (§ 433 BGB); Werkvertrag (§ 631<br />
BGB); Schenkungsvertrag (§ 516 BGB); Bürgschaftsvertrag<br />
(§ 765 BGB).<br />
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4. Verfügung<br />
Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf ge-<br />
richtet sind,<br />
- auf ein bestehendes Recht einzuwirken,<br />
- es zu verändern,<br />
- zu übertragen oder<br />
- aufzuheben.<br />
Beispiele: Übertragung des Eigentums nach § 929 S. 1 BGB;<br />
die Verfügung über eine Forderung durch Abtretung nach<br />
§ 398 S. 1 BGB.<br />
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<strong>2.</strong> <strong>Kapitel</strong>: Entstehung, Inhalt, Unter-<br />
gang und Durchsetzbarkeit vertrag-<br />
licher Ansprüche<br />
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<strong>2.</strong> <strong>Kapitel</strong>: Entstehung, Inhalt, Untergang und Durch-<br />
setzbarkeit vertraglicher Ansprüche<br />
� Lernhinweis: Nachfolgend werden Sie mit den Einzelheiten<br />
vertraglicher Ansprüche konfrontiert (vgl. Prüfungsschema 2).<br />
Vertragliche Ansprüche stehen häufig im Mittelpunkt von Klausu-<br />
ren. Ziel dieser Lerneinheit soll es sein, Sie in die Lage zu ver-<br />
setzen, einen vertraglichen Anspruch von seinen Grundvoraus-<br />
setzungen her zügig prüfen zu können. Achten Sie in diesem Zu-<br />
sammenhang bitte stets darauf, dass in einer Klausur selten<br />
sämtliche Prüfungspunkte zu ausführlichen Erörterungen Anlass<br />
geben. Nur die problematisch erscheinenden Gesichtspunkte<br />
bedürfen einer gesonderten Betrachtung im Urteilsstil.<br />
A. Der Anspruch - Prüfungsreihenfolge<br />
� Merke: Die einfache Feststellung, ein Anspruch bestehe,<br />
reicht bisweilen nicht aus. Zumindest gedanklich ist stets dreierlei<br />
zu prüfen:<br />
I. Anspruch entstanden?<br />
Das wirksame Entstehen eines Anspruches hindern Nichtigkeits-<br />
und Anfechtungsgründe.<br />
Beispiele: §§ 104 i.V.m. 105 Abs. 1; 125; 134; 138; 142 Abs.<br />
1 i.V.m. 119 ff. BGB.<br />
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______________________________________________________________<br />
II. Anspruch untergegangen?<br />
Es gibt Umstände, wonach ein wirksam entstandener Anspruch<br />
(s.o. I.) wieder untergehen kann.<br />
Beispiele: Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB; der Erlassver-<br />
trag (§ 397 BGB); die Aufrechnung nach §§ 387, 389 BGB;<br />
§ 275 Abs. 1 BGB (unmögliche Leistung).<br />
III. Anspruch durchsetzbar?<br />
Schließlich gibt es Möglichkeiten, wonach die Geltendmachung<br />
eines Anspruchs dauernd oder zumindest zeitweilig gehemmt<br />
wird.<br />
Beispiele: § 214 Abs. 1 BGB (Verjährung = dauernde Hem-<br />
mung); § 273 Abs. 1 BGB (Zurückbehaltungsrecht = zeitweili-<br />
ge Hemmung); § 320 Abs. 1 S. 1 BGB (Einrede des nicht er-<br />
füllten Vertrags = zeitweilige Hemmung).<br />
IV. Zusammenfassung<br />
Prüfungsschema 3: Anspruchsprüfung<br />
1. Anspruch entstanden?<br />
<strong>2.</strong> Anspruch nicht untergegangen?<br />
3. Anspruch durchsetzbar?<br />
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B. Pflichten<br />
Die Pflichten sind als Gegenstück zum Anspruch zu verstehen.<br />
� Lernhinweis: Die nachfolgend aufgeführten Begriffe sind<br />
nicht auswendig zu lernen. Es geht bei der Vorstellung bestimm-<br />
ter juristischer Fachausdrücke alleine darum, Ihr juristisches<br />
Grundverständnis zu schulen und eine sprachlich/juristisch kor-<br />
rekte Ausdrucksweise zu erlernen!<br />
I. Leistungspflichten<br />
1. Primärleistungspflichten<br />
Primärleistungen sind auf die Erbringung einer Leistung gerich-<br />
tet. Bei diesen Pflichten (auch Hauptleistungspflichten genannt)<br />
handelt es sich um solche, deren Erfüllung das eigentliche Ziel<br />
des Vertrages ist.<br />
Beispiel: Im Rahmen des Kaufvertrages in der Regel die<br />
Zahlung des Kaufpreises einerseits und die Übergabe der<br />
Sache/Eigentumsverschaffung andererseits.<br />
<strong>2.</strong> Sekundärleistungspflichten<br />
Sekundärleistungspflichten treten an Stelle der Primärleistungs-<br />
pflicht, wenn etwas „schief gelaufen“ ist.<br />
Beispiel: Die Verpflichtung zum Schadensersatz nach<br />
§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB.<br />
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______________________________________________________________<br />
3. Nebenleistungspflichten<br />
Nebenleistungspflichten haben die Aufgabe, die Erfüllung der<br />
Hauptleistung zu sichern.<br />
Beispiel: § 402 BGB.<br />
II. Nebenpflichten<br />
Im Gegensatz zu den Nebenleistungspflichten sollen die Neben-<br />
pflichten nicht der Sicherung des Leistungserfolgs dienen, son-<br />
dern sie verfolgen das Ziel, die Rechtsgüter des Gegenüber vor<br />
Schaden zu bewahren. Man bezeichnet die Nebenpflichten auch<br />
als Sorgfalts- und Obhutspflichten.<br />
III. Obliegenheiten<br />
Unter einer Obliegenheit versteht man Maßnahmen, die jemand<br />
deshalb ergreifen muss, damit er selbst keinerlei (rechtliche)<br />
Nachteile erleidet. Die Verletzung einer Obliegenheit führt nicht<br />
etwa zu einer Schadenersatzpflicht, sondern dazu, dass der<br />
„Verpflichtete“ rechtlich schlechter gestellt wird.<br />
Beispiel: Kaufmann A, der ein größeres Lebensmittelge-<br />
schäft betreibt, bezieht bei B regelmäßig Frischware. So auch<br />
am 03.09., als B dem A 20 Paletten mit Frischmilch liefert, die<br />
verdorben ist. Wenn A dies, sobald es ihm tatsächlich mög-<br />
lich ist, nicht B gegenüber rügt, läuft er Gefahr durch die Ver-<br />
letzung der Obliegenheit aus § 377 Abs. 1 HGB seine Rechte<br />
verlustig zu gehen (vgl. § 377 Abs. 2 HGB).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
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C. Das Schuldverhältnis<br />
Ansprüche entstammen Schuldverhältnissen (vgl. § 241 BGB).<br />
Schuldverhältnisse können vielfältiger Natur sein. Im Vorder-<br />
grund stehen vertragliche und gesetzliche Schuldverhältnisse.<br />
Vertragliche Schuldverhältnisse entstehen kraft freiwilliger Über-<br />
einkunft.<br />
Beispiel: A schließt mit B einen Kaufvertrag (vgl. § 433 Abs.<br />
1 BGB).<br />
Gesetzliche Schuldverhältnisse entstehen hingegen kraft gesetz-<br />
licher Anordnung, d.h. ohne dass ein entsprechender Wille der<br />
am Schuldverhältnis Beteiligten zur Entstehung des Schuldver-<br />
hältnisses notwendig wäre.<br />
Beispiel: A zerkratzt mutwillig den Lack des Kraftfahrzeugs<br />
des B.<br />
Im vorhergehenden Beispiel folgt eine Schadenersatzpflicht des<br />
A nach § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Eigen-<br />
tumsverletzung. A hat durch sein Vorgehen „unfreiwillig“ (= kraft<br />
gesetzlicher Anordnung) ein Schuldverhältnis zur Entstehung<br />
gebracht. Aus diesem (gesetzlichen) Schuldverhältnis entspringt<br />
der Anspruch des B gegen A.<br />
� Merke: Ansprüche entspringen Schuldverhältnissen. Diese<br />
können vertraglicher und gesetzlicher Natur sein.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
23<br />
______________________________________________________________<br />
D. Zustandekommen von Verträgen<br />
I. Wichtige Definitionen<br />
Definition Vertrag: Rechtsgeschäft, dass durch zwei überein-<br />
stimmende und in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklä-<br />
rungen (Angebot und Annahme) zustande kommt.<br />
Definition Rechtsgeschäft: Tatbestand, der (u.a.) aus einer o-<br />
der mehrerer Willenserklärung(en) besteht und an den die<br />
Rechtsordnung den Eintritt des gewollten rechtlichen Erfolges<br />
knüpft.<br />
Definition Willenserklärung: Willensäußerung, die auf die Her-<br />
beiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist.<br />
II. Prüfungsraster (Prüfungsschema 4)<br />
1. Angebot<br />
Prüfungsschema 4: Zustandekommen von<br />
a) Willenserklärung<br />
Verträgen<br />
b) Abgabe der Willenserklärung<br />
c) Zugang der Willenserklärung<br />
d) Geschäftsfähigkeit des Erklärenden<br />
<strong>2.</strong> Annahme (weiter s.o. 1 a) – d))<br />
3. Bezug und Übereinstimmung der Willenserklärungen<br />
[4. Nichtvorliegen von Nichtigkeitsgründen]<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
24<br />
______________________________________________________________<br />
Nachfolgend die Einzelheiten zu den im Schema angesproche-<br />
nen Prüfungspunkten.<br />
III. Willenserklärung<br />
1. Wille<br />
Eine Willenserklärung besteht aus zwei Elementen:<br />
• Subjektiv : Wille (nachfolgend 1.)<br />
• Objektiv: Erklärung (nachfolgend <strong>2.</strong>)<br />
Der Wille besteht wiederum aus drei Elementen (nachfolgend a)<br />
– c)):<br />
a) Handlungswille = Wille, bewusst zu handeln; fehlt der Hand-<br />
lungswille, fehlt es an einer wirksamen Willenserklärung!<br />
Der Handlungswille fehlt beispielsweise bei Schlafenden<br />
oder Bewusstlosen.<br />
b) Erklärungswille = Wille, rechtserheblich zu handeln. Das Fehlen<br />
des Erklärungswillens ist problematisch, weil die Konsequenzen<br />
daraus keiner einheitlichen Lösungen zuzuführen sind. Schulfall<br />
ist der<br />
Trierer-Weinversteigerungs-Fall: A hebt bei einer Wein-<br />
versteigerung seine Hand, um seinen Freund B zu grü-<br />
ßen; objektiv ist das Handheben als Mehrgebot zu deuten.<br />
Grundsätzlich – und so auch im Weinversteigerungs-Fall – liegt<br />
keine wirksame Willenserklärung vor (Begründung: § 118 BGB<br />
analog). Allerdings liegt eine wirksame Willenserklärung aus-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
25<br />
______________________________________________________________<br />
nahmsweise dann vor, wenn der Erklärende die mögliche Deu-<br />
tung seines Verhaltens erkennen konnte. Letzteres hat die<br />
Rechtsprechung angenommen im sog.<br />
Bürgschafts-Fall (BGHZ 91, 324): Gläubiger G hatte von<br />
seinem Schuldner S eine Bankbürgschaft verlangt. Wenig<br />
später schrieb Sparkasse D an G, sie habe für S eine<br />
Bürgschaft übernommen. G erklärte die Annahme. Dann<br />
schrieb D an G, eine Bürgschaftsübernahme sei nicht be-<br />
absichtigt gewesen, das entsprechende Schreiben beruhe<br />
auf einen Irrtum. G nimmt D aus der Bürgschaft in An-<br />
spruch.<br />
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass im Bürgschafts-Fall eine<br />
Anfechtung durch D nach §§ 142 Abs. 1 i.V.m. 119 Abs. 1, 1. Alt.<br />
BGB möglich ist (Anfechtung wegen Inhaltsirrtums – dazu später<br />
noch ausführlich). Dies führt dann aber über § 122 Abs. 1 BGB<br />
gegebenenfalls zu einer Pflicht des D zur Leistung von Scha-<br />
densersatz.<br />
c) Geschäftswille = Wille, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizu-<br />
führen. Fehlt der Geschäftswille, verbleibt allein die Möglichkeit<br />
der Anfechtung (§ 142 Abs. 1 i.V.m. §§ 119 ff. BGB), da in einem<br />
derartigen Falle eine wirksame Willenserklärung vorliegt.<br />
d) Achtung: Ein Angebot muss stets den Willen zu einer rechtli-<br />
chen Bindung zum Ausdruck bringen (sog. Rechtsbindungswille).<br />
An einem solchen Willen fehlt es in den Fällen der sog. „invitatio<br />
ad offerendum“ -<br />
Beispiele für eine invitatio ad offerendum: Schaufenster-<br />
auslagen, Prospekte, Werbezuschrift an einen unbestimmt<br />
großen Kreis von Empfängern; Speisekarten usw.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
26<br />
______________________________________________________________<br />
BGH NJW 1996, 919: Bei einem freibleibenden Angebot handelt<br />
es sich im Regelfall nicht um ein Vertragsangebot, sondern<br />
lediglich um eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (zu<br />
denselben Bedingungen).<br />
OLG Hamm, ZIP 2001, 291: Bei einer Internet-Auktion kann in<br />
der Freischaltung der Angebotsseite bereits ein Angebot auf<br />
Abschluss eines Kaufvertrages liegen, so dass der Kaufvertrag<br />
mit demjenigen Bieter zustande kommt, der – gem. den AGB<br />
des Internet-Auktionators – in der Bieterzeit das höchste Angebot<br />
online abgibt.<br />
LG Essen, NJW-RR 2003, 1207 [Internet-Vertragsabschluss]:<br />
Das Einstellen eines Warensortiments in das Internet ist nach<br />
Meinung des Gerichts eine invitatio ad offerendum (Einladung<br />
zur Abgabe eines Angebots). I.Ü. macht das LG darauf aufmerksam,<br />
dass es zur wirksamen Einbeziehung von Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen im Internet-Handel ausreichend sei,<br />
dass der Hinweis auf die AGB auf dem Bestellformular oberhalb<br />
der Bestellleiste und abgegrenzt von den übrigen Daten erfolgt<br />
und die AGB online abgerufen werden können. Enthalten derartige<br />
AGB des Anbieters die Regelung „Die Annahme Ihrer Bestellung<br />
erfolgt durch Versendung der Ware“, so kommt – so<br />
das LG – ein Kaufvertrag über die per Internet bestellte Ware<br />
nicht mit Bestätigung der Bestellung, sondern erst mit dem Versand<br />
der Ware zu Stande.<br />
LG Gießen, NJW-RR 2003, 1206 [Zum Vertragsschluss im Internet-Handel/Erhalt<br />
nicht bestellter Ware, §§ 151 S. 1, 145,<br />
150, 155 BGB]: Der Leitsatz lautet: „Auch im Internethandel<br />
entspricht es der Verkehrssitte, dass die Erklärung der Annahme<br />
des in der Bestellung per e-Mail liegenden Vertragsangebots<br />
dem Antragenden nicht mitgeteilt wird; das Vertragsangebot<br />
wird jedoch in der Regel weder durch automatisierte Antwort-e-Mails<br />
des Versandhändlers, noch konkludent durch Zusendung<br />
anderer als der bestellten Waren angenommen.“<br />
� Achtung: Ob im Einzelfall ein Angebot oder nur eine „invita-<br />
tio“ vorliegt, entscheidet sich nach dem objektiven Erklärungs-<br />
wert des Verhaltens des Antragenden. Maßgeblich ist, ob dem<br />
Anbieter eine vorzeitige Bindung von Nachteil und dies für den<br />
Gegenüber erkennbar ist.<br />
<strong>2.</strong> Erklärung<br />
a) Art und Weise der Erklärung<br />
Die Erklärung kann erfolgen<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
27<br />
______________________________________________________________<br />
• mündlich oder schriftlich<br />
• ausdrücklich oder konkludent (= durch schlüssiges Verhalten)<br />
BGH NJW 1997, 1982: Das bloße „Wollen“ von Leistungen und deren<br />
schlichte Entgegennahme führen noch nicht ohne Weiteres zu<br />
einem Vertragsschluss.<br />
b) Problem Schweigen<br />
aa) Grundsatz: Schweigen stellt keine Willenserklärung dar<br />
bb) Ausnahme: Das Gesetz knüpft an das Schweigen Rechtsfolgen<br />
(1) Regel: Schweigen als Ablehnung (z.B. §§ 108 Abs. 2 S. 2; 177<br />
Abs. 2 S. 2 BGB)<br />
(2) (Große) Ausnahme: Schweigen als Zustimmung (z.B. § 516 Abs.<br />
2 S. 2 BGB; § 362 Abs. 1 HGB)<br />
BGH NJW 1996, 919: Das Schweigen auf ein Vertragsangebot kann<br />
ausnahmsweise dann als beredtes Schweigen im Sinne einer Vertragsannahme<br />
gewertet werden, wenn nach den Vorverhandlungen<br />
Einigkeit über die wesentlichen Punkte des Vertrages bestanden hat<br />
und beide Parteien fest mit einem Vertragsschluss gerechnet haben.<br />
c) Sonderfall: Unbestellte Leistungen<br />
Durch die Lieferung unbestellter Sachen oder durch die Erbrin-<br />
gung unbestellter sonstiger Leistungen durch ein Unternehmen<br />
an einen Verbraucher wird ein Anspruch gegen diesen nicht be-<br />
gründet (§ 241 a Abs. 1 BGB). Bitte lesen Sie auch § 241 a Abs.<br />
2 und Abs. 3 BGB.<br />
Die Begriffe „Verbraucher“ und „Unternehmer“ sind im § 13, 14<br />
BGB gesetzlich definiert.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
28<br />
______________________________________________________________<br />
IV. Abgabe der Willenserklärung<br />
1. Grundsatz: Die Abgabe ist ein notwendiger Bestandteil einer<br />
wirksamen Willenserklärung<br />
<strong>2.</strong> Unterscheide<br />
a) Abgabe einer nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung<br />
(z.B. § 657 BGB): Hier liegt eine Abgabe vor, wenn der Erklären-<br />
de sich der Erklärung entäußert, d.h. sie vollendet oder fertig ge-<br />
stellt hat. Maßgebend ist die Frage, ob der Erklärende seinen<br />
Willen erkennbar endgültig geäußert hat.<br />
b) Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung (= Re-<br />
gelfall): Hier liegt eine Abgabe vor, wenn der Erklärende die Er-<br />
klärung in Richtung auf den Empfänger in Bewegung setzt und er<br />
bei Zugrundelegung normaler Verhältnisse mit dem Zugang beim<br />
Empfänger rechnen darf.<br />
Unterscheide im Detail:<br />
aa) Für mündliche (= telefonische, vgl. § 147 Abs. 1 S. 2 BGB) Erklä-<br />
rungen gegenüber Anwesenden gilt: Eine wirksame Abgabe liegt<br />
vor, wenn die Erklärung so geäußert wird, dass der Gegenüber<br />
in der Lage ist, sie zu verstehen.<br />
bb) Für mündliche Erklärungen gegenüber einem Abwesenden gilt:<br />
Die Erklärung kann mit der Hilfe eines Boten abgegeben werden.<br />
Im Normalfall ist eine Abgabe dann erfolgt, wenn der Erklärende<br />
die Erklärung gegenüber dem Boten vollendet und diesem die<br />
Weisung gegeben hat, die Erklärung dem Erklärungsempfänger<br />
zu übermitteln.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
29<br />
______________________________________________________________<br />
cc) Eine schriftliche Erklärung gegenüber einem Anwesenden ist<br />
dann abgegeben, wenn sie diesem zur Entgegennahme über-<br />
reicht wird.<br />
dd) Eine schriftliche Erklärung gegenüber einem Abwesenden ist<br />
abgegeben, wenn der Erklärende das vollendete Schriftstück wil-<br />
lentlich in Richtung auf den Erklärungsempfänger auf den Weg<br />
gebracht hat, so dass normalerweise mit dem Zugang beim Er-<br />
klärungsempfänger gerechnet werden kann.<br />
3. Bitte beachten Sie § 130 Abs. 2 BGB. Geschäftsfähigkeit zum<br />
Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung ist danach ausrei-<br />
chend, der Tod nach Abgabe der Willenserklärung ist rechtlich<br />
unerheblich.<br />
V. Zugang der Willenserklärung<br />
1. Grundsatz<br />
Eine empfangsbedürftige Willenserklärung bedarf zu ihrer Wirk-<br />
samkeit des Zugangs, § 130 Abs. 1 S. 1 BGB.<br />
<strong>2.</strong> Definition „Zugang“<br />
Eine Willenserklärung ist dann zugegangen, wenn<br />
• die Willenserklärung so in den Machtbereich des Empfängers<br />
gelangt ist, dass<br />
• dieser Kenntnis nehmen kann und<br />
• unter Zugrundelegung normaler Verhältnisse mit der Kennt-<br />
nisnahme zu rechnen ist.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
30<br />
______________________________________________________________<br />
Dabei ist jedoch zu unterscheiden zwischen dem Zugang gegen-<br />
über einem Anwesenden (dazu nachfolgend 3.) und einem Zu-<br />
gang gegenüber einem Abwesenden (dazu nachfolgend 4.).<br />
3. Zugang gegenüber einem Anwesenden<br />
Zu beachten ist, dass § 130 Abs. 1 S. 1 BGB in diesem Fall nicht<br />
gilt. Wann der Zugang gegenüber einem Anwesenden anzuneh-<br />
men ist, ist umstritten:<br />
• Nach der sog. Vernehmungstheorie ist das akustische Ver-<br />
nehmen entscheidend.<br />
• Nach der modifizierten Vernehmungstheorie ist ein wirksamer<br />
Zugang schon dann anzunehmen, wenn für den Erklärenden<br />
vernünftigerweise keine Zweifel bestehen konnten, dass sei-<br />
ne Erklärung zutreffend vernommen wurde. Für die modifi-<br />
zierte Vernehmungstheorie spricht der berechtigte Schutz des<br />
Rechtsverkehrs.<br />
4. Zugang gegenüber einem Abwesenden<br />
a) Normalfall: Zugang direkt gegenüber dem Vertragspartner – es<br />
gilt § 130 Abs. 1 S. 1 BGB<br />
b) Ausnahmefall: Zugang gegenüber Mittelspersonen<br />
aa) Empfangsvertreter: § 164 Abs. 3 BGB, d.h. für den Zugang i.S.v.<br />
§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Zugang an den Vertreter entschei-<br />
dend<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
31<br />
______________________________________________________________<br />
bb) Boten<br />
(1) Empfangsbote<br />
Der Empfangsbote ist eine Person, die zur Entgegennahme der<br />
Erklärung als geeignet und ermächtigt anzusehen ist. Hier ist der<br />
Zugang grundsätzlich mit dem Zugang beim Boten bewirkt.<br />
Beispiele für Empfangsboten: Familienangehörige, Haus-<br />
gehilfen, kaufmännische Angestellte im Unternehmen<br />
BGH NJW 2002, 1565 [zur Frage des Zugangs nach § 130<br />
BGB und zur Eigenschaft als Empfangsbote bei Schaltung einer<br />
Anrufweiterleitung]: Die Schaltung einer Anrufweiterleitung,<br />
bei der Telefonanrufe, die auf dem Apparat eines tatsächlich<br />
oder nach der Verkehrsanschauung zur Entgegennahme von<br />
Willenserklärungen ermächtigten Mitarbeiters eingehen, an einem<br />
anderen Telefonapparat entgegengenommen werden, bewirkt,<br />
dass der den Anruf entgegennehmende Mitarbeiter – unabhängig<br />
von seiner Stellung im Unternehmen – im Zweifel<br />
nach der Verkehrsanschauung als ermächtigt gilt, Willenserklärungen<br />
oder diesen gleichzustellende Mitteilungen mit Wirkung<br />
für den Erklärungsempfänger entgegenzunehmen.<br />
(2) Erklärungsbote<br />
Hier ist die tatsächliche Übermittlung an den Erklärungsempfän-<br />
ger für den Zugang entscheidend<br />
5. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB<br />
Nach § 130 Abs. 1 S. 2 BGB wird die Willenserklärung nicht<br />
wirksam, wenn dem Empfänger vorher oder gleichzeitig mit der<br />
Erklärung ein Widerruf zugeht. Dabei kommt es allein auf den<br />
Zeitpunkt des Zugangs, nicht auf den der Kenntnisnahme an.<br />
• Der gleichzeitig zugegangen Widerruf ist auch dann wirksam,<br />
wenn der Empfänger zuerst von der Erklärung Kenntnis<br />
nimmt.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
32<br />
______________________________________________________________<br />
• Der verspätet zugegangene Widerruf bleibt umgekehrt auch<br />
dann ohne Wirkung, wenn der Empfänger von dem Widerruf<br />
gleichzeitig oder sogar vor der Erklärung Kenntnis erhält.<br />
6. Zugangshindernisse<br />
a) Berechtigte Verweigerung<br />
Eine berechtigte Verweigerung hindert die Wirksamkeit des Zu-<br />
gangs.<br />
Beispiele für eine berechtigte Verweigerung sind eine feh-<br />
lende Frankierung oder eine unrichtige Adressierung eines<br />
Briefes durch den Absender<br />
b) Unberechtigte Verweigerung<br />
Hier geht die Erklärung zum Zeitpunkt des Angebots zur Aus-<br />
händigung zu (h.M.).<br />
c) Wer mit dem Eingang rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechnen<br />
muss, hat durch geeignete Vorkehrungen sicherstellen, dass ihn<br />
die zu erwartenden Erklärungen auch erreichen. Unterlässt er<br />
dies, gilt die Erklärung auch dann als zugegangen, wenn sie den<br />
Empfänger tatsächlich nicht erreicht.<br />
BGH ZIP 1998, 212: Bei der Nichtabholung eines bei einem Postamt<br />
niedergelegten Einschreibebriefes ist der Erklärende grundsätzlich<br />
verpflichtet, nach Kenntnis von dem nicht erfolgten Zugang unverzüglich<br />
einen neuen Versuch zu unternehmen, seine Erklärung derart in<br />
den Machtbereich des Empfängers zu bringen, dass diesem ohne weiteres<br />
eine Kenntnisnahme ihres Inhalts möglich ist. Ein wiederholter<br />
Zustellungsversuch des Erklärenden ist nur dann entbehrlich, wenn der<br />
Empfänger die Annahme einer an ihn gerichteten schriftlichen Mitteilung<br />
grundlos verweigert, obwohl er mit dem Eingang rechtsgeschäftlicher<br />
Mitteilungen seines Vertrags – oder Verhandlungspartners rechnen<br />
muss. Gleiches gilt, wenn der Adressat den Zugang der Erklärung<br />
arglistig vereitelt.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
33<br />
______________________________________________________________<br />
7. §§ 131 Abs. 1, 131 Abs. 2 S. 1 und S. 2 BGB beachten (bitte le-<br />
sen Sie die hier angegebenen §§ sorgfältig nach!)<br />
8. § 149 BGB<br />
9. § 151 S. 1 BGB<br />
� Achtung: Nur der Zugang, nicht die Abgabe der Willenserklä-<br />
rung als solche ist nach § 151 S. 1 BGB entbehrlich!<br />
Beispiele für einen nach der Verkehrssitte entbehrlichen<br />
Zugang: Versandhandel; Hotelzimmerreservierung; allge-<br />
mein bei unentgeltlichen Zusendungen und anderen für<br />
den Antragsempfänger vorteilhaften Geschäften.<br />
BGH NJW 1997, 2233: Schickt der Bürge seine schriftliche<br />
Bürgschaftserklärung dem abwesenden Gläubiger zu, ist es regelmäßig<br />
als Bestätigung des Annahmewillens anzusehen,<br />
wenn der Gläubiger, der zuvor die Übernahme der Bürgschaft<br />
verlangt hatte, die Urkunde behält.<br />
BGH NJW 2001, 2324: In der Einlösung eines mit einem Abfindungsangebot<br />
versandten Schecks, dessen Betrag in krassem<br />
Missverhältnis zu unbestrittenen Forderungen steht, liegt kein<br />
unzweideutige Betätigung des Annahmewillens i.S. des § 151<br />
BGB.<br />
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34<br />
______________________________________________________________<br />
10. Zusammenfassung (Übersicht 4)<br />
1. Abgabe<br />
Übersicht 4: Abgabe und Zugang von<br />
Willenserklärungen<br />
a) Nicht empfangsbedürftige Willenserklärung: Abgabe (+),<br />
wenn der Erklärende seinen Willen endgültig geäußert hat<br />
b) Empfangsbedürftige Willenserklärung: Abgabe (+), wenn<br />
die Erklärung in Richtung Empfänger losgeschickt wurde<br />
und mit Zugang gerechnet werden kann –<br />
aa) mündliche Erklärung gegenüber Anwesenden: Der Ge-<br />
genüber muss die Willenserklärung verstehen können<br />
bb) mündliche Erklärung gegenüber Abwesenden: Bei Ein-<br />
schaltung eines Boten muss dieser in Richtung Empfänger<br />
losgeschickt werden<br />
cc) schriftliche Erklärung gegenüber Anwesenden: Überrei-<br />
chen der Willenserklärung zur Entgegennahme ist ent-<br />
scheidend<br />
dd) schriftliche Erklärung gegenüber Abwesenden: Willentli-<br />
ches auf-den-Weg-bringen in Richtung Empfänger<br />
<strong>2.</strong> Zugang<br />
a) Gegenüber Anwesenden: Vernehmungstheorie/ modifi-<br />
zierte Vernehmungstheorie<br />
b) Gegenüber Abwesenden: Bei Zugang direkt gegenüber<br />
dem Vertragspartner gilt § 130 Abs. 1 S. 1 BGB<br />
VI. Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff. BGB)<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
35<br />
______________________________________________________________<br />
� Lernhinweis: In der folgenden Lerneinheit sollen Sie sich mit<br />
den Regeln über die Geschäftsfähigkeit vertraut machen. Dieser<br />
Themenkreis spielt in Klausuren regelmäßig eine eher unterge-<br />
ordnete Rolle. Die Grundaussagen des Gesetzes müssen Sie<br />
aber in jedem Fall beherrschen. Dies betrifft vor allem die etwas<br />
schwierigeren Fragen der beschränkten Geschäftsfähigkeit. Bitte<br />
beachten Sie: In einem Klausurfall ist die (uneingeschränkte)<br />
Geschäftsfähigkeit stets solange zu unterstellen, wie Sie im<br />
Sachverhalt keine entgegenstehenden Angaben finden!<br />
1. Einleitung<br />
a) Definition der Geschäftsfähigkeit<br />
Unter Geschäftsfähigkeit versteht man die Fähigkeit, Rechtsge-<br />
schäfte wirksam vornehmen zu können.<br />
b) Ratio der Bestimmungen über die Geschäftsfähig-<br />
keit<br />
Schutz der nicht voll Geschäftsfähigen.<br />
AG Bergheim NJW-RR 2000, 202: Ein Anspruch auf Zahlung eines<br />
erhöhten Beförderungsentgelts gegen einen minderjährigen Schwarzfahrer<br />
lässt sich wegen der vorrangigen Minderjährigenschutzvorschriften<br />
des BGB weder aus Vertrag noch aus Gesetz ableiten. Aus Bereicherungsrecht<br />
ergibt sich jedoch ein Anspruch auf Wertersatz in Höhe<br />
des „normalen“ Fahrpreises.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
36<br />
______________________________________________________________<br />
υ Achtung: Es gibt zahlreiche examensrelevante Ausnahmen<br />
zum aufgezeigten Minderjährigenschutz. So findet beispielsweise<br />
§ 15 Abs. 1 HGB zu Lasten nicht vollgeschäftsfähiger Personen<br />
Anwendung, weil in diesem Fall nach h.M. der Verkehrsschutz<br />
Vorrang haben soll (BGH NJW 1991, 2567; Koller/Roth/Morck,<br />
HGB, 4. Aufl. 2003, § 15, RN 11).<br />
c) Abgrenzung zur Rechtsfähigkeit<br />
aa) Begriff der Rechtsfähigkeit<br />
Rechtsfähig ist, wer Träger von Rechten und Pflichten ist.<br />
Beispiel: Der Säugling kann aufgrund der ihm zustehenden<br />
Rechtsfähigkeit Eigentümer eines Mietshauses sein. Mietver-<br />
träge kündigen kann er hingegen nicht, denn dazu bedarf er<br />
der Geschäftsfähigkeit. Kündigen kann er nur mit Hilfe eines<br />
(gesetzlichen) Vertreters, vgl. § 1629 BGB, aussprechen.<br />
bb) Unterscheide<br />
(1) § 1 BGB: Rechtsfähigkeit natürlicher Personen<br />
Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung<br />
der Geburt, § 1 BGB. Dies ist der vollständige Austritt aus dem<br />
Mutterleib. Die Rechtsfähigkeit endet mit dem Tod, womit der<br />
Ausfall der Hirnfunktionen gemeint ist.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
37<br />
______________________________________________________________<br />
(2) Rechtsfähigkeit juristischer Personen<br />
Die juristische Person ist eine Zweckschöpfung des Gesetzge-<br />
bers. Sie ist die Zusammenfassung von Personen oder Sachen<br />
zu einer rechtlich geregelten Organisation. Dieser verleiht die<br />
Rechtsordnung Rechtsfähigkeit, d.h. sie ist als Träger eigener<br />
Rechte und Pflichten verselbständigt.<br />
Von den juristischen Personen ist die Gemeinschaft zur gesam-<br />
ten Hand zu unterscheiden. Gesamthandsgemeinschaften sind<br />
die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der nichtrechtsfähige Ver-<br />
ein, OHG und KG, EWIV, die eheliche Gütergemeinschaft sowie<br />
die Erbengemeinschaft.<br />
Nach der traditionellen Gesamthandstheorie sind die Ge-<br />
samthänder und nicht eine von ihnen begrifflich verschiedene<br />
„Person“ Träger der Rechte und Pflichten; das Gesamthands-<br />
vermögen ist ein den Gesamthändern in gesamthänderischer<br />
Verbundenheit zustehendes Sondervermögen. Die Gesamthän-<br />
der können wegen der bestehenden Bindung nicht über ihren<br />
Anteil an den einzelnen Vermögensgegenständen verfügen<br />
(§§ 719 Abs. 1, 1419 Abs. 1, 2033 Abs. 2 BGB). Die Gegenan-<br />
sicht (sog. „Gruppenlehre“) betrachtet die Gesamthand dagegen<br />
als Zuordnungseinheit und damit als ein teilrechtsfähiges Rechts-<br />
subjekt. Eine vermittelnde Auffassung nimmt an, dass die Ge-<br />
samthand der Verselbständigung zum Rechtssubjekt fähig ist,<br />
dass das geltende Recht diese Verselbständigung aber nicht bei<br />
allen Gesamthandsgemeinschaften durchgeführt hat. Rechtssub-<br />
jekte mit Teilrechtsfähigkeit sind OHG, KG und EWIV. Inzwi-<br />
schen hat der BGH im Wege richterlicher Rechtsfortbildung auch<br />
der (Außen-)GbR Teilrechtsfähigkeit zuerkannt (BGH NJW 2001,<br />
1056).<br />
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38<br />
______________________________________________________________<br />
d) Abgrenzung zur Deliktsfähigkeit<br />
Deliktsfähigkeit bedeutet die Verantwortlichkeit für unerlaubte<br />
Handlungen, s. §§ 827 ff. BGB (dazu ausführlicher in einem der<br />
folgenden <strong>Kapitel</strong>).<br />
e) Drei Formen der Geschäftsfähigkeit i.w.S.<br />
aa) Geschäftsunfähigkeit (§§ 104, 105 BGB)<br />
bb) Beschränkte Geschäftsfähigkeit (§ 106 i.V.m. §§ 107 – 113 BGB)<br />
cc) Geschäftsfähigkeit (vgl. § 2 BGB)<br />
<strong>2.</strong> Geschäftsunfähigkeit<br />
a) Tatbestände<br />
aa) § 104 Nr. 1 BGB<br />
bb) § 104 Nr. 2 BGB: Ein die freie Willensbestimmung ausschließen-<br />
der Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit, z.B. chro-<br />
nischer Alkoholabusus<br />
b) Rechtsfolgen<br />
aa) § 105 Abs. 1 BGB: Nichtigkeit<br />
� Achtung: Bitte verwechseln Sie nicht § 104 BGB – Frage<br />
wann Geschäftsunfähigkeit anzunehmen ist – mit § 105 Abs. 1<br />
BGB. Letzteres betrifft die Frage nach der Rechtsfolge der Ge-<br />
schäftsunfähigkeit.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
39<br />
______________________________________________________________<br />
bb) Beachte § 105 Abs. 2 BGB – der Zugang von Willenserklärungen<br />
ist möglich!<br />
cc) § 131 Abs. 1, Abs. 2 BGB (Wirksamwerden von Willenserklärun-<br />
gen gegenüber einem nicht Vollgeschäftsfähigen)<br />
dd) Der gesetzliche Vertreter (§ 1629 Abs. 1 BGB, die Vertretung<br />
des Kindes als Teil der elterlichen Sorge)<br />
υ Achtung: Nach neuerer gesetzlicher Regelung aus dem Jahre<br />
2002 gilt für Geschäfte des täglichen Lebens nach § 105 a BGB<br />
eine gewichtige Ausnahme von der Regel der Nichtigkeit von<br />
Willenserklärungen Geschäftsunfähiger!<br />
3. Beschränkte Geschäftsfähigkeit<br />
a) Gesetzliche Regelung: § 106 BGB<br />
Ein Minderjähriger, der das 7. Lebensjahr (nicht aber das 18.!)<br />
vollendet hat, ist in der Geschäftsfähigkeit beschränkt.<br />
b) Rechtsfolgen (u.a.): §§ 107, 108 Abs. 1 BGB<br />
aa) Grundsatz<br />
Auch die Willenserklärung eines beschränkt Geschäftsfähigen ist<br />
unwirksam, wenn nicht ausnahmsweise der Minderjährige durch<br />
die Willenserklärung einen lediglich rechtlichen Vorteil erlangt.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
40<br />
______________________________________________________________<br />
bb) Achtung 1<br />
Der lediglich rechtliche Vorteil ist allein vor dem Hintergrund der<br />
rechtlichen Folgen des Geschäfts zu sehen. Auf eine wirtschaftli-<br />
che Betrachtung kommt es nicht an. Stehen dem Vorteil die Auf-<br />
gabe eines Rechts oder die Begründung einer persönlichen Ver-<br />
pflichtung gegenüber, ist das Geschäft auch dann zustimmungs-<br />
bedürftig, wenn die Vorteile die Nachteile erheblich überwiegen.<br />
Jede persönliche Verpflichtung des Minderjährigen macht das<br />
Geschäft rechtlich nachteilig.<br />
Beispiele zustimmungsbedürftiger Geschäfte: Kaufvertrag;<br />
Werkvertrag; Dienstvertrag<br />
Einen Sonderfall stellt die Schenkung dar. Der schuldrechtliche<br />
Vertrag über eine Schenkung an den Minderjährigen ist grund-<br />
sätzlich zustimmungsfrei (BGHZ 15, 168). Die Schenkung unter<br />
einer Auflage begründet dagegen eine persönliche Verpflichtung<br />
und ist mithin nicht lediglich vorteilhaft. Entsprechendes gilt für<br />
die Schenkung mit der Verpflichtung zur späteren Rückgabe o-<br />
der mit der Verpflichtung zur Darlehensgewährung.<br />
Die Schenkung als solche bleibt auch dann zustimmungsfrei,<br />
wenn das Erfüllungsgeschäft mit rechtlichen Nachteilen verbun-<br />
den ist, so beispielsweise die Schenkung einer Kommanditbetei-<br />
ligung.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
41<br />
______________________________________________________________<br />
� Achtung: Schenkt der gesetzliche Vertreter, würde eine iso-<br />
lierte Beurteilung des Verpflichtungs- und des Erfüllungsge-<br />
schäfts dazu führen, dass auch das rechtlich nachteilige Erfül-<br />
lungsgeschäft gem. § 181, letzter Halbsatz BGB ohne Beteili-<br />
gung eines Pflegers geschlossen werden könnte. Damit würde<br />
der von §§ 107, 181 BGB bezweckte Schutz weitgehend entfal-<br />
len. Bei Schenkungen des gesetzlichen Vertreters muss daher<br />
die Frage, ob die Schenkung lediglich vorteilhaft ist, aus einer<br />
Gesamtbetrachtung des schuldrechtlichen und des dinglichen<br />
Vertrages heraus beantwortet werden (BGHZ 78, 28, 34).<br />
OLG Hamm NJW-RR 2000, 1611: Die Schenkung von Wohnungseigentum<br />
begründet für den Minderjährigen nicht lediglich einen rechtlichen<br />
Vorteil, wenn sie mit dem Eintritt in den Verwaltervertrag verbunden<br />
ist.<br />
cc) Achtung 2<br />
Es ist auch in diesem Zusammenhang streng zwischen Verpflich-<br />
tungs- und Verfügungsgeschäften zu trennen (Abstraktionsprin-<br />
zip, vgl. o.):<br />
(1) Die vertragliche Übernahme einer Verpflichtung führt bei Minder-<br />
jährigen zu einem rechtlich bedeutsamen Nachteil und löst das<br />
Zustimmungserfordernis aus.<br />
(2) Bei den Verfügungsgeschäften ist weiter zu differenzieren:<br />
(a) Eine Verfügung, die auf der Seite des Minderjährigen zu einem<br />
Rechtsverlust führt, ist stets zustimmungsbedürftig.<br />
Beispiel: Der Minderjährige überträgt sein Eigentum an ei-<br />
nem Fahrrad auf Erwerber A (vgl. § 929 S. 1 BGB).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
42<br />
______________________________________________________________<br />
(b) Eine Verfügung, die für den Minderjährigen (lediglich) einen<br />
rechtlichen Vorteil begründet, ist grundsätzlich zustimmungsfrei.<br />
Beispiel: Der Minderjährige kauft bei A ein Fahrrad und er-<br />
hält dieses nach § 929 S. 1 BGB übereignet.<br />
Hier liegt hinsichtlich der Verfügung über das Eigentum an dem<br />
Fahrrad nach § 929 S. 1 BGB trotz Unwirksamkeit des Verpflich-<br />
tungsgeschäfts (Kaufvertrag) ein zustimmungsfreies Rechtsge-<br />
schäft vor.<br />
dd) Achtung 3<br />
Neutrale Geschäfte, die für den Minderjährigen weder rechtliche<br />
Vorteile noch Nachteile bringen, sind zustimmungsfrei, da der<br />
Minderjährige insoweit nicht schutzbedürftig ist.<br />
ee) Achtung 4<br />
Beispiel: Rechtsgeschäfte, die ein Minderjähriger als Vertre-<br />
ter eines anderen vornimmt (vgl. § 165 BGB).<br />
Die Einwilligung kann nicht mit der Genehmigung gleichgesetzt<br />
werden (vgl. § 183 S. 1 BGB einerseits und § 184 Abs. 1 BGB<br />
andererseits).<br />
ff) § 183 Sätze 1 und 2 BGB beachten – freie Widerruflichkeit der<br />
Einwilligung!<br />
gg) § 110 BGB (Sondernorm der Einwilligung in Form konkludenten<br />
Verhaltens)<br />
hh) § 184 Abs. 1 BGB (Rückwirkung der Genehmigung)<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
43<br />
______________________________________________________________<br />
ii) § 108 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BGB (Schweigen als Willenserklä-<br />
rung)<br />
kk) § 111 BGB: Bei einseitigen Rechtsgeschäften ist nur eine Einwil-<br />
ligung, d.h. eine vorherige Zustimmung, möglich -<br />
Beispiele für einseitige Rechtsgeschäfte sind: Die Auslobung<br />
nach § 657 BGB; die Anfechtung gem. §§ 119 ff. BGB; Kün-<br />
digung und Rücktritt.<br />
4. Übersicht 5: Rechtsgeschäfte Minderjähriger<br />
Ledigl.<br />
rechtl. vorteilhaft<br />
Beschränkte Geschäftsfähigkeit<br />
Einwilligung<br />
(+)<br />
Willenserklärung<br />
wirksam<br />
Rechtsgeschäfte Minderjähriger<br />
Nicht ledigl.<br />
rechtl. vorteilhaft<br />
Einseitige<br />
Rechtsgeschäfte<br />
(§ 111<br />
BGB)<br />
Einwilligung<br />
(-)<br />
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Geschäftsunfähigkeit<br />
(§ 104<br />
Nr. 1 BGB)<br />
Willenserklärung<br />
nichtig (§ 105<br />
Abs. 1 BGB)<br />
Verträge<br />
schwebend<br />
unwirksam<br />
(§ 108<br />
BGB)
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
44<br />
______________________________________________________________<br />
VII. Anfechtung<br />
� Achtung: Eine einmal wirksame Willenserklärung bleibt<br />
grundsätzlich auch dann wirksam, wenn der Erklärende später<br />
die Erklärung bereut. Diesbezüglich stellt das Anfechtungsrecht<br />
eine Ausnahme dar. Es gestattet unter bestimmten Vorausset-<br />
zungen, dass man sich von einer einmal wirksam abgegebenen<br />
Willenserklärung wieder lösen kann.<br />
1. Vorbemerkungen<br />
a) Das Gesetz unterscheidet zwischen bewussten und unbewuss-<br />
ten Willensmängel.<br />
υ Die bewussten Willensmängel sind geregelt in den §§ 116–<br />
118 BGB. § 116 BGB erfasst den sog. geheimen Vorbehalt,<br />
§ 117 das Scheingeschäft und § 118 BGB die sog. Scherzerklä-<br />
rung.<br />
� Achtung: Kein Scheingeschäft i.S.d. § 117 BGB liegt vor,<br />
wenn der von den Parteien erstrebte Rechtserfolg gerade die<br />
Gültigkeit des Rechtsgeschäfts voraussetzt. Nach BGH DB<br />
1997, 325 ist ein Darlehensvertrag ein Schein- und kein Strohge-<br />
schäft, wenn die Parteien übereinstimmend davon ausgehen,<br />
dass der als Darlehensnehmer Bezeichnete nicht haften soll.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
45<br />
______________________________________________________________<br />
υ Die unbewussten Willensmängel erfassen die §§ 119 –120<br />
BGB. Diese werden nachfolgend mit den Willensmängeln wegen<br />
Täuschung und Drohung (§ 123 BGB) behandelt, denn in diesen<br />
Fällen wird unter den Voraussetzungen der §§ 119, 120, 123<br />
BGB ein Anfechtungsrecht begründet.<br />
b) Ziel der Anfechtung ist es, eine einmal wirksam in die Welt ge-<br />
setzte Willenserklärung wieder „aus der Welt zu schaffen“ (vgl.<br />
§ 142 Abs. 1 BGB).<br />
� Klausurhinweis: Die Anfechtung wird in einer Prüfungsklau-<br />
sur, die nach dem Gutachtenstil zu bearbeiten ist, ausgehend<br />
von § 142 Abs. 1 BGB angesprochen, denn § 142 Abs. 1 BGB<br />
enthält für den Fall der „erfolgreichen“ Anfechtung die sodann<br />
maßgebliche Rechtsfolge, nämlich Nichtigkeit von Anfang an.<br />
� Ergo: Die Prüfung einer Anfechtung in der Klausur mit § 142<br />
Abs. 1 BGB (= die Rechtsfolge) und nicht mit § 119 Abs. 1 BGB<br />
usw. (= Anfechtungsgrund) beginnen!<br />
c) Einen Sonderfall der Anfechtung stellt die Insolvenzanfechtung<br />
nach §§ 129 ff. InsO dar.<br />
S. auch die Vorschriften des Gesetzes über die Anfechtung von<br />
Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenz-<br />
verfahrens (AnfG, Schönfelder Nr. 111).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
46<br />
______________________________________________________________<br />
<strong>2.</strong> Übersicht 6<br />
Irrtums<br />
Anfechtung wegen<br />
Arglistiger Täuschung<br />
(§ 123 BGB)<br />
Erklärungsirrtum: § 119 I, <strong>2.</strong> Alt. BGB<br />
Inhaltsirrtum: § 119 I, 1. Alt. BGB<br />
Eigenschaftsirrtum: § 119 II BGB<br />
Falsche Übermittlung: § 120 BGB<br />
a) Irrtumsanfechtung (§§ 119, 120 BGB)<br />
Widerrechtl.<br />
Drohung<br />
(§ 123 BGB)<br />
Auch wenn der Erklärende eine wirksame Erklärung mit Rechts-<br />
folgewillen abgegeben hat, kann zwischen Wille und Erklärung<br />
ein Widerspruch bestehen, nämlich dann, wenn der Erklärende<br />
eine Erklärung anderen Inhalts abgeben wollte oder wenn er bei<br />
der Willensbildung von falsche Voraussetzungen ausgegangen<br />
ist.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
47<br />
______________________________________________________________<br />
§ 120 BGB stellt die irrtümlich unrichtig übermittelte Erklärung<br />
dem Irrtum in der Erklärungshandlung (§ 119 Abs. 1, <strong>2.</strong> Alt. BGB)<br />
gleich.<br />
OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 20.11.2002, Az.: 9 U 94/02 [Anfechtungsrecht<br />
nach § 120 BGB bei Kaufvertrag, der via Internet „online“<br />
verabredet worden ist]: Das OLG entscheidet, dass bei einem<br />
Kaufvertrag, der über das Internet „online“ geschlossen worden ist, der<br />
Verkäufer ein Anfechtungsrecht nach § 120 BGB hat, wenn der Kaufpreis,<br />
zu dem der Käufer bestellt hat, in Folge einer fehlerhaften Formeländerung<br />
in der Software des Providers niedriger war als dies nach<br />
dem Willen des Verkäufers tatsächlich der Fall sein sollte.<br />
In diesem Zusammenhang macht das OLG deutlich, dass Erklärungen<br />
mittels Computer auf menschliche Handlungen zurückzuführen und<br />
daher als Willenserklärungen dem jeweiligen Betreiber zuzurechnen<br />
seien.<br />
b) Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123<br />
Abs. 1, 1. Alt. BGB) und Anfechtung wegen wider-<br />
rechtlicher Drohung (§ 123 Abs. 1, <strong>2.</strong> Alt. BGB)<br />
Üblicherweise wird auch die Täuschung und die Drohung zu den<br />
Willensmängeln gerechnet, obwohl es in diesen Fällen nicht um<br />
ein Auseinanderfallen von Wille und Erklärung geht, sondern um<br />
eine unzulässige Beeinträchtigung der Freiheit der Willensent-<br />
schließung.<br />
� Achtung 1: Weder der Irrtum nach §§ 119 – 120 BGB noch<br />
die Täuschung oder Drohung i.S.v. § 123 BGB berühren die (ur-<br />
sprüngliche) Wirksamkeit der Willenserklärung! Diese Wirksam-<br />
keit kann lediglich im Wege der Anfechtung mit Rückwirkung<br />
(vgl. §142 Abs. 1 BGB) beseitigt werden.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
48<br />
______________________________________________________________<br />
� Achtung 2: Für die Fallprüfung gilt: Bevor die Voraussetzun-<br />
gen einer wirksamen Anfechtung geprüft werden, muss zunächst<br />
positiv festgestellt worden sein, dass eine (zunächst) wirksame<br />
Willenserklärung vorliegt. In den Fällen, in denen es schon an ei-<br />
ner wirksamen Willenserklärung fehlt, kommt es auf das Vorlie-<br />
gen der Voraussetzungen einer Anfechtung grundsätzlich nicht<br />
an!<br />
3. Irrtumsanfechtung<br />
a) Übersicht<br />
aa) Erklärungsirrtum: § 119 Abs. 1, <strong>2.</strong> Alt. BGB (Auseinanderfallen<br />
von Wille und Erklärung)<br />
bb) Inhaltsirrtum: § 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB (Auseinanderfallen von<br />
Wille und Erklärung)<br />
cc) Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften: § 119 Abs. 2<br />
BGB – Der Erklärende irrt nicht über die Erklärungshandlung o-<br />
der den Erklärungsinhalt, sondern über Eigenschaften des Ge-<br />
schäftsgegenstandes und damit über die außerhalb der Erklä-<br />
rung liegende Wirklichkeit. § 119 Abs. 2 BGB ist nach h.M. ein<br />
Fall eines ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtums.<br />
dd) Anfechtbarkeit wegen falscher Übermittlung: § 120 BGB<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
49<br />
______________________________________________________________<br />
b) Typische Fälle eines Erklärungsirrtums<br />
Das Versprechen, Verschreiben, Vergreifen -<br />
Beispiel: Verkäufer V übermittelt Käufer K fernmündlich ein<br />
Verkaufsangebot. Statt „400,00 €“ (= der eigentlich von V ge-<br />
wollte Preis) verspricht sich V und erklärt „40,00 €“ (= das tat-<br />
sächlich Erklärte).<br />
Nimmt K das Angebot von V an, so ist zwar zunächst ein Kauf-<br />
vertrag (Inhalt: Preis = 40,00 €) wirksam zustande gekommen,<br />
jedoch kann V gegenüber K seine auf Abschluss des Kaufvertra-<br />
ges gerichtete Willenserklärung nach § 119 Abs. 1, <strong>2.</strong> Alt. BGB<br />
anfechten und damit die (rückwirkende, vgl. § 142 Abs. 1 BGB)<br />
Nichtigkeit des Kaufvertrages bewirken.<br />
c) Inhaltsirrtum<br />
In diesen Fällen entspricht der äußere Tatbestand der Erklärung<br />
(= das, was tatsächlich und nach außen hin erklärt wird), dem<br />
Willen des Erklärenden, dieser irrt sich aber über Bedeutung o-<br />
der Tragweite der von ihm abgegebenen Erklärung. Der Erklä-<br />
rende weiß, was er sagt, er weiß aber nicht, was er damit sagt.<br />
Beispiele: Bestellung von 25 Gros Rollen WC-Papier (=<br />
3.600 Rollen) in der Annahme, es handele sich um 25 große<br />
Rollen; Verkauf des Grundstücks mit der Flurbuchbezeich-<br />
nung „A“ in dem Glauben, Vertragsgegenstand sei das dem<br />
selben Verkäufer gehörende Nachbargrundstück „B“; A will<br />
den Fliesenlegermeister B beauftragen, ruft aber bei Fliegen-<br />
legermeister C an.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
50<br />
______________________________________________________________<br />
d) Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften<br />
aa) Grundsätze<br />
Eigenschaften einer Person oder Sache sind neben den auf der<br />
natürlichen Beschaffenheit beruhenden Merkmalen auch die tat-<br />
sächlichen oder rechtlichen Verhältnisse und Beziehungen zur<br />
Umwelt, soweit sie nach der Verkehrsanschauung für die Wert-<br />
schätzung oder Verwendbarkeit von Bedeutung sind. Unter<br />
§ 119 Abs. 2 BGB fallen allerdings nur solche rechtlichen oder<br />
tatsächlichen Verhältnisse, die in der Sache selbst ihren Grund<br />
haben oder von ihr ausgehen; sie dürfen nicht nur mittelbar auf<br />
die Sache Einfluss haben.<br />
bb) Eigenschaften einer Person<br />
Beispiele: Alter; Geschlecht; politische Einstellung; Konfes-<br />
sion; berufliche Fähigkeiten; Kreditwürdigkeit (nicht aber hin-<br />
sichtlich des Schuldners im Rahmen eines Bürgschaftsver-<br />
sprechens, da der Bürgschaftsfall eine risikotypische Gefahr<br />
darstellt!); Vorstrafen; Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässig-<br />
keit bei solchen Verträgen, die auf eine vertrauensvolle Zu-<br />
sammenarbeit der Vertragsparteien ausgelegt sind.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
51<br />
______________________________________________________________<br />
� Achtung: Erheblich sind die vorgenannten Eigenschaften je-<br />
doch nur, wenn sie in unmittelbarer Beziehung zum Geschäftsin-<br />
halt stehen, so beispielsweise bei der Einstellung als Schreiner-<br />
meister die Eigenschaft des Arbeitnehmers als geprüfter Schrei-<br />
nermeister, nicht aber dessen Konfession oder Parteizugehörig-<br />
keit. Auf der anderen Seite ist der Arbeitsvertrag mit einem Re-<br />
dakteur einer Gewerkschaftszeitung unter Umständen anfecht-<br />
bar, wenn sich herausstellt, dass der Redakteur einer politischen<br />
Partei angehört, die nicht mit der Tendenz der Zeitung überein-<br />
stimmt.<br />
cc) Eigenschaften einer Sache<br />
Unter Eigenschaften einer Sache versteht man alle wertbilden-<br />
den Faktoren.<br />
Beispiele: Herkunft, bei einem Kunstwerk insbesondere sei-<br />
ne Echtheit; Herstellungsjahr; Fahrleistung (eins Kraftfahr-<br />
zeugs); Lage und Bebaubarkeit eines Grundstücks; der Um-<br />
satz eines Erwerbsgeschäfts.<br />
Nicht dagegen der Wert oder Marktpreis oder auch das Ei-<br />
gentum an einer Sache.<br />
dd) Verkehrswesentlichkeit<br />
Nach § 119 Abs. 2 BGB kommen nur Eigenschaften in Betracht,<br />
„die im Verkehr als wesentlich angesehen werden“. Damit sollen<br />
solche Eigenschaften ausgeschlossen werden, die nur aus der<br />
Sicht des Erklärenden – subjektiv – erheblich, objektiv aber un-<br />
erheblich sind. Es ist stets auf den typischen wirtschaftlichen<br />
Zweck des Geschäfts abzustellen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
52<br />
______________________________________________________________<br />
e) Prüfungsschema 5 (Irrtumsanfechtung)<br />
Prüfungsschema 5: Irrtumsanfechtung<br />
A. Prüfungspunkte<br />
I. Rechtlich anerkannter Irrtum<br />
1. § 119 Abs. 1, <strong>2.</strong> Alt. BGB<br />
<strong>2.</strong> § 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB<br />
3. § 119 Abs. 2 BGB<br />
II. Kausalität zwischen Irrtum und Willenserklärung („da-<br />
durch“)<br />
III. Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1 BGB)<br />
IV. Frist: Unverzüglich = ohne schuldhaftes Zögern (§ 121<br />
Abs. 1 S. 1 BGB)<br />
B. Rechtsfolgen<br />
I. Nichtigkeit von Anfang an) - § 142 Abs. 1 BGB<br />
II. Schadenersatz (§ 122 BGB) – Vertrauensschaden (sog.<br />
negatives Interesse)<br />
� Anmerkung 1: Was die Anfechtungserklärung nach § 143<br />
Abs. 1 BGB betrifft (o. A. III.), so muss der Erklärende erkennen<br />
lassen, dass er das Rechtsgeschäft wegen eines Willensman-<br />
gels nicht gelten lassen will. Dabei braucht er das Wort „anfech-<br />
ten“ nicht verwenden. So kann etwa die Rückforderung des Ge-<br />
leisteten oder das Bestreiten der Verpflichtung ausreichen, um<br />
darin eine wirksame Anfechtungserklärung nach § 143 Abs. 1<br />
BGB zu sehen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
53<br />
______________________________________________________________<br />
� Anmerkung 2: Hinsichtlich der Anfechtungsfrist nach § 121<br />
Abs. 1 BGB ist zu beachten, dass die Frist mit der Kenntnis von<br />
dem Anfechtungsgrund, also des Irrtums i.S.v. § 119 Abs. 1,<br />
Abs. 2 BGB zu laufen beginnt. Insoweit genügt das bloße Ken-<br />
nenmüssen (= fahrlässiges Nichtkennen) ebenso wenig wie das<br />
Vorliegen von bloßen Verdachtsgründen im Hinblick auf eine e-<br />
ventuell bestehende Möglichkeit einer Anfechtung.<br />
4. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123<br />
Abs. 1, 1. Alt. BGB)<br />
� Achtung: Der Grund für die Anfechtung liegt hier beim An-<br />
fechtungsgegner!<br />
Prüfungsschema 6: Anfechtung wegen arglistiger Täu-<br />
A. Prüfungspunkte<br />
I. Täuschungshandlung<br />
II. Täuschungserfolg (Irrtum)<br />
schung<br />
III. Kausalität zwischen Täuschung und Willenserklärung<br />
IV. Widerrechtlichkeit (fehlt beispielsweise bei unzulässigen<br />
Fragen während eines Bewerbungsgesprächs)<br />
V. Arglist (erfordert einen Täuschungswillen, d.h. der Täu-<br />
schende muss die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen)<br />
VI. Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1 BGB)<br />
VII. Frist gem. § 124 BGB<br />
B. Rechtsfolge: § 142 Abs. 1 BGB; kein Schadensersatzan-<br />
spruch!<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
54<br />
______________________________________________________________<br />
� Ergo: Die Anfechtung nach § 123 BGB ist für den Anfechten-<br />
den günstiger als eine Anfechtung nach § 119 BGB.<br />
BAG NZA 1996, 371: Die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderteneigenschaft<br />
eines Stellenbewerbers ist auch dann uneingeschränkt<br />
zulässig, wenn die Behinderung, auf der die Anerkennung<br />
beruht, tätigkeitsneutral ist. Die unrichtige Beantwortung der Frage<br />
nach der Schwerbehinderteneigenschaft kann die Anfechtung des Arbeitsvertrages<br />
wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB rechtfertigen.<br />
BGH NJW 2000, 2894: Für die Frage ob die Rechtslage des Getäuschten<br />
beeinträchtigt ist, kommt es auf den Zeitpunkt der Abgabe<br />
der Anfechtungserklärung an, nicht des Zugangs. Der Grundsatz von<br />
Treu und Glauben erfordert es nicht, dass der Anfechtungsberechtigte<br />
zunächst abwartet, ob der Täuschende die durch die Täuschung verursachte<br />
Beeinträchtigung alsbald beseitigt.<br />
5. Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung (§ 123<br />
Abs. 1, <strong>2.</strong> Alt. BGB)<br />
� Achtung: Der Grund für die Anfechtung liegt hier – wie bei<br />
§ 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB – beim Anfechtungsgegner!<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
55<br />
______________________________________________________________<br />
Prüfungsschema 7: Anfechtung wegen widerrechtlicher<br />
A. Prüfungspunkte<br />
Drohung<br />
I. Drohung (in Aussicht stellen eines zukünftigen Übels)<br />
II. Kausalität zwischen Drohung und Willenserklärung<br />
III. Widerrechtlichkeit – Fallgruppen:<br />
1. Widerrechtlichkeit des Mittels (z.B. Drohung mit einem<br />
strafbaren oder sittenwidrigen Mittel)<br />
<strong>2.</strong> Widerrechtlichkeit des Zweckes: Der erzwungene Erfolg<br />
muss verboten oder sittenwidrig sein<br />
3. Inadäquanz von Mittel und Zweck: Die Willensbeeinflus-<br />
sung durch Drohung ist auch dann widerrechtlich, wenn<br />
zwar Mittel und Zweck für sich betrachtet nicht anstößig<br />
sind, aber ihre Verbindung – die Benutzung dieses Mittel<br />
zu diesem Zweck gegen das Anstandsgefühl aller billig<br />
und gerecht Denkenden verstößt<br />
IV. Subjektiv: Wille, den Bedrohten zu bestimmen<br />
V. Erklärung (§ 143 Abs. 1 BGB)<br />
VI. Frist gem. § 124 BGB<br />
B. Rechtsfolge: § 142 Abs. 1 BGB (s.o.)<br />
6. Problem: Dritter in § 123 Abs. 2 S. 1 BGB<br />
a) Grundsatz<br />
Verübt nicht der Erklärungsempfänger selbst, sondern ein Dritter<br />
die Täuschung, so kommt eine Anfechtung nur dann in Betracht,<br />
wenn der Erklärungsempfänger die Täuschung kannte oder ken-<br />
nen musste, d.h. fahrlässig nicht kannte (§ 123 Abs. 2 S. 1 BGB).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
56<br />
______________________________________________________________<br />
Beispiel: Der an einem Verkauf eines Kraftfahrzeuges des<br />
Verkäufers A völlig unbeteiligte D täuscht Käufer B über die<br />
Laufleistung des PKW.<br />
Hier ist eine Anfechtung durch B nur möglich, wenn A die Täu-<br />
schung durch D kannte oder zumindest kennen musste.<br />
b) Aber: Nicht Dritter i.S.d. § 123 Abs. 2 S. 1 BGB ist der Vertreter,<br />
der Verhandlungsgehilfe oder eine sonstige Vertrauensperson<br />
des Erklärungsempfängers (Rechtsgedanke des § 278 BGB).<br />
BGH NJW 1996, 1051: Ein am Zustandekommen des Vertrages Beteiligter<br />
ist dann nicht als „Dritter“ i.S.d. Vorschriften des § 123 Abs. 2<br />
BGB anzusehen, wenn sein Verhalten mit dem des Anfechtungsgegners<br />
gleich zu setzen ist.<br />
BGH, Urt. v. 21.01.2003, Az. XI ZR 125/02 [Zur Frage der Zurechnung<br />
von Haustürgeschäftesituationen]: Nach Auffassung des BGH<br />
ist die Frage der Zurechnung einer Haustürsituation i.S. des § 1 Abs. 1<br />
HWiG [jetzt § 312 BGB n.F.] zu Lasten der kreditgebenden Bank nach<br />
den zu § 123 BGB entwickelten Grundsätzen zu bestimmen. Danach<br />
ist das Verhalten des Verhandlungsführers dem Erklärungsempfänger<br />
[Bank] dann zuzurechnen, wenn er dessen Angestellter, Mitarbeiter<br />
oder Beauftragter ist oder wenn er wegen seiner engen Beziehung zu<br />
diesem als dessen Vertrauensperson erscheint.<br />
OLG Koblenz, NJW-RR 2003, 119: Wird eine im Eigentum einer Erbengemeinschaft<br />
stehende Sache von den Eigentümern gemeinschaftlich<br />
verkauft und begeht dabei einer der Verkäufer dem Käufer gegenüber<br />
eine arglistige Täuschung, ohne dass die übrigen von der Täuschung<br />
wissen müssen, so ist der Käufer dennoch alle Verkäufern gegenüber<br />
zur Anfechtung berechtigt [das OLG lehnt die Anwendung von<br />
§ 123 Abs. 2 BGB ab, da dies nicht interessengerecht sei].<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
57<br />
______________________________________________________________<br />
VIII. (Offene) Stellvertretung: §§ 164 ff. BGB<br />
1. Ratio der Stellvertretung<br />
Ratio der Stellvertretung ist die tatsächliche oder rechtliche Un-<br />
fähigkeit, selbst zu handeln.<br />
Beispiele: Kaufmann A kann nicht gleichzeitig einen Vertrag<br />
in München und einen in Hamburg aushandeln. So bedient er<br />
sich eines Stellvertreters, der für ihn die Vertragsverhandlung<br />
in München oder Hamburg führt.<br />
Eine rechtliche Unfähigkeit selbst zu handeln, liegt etwa in<br />
Fällen vor, in denen juristische Personen (z.B. eine GmbH)<br />
Vertragspartner sein sollen. Diese sind aufgrund ihrer<br />
Rechtsnatur nicht zu einem eigenen Handeln in der Lage.<br />
<strong>2.</strong> Interessenlage im Rahmen der Stellvertretung<br />
a) Vertretener<br />
Der Vertretene will die „Früchte“ der Vertretung ernten. Daraus<br />
folgt, dass der Vertretene Vertragspartner werden muss.<br />
b) Vertreter<br />
Der Vertreter will „außen vor“ bleiben. Dies bedeutet, dass der<br />
Vertreter nicht Vertragspartner werden darf.<br />
c) Dritter<br />
Der Dritte (= Vertragspartner) will seinen Gegenüber kennen und<br />
u.U. Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn der Ver-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
58<br />
______________________________________________________________<br />
tretene nicht einsteht für das Handeln des Vertreters, vgl. § 179<br />
Abs. 1 und Abs. 2 BGB. Vorstehendes bedeutet, dass der Vertre-<br />
ter sein Handeln für den Vertretenen deutlich machen muss.<br />
3. Abgrenzung der Stellvertretung<br />
a) Botenschaft<br />
Der Bote übermittelt eine fremde Willenserklärung. Er ist gewis-<br />
sermaßen „lebender Brief“. Da der Bote keine eigene Willenser-<br />
klärung abgibt, können auch Geschäftsunfähige Boten sein, der<br />
Minderjährigenschutz steht dem nicht entgegen.<br />
Der Stellvertreter überbringt stets eine eigene Willenserklärung.<br />
Da es sich bei der Abgabe einer eigenen Willenserklärung im<br />
fremden Namen um ein sog. neutrales Geschäft handelt, kann<br />
Stellvertretung auch durch beschränkt Geschäftsfähige erfolgen,<br />
§ 165 BGB.<br />
� Achtung: Ob im Einzelfall ein Handeln als Vertreter oder als<br />
Bote vorliegt, hängt nicht von dem zwischen dem Mittler (= Ver-<br />
treter) und dem Geschäftsherrn (= Vertretener) bestehenden In-<br />
nenverhältnis, sondern vom äußeren Auftreten ab. Bei der Erle-<br />
digung ganz bestimmter Besorgungen durch einen Mittler ist im<br />
Zweifel Tätigwerden als Bote anzunehmen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
59<br />
______________________________________________________________<br />
b) Mittelbare (verdeckte) Stellvertretung<br />
Im Fall der mittelbaren (= verdeckten Stellvertretung) handelt je-<br />
mand für einen anderen, ohne dies nach außen kundzutun<br />
(„Strohmann“).<br />
Beispiel: Das Kommissionsgeschäft, §§ 383 ff. HGB<br />
Konsequenz der lediglich mittelbaren Stellvertretung ist, dass es<br />
sich um ein Rechtsgeschäft des „Stellvertreters“ (beispielsweise<br />
des Kommissionärs) handelt, d.h. diese Rechtsgeschäfte sind<br />
wie eigene (des Kommissionärs) zu behandeln, der „Hintermann“<br />
(= Auftraggeber) wird nicht verpflichtet und er ist grundsätzlich<br />
nicht berechtigt, vertragliche Ansprüche gegenüber dem Ver-<br />
tragspartner geltend zu machen.<br />
c) Übersicht 7 (Zusammenfassung)<br />
Bote<br />
Handeln für einen anderen<br />
(offener) Stellvertreter<br />
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(verdeckter)<br />
Stellvertreter
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
60<br />
______________________________________________________________<br />
4. Unzulässigkeit der Stellvertretung<br />
Stellvertretung ist überall dort unzulässig, wo höchstpersönlich<br />
gehandelt werden muss.<br />
Beispiel: § 2064 BGB<br />
Beachten Sie bitte unbedingt § 174 BGB: Zwar kann der Vertre-<br />
ter ein einseitiges Rechtsgeschäft an sich wirksam vornehmen.<br />
Mit Blick auf das Risiko einer möglichen Zurückweisung sollte er<br />
aber tunlichst mit einer (Original-)Vollmacht ausgestattet sein.<br />
Beispiel: Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch<br />
Rechtsanwalt oder Steuerberater<br />
BGH DB 2002, 89: Eine namens einer Gesellschaft bürgerlichen<br />
Rechts von einem alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter abgegebene<br />
einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung kann von dem<br />
Empfänger gemäß § 174 S. 1 BGB zurückgewiesen werden, wenn ihr<br />
weder eine Vollmacht der anderen Gesellschafter, noch der Gesellschaftsvertrag<br />
oder eine Erklärung der anderen Gesellschafter beigefügt<br />
ist, aus der sich die Befugnis des handelnden Gesellschafters zur<br />
alleinigen Vertretung der Gesellschaft ergibt.<br />
BAG NJW 1992, 2046 [Kündigung durch Prokuristen ohne Vorlage einer<br />
Vollmachtsurkunde]: Wird die Kündigung von einem Prokuristen<br />
des Arbeitgebers ausgesprochen, dessen Prokura eingetragen und<br />
vom Registergericht bekannt gemacht worden ist, bedarf es für die<br />
Wirksamkeit der Kündigung nicht der Vorlage einer Vollmachtsurkunde<br />
durch den Prokuristen nach Maßgabe des § 174 S. 1 BGB. Der Gekündigte<br />
muss die Prokuraerteilung gem. § 15 Abs. 2 HGB gegen sich<br />
gelten lassen. Dies gilt auch dann, wenn der Prokurist entgegen § 51<br />
zeichnet.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
61<br />
______________________________________________________________<br />
5. Prüfung einer wirksamen Stellvertretung<br />
Die Prüfung einer wirksamen Stellvertretung erfolgt auf der ge-<br />
setzlichen Grundlage von § 164 Abs. 1 S. 1 BGB.<br />
a) Prüfungsschema 8<br />
� Lernhinweis: Das nachfolgend aufgeführte Prüfungsschema<br />
ist von großer Bedeutung und dringend zu lernen!<br />
Prüfungsschema 8: Voraussetzungen Stellvertretung<br />
1. Eigene Willenserklärung des Vertreters (Abgrenzung zur<br />
Botenschaft)<br />
<strong>2.</strong> Erkennbarkeit des Willens im fremden Namen zu handeln<br />
(Offenkundigkeitsprinzip) – Bitte § 164 Abs. 1 S. 2 BGB<br />
beachten!<br />
3. Handeln innerhalb der eingeräumten Vertretungsmacht<br />
Kurz:<br />
υ Eigene Willenserklärung<br />
υ im fremden Namen<br />
υ mit Vertretungsmacht<br />
� Anmerkung: Mit Blick auf das oben erwähnte sog. Offenkun-<br />
digkeitsprinzip ist zu berücksichtigen, dass derjenige, der für ei-<br />
nen Gewerbetrieb auftritt, regelmäßig namens des Inhabers<br />
handelt (sog. unternehmensbezogene Geschäfte). Dabei sind<br />
falsche Vorstellungen des Geschäftspartners über den Inhaber<br />
des Gewerbebetriebs unschädlich.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
62<br />
______________________________________________________________<br />
b) Achtung 1: § 164 Abs. 2 BGB<br />
Nach § 164 Abs. 2 BGB ist eine Anfechtung nach § 119 Abs. 1,<br />
Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn dem Offenkundigkeitsprinzip<br />
nicht Rechnung getragen wurde. Der für einen anderen Han-<br />
delnde wird sodann selbst aus dem Rechtsgeschäft berechtigt<br />
und verpflichtet, wenn er seinen Vertreterwillen für den Gegen-<br />
über nicht erkennbar gemacht hat.<br />
BGH NJW 1995, 43: Wer eine Willenserklärung im eigenen Namen<br />
abgegeben hat und sich darauf beruft, sie sei unternehmensbezogen,<br />
hat die Unternehmensbezogenheit zu beweisen. Zweifel gehen zu Lasten<br />
des Erklärenden.<br />
c) Achtung 2: Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip<br />
Eine bedeutsame Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip ist das<br />
Geschäft für den, den es angeht (Bargeschäfte des täglichen Le-<br />
bens): Bei Bargeschäften des täglichen Lebens ist es für die am<br />
Vertrag Beteiligten regelmäßig ohne größere Bedeutung, ob der<br />
Vertreter im eigenen oder im fremden Namen handelt. In diesen<br />
Fällen kommt mangels Schutzbedürftigkeit der Gegenpartei der<br />
Vertrag mit dem zustande, den es angeht, ohne dass der Vertre-<br />
terwille erkennbar gemacht zu werden braucht. Dies hat bei-<br />
spielsweise im Rahmen der Gewährleistungshaftung nach<br />
§§ 434 ff. BGB zur Konsequenz, dass Anspruchsinhaber jemand<br />
wird, den der Veräußerer bei Abschluss des Kaufvertrages nicht<br />
kennen gelernt hat.<br />
Entscheidende Voraussetzung für die beschriebene Ausnahme<br />
vom Offenkundigkeitsprinzip ist es stets, dass der Gegenpartei<br />
die Person des eigentlichen Vertragspartners, d.h. seine Identi-<br />
tät, gleichgültig ist.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
63<br />
______________________________________________________________<br />
Beispiel: A bittet die Freundin B, aus dem Supermarkt S 1 Li-<br />
ter Milch sowie 6 Eier mitzubringen. Bezahlt B die für A ge-<br />
kauften Sachen an der Kasse so kommt zwischen S und A<br />
ein Kaufvertrag zustande, ohne dass B ihre Vertreterrolle (=<br />
Handeln für A) hätte deutlich machen müssen.<br />
6. Rechtsfolge einer wirksamen Stellvertretung<br />
Der Vertretene ist rechtlich gebunden, er ist Vertragspartner mit<br />
allen Vor- und Nachteilen des mit Hilfe des Vertreters zustande<br />
gekommenen Vertrages, § 164 Abs. 1 S. 1 BGB.<br />
7. Begriff der Vertretungsmacht<br />
a) Vertretungsmacht aus Gesetz<br />
Bespiele: § 1629 Abs. 1 S. 1 BGB; § 35 GmbHG; § 78 AktG<br />
b) Vertretungsmacht aus Rechtsgeschäft<br />
Bei der Vertretungsmacht aus Rechtsgeschäft handelt es sich<br />
um die sog. Vollmacht, vgl. § 166 Abs. 2 S. 1 BGB.<br />
aa) Arten der Vollmacht<br />
Unterscheiden Sie bitte die folgenden Arten der Vollmacht, die<br />
sich durch die Form ihrer Erteilung voneinander unterscheiden:<br />
• Innenvollmacht (§ 167 Abs. 1, 1. Fall BGB)<br />
• Außenvollmacht (§ 167 Abs. 1, <strong>2.</strong> Fall BGB<br />
• Kundgemachte Innenvollmacht (§ 171 Abs. 1 BGB)<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
64<br />
______________________________________________________________<br />
bb) Vollmacht und Grundverhältnis<br />
Zum Verhältnis zwischen der Vollmacht und dem ihrer Erteilung<br />
zugrunde liegenden Rechtsverhältnis s. § 168 S. 1 und 2 BGB.<br />
Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:<br />
• Das Erlöschen der Vollmacht richtet sich in erster Linie nach<br />
dem Inhalt der Vollmacht, § 168 S. 1 BGB. Zu den Einzelhei-<br />
ten weiter u. cc).<br />
• Der Widerruf der Vollmacht ist grundsätzlich jederzeit zuläs-<br />
sig, auch wenn das Grundverhältnis fortbesteht (§ 168 S. 2<br />
BGB).<br />
• Das Grundverhältnis ist regelmäßig ein Geschäftsbesor-<br />
gungsvertrag (Auftrag, Dienstvertrag, Werkvertrag).<br />
Beispiel: A ist Büroangestellte und Sekretärin im Unter-<br />
nehmen des B. B erteilt A Vollmacht dahingehend, Ver-<br />
tragsabschlüsse bis zu einer Höhe von 10.000,00 € selb-<br />
ständig vornehmen zu können. Diese Vollmacht ist grund-<br />
sätzlich jederzeit frei widerruflich, lässt aber für diesen Fall<br />
das Grundverhältnis (= Dienst- bzw. Arbeitsvertrag) zwi-<br />
schen A und B unberührt. Gleiches gilt auch für die Proku-<br />
ra, § 52 Abs. 1 HGB.<br />
cc) Erlöschen der Vollmacht<br />
Bei dem Erlöschen der Vollmacht gilt der Schutz des Gutgläubi-<br />
gen als Grundprinzip, s. §§ 170, 171 Abs. 2, 172 Abs. 2, 173<br />
BGB.<br />
� Lernhinweis: Bitte lesen Sie die oben aufgeführten Normen<br />
sorgfältig nach!<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
65<br />
______________________________________________________________<br />
8. Duldungs- und Anscheinsvollmacht<br />
aa) Ratio<br />
� Lernhinweis: Alle Einzelheiten der Anscheins- und Dul-<br />
dungsvollmacht müssen Sie nicht beherrschen. Es genügt, wenn<br />
Sie sich einen „groben Überblick“ verschaffen, in dem Sie die<br />
nachfolgenden Ausführungen einmal aufmerksam nachlesen.<br />
Duldungs- und Anscheinsvollmacht sind Vollmachten kraft<br />
Rechtsschein. Sie werden im Ergebnis wie Vollmachten im<br />
Rechtssinne behandelt.<br />
bb) Voraussetzungen der Anscheins- und Duldungs-<br />
vollmacht<br />
Prüfungsschema 9: Anscheins-/Duldungsvollmacht<br />
1. Keine ausdrücklich erteilte, „echte“ Vollmacht (Einräumung<br />
von Vertretungsmacht hat nicht stattgefunden)<br />
<strong>2.</strong> Rechtsschein einer Vollmacht (jemand verhält sich so, als<br />
sei er wirksam bevollmächtigt)<br />
3. Rechtsschein muss durch „Vertretenen“ in zurechenbarer<br />
Weise gesetzt worden sein:<br />
a) Duldungsvollmacht: Kennen und Dulden des Verhaltens<br />
des Handelnden<br />
b) Anscheinsvollmacht: Erkennen können des Handelns des<br />
„Vertreters“ (= fahrlässiges Dulden des Handelns)<br />
4. Vertrauen des Dritten (= Vertragspartner) auf Rechts-<br />
schein<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
66<br />
______________________________________________________________<br />
9. Grenzen der Vertretungsmacht<br />
� Lernhinweis: Hierbei handelt es sich um einen sehr wichtigen<br />
Problemkreis. Bitte prägen Sie sich die nachfolgend beschriebe-<br />
nen Problemkonstellationen gut ein!<br />
a) Der Vertreter ohne Vertretungsmacht<br />
aa) Grundsatz<br />
Hat der Vertreter keine Vertretungsmacht, wirkt auch das<br />
Rechtsgeschäft, an dessen Zustandekommen er mitgewirkt hat,<br />
nicht für und gegen den Vertretenen, soweit es nicht zu einer<br />
nachträglichen Zustimmung (Genehmigung) gekommen ist.<br />
bb) Konsequenzen im Detail<br />
• Ein ohne Vertretungsmacht geschlossener Vertrag ist schwe-<br />
bend unwirksam, vgl. § 177 Abs. 1 BGB.<br />
• Der Vertrag kann aber durch Genehmigung (= nachträgliche<br />
Zustimmung) des Vertretenen wirksam werden, § 177 Abs. 1<br />
BGB. Die Genehmigung lässt den Vertrag rückwirkend wirk-<br />
sam werden (§§ 182, 184 Abs. 1 BGB).<br />
• Verweigert der Vertretene die Genehmigung, wird der Vertrag<br />
endgültig unwirksam, vgl. §§ 177 Abs. 2, 178 BGB.<br />
• Enttäuscht der Vertreter das Vertrauen des Geschäftspart-<br />
ners, weil er keine Vertretungsmacht besitzt und der Vertrete-<br />
ne das Vorgehen des Vertreters auch nicht nachträglich ge-<br />
nehmigt, so muss der Vertreter dem Geschäftsgegner dafür<br />
einstehen; zu den Einzelheiten s. § 179 BGB (Vorschrift bitte<br />
sorgfältig nachlesen!).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
67<br />
______________________________________________________________<br />
b) § 181 BGB: Das sog. Insichgeschäft<br />
§ 181 BGB beruht auf dem Grundgedanken, dass in bestimmten<br />
Fällen, in denen es an zwei – grundsätzlich gegensätzliche Inte-<br />
ressen vertretenden – Geschäftspartnern fehlt, eine Stellvertre-<br />
tung aus Gründen der Vermeidung einer Interessenkollision aus-<br />
zuscheiden hat.<br />
Es ist dabei wie nachfolgend geschildert zu unterscheiden:<br />
aa) Das Selbstkontrahieren (§ 181, 1. Alt. BGB)<br />
Der Vertreter kann grundsätzlich ein Rechtsgeschäft im Namen<br />
des Vertretenen nicht mit sich selbst abschließen (anders ist dies<br />
z.B. dann, wenn es ihm gestattet ist, § 181 BGB a.E.).<br />
bb) Die Mehrvertretung (§ 181, <strong>2.</strong> Alt. BGB)<br />
Gleiches wie oben unter aa) gilt auch für die sog. Mehrvertre-<br />
tung, ein Fall, in dem der Vertreter zugleich Vertreter eines Drit-<br />
ten ist.<br />
Beispiel: A hat von B Vollmacht erhalten, dessen Kraftfahr-<br />
zeug zu verkaufen. Gleichzeitig hat A von C Vollmacht erhal-<br />
ten, ein Kraftfahrzeug zu kaufen. A verkauft das Auto des B<br />
an C, wobei er jeweils auf Verkäufer- und Käuferseite als Ver-<br />
treter auftritt.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
68<br />
______________________________________________________________<br />
� Achtung: Neben den in § 181 BGB gesetzlich ausdrücklich<br />
geregelten Ausnahmen sind vor allem folgende Fälle des zuläs-<br />
sigen Insichgeschäfts zu beachten: § 125 Abs. 2 HGB; § 78 Abs.<br />
4 AktG; allgemein soll § 181 BGB auch dort nicht einschlägig<br />
sein, wo das Insichgeschäft dem Vertretenen lediglich einen<br />
rechtlichen Vorteil bringt. Bitte beachten Sie auch § 35 Abs. 4<br />
GmbHG!<br />
c) Missbrauch der Vertretungsmacht<br />
Wusste der Geschäftspartner, dass der Vertreter seine ihm durch<br />
den Vertretenen eingeräumte Vertretungsmacht überschreitet, ist<br />
er nicht schutzwürdig, eine wirksame Stellvertretung liegt nicht<br />
vor.<br />
Hatte sich der Geschäftsgegner mit dem Vertreter derart zu-<br />
sammen getan, dass man über die Zusammenarbeit den Vertre-<br />
tenen schädigen wollte (Fall der sog. Kollusion), ist das Rechts-<br />
geschäft nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig und es<br />
kommt für den Vertretenen ein Anspruch nach § 826 BGB<br />
(Schadensersatz wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädi-<br />
gung) in Betracht.<br />
BGH ZIP 1999, 1303: Gewährt die Inhaberin eines Sparguthabens ihrem<br />
Hausarzt eine umfassende Verfügungsvollmacht über das Sparkonto,<br />
die der Bevollmächtigte nur kurze Zeit nach der Eröffnung des<br />
Kontos dazu benutzt, das Sparguthaben aufzulösen, um eigenen Darlehensverbindlichkeiten<br />
bei seiner Bank zu tilgen, ist eine objektive Evidenz<br />
eines Vollmachtsmissbrauches zu bejahen.<br />
Nach h.M. reicht auf Seiten des Geschäftsgegners ein Kennen-<br />
müssen des Missbrauchs der Vertretungsmacht aus, wobei man<br />
unter einem solchen „Kennenmüssen“ nur Evidenzfälle versteht,<br />
d.h. solche, in denen jeder Vernünftige den Missbrauch der Ver-<br />
tretungsmacht erkannt hätte (BGHZ 127, 239, 241: „Massive<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
69<br />
______________________________________________________________<br />
Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Miss-<br />
brauchs“).<br />
10. Sonderproblem § 166 Abs. 1, 2 BGB<br />
a) § 166 Abs. 1 BGB: Nicht die Vorstellungen des Vertretenen, son-<br />
dern die des Vertreters sind maßgeblich.<br />
Beispiel: Für eine Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB kommt<br />
es nach § 166 Abs. 1 BGB darauf an, ob sich der Vertreter in<br />
einem entsprechenden, rechtlich relevanten Irrtum befunden<br />
hat. Ob sich daneben auch der Vertretene geirrt hat, ist we-<br />
der schädlich noch notwendig.<br />
BGH DB 2000, 1456: Auch bei der Auslegung eines beurkundungspflichtigen<br />
Rechtsgeschäfts [hier: Verkauf von GmbH-<br />
Geschäftsanteilen] muss sich der Vertretene, der das Handeln eines in<br />
seinem Namen auftretenden vollmachtslosen Vertreters nachträglich<br />
genehmigt, dessen Kenntnis und dessen Verständnis vom Inhalt der<br />
abgegebenen Erklärungen nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.<br />
BGH, Urt. v. 2<strong>2.</strong>0<strong>2.</strong>2002, Az. V ZR 113/01 [Anfechtung wegen arglistiger<br />
Täuschung und vollmachtsloser Vertreter]: Das Anfechtungsrecht<br />
wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB steht einem in Anspruch<br />
genommenen Vertreter ohne Vertretungsmacht in Abwehr einer Haftung<br />
nach § 179 BGB zu.<br />
b) § 166 Abs. 2 BGB: Diese Bestimmung schränkt die Anwendung<br />
des § 166 Abs. 1 BGB aus Gründen des Schutzes vor Miss-<br />
brauch ein.<br />
Beispiel: A ist von B bevollmächtigt worden, für diesen (B)<br />
einen CD-Spieler von C zu kaufen. C hatte sich den CD-<br />
Spieler zuvor von D ausgeliehen, was B wusste. Der ah-<br />
nungslose A kauft das Gerät. D verlangt von B empört<br />
sein Eigentum.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
70<br />
______________________________________________________________<br />
Ein Anspruch von D gegen B könnte sich ergeben aus § 985<br />
BGB. Dies setzt voraus, dass B Besitzer und D Eigentümer des<br />
CD-Spielers ist. B ist Besitzer, vgl. § 854 Abs. 1 BGB. Fraglich ist<br />
aber, ob D Eigentümer ist. D war Eigentümer, er könnte jedoch<br />
sein Eigentum nach § 929 S. 1 i.V.m. § 932 Abs. 1 S. 1, Abs. 2<br />
BGB an B verloren haben. Dies setzt u.a. voraus, dass B gut-<br />
gläubig war, vgl. § 932 Abs. 1 S.1, Abs. 2 BGB. Dafür spricht,<br />
dass B durch den gutgläubigen A vertreten worden ist. Dessen<br />
Handeln wirkt nach § 164 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich für und<br />
gegen B. Im Übrigen kommt es nach § 166 Abs. 1 BGB grund-<br />
sätzlich auf die Kenntnis des Vertreters an. Aber nach § 166 Abs.<br />
2 S. 1 BGB kann sich der „Bösgläubige“ (B) nicht hinter dem<br />
„Gutgläubigen“ (A) verstecken. Mithin hat B das Eigentum an<br />
dem CD-Spieler nicht wirksam erworben. Damit ist D Eigentümer<br />
geblieben. D kann den CD-Spieler von B gem. § 985 BGB her-<br />
aus verlangen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
71<br />
______________________________________________________________<br />
11. Stellvertretung im Handelsrecht: Prokura / Hand-<br />
lungsvollmacht / Handlungsgehilfe / Handelsvertre-<br />
ter<br />
a) Prokura (§§ 48 ff. HGB)<br />
aa) Begriff Prokura<br />
� Merke: Bei Prokura und Handlungsvollmacht handelt es sich<br />
um handelsrechtliche Vollmachten mit gesetzlich festgelegtem<br />
Umfang.<br />
bb) Erteilung der Prokura<br />
Die Erteilung der Prokura stellt eine empfangsbedürftige, aus-<br />
drückliche Willenserklärung dar, § 48 Abs. 1 HGB.<br />
cc) Erklärender<br />
Erklärender können nur der Inhaber selbst oder der gesetzliche<br />
Vertreter sein, § 48 Abs. 1 HGB. Ein Prokurist kann mithin keine<br />
Prokura erteilen.<br />
dd) Empfänger<br />
Empfänger der Erklärung können der Prokurist oder ein Dritter<br />
sein, §§ 164 Abs. 1, 171 Abs. 1 BGB.<br />
Kammergericht, DB 2001, 2707 [Erteilung von Prokura an juristische<br />
Person unzulässig]: Mit der weitaus überwiegenden Meinung im<br />
juristischen Schrifttum vertritt das Kammergericht die Auffassung, dass<br />
die Bestellung einer juristischen Person zum Prokuristen nach der geltenden<br />
gesetzlichen Regelung ausgeschlossen sei. Zwar möge der<br />
Wortlaut der §§ 48–53 HGB noch nicht zwingend gegen die Erteilung<br />
einer Prokura an eine juristische Person sprechen. Sie sei jedoch mit<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
72<br />
______________________________________________________________<br />
der sich aus diesen Bestimmungen ergebenden gesetzlichen Konzeption<br />
der Prokura nicht vereinbar. Nach der Vorschrift des Gesetzes beruhe<br />
die Erteilung der Prokura auf einem besonderen persönlichen<br />
Vertrauensverhältnis zwischen Prinzipal und Prokuristen. Dies ergäbe<br />
sich schon aus dem umfassenden, im Außenverhältnis nicht beschränkbaren<br />
Umfang der Vertretungsmacht des Prokuristen (§§ 49,<br />
50 HGB), komme aber insbesondere in dem Grundsatz zum Ausdruck,<br />
wonach die Prokura nicht übertragbar ist (§ 52 Abs. 2 HGB). Dem würde<br />
es widersprechen, wenn der Prokurist eine juristische Person wäre,<br />
deren jeweiliges Vertretungsorgan die Vertretungsmacht ausüben würde.<br />
Denn bei einem Wechsel des Vertretungsorgans käme es jedenfalls<br />
zu einem Wechsel des tatsächlich auftretenden Entscheidungsträgers,<br />
auf den der Prinzipal keinen Einfluss hätte und dem er durch Widerruf<br />
der Prokura nur unzureichend begegnen könnte. Damit würde<br />
der mit § 52 Abs. 2 HGB verfolgte Gesetzeszweck umgangen.<br />
ee) Eintragung in das Handelsregister<br />
Der Eintragung in das Handelsregister kommt lediglich deklarato-<br />
rische Bedeutung zu, vgl. § 53 Abs. 1 HGB.<br />
ff) Umfang der Prokura<br />
(1) Vertretungsmacht<br />
Grundsätzlich ist die Vertretungsmacht des Prokuristen unbe-<br />
schränkt, § 49 Abs. 1 HGB. Als bedeutsame Ausnahmen sind<br />
aber zu berücksichtigen:<br />
• § 49 Abs. 2 HGB (Erwerb von Grundstücken möglich!)<br />
• Sog. Prinzipalgeschäfte (z.B. §§ 31, 48 Abs. 1 HGB)<br />
• Sog. Grundlagengeschäfte (z.B. Geschäftsaufgabe, Antrag<br />
auf Insolvenzeröffnung)<br />
(2) Unbeschränkbarkeit der Prokura (§ 50 Abs. 1, 2 HGB)<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
73<br />
______________________________________________________________<br />
(3) Weitere Beschränkungen der Vertretungsmacht<br />
Weiter Beschränkungen der Vertretungsmacht sind in den Fällen<br />
der Kollusion (§ 138 BGB) sowie in sonstigen Fällen des Miss-<br />
brauchs der Vertretungsmacht denkbar, vgl. o.<br />
gg) Erlöschen der Prokura - Gründe<br />
(1) Der Widerruf<br />
Nach § 52 Abs. 1 HGB ist die Prokura ohne Rücksicht auf das<br />
der Erteilung zugrunde liegende Rechtsverhältnis jederzeit wider-<br />
ruflich, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Ver-<br />
gütung.<br />
BGHZ 17, 392: Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass einem<br />
Kommanditisten Prokura zu erteilen ist, so kann die dem Kommanditisten<br />
daraufhin erteilte Prokura nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes<br />
wieder entzogen werden, vgl. § 127 HGB.<br />
(2) Erlöschen des Grundverhältnisses (§ 168 S. 1 BGB)<br />
(3) Tod des Prokuristen<br />
hh) Zeichnung des Prokuristen<br />
Nach § 51 HGB hat der Prokurist in der Weise zu zeichnen, dass<br />
er der Firma seinen Namen mit einem die Prokura andeutenden<br />
Zusatz beifügt. Bei der Vorschrift handelt es sich jedoch lediglich<br />
um eine sog. Ordnungsvorschrift, d.h. die nicht ordnungsgemäße<br />
Zeichnung lässt die Wirksamkeit der Stellvertretung im Übrigen<br />
unberührt!<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
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______________________________________________________________<br />
b) Die Handlungsvollmacht<br />
aa) Erteilung<br />
Erteilende einer Handlungsvollmacht können sein:<br />
• Kaufmann<br />
• Prokurist<br />
• Handlungsbevollmächtigter<br />
Die Erteilung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, formfreie<br />
Willenserklärung. Die Eintragung der Handlungsvollmacht im<br />
Handelsregister ist nicht möglich.<br />
bb) Umfang der Handlungsvollmacht<br />
Der Umfang der Vertretungsmacht bei der Handlungsvollmacht<br />
orientiert sich an § 54 Abs. 1 HGB. Beschränkungen sind mög-<br />
lich nach § 54 Abs. 2, Abs. 3 HGB sowie in den Fällen der Prin-<br />
zipal- und Grundlagengeschäfte, vgl. o.<br />
cc) Erlöschen der Handlungsvollmacht<br />
Die Handlungsvollmacht erlischt durch Widerruf und durch das<br />
Ende des Grundverhältnisses (§ 168 BGB).<br />
dd) Speziell: Handlungsvollmacht der Ladenangestell-<br />
ten<br />
Wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt<br />
ist, gilt nach § 56 HGB als ermächtigt zu Verkäufen und Emp-<br />
fangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager<br />
gewöhnlich geschehen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
75<br />
______________________________________________________________<br />
§ 56 HGB wird überwiegend als Tatbestand der Rechtsschein-<br />
haftung qualifiziert.<br />
Prüfungsschema 10: Voraussetzungen § 56 HGB<br />
1. Laden/offenes Warenlager<br />
<strong>2.</strong> Angestellt (mit Wissen und Wollen des Ladeninhabers)<br />
3. Gewöhnliche (= branchenübliche) Verkäufe / Empfang-<br />
nahmen von Sachen oder Willenserklärungen<br />
4. Dritter gutgläubig (Fahrlässigkeit schadet)<br />
Zu berücksichtigen ist, dass § 56 HGB nur den Verkauf, nicht<br />
aber den Kauf betrifft.<br />
Zudem ist es von Bedeutung, dass nahezu allgemein eine Ana-<br />
logie zu § 54 Abs. 3 HGB befürwortet wird.<br />
c) Der Handlungsgehilfe<br />
Die Vorschriften über den Handlungsgehilfen (§§ 59 ff. HGB) be-<br />
schreiben das Dienstverhältnis der kaufmännischen Angestellten<br />
und sind mithin arbeitsrechtlicher Natur.<br />
Besondere Bedeutung besitzen die Vorschriften der §§ 74 ff.<br />
HGB über das sog. (nachvertragliche) Wettbewerbsverbot. Die<br />
§§ 74 ff. HGB gelten entsprechend für alle sonstigen Arbeitneh-<br />
mer, auch wenn sie nicht Handlungsgehilfen sind (BAG NJW<br />
1990, 1870), i.Ü. auch für sozialabhängige freie Mitarbeiter.<br />
Achten Sie v.a. auf die nachfolgend aufgeführten gesetzlichen<br />
Bestimmungen:<br />
• § 74 HGB<br />
• § 74 a HGB<br />
• § 74 c HGB<br />
• § 75 a HGB<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
76<br />
______________________________________________________________<br />
d) Der Handelsvertreter<br />
aa) Nach § 84 Abs. 1 S. 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selb-<br />
ständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen<br />
anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen<br />
Namen abzuschließen. Der Begriff des Gewerbes ist im Sinne<br />
von § 1 Abs. 1 HGB zu verstehen. Demgemäß ist der Handels-<br />
vertreter Kaufmann, sofern die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2<br />
HGB vorliegen oder er nach § 2 HGB in das Handelsregister ein-<br />
getragen ist. Allerdings finden die Vorschriften der §§ 85 ff. HGB<br />
gleichwohl auch dann Anwendung, wenn ein Eintrag ins Han-<br />
delsregister nicht erfolgt ist, § 84 Abs. 4 HGB. Dies beruht dar-<br />
auf, dass die §§ 85 ff. HGB weitestgehend durch die Schutzbe-<br />
dürftigkeit des Handelsvertreters geprägt sind. Eine solche<br />
Schutzbedürftigkeit besteht in besonderem Maße bei Kleinge-<br />
werbetreibenden.<br />
bb) Nachfolgend sollen einige bedeutsame Einzelfragen des Han-<br />
delsvertreters näher behandelt werden.<br />
(1) Die Selbständigkeit<br />
Die Selbständigkeit, die den Handelsvertreter kennzeichnet, ist in<br />
§ 84 Abs. 1 S. 2 HGB gesetzlich definiert. § 84 Abs. 1 S. 2 HGB<br />
hat über das Recht des Handelsvertreters hinaus große Bedeu-<br />
tung bei der Frage nach dem arbeitsrechtlichen Status eines Be-<br />
schäftigten. Die Selbständigkeit ist nämlich wichtiges Kriterium<br />
bei der Abgrenzung des freien Mitarbeiters von dem abhängig<br />
beschäftigten und weisungsgebundenen Arbeitnehmer.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
77<br />
______________________________________________________________<br />
(2) Handeln „für einen anderen Unternehmer“<br />
Der Handelsvertreter handelt nicht im eigenen Namen. Der Han-<br />
delsvertreter ist damit abzugrenzen gegenüber dem<br />
• Kommissionär (§§ 383 ff. HGB)<br />
• Vertragshändler<br />
• Franchisenehmer (handelt im eigenen Namen und auf eigene<br />
Rechnung)<br />
(3) Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters<br />
Das Entgelt des Handelsvertreters besteht in erster Linie in dem<br />
Anspruch auf die Provision nach § 87 HGB. Der Provisionsan-<br />
spruch stellt das Entgelt dar, das der Handelsvertreter für seine<br />
nach § 86 HGB geschuldete Leistung erhält und bildet damit die<br />
Gegenleistung des Unternehmers.<br />
Gem. § 89 b Abs. 1 HGB kann der Handelsvertreter von dem Un-<br />
ternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen<br />
angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit<br />
(1.) der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen<br />
Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat auch nach<br />
Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile<br />
hat,<br />
(<strong>2.</strong>) der Handelsvertreter in Folge der Beendigung des Ver-<br />
tragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er<br />
bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen<br />
oder künftig zustande kommenden Geschäften mit dem<br />
von ihm geworbenen Kunden hätte, und<br />
(3.) die Zahlung des Ausgleichs unter Berücksichtung aller<br />
Umstände der Billigkeit entspricht.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
78<br />
______________________________________________________________<br />
§ 89 b Abs. 1 HGB stellt in seinem Kern eine Vergütung für Leis-<br />
tungen des Handelsvertreters dar, die durch die Provision noch<br />
nicht voll abgegolten sind.<br />
BGH DB 1997, 425: Auch ein Vertragshändler kann unter Umständen<br />
den Anspruch aus § 89 b HGB geltend machen. Die Nichtigkeit des<br />
Vertragshändlervertrages steht der Geltendmachung nicht entgegen,<br />
wenn der Unternehmer die vom Vertragshändler hergestellten Geschäftsverbindungen<br />
künftig weiterhin nutzen kann.<br />
BGHZ 141, 248, 255 [zur Frage des Ausgleichsanspruchs eines im<br />
sog. Rotationssystem eingesetzten Handelsvertreters]: Der Eigenart<br />
des Vertragsverhältnisses der Parteien und damit einer angemessenen<br />
Berücksichtigung ihrer Interessen wird nur eine Berechnung gerecht,<br />
die von der Fiktion ausgeht, dass der Kläger nach der Beendigung des<br />
Vertragsverhältnisses diejenigen Bereiche, die er im letzten Jahr seiner<br />
Tätigkeit betreut hat, weiter betreuen wird. Damit sind die in diesem<br />
Zeitraum geworbenen Kunden als die vom Kläger geworbenen Kunden<br />
i.S.d. § 89 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB anzusehen.<br />
OLG München, NJW-RR 2003, 573 [Zur Frage des Handelsvertreterausgleichsanspruchs<br />
nach § 89 b HGB]: Nach Einschätzung des<br />
OLG München ist das sog. „Shop-Geschäft“ des Tankstellenpächters<br />
im Rahmen des Handelsvertreterausgleichs nach § 89 b HGB nicht zu<br />
berücksichtigen; die Bestimmung sei weder direkt noch analog anwendbar.<br />
OLG München, NJW-RR 2003, 541 [Zur Frage des Ausgleichsanspruchs<br />
nach § 89 b HGB für als Handelsvertreterin tätige GmbH]:<br />
Das OLG München ist der Auffassung, dass einer als Handelsvertreterin<br />
tätigen GmbH, die das Vertragsverhältnis aufgrund von Alter oder<br />
Krankheit ihres Gesellschafter-Geschäftsführers kündigt, dieser dann<br />
einen Ausgleichanspruch nach § 89 b HGB zustehen kann, wenn der<br />
Handelsvertretervertrag so ausgestaltet ist, dass das Vertragsverhältnis<br />
mit der Person des Geschäftsführers steht und fällt.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
79<br />
______________________________________________________________<br />
1<strong>2.</strong> Zum Abschluss: Die Stellvertretung in der Klausur<br />
� Lernhinweise: Sie erhalten nachfolgend eine Formulierungs-<br />
hilfe, die Sie in die Lage versetzen soll, typische Fallkonstellatio-<br />
nen der Stellvertretung ohne große Mühe sprachlich, d.h. „tech-<br />
nisch“ einwandfrei umzusetzen.<br />
Es soll gezeigt werden, wie Sie in einer Klausur mit dem Problem<br />
der Stellvertretung umzugehen haben. Beachten Sie dabei bitte,<br />
dass es sich bei dem dargestellten Prüfungsvorgehen um einen<br />
Beispielsfall handelt. Im konkret zu bearbeitenden Fall können<br />
sich geringfügige Abweichungen ergeben. Diese sind jedoch un-<br />
problematisch zu bewältigen, solange Sie sich die folgenden<br />
Grundzüge einmal näher angesehen haben.<br />
Vorbemerkungen: Die Beteiligten heißen<br />
• A = Vertragspartner 1<br />
• B = Vertragspartner 2 (der Vertretene)<br />
• C = Vertreter<br />
1. [Obersatz] Möglicherweise kann A (= Dritter = Vertragspart-<br />
ner) von B (= der Vertretene) mit Erfolg Zahlung des Kauf-<br />
preises in Höhe von 500,00 € nach § 433 Abs. 2 BGB geltend<br />
machen.<br />
<strong>2.</strong> [Benennen der Anspruchsvoraussetzungen] Dann müsste<br />
zwischen A und B ein Kaufvertrag i.S.v. § 433 Abs. 1 S. 1<br />
BGB wirksam zustande gekommen sein. Ein solcher Vertrag<br />
bedarf zweier inhaltlich übereinstimmender und in Bezug zu-<br />
einander abgegebener Willenserklärungen, Angebot und An-<br />
nahme.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
80<br />
______________________________________________________________<br />
3. [Subsumtion] Ein auf den Abschluss eines Kaufvertrages ge-<br />
richtetes Angebot könnte vorliegend in den Worten des A ge-<br />
sehen werden ...<br />
4. [Zwischenergebnis] Ein wirksames Angebot des A liegt vor.<br />
5. [Weitere Anspruchsvoraussetzung] Dieses Angebot müsste<br />
von B angenommen worden sein.<br />
� Achtung: Hier kommt nun das vertretungsspezifische E-<br />
lement der Fallprüfung!<br />
6. B selbst hat allerdings keine dahingehende Willenserklärung<br />
abgegeben. Fraglich ist aber, ob nicht die durch C geäußerte<br />
Erklärung nach § 164 Abs. 1 S. 1 BGB für und gegen den B<br />
wirkt. Dann müsste C den B wirksam vertreten haben.<br />
7. [Voraussetzung einer wirksamen Stellvertretung prüfen] Eine<br />
solche Stellvertretung setzt nach § 164 Abs. 1 S. 1 BGB zu-<br />
nächst voraus, dass ... (s.o.)<br />
8. [Zwischenergebnis] B ist durch C nach § 164 Abs. 1 S. 1<br />
BGB wirksam vertreten worden.<br />
9. Damit wirkt die von C gegenüber A abgegebene Willenserklä-<br />
rung [hier: Annahme des Angebotes des A] unmittelbar für<br />
und gegen den B. Mithin ist zwischen A und B ein Kaufver-<br />
trag wirksam zustande gekommen.<br />
Endergebnis: A kann von B Zahlung von 500,00 € gem.<br />
§ 433 Abs. 2 BGB verlangen.<br />
� Anmerkung: Natürlich kann ein Vertreter auch ein Ange-<br />
bot für den Vertretenen abgeben. Dann sind die Punkte 6. ff.<br />
bereits bei der Prüfung des Angebots zu erwähnen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
81<br />
______________________________________________________________<br />
IX. Bezug und Übereinstimmung der Willenserklärun-<br />
gen<br />
Bei der Frage des Bezugs, mehr aber noch bei der Übereinstim-<br />
mung der Willenserklärungen ist unter Umständen eine Ausle-<br />
gung notwendig. Dabei können auch außerhalb der Erklärung<br />
liegende Umstände heranzuziehen sein. Grundsätzlich hat eine<br />
Auslegung vom Empfängerhorizont her zu erfolgen. Maßgebliche<br />
Vorschriften sind §§ 133, 157 BGB.<br />
Beispiel [BGH WM 1996, 20 – Zur Auslegung der durch eine<br />
Spielbank gegenüber einem spielsüchtigen Spieler erklärten Spielsperre]:<br />
Eine wunschgemäß erteilte Spielsperre begründet grundsätzlich<br />
keine Ansprüche auf Ersatz von Spielverlusten, wenn die<br />
Spielbank die Sperre nicht durch ausreichende Kontrollen durchsetzt.<br />
Eine Spielbank hat auch bei einer verhängten Spielsperre<br />
keine Schutzpflichten, die auf die Wahrnehmung der Vermögensinteressen<br />
gerichtet sind.<br />
Beispiel [BGH DB 1997, 718 – Pflicht des Verkäufers zur Abtretung<br />
von Gewährleistungsansprüchen gegen Erstverkäufer bei<br />
Weiterverkauf eines Grundstücks unter Gewährleistungsausschluss?]:<br />
Beim Weiterverkauf eines Grundstücks, dessen Belastung<br />
mit einem Ölschaden vom Erstverkäufer arglistig verschwiegen<br />
wurde, unter Gewährleistungsausschluss, kann nach den konkreten<br />
Umständen des Einzelfalles Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung<br />
dahingehend sein, dass die Parteien des Zweitvertrages<br />
die Abtretung etwaiger Gewährleistungsansprüche des Verkäufers<br />
gegen den Erstverkäufer vereinbart haben [hier bejaht].<br />
Beispiel [BGH DB 2000, 1555 – Irrtum der Kaufvertragsparteien<br />
über fehlende Umsatzsteuerpflicht]: Sind die Parteien irrtümlicher<br />
Weise davon ausgegangen, dass der Kaufvertrag über Bergwerkseigentum<br />
nicht der Umsatzsteuer unterliegt, kann die Frage, wer<br />
die tatsächlich angefallene Umsatzsteuer zu tragen hat, einer ergänzenden<br />
Vertragsauslegung zugänglich sein [hier ist der BGH<br />
der Auffassung, dass die Parteien bei einer angemessenen Abwägung<br />
ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner<br />
den Kaufpreis als Nettokaufpreis ausgewiesen hätten,<br />
weil dies die Käuferin im Fall mit Blick auf die Vorsteuerabzugsberechtigung<br />
wirtschaftlich im Ergebnis nicht nachteilig belastet hätte<br />
und eine andere Regelung der Veräußerin nicht zugemutet werden<br />
könnte].<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
82<br />
______________________________________________________________<br />
X. Fehlen von Nichtigkeitsgründen (sog. rechtshin-<br />
dernde Einwendungen)<br />
Als mögliche Nichtigkeitsgründe kommen v.a. in Betracht:<br />
1. Anfechtung (vgl. § 142 Abs. 1 BGB) dazu s.o.<br />
<strong>2.</strong> Gesetzesverstoß (§ 134 BGB)<br />
Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzli-<br />
ches Verbot verstößt, grundsätzlich nichtig.<br />
Beispiele: Kaufvertrag über Rauschgift; Kündigung des Arbeitsvertrages<br />
gegenüber einer Schwangeren (§ 9 Abs. 1 S.<br />
1 MuSchG).<br />
BGH DB 2001, 1459: Ein Steuerberater, der unerlaubt eine fremde<br />
Rechtsangelegenheit besorgt, hat keinen Anspruch auf Vergütung aus<br />
dem nichtigen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 134 BGB mit Art. 1 § 1<br />
RBerG). Ist der Geschäftsbesorgungsvertrag eines Steuerberaters wegen<br />
Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB unwirksam,<br />
so kann diesem eine Vergütung aus ungerechtfertigter Bereicherung<br />
(§§ 812 ff. BGB) zustehen, wenn ihm nicht bewusst war, dass er<br />
gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 817 S. 2 BGB).<br />
3. Sittenverstoß (§ 138 BGB)<br />
a) Nach § 138 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten<br />
Sitten verstößt, ebenfalls nichtig. Unter dem Rechtsbegriff der<br />
„guten Sitten“ versteht man nach Ansicht der Rechtsprechung<br />
das „Gefühl aller billig und gerecht Denkenden“. Die Sittenwidrig-<br />
keit eines Rechtsgeschäfts kann entweder aus seinem Inhalt o-<br />
der seinem Gesamtcharakter folgen. Maßgebender Zeitpunkt ist<br />
der der Vornahme des Rechtsgeschäfts, nicht der des Eintritts<br />
der Rechtswirkungen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
83<br />
______________________________________________________________<br />
Beispiel: Nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB ist regelmäßig ein<br />
Kreditvertrag, bei dem der vereinbarte Zins den marktüblichen<br />
Zins um relativ mehr als 100 % oder absolut um 12 %<br />
überschreitet (BGHZ 110, 338); nichtig sind Schmiergeldverträge.<br />
BGH DB 1997, 671 [Sittenwidrige Bürgschaft I]: Der BGH bejaht die<br />
Sittenwidrigkeit für den Fall, dass eine Sparkasse nach Auszahlung<br />
des Kredits an die GmbH gegenüber einem Gesellschafter der GmbH<br />
überraschend ein Bürgschaftsversprechen fordert und für den Fall der<br />
Nichtabgabe der Erklärung mit der sofortigen Kündigung des Kredits<br />
droht.<br />
BGH DB 2001, 2490 [Sittenwidrige Bürgschaft II]: Behauptet der<br />
Bürge, der als Mehrheitsgesellschafter oder Geschäftsführer die Haftung<br />
für die Gesellschaftsschulden übernommen hat, dies sei ohne eigenes<br />
wirtschaftliches Interesse allein aus enger persönlicher Verbundenheit<br />
zu einem Dritten geschehen, hat er sowohl diese Tatsache als<br />
auch die Kenntnis des Gläubigers davon zu beweisen. Weder aus der<br />
krassen finanziellen Überforderung des Bürgen noch aus dessen emotionaler<br />
Verbundenheit mit der die Gesellschaft wirtschaftlich beherrschenden<br />
Person folgt eine tatsächliche Vermutung zu Lasten des Kreditgebers.<br />
BGH DB 2002, 2593 [Sittenwidrige Bürgschaft III]: Die Besonderheit<br />
des vorliegenden Falles liegt darin, dass es sich bei dem Bürgen um<br />
den Kommanditisten einer KG handelte, der sich für die Gesellschaft<br />
verbürgt hatte. Der Leitsatz lautet wie folgt: „Die vom BGH entwickelten<br />
Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Mithaftung und Bürgschaft finanziell<br />
überforderter Angehöriger gelten grundsätzlich nicht für Kommanditisten<br />
einer KG, die für Verbindlichkeiten der KG die Mithaftung oder<br />
Bürgschaft übernehmen. Etwas anderes gilt, wenn der Kommanditist<br />
ausschließlich Strohmannfunktion hat, die Mithaftung oder Bürgschaft<br />
nur aus emotionaler Verbundenheit mit der hinter ihm stehenden Person<br />
übernimmt und beides für die kreditgebende Bank evident ist.“<br />
BGH WM 2000, 431: Bei dem Verkauf von Sondermünzen durch den<br />
gewerblichen Münzhandel kann für die Frage, ob der Käufer die Münzen<br />
zu sittenwidrig überhöhten Preisen erworben hat, nicht auf einen<br />
Vergleich der Verkaufspreise des Münzhandels mit dessen Rücknahmepreisen<br />
abgestellt werden. Es kommt vielmehr darauf an, ob die<br />
verabredeten Kaufpreise deutlich über denjenigen liegen, die von anderen<br />
Händlern für die selben Münzen beim Verkauf an Sammler gefordert<br />
werden.<br />
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84<br />
______________________________________________________________<br />
� Achtung: Im Gesellschaftsrecht gilt u.U. Besonderes: Auf Beitrittserklärungen<br />
zu Kapitalgesellschaften findet § 138 BGB im Interesse<br />
des Verkehrsschutzes keine Anwendung; Gesellschafterbeschlüsse<br />
von Kapitalgesellschaften sind nur nichtig, wenn<br />
sie durch ihren Inhalt gegen die guten Sitten verstoßen (s. § 241<br />
Nr. 1 AktG, der auch für die GmbH gilt), sonstige Mängel müssen<br />
durch Anfechtungsklage geltend gemacht werden; bei Personengesellschaften<br />
finden i.d.R. die Gründsätze über die fehlerhafte<br />
Gesellschaft Anwendung.<br />
BGH DB 2002, 1822: Bei Rechtsgeschäften, die in der Absicht der<br />
Gläubigerbenachteiligung vorgenommen werden, gehen die besonderen<br />
Bestimmungen der Insolvenz- bzw. Gläubigeranfechtung den allgemeinen<br />
Regeln des § 138 Abs. 1 BGB vor. Etwas anderes gilt nur<br />
dann, wenn das Rechtsgeschäft besondere, über die Gläubigerbenachteiligung<br />
hinausgehende Umstände aufweist.<br />
b) § 138 Abs. 2 BGB (Wucher) ist wegen seiner engen tatbestandli-<br />
chen Voraussetzungen (subjektives Tatbestandsmerkmal: Aus-<br />
beutung einer Zwangslage usw.) von nur geringer praktischer<br />
Bedeutung. Rechtsgeschäfte, die nur zum Teil wucherisch i.S.d.<br />
§ 138 Abs. 2 BGB sind, können aber nach § 138 Abs. 1 BGB<br />
nichtig sein.<br />
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85<br />
______________________________________________________________<br />
4. Formmangel<br />
a) Formen (Grundsätze)<br />
Grundsätzlich sind Willenserklärungen formfrei möglich. Aus-<br />
nahmsweise ist die Erklärung formgebunden.<br />
Beispiele für (gesetzliche) Formvorschriften: §§ 311 b<br />
Abs. 1 S. 1; 518 Abs. 1 S. 1; 623; 766 S. 1; 780; 781 BGB.<br />
OLG Köln NJW-RR 1996, 1484: Ein Kaufvertrag über ein Fertighaus<br />
bedarf dann der notariellen Beurkundung, wenn er mit einem Grundstückskaufvertrag<br />
nach dem Willen der Parteien derart rechtlich zusammenhängt,<br />
dass beide Verträge miteinander „stehen und fallen“<br />
sollen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der Erwerb eines<br />
Grundstücks ausdrücklich zur Voraussetzung für die Leistungen des<br />
Veräußerers des Fertighauses gemacht wurde.<br />
BGH NJW 2000, 951: Ist eine als solche nicht beurkundungsbedürftige<br />
Vereinbarung von einem Grundstücksgeschäft abhängig, dieses aber<br />
nicht von ihr (einseitige Abhängigkeit), bleibt sie von dem Formgebot<br />
des § 313 BGB [a.F. = § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB n.F.] frei.<br />
BGH NJW 2002, 1792: Vereinbaren die Parteien in einem Bauvertrag,<br />
dass der Bau nicht vor der Veräußerung eines abgetrennten Teils des<br />
Grundstücks des Bestellers erfolgen soll, ist der Bauvertrag jedenfalls<br />
dann nicht beurkundungsbedürftig, wenn der Besteller durch die Vereinbarung<br />
nicht auf diese Art der Finanzierung beschränkt wird. Verträge,<br />
die keine unmittelbare Verpflichtung zur Veräußerung oder zum<br />
Erwerb eines Grundstücks zum Inhalt haben, sind in entsprechender<br />
Anwendung des § 313 BGB [a.F.] nur dann formbedürftig, wenn die<br />
Veräußerung oder der Erwerb eines Grundstücks mittelbar durch die<br />
Vereinbarung von Nachteilen erzwungen wird.<br />
An Formen gibt es die nachfolgend aufgeführten:<br />
• Gesetzliche Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB)<br />
• Die elektronische Form (nach § 126 Abs. 3 BGB kann die<br />
elektronische Form die schriftliche Form ersetzen, wenn sich<br />
nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, so beispielsweise in<br />
§ 623 letzter Halbsatz BGB; weitere Einzelheiten zur elektro-<br />
nischen Form regelt § 126 a BGB)<br />
• Textform (§ 126 b BGB), so beispielsweise in § 438 Abs. 4<br />
HGB (Schadenanzeige beim Frachtvertrag)<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
86<br />
______________________________________________________________<br />
• Gewillkürte Schriftform (§§ 127 i.V.m. 126, 126 a, 126 b<br />
BGB)<br />
• Notarielle Beurkundung (BeurkG; s. auch §§ 126 Abs. 4,<br />
127 a, 128, 129 Abs. 2 BGB)<br />
• Öffentliche Beglaubigung (§ 129 BGB)<br />
BGH ZIP 1997, 2085: Die Schriftform des § 126 BGB erfordert keine<br />
körperliche Verbindung der einzelnen Blätter der Urkunde, wenn<br />
sich deren Einheit aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender<br />
Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher grafischer<br />
Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder<br />
vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt.<br />
b) Rechtsfolge eines Formmangels - s. dazu § 125 S. 1 und<br />
2 BGB<br />
c) Achtung 1: Ausnahmen vom Formgebot<br />
Es finden sich zahlreiche Ausnahmen zu den genannten Form-<br />
vorschriften. Bei der Stellvertretung ist § 167 Abs. 2 BGB zu be-<br />
achten. Hier gilt es vorsichtig zu sein, denn die Rechtsprechung<br />
hat sich bislang nicht zu einer einheitlichen Handhabung der<br />
Vorschrift durchringen können. Unabhängig von § 167 Abs. 2<br />
BGB soll die unwiderrufliche Vollmacht zum Grundstückskauf<br />
oder –erwerb (§ 311 b Abs. 1 S. 1 BGB) formpflichtig bleiben.<br />
Gleiches gilt nach BGH NJW 1996, 1467, 1469 für die Vollmacht<br />
zur Übernahme einer Bürgschaft und nach BFH WM 1983, 402<br />
auch für die Abtretung von Steuererstattungsansprüchen (anders<br />
aber beispielsweise die widerruflich erteilte Vollmacht zum Ab-<br />
schluss eines Ehevertrages, § 1410 BGB). Wegen des anderen<br />
Zwecks der Formvorschrift (Anlegerschutz) soll auch die unwi-<br />
derrufliche Vollmacht zur Abtretung von GmbH-Anteilen entge-<br />
gen § 15 Abs. 2 GmbHG formfrei sein (BGHZ 19, 72). Bitte be-<br />
rücksichtigen Sie auch § 350 HGB!<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
87<br />
______________________________________________________________<br />
Unter ganz engen Voraussetzungen kann eine Ausnahme vom<br />
Formgebot in den Fällen angenommen werden, in denen eine<br />
Berufung auf den Formmangel gegen Treu und Glauben ver-<br />
stößt.<br />
Beispiel (BGH WM 1996, 1143): Ist der Auftrag zur Ersteige-<br />
rung eines Grundstücks unter dem Gesichtspunkt einer Er-<br />
werbspflicht des Auftraggebers nach § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB<br />
formbedürftig, so kann die Berufung des Beauftragten auf<br />
den Formmangel wegen dieser Erwerbspflicht des Auftrag-<br />
gebers gegen Treu und Glauben verstoßen [hier u.a. mit<br />
Hinweis auf das für den Beauftragten vorhandene Risiko, den<br />
Ersteigerungspreis aus eigenen Mitteln aufbringen zu müs-<br />
sen, verneint].<br />
d) Achtung 2: „Heilung“ des Formverstoßes<br />
Unter Umständen besteht die Möglichkeit der Heilung des Form-<br />
verstoßes.<br />
Beispiele: §§ 311 b Abs. 1 S. 2, 766 S. 2 BGB.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
88<br />
______________________________________________________________<br />
E. Der Untergang von Ansprüchen (Beispiele)<br />
I. § 362 Abs. 1 BGB (Erfüllung)<br />
Nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die<br />
geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Dabei fällt<br />
auf, dass in § 362 BGB der Schuldner selbst keine Erwähnung<br />
findet. Dies liegt daran, dass bei nicht persönlichen Leistungs-<br />
pflichten auch ein Dritter für den Schuldner leisten kann, §§ 267<br />
f. BGB. Umgekehrt ist die Leistung an einen Nichtgläubiger aus-<br />
reichend und führt zur Erfüllung, wenn sie durch Einwilligung o-<br />
der Genehmigung des Gläubigers gedeckt ist, §§ 362 Abs. 2,<br />
185 BGB.<br />
Eine andere als die geschuldete Leistung führt nur dann zur Er-<br />
füllung, wenn dies mit dem Einverständnis des Gläubigers ge-<br />
schieht, § 364 Abs. 1 BGB (Leistung an Erfüllung statt). Die Ü-<br />
bernahme einer neuen Verbindlichkeit durch den Schuldner –<br />
beispielsweise einer Wechselschuld – hat diese Wirkung aller-<br />
dings im Zweifel nicht, § 364 Abs. 2 BGB.<br />
II. Die Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB)<br />
Bei der Aufrechnung handelt es sich um ein sog. Erfüllungssur-<br />
rogat, d.h. auch die Aufrechnung hat erfüllende Wirkung.<br />
Aufgerechnet wird durch eine empfangsbedürftige Willenserklä-<br />
rung, § 388 BGB. Die Erklärung führt zum rückwirkenden Erlö-<br />
schen der von der Aufrechnung erfassten wechselseitigen Forde-<br />
rungen, § 389 BGB.<br />
Der wesentliche Vorteil für den die Aufrechnung Erklärenden<br />
liegt darin, dass dieser seine Forderung ohne gerichtliche Hilfe<br />
durchsetzen kann. Zu beachten ist außerdem, dass die Aufrech-<br />
nung selbst im Insolvenzverfahren des Schuldners grundsätzlich<br />
möglich bleibt, § 94 InsO. Der Aufrechnende erhält sodann nicht<br />
lediglich die Quote, sondern vollständige Befriedigung.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
89<br />
______________________________________________________________<br />
Prüfungsschema 11: Voraussetzungen<br />
Aufrechnung<br />
1. Gegenseitigkeit: Der Aufrechnende muss Gläubiger der<br />
Gegenforderung und Schuldner der Hauptforderung sein,<br />
der Aufrechnungsgegner Schuldner der Gegenforderung<br />
und Gläubiger der Hauptforderung, vgl. § 387 BGB<br />
<strong>2.</strong> Gleichartigkeit: Die sich gegenüberstehenden Forderun-<br />
gen müssen gleichartig sein, d.h. der Gegenstand der<br />
Leistung bedarf der Gleichartigkeit, vgl. § 387 BGB (das<br />
Erfordernis der Gleichartigkeit beschränkt die Aufrechnung<br />
im wesentlichen auf beiderseitige Geldforderungen; denk-<br />
bar ist die Aufrechnung allerdings auch bei Gattungs-<br />
schulden von vertretbaren Sachen)<br />
3. Wirksamkeit der Gegenforderung: Die zur Aufrechnung<br />
gestellte Forderung muss voll wirksam und fällig sein, d.h.,<br />
es muss sich um eine Forderung handeln, deren Erfüllung<br />
erzwungen werden kann und der keine Einreden entgegen<br />
stehen, vgl. § 387 BGB<br />
4. Erfüllbarkeit der Hauptforderung, gegen die der<br />
Schuldner aufrechnet, vgl. §§ 271, 387 BGB (nicht erfor-<br />
derlich ist dagegen, dass die Hauptforderung voll wirksam<br />
und fällig ist)<br />
5. Aufrechnungserklärung, vgl. § 388 S. 1 BGB<br />
� Achtung: Unter bestimmten Umständen ist die Aufrechnung<br />
ausgeschlossen. §§ 390–395 BGB enthalten gesetzliche Auf-<br />
rechnungsverbote. Beispiele weiterer gesetzlicher Aufrech-<br />
nungsverbote finden sich in § 66 AktG sowie in § 19 Abs. 2<br />
GmbHG.<br />
Auch sind vertragliche Aufrechnungsverbote, soweit ihnen keine<br />
gesetzlichen Vorschriften entgegenstehen, zu beachten.<br />
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90<br />
______________________________________________________________<br />
III. Unmöglichkeit der Leistung<br />
1. § 275 BGB<br />
Keine Pflicht zur Leistung besteht dann, wenn diese für den<br />
Schuldner oder für Jedermann unmöglich ist, § 275 Abs. 1 BGB.<br />
Dabei spielt es nach neuerem Recht keine Rolle mehr, ob es<br />
sich um einen Fall anfänglicher oder nachträglicher, objektiver<br />
oder subjektiver Unmöglichkeit handelt. Zu berücksichtigen ist al-<br />
lerdings, dass der Ausschluss der Leistungspflicht ohne weiteres<br />
Zutun des Schuldners nur nach § 275 Abs. 1 BGB anzunehmen<br />
ist, nämlich dann, wenn die Leistung gar nicht mehr erbracht<br />
werden kann. Der Erfüllungsanspruch ist hier auch dann ausge-<br />
schlossen, wenn sich der Schuldner nicht auf die Unmöglichkeit<br />
der Leistung beruft (Fall der tatsächlichen Unmöglichkeit). Dage-<br />
gen soll der Schuldner lediglich eine Einrede haben, wenn die<br />
Leistung zwar noch erbracht werden kann, aber nicht mit dem<br />
vom Schuldner geschuldeten Aufwand, § 275 Abs. 2 BGB. Hier-<br />
nach kann der Schuldner die Leistung verweigern, soweit und<br />
solange die Leistung einen Aufwand erfordert, der in einem gro-<br />
ben Missverhältnis zu dem Interesse steht, dass der Gläubiger<br />
an der Leistung hat (sog. praktische Unmöglichkeit). Mit dem<br />
Begriff „Aufwand“ meint das Gesetz sowohl finanzielle Aufwen-<br />
dungen, wie auch den persönlichen Aufwand des Schuldners.<br />
Nach § 275 Abs. 3 BGB soll bei persönlich zu erbringenden Leis-<br />
tungen für die Einrede des Schuldners ausreichend sein, wenn<br />
ihm die Leistungserbringung unter Abwägung der beiderseitigen<br />
Interessen nicht zugemutet werden kann (beispielsweise in Fäl-<br />
len notwendiger Arzt- oder Gerichtstermine).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
91<br />
______________________________________________________________<br />
§ 275 Abs. 1<br />
BGB: Fall der<br />
tatsächlichen<br />
Unmöglichkeit<br />
Übersicht: Unmöglichkeit<br />
§ 275 Abs. 2<br />
BGB: Praktische<br />
Unmöglichkeit<br />
<strong>2.</strong> Sonderfall Gattungsschuld<br />
§ 275 Abs. 3<br />
BGB: Persönl.<br />
zu erbringende<br />
Leistungen /<br />
U nzumutbarkeit<br />
Wenn eine nur der Gattung nach bestimmte Sache geschuldet<br />
wird, erlangt für das Unmöglichwerden der Leistung des Schuld-<br />
ners die sog. Konkretisierung Bedeutung. Die Gattungsschuld<br />
ist regelmäßig eine Beschaffungsschuld, wenn nicht der Schuld-<br />
ner lediglich verpflichtet ist, aus seinem Vorrat zu liefern. Dies<br />
führt dazu, dass die Erfüllung objektiv wie subjektiv solange mög-<br />
lich bleibt, wie der Schuldner zur Beschaffung imstande ist. Un-<br />
erheblich ist es, wenn bereits beschaffte Stücke untergegangen<br />
sind. Dies ist erst dann anders, wenn der Schuldner einmal alles<br />
zur Leistung seinerseits erforderliche getan hat, § 243 Abs. 2<br />
BGB. Dann beschränkt sich die Schuld auf die beschafften (und<br />
nötigenfalls abgesendeten oder angebotenen) Stücke. Wenn<br />
diese untergehen, braucht der Schuldner keine neuen zu be-<br />
schaffen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
92<br />
______________________________________________________________<br />
IV. Unmöglichkeit der Gegenleistung<br />
1. § 326 BGB: Der Grundsatz<br />
Der Grundsatz des § 326 BGB lautet: Ohne Leistung keine Ge-<br />
genleistung.<br />
§ 326 Abs. 1 BGB verknüpft das rechtliche Schicksal von Leis-<br />
tung und Gegenleistung. Wenn die Leistung aus einem Grund<br />
unmöglich wird, den keine Partei zu vertreten hat, erlischt der<br />
Anspruch auf die Gegenleistung. Dies ist konsequent, da im ge-<br />
genseitigen Vertrag jede Partei ihre Leistung verspricht, um die<br />
Gegenleistung zu erhalten. So muss die auf einer Vertragsseite<br />
eintretende Unmöglichkeit auch Auswirkungen für die Pflicht(en)<br />
des Gegenüber haben.<br />
Die Wirkung des § 326 Abs. 1 BGB benötigt keine gestaltenden<br />
Willenserklärung einer Partei, vielmehr tritt diese Wirkung ohne<br />
weiteres ein.<br />
Zusätzlich gestattet § 326 Abs. 5 BGB dem Gläubiger ein Recht<br />
zum Rücktritt. Hat der Gläubiger die von ihm versprochene Ge-<br />
genleistung schon erbracht, soll er sie nach den Vorschriften ü-<br />
ber das Rücktrittsrecht (§§ 346 ff. BGB) zurück verlangen kön-<br />
nen, § 326 Abs. 4 BGB.<br />
<strong>2.</strong> Ausnahmen zum Grundsatz<br />
Bei Vorliegen besonderer Umstände wird die Gegenleistung<br />
auch dann geschuldet, wenn die Leistung nicht mehr erbracht<br />
werden kann – wichtige Beispiele:<br />
a) § 326 Abs. 2, <strong>2.</strong> Alt. BGB: Die Leistung wird unmöglich, wäh-<br />
rend sich der Gläubiger in Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB) be-<br />
findet.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
93<br />
______________________________________________________________<br />
Der Jurist formuliert: Mit dem Gläubigerverzug geht die Gegen-<br />
leistungsgefahr (auch Preisgefahr genannt) auf den Gläubiger<br />
über. Das meint die Gefahr, eine Leistung noch bezahlen zu<br />
müssen, die als solche nicht mehr gefordert werden kann.<br />
b) § 446 BGB: Beim Kauf geht die Gegenleistungsgefahr mit der<br />
Übergabe der Kaufsache auf den Käufer über, weil diese nun-<br />
mehr den Risiken aus der Sphäre des Käufers ausgesetzt ist.<br />
c) § 447 BGB (Versendungskauf)<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
94<br />
______________________________________________________________<br />
F. Durchsetzbarkeit von Ansprüchen (sog. rechts-<br />
hemmende Einwendungen = Einreden) - Beispiele<br />
I. Dauernde Einrede der Verjährung<br />
� Achtung: Bitte beachten Sie den Unterschied zwischen der<br />
Verjährung und einer Ausschlussfrist. Während bei der Verjäh-<br />
rung der Anspruch trotz Fristablaufs bestehen bleibt, erlischt bei<br />
der Ausschlussfrist das Recht mit Ablauf der Frist. Die Aus-<br />
schlussfrist ist mithin eine rechtsvernichtende Einwendung, die<br />
das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat. §§ 121, 124 BGB<br />
sowie § 256 Abs. 6 AktG sind Beispiele für Ausschlussfristen.<br />
Die Verjährung ist stets geltend zu machen („über Einreden<br />
muss man reden“). Die Einrede kann auch außergerichtlich er-<br />
hoben werden.<br />
� Achtung: Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat so-<br />
wohl das allgemeine Verjährungsrecht im allgemeinen Teil des<br />
BGB wie auch die Verjährungsvorschriften im besonderen<br />
Schuldrecht vollständig neu geregelt. Nachfolgend soll auf die<br />
Bestimmungen des allgemeinen Teils näher eingegangen wer-<br />
den. Die einschlägigen Bestimmungen des besonderen Schuld-<br />
recht folgen im sachlichen Zusammenhang mit der Darstellung<br />
dieses Teils des BGB.<br />
Das „neue“ Verjährungsrecht gilt grundsätzlich nicht für bereits<br />
vor dem 01.01.2002 begründete Ansprüche. Insoweit ist die Ü-<br />
berleitungsvorschrift in Art. 229 § 6 EGBGB maßgebend.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
95<br />
______________________________________________________________<br />
Die §§ 194–217 BGB regeln die Verjährung von Ansprüchen. Da<br />
nur Ansprüche und nicht auch sonstige Rechte der Verjährung<br />
unterliegen, wird in § 218 BGB die Auswirkung der Verjährung<br />
auf das Gestaltungsrecht Rücktritt besonders geregelt.<br />
1. Dauer und Beginn der Verjährung<br />
a) Die regelmäßige Verjährung<br />
aa) Dauer<br />
Die regelmäßige Verjährung beträgt nach § 195 BGB drei Jahre.<br />
Dieser Frist unterfallen mit Ausnahme der in den §§ 196, 197<br />
BGB geregelten Fälle grundsätzlich alle Ansprüche, soweit sich<br />
für diese in BGB keine speziellen Regelungen finden lassen (so<br />
beispielsweise im besonderen Schuldrecht §§ 438, 634 a, 852 S.<br />
2 BGB).<br />
bb) Beginn der Frist<br />
Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist<br />
grundsätzlich mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch ent-<br />
standen ist und der Gläubiger sowohl von den anspruchsbegrün-<br />
denden Tatsachen als auch von der Person des Schuldners<br />
Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müss-<br />
te. Der Anspruch muss entstanden sein. Entstanden ist ein An-<br />
spruch grundsätzlich dann, wenn er klageweise geltend gemacht<br />
werden kann, wofür die Fälligkeit des Anspruchs Voraussetzung<br />
ist.<br />
Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat erstmals für die<br />
Verjährung im allgemeinen Teil des BGB die Voraussetzung auf-<br />
gestellt, dass der Gläubiger von den anspruchsbegründenden<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
96<br />
______________________________________________________________<br />
Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt ha-<br />
ben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Das<br />
subjektive Element des § 199 BGB n.F. soll dem Ausgleich zu-<br />
gunsten des Gläubigers dienen, und zwar in solchen Fällen, in<br />
denen ansonsten Ansprüche verjährt wären, bevor der Gläubiger<br />
überhaupt wissen konnte, dass ihm ein Anspruch zusteht.<br />
Die gesetzliche Neuregelung führt für den Schuldner im Einzelfall<br />
zu einem beträchtlichen Maß an Rechtsunsicherheit. Der Frist-<br />
beginn ist für ihn u.U. nicht vorhersehbar, da er in bestimmten<br />
Fällen nicht weiß, wann der Gläubiger die nötige Kenntnis erlangt<br />
hat oder zumindest hätte erlangen müssen.<br />
Da § 199 Abs. 1 BGB an für den Schuldner nicht immer erkenn-<br />
bare Umstände anknüpft, muss es im wohl verstandenen Inte-<br />
resse der Rechtssicherheit Höchstfristen geben, die unabhängig<br />
von der Kenntnis des Gläubigers ablaufen. Einzelheiten regeln<br />
die Absätze 2–4 in § 199 BGB.<br />
b) Verjährungsfrist bei Rechten an einem Grundstück<br />
Für die Verjährung bei Rechten an einem Grundstück ist § 196<br />
BGB maßgeblich.<br />
c) 30-jährige Verjährungsfrist<br />
§ 197 BGB enthält Fälle einer 30-jährigen Verjährungsfrist. Dazu<br />
gehören beispielsweise rechtskräftig festgestellte Ansprüche,<br />
§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
97<br />
______________________________________________________________<br />
<strong>2.</strong> Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der<br />
Verjährung<br />
a) Grundsätzliches<br />
Es gibt bestimmte Ereignisse, die den Ablauf einer Verjährungs-<br />
frist beeinflussen. Das geltende Recht erkennt drei Fallgruppen:<br />
• Die Verjährungshemmung, d.h. die Nichteinrechnung be-<br />
stimmter Zeiten in die Verjährungsfrist, §§ 203–209 BGB<br />
• Die Ablaufhemmung als Unterfall der Hemmung, d.h. die<br />
Verjährungsfrist läuft höchstens eine bestimmte Zeit nach<br />
Wegfall von Gründen ab, die der Geltendmachung des An-<br />
spruchs entgegen stehen, §§ 211 f. BGB<br />
• Die Unterbrechung der Verjährung, d.h. ein Neubeginn der<br />
Verjährung, § 212 BGB<br />
Während bislang die Unterbrechung der Verjährung der „Normal-<br />
fall“ war und die Hemmung die Ausnahme, ist dieses Verhältnis<br />
durch die Schuldrechtsmodernisierung umgekehrt worden. Der<br />
Regelfall der Verjährung ist nunmehr die Hemmung.<br />
Ablaufhemmung<br />
(§§ 210, 211 BGB)<br />
Beeinflussung der Verjährung<br />
von Ansprüchen<br />
Hemmung (Regelfall)<br />
– u.a.<br />
§§ 203, 204; s.<br />
auch § 209 BGB<br />
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Neubeginn -<br />
§ 212 BGB
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
98<br />
______________________________________________________________<br />
b) Die einzelnen Hemmungstatbestände<br />
Die einzelnen Hemmungstatbestände finden sich in §§ 203 ff.<br />
BGB. Bedeutsamste Vorschrift ist § 204 BGB. Dort findet sich in<br />
Nr. 1 die Klageerhebung sowie in Nr. 3 die Zustellung eines<br />
Mahnbescheides als besonders wichtige Fälle der Hemmung.<br />
Praktisch von größerer Relevanz ist daneben § 204 Abs. 1 Nr. 7<br />
BGB (Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbstän-<br />
digen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO).<br />
c) Die Fälle der Ablaufhemmung<br />
Fälle der Ablaufhemmung enthalten §§ 210, 211 BGB. In § 210<br />
BGB ist die Ablaufhemmung bei nicht Vollgeschäftsfähigen be-<br />
stimmt, § 211 BGB befasst sich mit der Ablaufhemmung in Nach-<br />
lassfällen.<br />
d) Fälle des Neubeginns der Verjährung<br />
Nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung erneut,<br />
wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch<br />
durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder<br />
in anderer Weise anerkennt. Unter einem Anerkenntnis im Sinne.<br />
dieser Bestimmung ist das rein tatsächliche Verhalten des<br />
Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Be-<br />
wusstsein vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergibt, zu<br />
verstehen. Einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung bedarf es<br />
nicht. Das Anerkenntnis ist eine sog. geschäftsähnliche Hand-<br />
lung, deren Rechtsfolgen unabhängig vom Willen des Schuld-<br />
ners eintreten. Ein wirksames Anerkenntnis setzt Geschäftsfä-<br />
higkeit voraus.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
99<br />
______________________________________________________________<br />
Beispiele für Anerkennungshandlungen: Stundungsge-<br />
such; Saldenbestätigung; Bitte um wohlwollende Prüfung der<br />
wirtschaftlichen Lage; Hergabe eines Wechsels oder<br />
Schecks; Erklärung, zur Abgabe eines Anerkenntnisses<br />
grundsätzlich bereit zu sein; die Aufrechnung gegenüber ei-<br />
ner unbestrittenen Forderung.<br />
3. Rechtsfolgen der Verjährung<br />
Nach § 214 Abs. 1 BGB ist der Schuldner nach dem Eintritt der<br />
Verjährung berechtigt, die Leistung zu verweigern. Damit handelt<br />
es sich bei der Verjährung wie bisher um eine im Prozess zu er-<br />
hebende Einrede, die den Bestand des Anspruchs unberührt<br />
lässt und diesen dauerhaft hemmt, vgl. o.<br />
Nach § 218 S. 1 BGB ist der Rücktritt wegen nicht oder nicht ver-<br />
tragsgemäß erbrachter Leistung unwirksam, wenn der Anspruch<br />
auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist<br />
und der Schuldner sich hierauf beruft. Hintergrund für diese Re-<br />
gelung ist der Umstand, dass das Schuldrechtsmodernisierungs-<br />
gesetz die Wandlung (nach bisherigem Recht ein Anspruch) zu<br />
einem Rücktrittsrecht und dadurch zu einem an sich unverjährba-<br />
ren Gestaltungsrecht gemacht hat. Der „neue“ § 218 BGB stellt<br />
sicher, dass der Verkäufer (Unternehmer) sich trotz dieser Ände-<br />
rung in der rechtlichen Konstruktion wie bisher auf Verjährung<br />
berufen kann, wenn der Käufer (Besteller) sich nach Ablauf der<br />
Verjährungsfrist wegen eines Mangels vom Vertrag lösen will. Er<br />
begründet ein Einrederecht, dass in seinen Voraussetzungen der<br />
Einrede der Verjährung gleich steht.<br />
II. Vorübergehende Einrede des nicht erfüllten Vertra-<br />
ges (§§ 320 Abs. 1 S. 1, 322 Abs. 1 BGB; s. auch § 273 BGB)<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
100<br />
______________________________________________________________<br />
G. Zusammenfassung<br />
Prüfungsschema 12:<br />
Abschluss schuldrechtlicher Verträge<br />
A. Wirksames Angebot<br />
I. Wirksame Willenserklärung<br />
1. Handlungswille<br />
<strong>2.</strong> Erklärungswille<br />
3. Geschäftswille<br />
II. Abgabe<br />
III. Zugang (§§ 130–132 BGB)<br />
IV. Wirksamkeit des Angebots (§§ 104 ff. BGB)<br />
1. Nichtigkeit<br />
a) Geschäftsunfähigkeit (§§ 104, 105 BGB)<br />
aa) Geschäftsunfähigkeit gegeben?<br />
bb) Gesetzliche Vertretung (v.a. §§ 1629 ff. BGB)<br />
b) Beschränkte Geschäftsfähigkeit (§ 106 BGB)<br />
aa) Beschränkte Geschäftsfähigkeit gegeben? § 107 BGB<br />
bb) Zustimmung des gesetzlichen Vertreters?<br />
c) Scherz- und Scheinerklärung: §§ 117, 118 BGB<br />
d) Formnichtigkeit, § 125 BGB<br />
e) Gesetzesverstoß, § 134 BGB<br />
f) Sittenverstoß, § 138 BGB<br />
<strong>2.</strong> Anfechtung<br />
V. Inhalt: § 133 BGB (Achtung: Für den Inhalt ist der Emp-<br />
fängerhorizont entscheidend!)<br />
B. Wirksame Annahme<br />
I. Wirksame Willenserklärung, s.o.<br />
II. Abgabe und Zugang: § 130 BGB<br />
Willensbetätigung in § 151 BGB; u.U. auch Schweigen als<br />
Annahme (Ausnahme!)<br />
III. Rechtzeitigkeit der Annahme? §§ 146–150 BGB<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
101<br />
______________________________________________________________<br />
IV. Konsequenz? Erforderlich ist u.U. Auslegung der Annah-<br />
meerklärung (Dissens / Konsens / offener Dissens / ver-<br />
steckter Dissens, §§ 154 f. BGB)<br />
V. Wirksamkeit der Annahme, s.o.<br />
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102<br />
______________________________________________________________<br />
3. <strong>Kapitel</strong>: Das Recht der<br />
Leistungsstörungen<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
103<br />
______________________________________________________________<br />
3. <strong>Kapitel</strong>: Das Recht der Leistungsstörungen<br />
� Lernhinweis: Das Recht der Leistungsstörungen hat sich<br />
durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002 in bedeut-<br />
samen Teilen gegenüber der bisherigen Rechtslage verändert.<br />
Soweit dies aus methodischen Gründen notwendig ist, werden<br />
die bisherige und die jetzt geltende Rechtslage dargestellt<br />
A. Einleitung<br />
� Lernhinweis: Das Recht der Leistungsstörungen gehört seit<br />
jeher zu den prüfungsrelevanten Themenbereichen. Hier heißt<br />
es, gut gerüstet zu sein. Nach meiner Erfahrung reicht es nicht,<br />
wenn Sie die nachfolgenden Ausführungen lediglich einmal<br />
durchlesen!<br />
I. Zum Begriff der Leistungsstörung<br />
Eine Leistungsstörung liegt immer dann vor, wenn das Ziel der<br />
ordnungsgemäßen Befriedigung des Gläubigers ganz oder teil-<br />
weise misslingt. Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszuge-<br />
hen:<br />
• Durch die freiwillige Vereinbarung zwischen Schuldner und<br />
Gläubiger kommt es zum Entstehen eines (vertraglichen)<br />
Schuldverhältnisses (= Verhältnis von Rechten und Pflichten<br />
zwischen mindestens zwei Personen). Davon zu unterschei-<br />
© <strong>Eisenbeis</strong> Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2003
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
104<br />
______________________________________________________________<br />
den ist das gesetzliche Schuldverhältnis (z.B. nach § 823<br />
Abs. 1 BGB durch Begehung einer unerlaubten Handlung).<br />
• Kraft des Schuldverhältnisses ist der Schuldner verpflichtet,<br />
an den Gläubiger die geschuldete(n) Leistung(en) zu bewir-<br />
ken, d.h. der Schuldner muss durch Erfüllung (vgl. § 362 Abs.<br />
1 BGB) das Schuldverhältnis zum Erlöschen bringen (rechts-<br />
technische Konsequenz: Der Anspruch geht durch Erfüllung<br />
unter, dem Schuldner steht gegenüber dem Gläubiger eine<br />
sog. rechtsvernichtende Einwendung zu – vgl. o.).<br />
• Die Einzelheiten dessen, was der Schuldner zu leisten hat,<br />
ergeben sich aus den zwischen Schuldner und Gläubiger ge-<br />
troffenen Vereinbarungen (vertragliches Schuldverhältnis).<br />
Dabei ist generell für sog. Gattungsschulden (= Leistungsge-<br />
genstände, die nur ihrer Gattung sowie u.U. noch nach<br />
Stückzahl, Menge oder Gewicht bestimmt sind) ergänzend<br />
§ 243 Abs. 1 BGB zu beachten. Danach hat der Schuldner<br />
einer Gattungssache eine solche von „mittlerer Art und Güte“<br />
zu leisten.<br />
II. Das System der Leistungsstörungen (hier: Allgemeines<br />
Schuldrecht)<br />
Sowohl das vertragliche als auch das gesetzliche Schuldverhält-<br />
nis verfolgen das Ziel der ordnungsgemäßen Befriedigung des<br />
Gläubigers. Erst wenn der Gläubiger von dem Schuldner alles<br />
erhalten hat, wozu Letzterer kraft eines wirksam bestehenden<br />
Schuldverhältnisses verpflichtet ist, erlischt das Schuldverhältnis,<br />
§ 362 Abs. 1 BGB, vgl. o..<br />
Da die Widrigkeiten des Lebens zahlreich sind, kann es durch-<br />
aus geschehen, dass das Ziel des Schuldverhältnisses, nämlich<br />
die Befriedigung des Gläubigers, nicht erreicht, die Erbringung<br />
der geschuldeten Leistung „gestört“ wird.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
105<br />
______________________________________________________________<br />
Hierbei ist in mehrfacher Hinsicht zu unterscheiden:<br />
1. Was ist passiert?<br />
Zunächst ist zu fragen, um welche Art der Störung es sich über-<br />
haupt handelt. Eine Vereitelung der Erfüllung der Pflicht(en) des<br />
Schuldners kann gegeben sein, wenn<br />
• die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht (mehr) mög-<br />
lich ist, sog. Unmöglichkeit,<br />
• die Leistung verspätet erfolgt, sog. Verzug,<br />
• die Leistung „nicht wie geschuldet“ erbracht wird, vgl. § 281<br />
Abs. 1 S. 1 BGB, die sog. Schlechterfüllung<br />
υ Achtung: Ander dieser Einteilung (Unmöglichkeit / Schuldner-<br />
verzug / positive Vertragsverletzung) hat sich durch das neue<br />
Schuldrecht nichts geändert, auch wenn die Leistungsstörungen<br />
nunmehr durch den Begriff der „Pflichtverletzung“ (s. v.a. § 280<br />
Abs. 1 BGB) umfasst werden. Letzten Endes lässt sich die alte<br />
Dreiteilung der Leistungsstörungen aber weiter verwenden (Me-<br />
dicus, Bürgerliches Recht, 19. A. 2002, RN 238).<br />
<strong>2.</strong> Wer war`s?<br />
Weiter ist zu unterscheiden, wodurch die Vereitelung der Befrie-<br />
digung des Gläubigers verursacht wurde:<br />
• Lag es an einem verantwortlichen Verhalten des Schuldners<br />
selbst?<br />
• Führte ein verantwortliches Handeln des Gläubigers zu der<br />
Störung der Leistung?<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
106<br />
______________________________________________________________<br />
• Waren andere Umstände ursächlich für das Nichteintreten<br />
des Leistungserfolges (Leistungsstörung, die von nieman-<br />
dem/von beiden Seiten zu vertreten ist)?<br />
3. Die Bestrafung der Schuldigen<br />
Hat man eine Störung im Schuldverhältnis festgestellt, ist<br />
schließlich zu fragen, welche Rechte dem Gläubiger (u.U. auch<br />
dem Schuldner) zustehen, ob und gegebenenfalls wie der<br />
Schuldner/Gläubiger zu „bestrafen“ ist.<br />
Was die möglichen Rechte des Gläubigers betrifft, so kommen<br />
hierbei in erster Linie in Betracht:<br />
• Befreiung des Schuldners von seiner Primärleistungspflicht, § 275<br />
BGB.<br />
• Verpflichtung des Schuldners statt oder neben der primär geschul-<br />
deten Leistung einen andere Leistung (v.a. Schadenersatz) erbrin-<br />
gen zu müssen, §§ 278-292, 311 a II 1 BGB).<br />
Bei der Berechnung des Schadensersatzanspruches sind vor allem<br />
§§ 249 ff. BGB zu beachten (bitte §§ 249–255 BGB sorgfältig le-<br />
sen!).<br />
• Möglichkeit des Rücktritts vom gegenseitigen Vertrag (§§ 323-326<br />
BGB). Dadurch werden die noch nicht erfüllten Leistungspflichten<br />
beseitigt. Etwaig schon Geleistetes kann zurückgefordert werden,<br />
§§ 346 ff. BGB.<br />
Befreiung von<br />
der Primärleistungspflicht<br />
Übersicht: (Mögliche) Rechtsfolgen einer<br />
Leistungsstörung<br />
Statt der<br />
primär geschuldeten<br />
Leistung<br />
Verpflichtung zur<br />
Erbringung einer anderen<br />
Leistung, v.a.<br />
Schadensersatz<br />
Neben der<br />
primär geschuldeten<br />
Leistung<br />
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Rücktritt vom<br />
gegenseitigen<br />
Vertrag<br />
Rückforderung<br />
des<br />
schon Geleisteten
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
107<br />
______________________________________________________________<br />
� Achtung: Der Gesetzgeber hat ein Gesetz zur Änderung<br />
schadensersatzrechtlicher Vorschriften verabschiedet. Das Ge-<br />
setz ist zum 01.08.2002 in Kraft treten. Es enthält die folgenden<br />
wesentlichen Neuerungen (Einzelheiten s. in einem der folgen-<br />
den <strong>Kapitel</strong>):<br />
_ Verbesserung der Rechtsstellung von Kindern bei Unfällen<br />
im Straßen- und Bahnverkehr. Grundsätzlicher Aus-<br />
schluss der Haftung und des Mitverschuldens von Kindern<br />
unter 10 Jahren.<br />
_ Haftungsausschluss des Kraftfahrzeug-Halters und des<br />
Bahnbetriebsunternehmers nur noch bei „höherer Gewalt“.<br />
_ Einführung eines allgemeinen Anspruchs auf Schmer-<br />
zensgeld, der über die bereits jetzt erfasste außervertrag-<br />
liche Verschuldenshaftung hinaus auch die Gefährdungs-<br />
haftung und die Vertragshaftung mit einbezieht.<br />
_ Begrenzung des Schmerzensgeldanspruches – mit Aus-<br />
nahme der Vorsatzhaftung – auf Schäden, die unter Be-<br />
rücksichtigung ihrer Art und Dauer nicht unerheblich sind<br />
_ Änderung der Sachschadensabrechnung<br />
_ Ausweitung der Kraftfahrzeug-Halterhaftung auf unentgelt-<br />
lich beförderte Fahrzeuginsassen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
108<br />
______________________________________________________________<br />
B. Überblick über die gesetzlichen Regelungen des<br />
Leistungsstörungsrechts nach allgemeinem<br />
Schuldrecht<br />
� Achtung: Nachfolgend wird die gesetzliche Lage unter Be-<br />
rücksichtigung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes dar-<br />
gestellt. Dieses gilt seit 01.01.2002 für alle seit diesem Zeitpunkt<br />
verabredeten Verträge.<br />
I. Die Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB<br />
Im Mittelpunkt des Leistungsstörungsrechts nach allgemeinem<br />
Schuldrecht steht<br />
§ 280 Abs. 1 BGB.<br />
Diese Bestimmung sieht für jeden Fall einer schuldhaften Pflicht-<br />
verletzung einen Schadenersatzanspruch vor.<br />
Der Begriff „Pflichtverletzung“ ist ein Oberbegriff. Er erfasst sämt-<br />
liche Leistungsstörungen (vgl. o.).<br />
§ 280 Abs. 1 BGB ist Anspruchsgrundlage für<br />
Beispiele:<br />
„einfachen“ Schadensersatz.<br />
_ Ersatz von Schäden, die aus einer Verletzung von Sorg-<br />
falts- oder Aufklärungspflichten herrühren.<br />
_ Schäden, die durch die Verletzung von Verkehrssiche-<br />
rungspflichten entstanden sind.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
109<br />
______________________________________________________________<br />
Von dem einfachen Schadensersatz i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB ist<br />
der<br />
Schadensersatz statt der Leistung<br />
zu unterscheiden. Bei dem Schadensersatz statt der Leistung<br />
handelt es sich um den früheren Schadensersatz wegen Nichter-<br />
füllung. Wird ein solcher verlangt, müssen zusätzliche Voraus-<br />
setzungen erfüllt sein, vgl. §§ 280 Abs. 3, 281, 282, 283 BGB.<br />
Begehrt der Gläubiger Ersatz des<br />
Verzögerungsschadens<br />
(Schadensersatz neben der Leistung), so ist dies nach § 280<br />
Abs. 2 BGB nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des<br />
§ 286 BGB möglich.<br />
II. § 280 BGB als umfassende Regelung des Scha-<br />
densersatzes<br />
Die zahlreichen, sowohl im allgemeinen wie auch im besonderen<br />
Schuldrecht bis Ende 2001 geregelten Schadensersatznormen<br />
fallen als jeweils eigenständige Anspruchsgrundlagen weg und<br />
werden durch § 280 BGB ersetzt. Dies gilt auch für die (bislang<br />
lediglich gewohnheitsrechtlich anerkannte) c.i.c. (culpa in contra-<br />
hendo – vgl. o.), die nunmehr in § 311 BGB eine gesetzliche Re-<br />
gelung erfährt.<br />
� Achtung: § 311 Abs. 2, 3 BGB regeln lediglich das vorvertrag-<br />
liche Schuldverhältnis an sich. Anspruchsgrundlage im Falle ei-<br />
ner Pflichtverletzung bleibt stets § 280 BGB.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
110<br />
______________________________________________________________<br />
Zusammenfassung: Einheitliche Regelung des Schadenser-<br />
satzes in § 280 BGB<br />
1. Einfacher Schadensersatz (§ 280 Abs. 1 BGB)<br />
<strong>2.</strong> Verzögerungsschaden (§§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB): § 280<br />
Abs. 1 BGB bleibt auch für den Verzögerungsschaden Anspruchsgrundlage.<br />
Die Norm wird aber nach § 280 Abs. 2 BGB<br />
durch § 286 BGB ergänzt. Danach setzt der Ersatz des Verzögerungsschadens<br />
Verzug i.S.d. § 286 BGB voraus.<br />
3. Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 Abs. 1, Abs. 3,<br />
281, 282, 283 BGB): Macht der Gläubiger Schadenersatz statt<br />
der Leistung geltend, knüpft das Gesetz wegen der stärkeren<br />
Belastung des Schuldners hieran weitere Voraussetzungen:<br />
a) Schadensersatz wegen Verzuges oder Schlechtleistung<br />
(§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB): Schadenersatz statt der<br />
Leistung kann der Gläubiger in diesen Fällen grundsätzlich erst<br />
dann geltend machen, wenn er dem Schuldner eine Nachfrist<br />
zur ordnungsgemäßen Erfüllung gesetzt hat und diese Frist erfolglos<br />
verstrichen ist.<br />
b) Schadensersatz wegen Verletzung einer sonstigen Pflicht<br />
(§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282 BGB): Verletzt der Schuldner eine<br />
Pflicht nach § 241 Abs. 2 BGB (sog. Schutzpflicht), d.h. eine<br />
Pflicht, die nichts mit der geschuldeten Leistung selbst zu tun<br />
hat, so kann der Gläubiger die weitere Erfüllung ablehnen und<br />
Schadenersatz statt der Leistung verlangen, wenn die Pflichtverletzung<br />
einen Grad angenommen hat, angesichts dessen<br />
dem Gläubiger ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet<br />
werden kann. Mangels Anspruchs auf die Leistung ist eine<br />
Fristsetzung hier überflüssig. Da der Schuldner, der eine Pflicht<br />
aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt, „nicht wie geschuldet“ leistet,<br />
besteht an sich für § 282 BGB neben § 281 BGB kaum Bedürfnis.<br />
Er ist überflüssig, aber unschädlich (Palandt-Heinrichs,<br />
BGB, 6<strong>2.</strong> Aufl. 2003, § 282, RN 2).<br />
c) Schadensersatz statt der Leistung bei Ausschluss der Leistungspflicht<br />
(§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB): Hier ist der<br />
Schuldner nach § 275 Abs. 1 kraft Gesetzes oder nach<br />
§§ 275 Abs. 2 oder Abs. 3 BGB aufgrund Einrede von seiner<br />
Pflicht zur Leistung frei geworden, vgl. o.. In diesen Fällen kann<br />
der Gläubiger sodann Schadensersatz verlangen, wenn der<br />
Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. Eine Fristsetzung<br />
mit Ablehnungsandrohung ist nicht notwendig. Dies ergibt<br />
sich für § 275 Abs. 1 BGB unschwer aus dem Umstand,<br />
dass eine Leistungspflicht nicht besteht. Gleiches gilt aber auch<br />
für § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB, da der Schuldner durch Geltendmachung<br />
der Einrede erklärt hat, er werde nicht leisten.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
111<br />
______________________________________________________________<br />
Prüfungsschema 13: Schadenersatz nach § 280 Abs. 1 BGB<br />
1. Vorliegen eines Schuldverhältnisses<br />
a) Vertragliches Schuldverhältnis oder<br />
b) gesetzliches Schuldverhältnis oder<br />
c) vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2, 3 BGB)<br />
<strong>2.</strong> Begehen einer Pflichtverletzung<br />
a) Verletzung von Sorgfalts-, Schutz- oder Obhutspflichten,<br />
vgl. § 241 Abs. 2 BGB<br />
b) Verletzung von Aufklärungs- oder Beratungspflichten<br />
c) Verletzung sonstiger Nebenpflichten (beispielsweise<br />
Pflicht zur Verschwiegenheit)<br />
3. Vertretenmüssen<br />
a) Grundsatz 1: Vertretenmüssen des Schuldners wird nach<br />
§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB widerlegbar vermutet (Ausnahme<br />
z.B. nach § 619 a BGB für Haftung des Arbeitnehmers!)<br />
b) Grundsatz 2: Schuldner haftet nach §§ 276, 278 BGB für<br />
Vorsatz und Fahrlässigkeit durch Fehlverhalten in eigener<br />
Person sowie bei Fehlverhalten von Erfüllungsgehilfen<br />
c) Ausnahmen zu o. a), b) v.a.:<br />
aa) Übernahme einer Garantie i.S.d. § 276 BGB<br />
bb) Schuldnerverzug, § 287 S. 2, 1. Halbsatz BGB<br />
cc) Übernahme eines Beschaffungsrisikos i.S.d. § 276 BGB<br />
dd) Gesetzliche Milderungen des Haftungsmaßstabes (bei-<br />
spielsweise §§ 521, 599 BGB)<br />
4. Schaden<br />
5. Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
112<br />
______________________________________________________________<br />
III. Das Rücktrittsrecht<br />
§§ 323, 324, 326 Abs. 5 BGB bestimmen ein von dem Vertre-<br />
tenmüssen unabhängiges Rücktrittsrecht.<br />
Der Gläubiger kann nach § 325 BGB vom Vertrag zurücktreten<br />
und Schadensersatz verlangen. Mit der Regelung in § 325 BGB<br />
wurde eine in der Vergangenheit (d.h. vor der Reform des<br />
Schuldrechts) bestehende Unbilligkeit beseitigt, die dann ent-<br />
stand, wenn vorschnell der Rücktritt erklärt wurde, da nach dem<br />
bis 31.1<strong>2.</strong>2001 geltenden Recht das Prinzip entweder (Scha-<br />
densersatz) oder (Rücktritt) galt.<br />
IV. Gesetzliche Regelung bis 31.1<strong>2.</strong>2001 richterrecht-<br />
lich abgeleiteter Rechtsinstitute seit 2002<br />
1. Wegfall bzw. Störung der Geschäftsgrundlage<br />
§ 313 BGB enthält eine Regelung des Rechtsinstituts des Weg-<br />
falls der Geschäftsgrundlage. Die Bezeichnung als „Störung“<br />
liegt in dem Umstand begründet, dass auch solche Fälle erfasst<br />
sein sollen, bei denen die Geschäftsgrundlage von Anfang an<br />
fehlte.<br />
Bis zur Änderung des Gesetzes durch die Schuldrechtsmoderni-<br />
sierung ging man überwiegend davon aus, dass eine mit Hilfe<br />
des Rechtsinstituts gesuchte Vertragsanpassung kraft Gesetzes<br />
eintrete. Dies ist nach dem Wortlaut von § 313 BGB nun nicht<br />
mehr der Fall, denn die Bestimmung spricht ausdrücklich von ei-<br />
nem Anspruch auf Vertragsanpassung.<br />
Nach § 313 Abs. 3 BGB kann die Störung der Geschäftsgrundla-<br />
ge auch zur Auflösung des Vertrages führen.<br />
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113<br />
______________________________________________________________<br />
<strong>2.</strong> Verschulden bei Vertragsschluss und positive Ver-<br />
tragsverletzung<br />
Durch die Einfügung von § 241 Abs. 2 BGB durch das Schuld-<br />
rechtsmodernisierungsgesetz ist klargestellt, dass sich aus ei-<br />
nem Schuldverhältnis für die Beteiligten auch Sorgfaltspflichten<br />
im Hinblick auf die Rechte und Rechtsgüter des anderen Teiles<br />
ergeben können. Damit sind diese Nebenpflichten als eine<br />
Grundlage der bislang lediglich richterrechtlich bestimmten posi-<br />
tiven Vertragsverletzung nunmehr im Gesetz verankert.<br />
Gleiches gilt im Ergebnis für die culpa in contrahendo. Hier findet<br />
sich eine gesetzliche Regelung in § 311 Abs. 2, 3 BGB.<br />
� Achtung: Anspruchsgrundlage für Schadenersatzansprüche<br />
in den Fällen der culpa in contrahendo sowie der Schlechterfül-<br />
lung ist § 280 BGB, vgl. o.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
114<br />
______________________________________________________________<br />
C. § 280 BGB (u.a.): Details zur Pflichtverletzung im<br />
Schuldverhältnis<br />
I. Grundlegende Voraussetzungen der Norm<br />
§ 280 Abs. 1 BGB kennt drei wesentliche Voraussetzungen:<br />
• Schuldverhältnis<br />
• Pflichtverletzung<br />
• Verschulden<br />
Mit „Schuldverhältnis“ spricht § 280 Abs.1 S. 1 BGB in erster Li-<br />
nie Verträge an. Gemeint sind aber auch gesetzliche Schuldver-<br />
hältnisse (z.B. als Folge einer unerlaubten Handlung, vgl. u.a.<br />
§ 823 Abs. 1 und 2, 826 BGB).<br />
Nach der gesetzlichen Regelung kommt es auf die Art der<br />
Pflichtverletzung nicht an. Die bislang im Gesetz nicht veranker-<br />
ten Rechtsinstitute der positiven Vertragsverletzung und der cul-<br />
pa in contrahendo sind erfasst, vgl. o.<br />
§ 280 Abs. 1 BGB enthält zudem eine Anspruchsgrundlage für<br />
den Verzögerungsschaden, der bislang einer gesonderte Norm<br />
über den Schuldnerverzug zugeordnet war. Zu beachten ist aber,<br />
dass nach § 280 Abs. 2 BGB unverändert die Voraussetzungen<br />
des Verzuges (§ 286 BGB) gegeben sein müssen (s.o.). An-<br />
spruchsgrundlage bleibt – auch für den Verzögerungsschaden -<br />
§ 280 Abs. 1 BGB.<br />
§ 280 Abs. 1 BGB erfasst die Fälle des Schadenersatzes wegen<br />
Unmöglichkeit, § 275 BGB. Auch hierbei handelt es sich um eine<br />
Pflichtverletzung i.S.d. Norm.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
115<br />
______________________________________________________________<br />
II. Das Vertretenmüssen des Schuldners (§ 280 Abs. 1<br />
S. 2 BGB)<br />
Grundfall des Vertretenmüssens ist das eigene Verschulden des<br />
Schuldners, mithin Vorsatz oder Fahrlässigkeit, vgl. § 276 Abs. 1<br />
S. 1, Abs. 2 BGB.<br />
Ein Vertretenmüssen kann aber auch ohne eigenes Verschulden<br />
des Schuldners gegeben sein. So regelt § 276 Abs. 1 S. 1, <strong>2.</strong><br />
Halbs. BGB, dass sich eine strengere oder mildere Haftung aus<br />
anderen Bestimmungen oder aus dem Inhalt des Schuldverhält-<br />
nisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder<br />
eines Beschaffungsrisikos durch den Schuldner ergeben kann,<br />
s.o..<br />
υ Beachte: Aufgrund des Vorerwähnten ergibt sich, dass streng<br />
genommen zwischen dem „Vertretenmüssen“ i.S.d. § 280 Abs. 1<br />
S. 1 und S. 2 BGB und dem „Verschulden“ zu unterscheiden ist.<br />
1. Sonderfall: Übernahme eines Beschaffungsrisikos<br />
Die Regelung des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach die Übernah-<br />
me eines Beschaffungsrisikos eine Schuld unabhängiger Haftung<br />
begründen kann, knüpft an den Rechtsgedanken des aufgeho-<br />
benen § 279 BGB a.F. (Unvermögen bei Gattungsschulden) an.<br />
Sie stellt aber nicht mehr auf die Gattungsschuld, sondern auf<br />
die vom Schuldner übernommene Beschaffungspflicht ab. Auch<br />
der Schuldner einer Stückschuld kann eine Beschaffungspflicht<br />
übernehmen. Hauptanwendungsfall bleibt aber die Gattungs-<br />
schuld (§ 243 BGB).<br />
Da der Schuldner einer Gattungsschuld nicht ein bestimmtes,<br />
sondern irgendein Stück der Gattung schuldet, ergibt sich schon<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
116<br />
______________________________________________________________<br />
aus dem Inhalt seiner Leistungspflicht – unabhängig von § 276<br />
Abs. 1 S. 1 BGB – das seine Schuld fortbesteht, solange die ge-<br />
schuldete Leistung beschafft werden kann. Das gilt aber nur für<br />
die sog. marktbezogene Gattungsschuld. Soll der Schuldner<br />
nach dem Inhalt des abgeschlossenen Vertrages aus seinem<br />
Vorrat liefern (Vorratsschuld), übernimmt er kein Beschaffungsri-<br />
siko.<br />
<strong>2.</strong> Sonderfall: Übernahme einer Garantie<br />
Die Vorschrift des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB stellt klar, dass sich<br />
aus einer vom Schuldner übernommenen Garantie eine ver-<br />
schuldensunabhängige Einstandspflicht ergeben kann, aber nicht<br />
muss. Bei jeder Garantieübernahme muss ihr Inhalt durch Aus-<br />
legung (§§ 133, 157 BGB) ermittelt werden.<br />
Eine Garantie kann ausdrücklich oder stillschweigend übernom-<br />
men werden. Sie ist – in Anlehnung an die Rechtsprechung zu<br />
kaufvertraglich begründeten Zusicherungen – anzunehmen,<br />
wenn der Schuldner durch eine Erklärung, die Vertragsinhalt ge-<br />
worden ist, dem Gläubiger zu erkennen gibt, dass er für den Be-<br />
stand der garantierten Eigenschaft und alle Folgen ihres Fehlens<br />
einstehen will (vgl. BGHZ 132, 55, 58).<br />
3. Sonderfall: Geldschulden<br />
Gegenüber einem Anspruch auf Geld kann sich der Schuldner<br />
nicht auf § 275 BGB berufen. Kann der Schuldner eine Geld-<br />
schuld oder eine andere Leistungsverpflichtung wegen finanziel-<br />
ler Leistungsunfähigkeit nicht erfüllen, hat er die Nichterfüllung<br />
unabhängig von einem Verschulden zu vertreten. Die Rechtspre-<br />
chung hatte diesen Grundsatz früher aus dem durch das Schuld-<br />
rechtsmodernisierungsgesetz aufgehobenen § 279 BGB (Un-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
117<br />
______________________________________________________________<br />
vermögen bei Gattungsschulden) hergeleitet. Er ergibt sich aber<br />
bereits aus dem der Rechts- und Wirtschaftsordnung zugrunde-<br />
liegenden Prinzip unbeschränkter Vermögenshaftung.<br />
4. Beweislast für das Vertretenmüssen<br />
Grundsätzlich hat jede Partei die für sie günstigen Tatsachen zu<br />
beweisen. Dies würde bedeuten, dass derjenige, der einen An-<br />
spruch aus § 280 Abs. 1 BGB herzuleiten sucht, die Beweislast<br />
für das Vertretenmüssen zu tragen hat. Dadurch entstehen für<br />
den Anspruchssteller jedoch im Einzelfall kaum zu überwindende<br />
Beweisschwierigkeiten. Das Gesetz nimmt darauf Rücksicht und<br />
verlagert die Beweislast daher auf den Schuldner, wenn es in<br />
§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB heißt:<br />
„Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung<br />
nicht zu vertreten hat.“<br />
� Achtung: Für die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des<br />
§ 280 Abs. 1 BGB gilt die erwähnte Beweislastregel des § 280<br />
Abs. 1 S. 2 BGB nicht. Es bleibt also bei dem Grundsatz, dass<br />
der Anspruchssteller für die ihm günstigen Anspruchsvorausset-<br />
zungen darlegungs- und beweisbelastet ist.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
118<br />
______________________________________________________________<br />
5. Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte<br />
a) Grundsätze<br />
§ 278 BGB stellt im Rahmen eines bestehenden Schuldverhält-<br />
nisses das Verschulden von gesetzlichen Vertretern und Erfül-<br />
lungsgehilfen dem eigenen Verschulden des Schuldners gleich.<br />
§ 278 BGB begründet damit eine Art von Erfolgshaftung (Pa-<br />
landt-Heinrichs, a.a.O., § 278, RN 1).<br />
§ 278 BGB selbst ist keine Anspruchsgrundlage, sondern eine<br />
Zurechnungsnorm.<br />
§ 278 BGB beruht auf dem Gedanken, dass der Schuldner ge-<br />
genüber dem Gläubiger für seinen Geschäfts- und Gefahrenkreis<br />
verantwortlich ist und das zu diesem auch die vom Schuldner<br />
eingesetzten Hilfspersonen gehören (BGH NJW 1996, 465). Wer<br />
den Vorteil der Arbeitsteilung in Anspruch nimmt, soll auch deren<br />
Nachteile tragen, nämlich das Risiko, dass der an seiner Stelle<br />
handelnde Gehilfe schuldhaft rechtlich geschützte Interessen des<br />
Gläubigers verletzt (BGHZ 95, 132; Palandt-Heinrichs, a.a.O.)<br />
b) Schuldverhältnis<br />
§ 278 BGB gilt nur im Rahmen bestehender Schuldverhältnisse.<br />
Dabei ist es unerheblich, ob es sich um ein vertragliches oder ein<br />
gesetzliches Schuldverhältnis handelt. Nicht ausreichend ist es,<br />
wenn erst durch die Handlung des Erfüllungsgehilfen oder des<br />
gesetzlichen Vertreters ein (gesetzliches) Schuldverhältnis ent-<br />
steht.<br />
Beispiel: Malermeister U lässt die Malerarbeiten an den Au-<br />
ßenwänden des Hauses von A durch seinen Gesellen B<br />
durchführen. Im Zuge dieser Arbeiten lässt B von dem Bau-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
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______________________________________________________________<br />
gerüst aus Unachtsamkeit einen Farbeimer umfallen, der den<br />
zufällig vorbeikommenden Passanten P verletzt.<br />
Es braucht U für die Verletzung von P nicht aus einem beste-<br />
henden Schuldverhältnis (hier: Werkvertrag nach § 631 BGB)<br />
einstehen; in Betracht kommt allenfalls eine Haftung des U nach<br />
§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB.<br />
Anders wäre der Fall allerdings zu beurteilen gewesen, wenn<br />
Auftraggeber A bei Durchführung der Arbeiten von B verletzt<br />
worden wäre, da zwischen U und A ein Schuldverhältnis i.S.d.<br />
§§ 631 ff. BGB (Werkvertrag) besteht.<br />
c) Begriff „Erfüllungsgehilfe“<br />
� Merke: Erfüllungsgehilfe ist jeder, der nach den tatsächlichen<br />
Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei<br />
der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine<br />
Hilfsperson tätig wird; auf ein soziales Abhängigkeitsverhältnis<br />
kommt es nicht an.<br />
Beispiele für Erfüllungsgehilfen: Subunternehmer im<br />
Rahmen eines Werkvertrages; Werkunternehmer, der vom<br />
Vermieter beauftragt wurde, die Wohnung des Mieters zu re-<br />
novieren.<br />
BGH NJW 1996, 451: Beschränkt sich die Tätigkeit eines Grundstücksmaklers<br />
auf das Anbieten reiner Maklerdienste ohne Einbindung<br />
in die Erfüllung von Haupt- oder Nebenpflichten einer Vertragspartei,<br />
kommt eine Zurechnung nach § 278 BGB nicht in Betracht.<br />
Ist einem Grundstücksmakler von einer der späteren Kaufvertragsparteien<br />
die Führung der wesentlichen Vertragsverhandlungen<br />
überlassen worden, so ist er von ihr im Regelfall zur Erfüllung<br />
der vorvertraglichen Sorgfaltspflichten herangezogen worden,<br />
und zwar auch dann, wenn ihm ein eigener Verhandlungsspielraum<br />
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120<br />
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nicht eingeräumt worden ist; dies rechtfertigt die Anwendung des<br />
§ 278 BGB.<br />
d) Begriff „gesetzlicher Vertreter“<br />
Der Begriff „gesetzlicher Vertreter“ ist im weiteren Sinn des Han-<br />
delns mit Wirkung für andere zu verstehen. Darunter fallen ne-<br />
ben Inhabern der elterlichen Sorge u.a. der Vormund, der Be-<br />
treuer, Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter.<br />
� Achtung: § 278 BGB ist nicht auf verfassungsmäßig berufene<br />
Vertreter einer juristischen Person anwendbar. Diese sind Orga-<br />
ne (s. §§ 31, 89 BGB!).<br />
Für OHG und KG gilt grundsätzlich das selbe wie für juristische<br />
Personen.<br />
Die Anwendung von § 31 BGB analog auf die Gesellschaft bür-<br />
gerlichen Rechts war sehr umstritten (dafür nunmehr BGH, Urt.<br />
v. 24.<strong>2.</strong>2003, NJW 2003, 1445).<br />
e) Abgrenzung Erfüllungsgehilfe - Verrichtungsgehilfe<br />
Nicht miteinander zu verwechseln sind der Erfüllungsgehilfe<br />
(nach § 278 BGB) und der Verrichtungsgehilfe (nach § 831<br />
BGB).<br />
Zwar kann eine Person sowohl Erfüllungsgehilfe als auch Ver-<br />
richtungsgehilfe sein, gleichwohl kennen diese beiden Arten von<br />
Hilfspersonen jeweils andere Voraussetzungen und unterschei-<br />
den sich im Übrigen in rechtlicher Hinsicht vielfältig.<br />
§ 278 BGB ist – wie ausgeführt – eine Zurechnungsnorm, § 831<br />
Abs. 1 S. 1 BGB ist Anspruchsgrundlage.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
121<br />
______________________________________________________________<br />
Zu den weiteren Einzelheiten s.u. im <strong>Kapitel</strong> „Unerlaubte Hand-<br />
lung“.<br />
f) Weitere Einzelheiten<br />
Wesentlich ist, dass der Erfüllungsgehilfe/gesetzliche Vertreter in<br />
die Erbringung der dem Schuldner obliegenden Leistungshand-<br />
lung eingeschaltet worden ist.<br />
Beispiel: Der Malerlehrling des U streicht den Flur des A und<br />
zerstört dabei eine wertvolle Vase.<br />
Problem 1: Eine Haftung nach § 278 BGB scheidet dann aus,<br />
wenn der Erfüllungsgehilfe nur „bei Gelegenheit“ seiner Tätigkeit<br />
dem Gläubiger einen Schaden zufügt.<br />
Beispiel: Fall wie zuvor – nunmehr ergreift B die Gelegenheit<br />
und lässt bei A ein paar wertvolle Taschenuhren „mitgehen“.<br />
Hier fehlt es an dem notwendigen Zusammenhang zwischen der<br />
durch den Erfüllungsgehilfen eigentlich vorzunehmenden Hand-<br />
lung (hier: Anstreicherarbeiten) und der nur „anlässlich“ dieser<br />
Handlung weiterhin vorgenommenen Schädigungshandlung<br />
(hier: Diebstahl). Mithin haftet U für den durch den Diebstahl ein-<br />
getretenen Schaden grundsätzlich nicht über § 278 BGB (anders<br />
kann aber im Einzelfall dann zu entscheiden sein, wenn U eine<br />
Organisationspflichtverletzung/Aufsichtspflichtverletzung vorge-<br />
worfen werden kann).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
122<br />
______________________________________________________________<br />
� Merke: Der Schuldner hat nur dann für ein Fehlverhalten sei-<br />
nes Gehilfe einzustehen, wenn die Handlung des Gehilfen, wäre<br />
sie von dem Schuldner begangen worden, eine vertragsspezifi-<br />
sche Pflicht des Schuldners ist.<br />
Problem 2: Personen, die bei der Vorbereitung der Leistung des<br />
Schuldners tätig waren: Fraglich ist insoweit, ob die in der Her-<br />
stellungskette dem Endverbraucher näherstehenden Personen<br />
für ein Verschulden der entfernter stehenden Personen nach<br />
§ 278 BGB einzustehen haben.<br />
• Im Verhältnis zwischen dem Produkthersteller und dem<br />
Verkäufer ist eine Haftung des Verkäufers über § 278 BGB<br />
für ein schadenstiftendes Fehlverhalten des Produktherstel-<br />
lers abzulehnen.<br />
• Gleiches gilt im Verhältnis zwischen einem Bauunternehmer<br />
und dem Vorprodukthersteller: § 278 BGB findet keine An-<br />
wendung, wenn der Vorprodukthersteller einen bei dem<br />
Endabnehmer eingetretenen Schaden zu verantworten hat.<br />
g) Rechtsfolge § 278 BGB<br />
Das Verhalten des Gehilfen ist wie eigenes Verhalten des<br />
Schuldners zu beurteilen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
123<br />
______________________________________________________________<br />
h) Zusammenfassung (Prüfungsschema 14: Die Vorausset-<br />
zungen des § 278 BGB)<br />
Prüfungsschema 14: Voraussetzungen § 278 BGB<br />
1. Vorliegen eines bestehenden Schuldverhältnisses<br />
<strong>2.</strong> Gesetzlicher Vertreter/Erfüllungsgehilfe<br />
3. Schuldhaftes Handeln des gesetzlichen Vertre-<br />
ters/Erfüllungsgehilfen<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
124<br />
______________________________________________________________<br />
III. Die Unmöglichkeit der Leistung als Fall der Pflicht-<br />
verletzung i.S.d. § 280 BGB<br />
1. „Tatsächliche“ Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1<br />
BGB<br />
Die Neufassung des § 275 Abs. 1 BGB erfasst nunmehr, d.h.<br />
nach der Schuldrechtsmodernisierung folgende Formen der Un-<br />
möglichkeit:<br />
• Objektive und subjektive Unmöglichkeit<br />
• Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit<br />
• Nicht zu vertretende und zu vertretende Unmöglichkeit<br />
• Teilweise und vollständige Unmöglichkeit<br />
Anders als in der bis zum 31.1<strong>2.</strong>2001 geltenden Fassung des<br />
Gesetzes ist der Fall der anfänglichen objektiven Unmöglich-<br />
keit nicht mehr mit der Nichtigkeit des Vertrages als Rechtsfolge<br />
verbunden, vgl. § 311 a Abs. 1 BGB. Es ist lediglich der An-<br />
spruch des Gläubigers auf Erfüllung ausgeschlossen.<br />
Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf die Leistung aus-<br />
geschlossen, soweit die Leistung dem Schuldner oder jedermann<br />
unmöglich ist. Hinsichtlich der Gründe für die Unmöglichkeit er-<br />
gibt sich im Umkehrschluss aus § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB,<br />
dass § 275 Abs. 1 BGB nur die Fälle „wirklicher“ bzw. „tatsächli-<br />
cher“ Unmöglichkeit regelt, nicht dagegen die faktische sowie die<br />
moralische Unmöglichkeit (dazu ausführlicher u.).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
125<br />
______________________________________________________________<br />
a) Objektive und subjektive Unmöglichkeit<br />
Objektive Unmöglichkeit ist gegeben, wenn niemand die Leistung<br />
erbringen kann. Subjektive Unmöglichkeit (= Unvermögen) liegt<br />
vor, wenn dem Schuldner die Leistung nicht möglich, wohl aber<br />
die Leistungserbringung durch einen Dritten möglich ist.<br />
Beispiel: V veräußert dem K ein dem D gehörendes Kraft-<br />
fahrzeug. Dieses war dem D vor einigen Wochen gestohlen<br />
worden. Davon hatte K nichts gewusst.<br />
V kann K kein Eigentum an dem Kraftfahrzeug verschaffen,<br />
selbst dann nicht, wenn K gutgläubig i.S.d. § 932 BGB sein soll-<br />
te, da an gestohlenen Sachen kein Eigentum erworben werden<br />
kann, § 935 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Anspruch des K gegenüber V<br />
auf Erfüllung aus § 433 Abs. 1 BGB, wäre sodann nach § 275<br />
Abs. 1 BGB ausgeschlossen.<br />
� Achtung: Wäre D grundsätzlich bereit, das Kraftfahrzeug an<br />
V zu veräußern, so läge kein Fall der Unmöglichkeit nach § 275<br />
Abs. 1 BGB vor. Damit bestünde der Erfüllungsanspruch des K<br />
gegenüber V unverändert fort. Sodann käme es aber darauf an,<br />
ob der von D gegenüber V geforderte Kaufpreis so hoch ist, dass<br />
von V nicht mehr erwartet werden kann, dass er diesen Preis be-<br />
zahlt, um das Kraftfahrzeug an K übereignen zu können. Dies ist<br />
keine Frage des § 275 Abs. 1 BGB, sondern vielmehr des § 275<br />
Abs. 2 BGB, auf den sich V gegenüber K berufen müsste!<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
126<br />
______________________________________________________________<br />
b) Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit<br />
Die Unterscheidung zwischen anfänglicher und nachträglicher<br />
Unmöglichkeit hängt von dem Zeitpunkt, zu dem die Unmöglich-<br />
keit eintritt, ab. Maßgebendes Kriterium ist der Zeitpunkt des Ver-<br />
tragsschlusses, vgl. § 311 a Abs. 1 BGB. Kann die geschuldete<br />
Leistung bereits im Zeitpunkt der Begründung des Schuldver-<br />
hältnisses nicht erbracht werden, ist ein Fall anfänglicher Un-<br />
möglichkeit gegeben.<br />
� Achtung: Der Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist für die Un-<br />
terscheidung zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmög-<br />
lichkeit selbst dann entscheidend, wenn der Vertrag aufschie-<br />
bend bedingt oder befristet ist!<br />
c) Vollständige und teilweise Unmöglichkeit<br />
In den Fällen vollständiger Unmöglichkeit besteht ein Hindernis<br />
für die Leistung bezüglich der gesamten Leistung. Teilweise Un-<br />
möglichkeit dagegen führt dazu, dass der Schuldner hinsichtlich<br />
des noch möglichen Teiles leistungspflichtig bleibt, vgl. § 275<br />
Abs. 1 BGB („soweit“). Teilweise Unmöglichkeit kann nur bei teil-<br />
baren Leistungen vorliegen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
127<br />
______________________________________________________________<br />
d) Rechtsfolge des § 275 Abs. 1 BGB<br />
Das Vorliegen der Voraussetzungen von § 275 Abs. 1 BGB führt<br />
zum Fortfall der Leistungsverpflichtung des Schuldners kraft Ge-<br />
setzes, s.o..<br />
� Achtung: Das Vertretenmüssen der Unmöglichkeit ist für die<br />
Beurteilung der Verpflichtung zur Leistung hinsichtlich der Pri-<br />
märpflicht ohne Relevanz. Sowohl die nicht zu vertretende als<br />
auch die zu vertretende Unmöglichkeit schließen einen Anspruch<br />
auf Erbringung der primär geschuldeten Leistung aus. Der<br />
Grundsatz lautet:<br />
Niemand kann eine unmögliche Leistung fordern.<br />
e) Sonderfall: Vorübergehende Unmöglichkeit<br />
Fälle vorübergehender Unmöglichkeit zeichnen sich dadurch<br />
aus, dass die Leistung während eines bestimmten Zeitraumes<br />
nicht erbracht werden kann. Eine ausdrückliche gesetzliche Re-<br />
gelung hierüber gibt es nicht.<br />
Klassischer Fälle: Verhängung eines Embargos; Liefereng-<br />
pass<br />
Vorübergehende Leistungshindernisse stehen nach h.M. der<br />
dauernden Unmöglichkeit nur dann gleich, wenn<br />
• ein sog. absolutes Fixgeschäft vorliegt oder<br />
• wenn zur Zeit des Eintritts des Leistungshindernisses dessen<br />
Behebung nicht absehbar und dem Gläubiger ein weiteres<br />
Abwarten nicht zumutbar ist, vgl. § 242 BGB.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
128<br />
______________________________________________________________<br />
_ Beim absoluten Fixgeschäft ist die Einhaltung der Leistungszeit<br />
derart zum Inhalt der Leistungsverpflichtung geworden, dass die<br />
Nichteinhaltung eines bestimmten Termins zur Unmöglichkeit der<br />
Leistung führt.<br />
Beispiel: Lieferung von Weihnachtsbäumen zum Weih-<br />
nachtsfest; das Taxi zum Bahnhof.<br />
� Achtung: Anders das sog. relative Fixgeschäft - § 323 Abs.<br />
2 Nr. 2 BGB und § 376 HGB (Fixhandelskauf): U.a. Entbehrlich-<br />
keit der Fristsetzung (Vorschriften bitte unbedingt nachlesen!).<br />
_ Bei den gem. § 242 BGB der endgültigen Unmöglichkeit<br />
gleichzustellenden Leistungshindernissen ist unter Berücksichti-<br />
gung sämtlicher Umstände und der Belange beider Parteien zu<br />
entscheiden, ob dem Gläubiger ein Abwarten zugemutet werden<br />
kann oder nicht. Bedeutung erlangt diese Unterscheidung v.a.<br />
deshalb, weil sich bei der vorübergehenden Unmöglichkeit die<br />
Abgrenzung zum bloßen Verzug stellt. Davon abhängig ist wie-<br />
derum die richtige Wahl der Anspruchsgrundlage:<br />
- Ist ein Fall der Unmöglichkeit gegeben, kann der Gläubiger<br />
Schadenersatz statt der Leistung nach §§ 280, 283 BGB gel-<br />
tend machen bzw. nach § 326 Abs. 5 BGB den Rücktritt er-<br />
klären, ohne dass dem Schuldner eine Frist zur Leistung ge-<br />
setzt werden müsste.<br />
- Ist das Recht der Unmöglichkeit nicht einschlägig, so ist ein<br />
Fall nicht bzw. nicht vertragsgemäßer Leistung gegeben. Hier<br />
ist dem Schuldner vor dem Verlangen nach Schadenersatz<br />
bzw. der Erklärung des Rücktritts nach § 281 Abs. 1 S. 1<br />
BGB bzw. § 323 Abs. 1 BGB eine angemessene Frist für die<br />
Leistung zu bestimmen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
129<br />
______________________________________________________________<br />
<strong>2.</strong> „Praktische“/„faktische“ Unmöglichkeit<br />
Nach § 275 Abs. 2 BGB kann der Schuldner die Leistung ver-<br />
weigern, sobald diese einen Aufwand erfordert, der unter Beach-<br />
tung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von<br />
Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leis-<br />
tungsinteresse des Gläubigers steht.<br />
Obwohl Abs. 2 im Gegensatz zu Abs. 1 des § 275 BGB als Ein-<br />
rede ausgestaltet ist, ist er ebenso wie Abs. 1 ein Schuldbefrei-<br />
ungsgrund.<br />
§ 275 Abs. 2 BGB ist eine eng auszulegende, nur in Extremfällen<br />
anwendbare Sondernorm (Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 275, RN<br />
27). Bei der Beurteilung des Vorliegens eines groben Missver-<br />
hältnisses sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichti-<br />
gen.<br />
Beispiele: Eine Anwendung von § 275 Abs. 2 BGB kommt in<br />
Betracht, wenn die Wiederherstellung einer beschädigten<br />
Mietsache offensichtlich grob unverhältnismäßige Kosten<br />
verursachen würde (BGH NJW-RR 1991, 204: Muldenkipper,<br />
Miete DM 10.380,00, Reparaturkosten DM 147.000,00; OLG<br />
Karlsruhe NJW-RR 1995, 849: Teilzerstörtes 200 Jahre al-<br />
tes Haus, umfangreiche Reparaturmaßnahmen, die einer<br />
Neuherstellung gleichstehen).<br />
Ein Verschulden des Schuldners kann den ihm zuzumutenden<br />
Aufwand erhöhen.<br />
� Achtung: Persönliche Interessen des Schuldners werden im<br />
Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB nicht berücksichtigt. Der nach<br />
§ 275 Abs. 2 S. 1 BGB maßgebliche Aufwand ist allein am Leis-<br />
tungsinteresse des Gläubigers zu messen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
130<br />
______________________________________________________________<br />
Von § 275 Abs. 2 S. 1 BGB werden die Fälle der sog. „wirtschaft-<br />
lichen“ Unmöglichkeit i.S. einer bloßen Leistungserschwerung für<br />
den Schuldner nicht erfasst. Hierbei kann es sich im Einzelfall<br />
um einen solchen handeln, der nach den Grundsätzen des Weg-<br />
falls der Geschäftsgrundlage zu behandeln ist (s. dazu § 313<br />
BGB).<br />
3. „Moralische“ Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 3 BGB)<br />
Hat der Schuldner Leistungen aufgrund eines Arbeits-, Dienst-<br />
oder Werkvertrages persönlich zu erbringen, übernimmt § 275<br />
Abs. 3 BGB die Funktion von § 275 Abs. 2 BGB. Abgesehen von<br />
den Unterschieden beim Anwendungsbereich gelten die darge-<br />
stellten Grundsätze des Abs. 2 auch für Abs. 3 von § 275 BGB.<br />
Ergibt eine Abwägung des entgegenstehenden Hindernisses mit<br />
dem Leistungsinteresse des Gläubigers, dass die Leistung dem<br />
Schuldner nicht zugemutet werden kann, so wird dieser auf Ein-<br />
rede von seiner Leistungspflicht frei.<br />
Beispiele: Tod oder schwere Erkrankung eines nahen Ange-<br />
hörigen; Behinderung des Weges zur Arbeit durch widrige<br />
Wetterverhältnisse.<br />
� Achtung: § 275 BGB bestimmt in den Absätzen 1-3 lediglich<br />
die Folge der Unmöglichkeit für die Primärpflicht des Schuldners.<br />
Damit fehlt es an einer Aussage, inwieweit der Schuldner Se-<br />
kundärpflichten ausgesetzt ist. Mit den Rechten des Gläubigers<br />
befassen sich die Absätze 1-3 des § 275 BGB nicht. § 275 Abs.<br />
4 BGB enthält lediglich sog. Rechtsgrundverweisungen auf inso-<br />
weit einschlägige Normen, die es noch zu behandeln gilt.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
131<br />
______________________________________________________________<br />
4. Konsequenzen von § 275 Absätze 1-3 BGB für die<br />
Gegenleistung im Rahmen gegenseitiger Verträge<br />
Bei gegenseitigen Verträgen stellt sich neben der Frage nach<br />
dem Schicksal der Leistung die nach den Konsequenzen des<br />
§ 275 BGB für die Gegenleistung. Hierfür ist § 326 BGB maß-<br />
geblich.<br />
• § 326 Abs. 1 S. 1 BGB: Braucht der Schuldner nach § 275<br />
Abs. 1–3 BGB nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die<br />
Gegenleistung. Damit trägt der zu Leistung verpflichtete<br />
Schuldner im Falle der Unmöglichkeit die Preis- bzw. Gegen-<br />
leistungsgefahr bis zur vollständigen Erfüllung. Er wird zwar<br />
selbst von seiner Verpflichtung frei (§ 275 Abs. 1 BGB), erhält<br />
aber auch keine Gegenleistung.<br />
• Ausnahmen zu § 326 Abs. 1 S. 1 BGB: Zu der Regel des<br />
§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB gibt es Ausnahmen, wonach zu einem<br />
früheren Zeitpunkt die Preisgefahr auf den Gläubiger über-<br />
geht. Die wichtigsten Fälle sind:<br />
- § 326 Abs. 2 BGB<br />
- § 446 BGB<br />
- § 447 BGB<br />
- §§ 644, 645 BGB<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
132<br />
______________________________________________________________<br />
IV. Schuldnerverzug<br />
Eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB ist auch dann<br />
gegeben, wenn der Schuldner in den sog. Schuldnerverzug ge-<br />
rät, d.h. der Schuldner bleibt in zeitlicher Hinsicht hinter seinen<br />
Verpflichtungen aus dem Schuldverhältnis zurück.<br />
Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung ist nach § 280<br />
Abs. 2 BGB nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 286<br />
BGB zu leisten.<br />
Prüfungsschema 15: Voraussetzungen des Schuldnerverzu-<br />
ges<br />
1. Wirksamer Anspruch aus Schuldverhältnis<br />
<strong>2.</strong> Nichtleistung<br />
3. Fälligkeit<br />
4. Einredefreiheit<br />
5. Mahnung, wenn nicht<br />
a) Entbehrlichkeit (§ 286 Abs. 2 BGB)<br />
b) Ablauf von 30 Tagen (§ 286 Abs. 3 BGB)<br />
6. Vertretenmüssen<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
133<br />
______________________________________________________________<br />
V. Schlechterfüllung<br />
Ein weiterer Fall der Pflichtverletzung im Schuldverhältnis ist<br />
dann gegeben, wenn der Schuldner seine Leistung „nicht wie<br />
geschuldet“ erbringt. Der Schuldner bleibt hier qualitativ hinter<br />
der von ihm geschuldeten Leistung zurück. Fälle dieser Art nennt<br />
man Schlechterfüllung oder auch Schlechtleistung.<br />
Eine Leistungsstörung i.d.S. ist nur dann anzunehmen, wenn ei-<br />
ne Primärpflicht des Schuldners im Raum steht. „Nicht wie ge-<br />
schuldet“ bedeutet, dass dem Gläubiger ein Anspruch i.S. einer<br />
Primärleistung zugestanden haben muss.<br />
VI. Verletzung nicht leistungsbezogener Nebenpflich-<br />
ten<br />
Neben der Nichtleistung aus Gründen der Unmöglichkeit, des<br />
Schuldnerverzuges und der Schlechterfüllung kommt noch eine<br />
letzte Gruppe von Pflichtverletzungen in Betracht – die Verlet-<br />
zung „sonstiger“ Pflichten aus dem Schuldverhältnis i.S.d. § 241<br />
Abs. 2 BGB.<br />
Bei den „sonstigen Pflichten“ geht es um die Verletzung von<br />
nicht leistungsbezogenen Pflichten, auf deren Erfüllung der<br />
Gläubiger keinen Primäranspruch hat. Gemeint sind mit dieser<br />
Fallgruppe v.a. die Fälle, die man bis zum 31.1<strong>2.</strong>2001 als Fälle<br />
der c.i.c. und pVV begriffen hat.<br />
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1. c.i.c.<br />
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
134<br />
______________________________________________________________<br />
Übersicht: Pflichtverletzungen i.S.d.<br />
Unmög-<br />
lichkeit § 280 Abs. 1 BGB<br />
Pflichtverletzungen (§ 280 Abs. 1 BGB)<br />
Schuldnerverzug <br />
Schlechterfüllung<br />
i.e.S.<br />
Verletzung<br />
„sonstiger“<br />
Pflichten<br />
§ 311 Abs. 2, 3 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB ist als Normierung<br />
des vor der Schuldrechtsreform lediglich gewohnheitsrechtlich<br />
anerkannten Rechtsinstituts der c.i.c. anzusehen.<br />
Nach § 311 Abs. 2 BGB kann ein Schuldverhältnis auch im vor-<br />
vertraglichen Bereich, d.h. vor Vertragsschluss entstehen.<br />
Mit Blick auf § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist zu beachten, dass es in-<br />
soweit nicht darauf ankommt, ob später ein Vertrag tatsächlich<br />
geschlossen wird oder nicht.<br />
Nach § 311 Abs. 3 S. 1 BGB kann ein Schuldverhältnis mit<br />
Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch mit solchen Personen zu-<br />
stande kommen, die selbst nicht Vertragspartei werden sollen.<br />
Damit sind insbesondere die Fälle der Eigenhaftung des Ver-<br />
treters oder sonstiger Verhandlungsgehilfen gemeint. Erfasst ist<br />
mithin auch die sog. Sachwalterhaftung. Bei Sachwaltern han-<br />
delt es sich um solche Personen, die wegen ihrer besonderen<br />
Sachkunde in hohem Maße das persönliche Vertrauen des an-<br />
deren Teils in Anspruch nehmen und diesem erst dadurch die<br />
Gewähr für eine ordnungsgemäße Durchführung insbesondere<br />
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<strong>2.</strong> pVV<br />
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
135<br />
______________________________________________________________<br />
riskanter Geschäfte geben. Es handelt sich in erster Linie um die<br />
Haftung von Sachverständigen oder anderen Auskunftsperso-<br />
nen, die nicht selbst ein Eigeninteresse an dem Abschluss eines<br />
Vertrages haben, dennoch aber durch ihre Äußerungen maßgeb-<br />
lich zum Vertragsschluss beigetragen haben.<br />
� Achtung: § 311 Abs. 3 BGB erfasst nicht den Vertrag mit<br />
Schutzwirkung zu Gunsten Dritter (dazu später).<br />
Mit der Regelung von Schutzpflichten in § 241 Abs. 2 BGB ist<br />
bestimmt, dass sich aus einem Schuldverhältnis für die Beteilig-<br />
ten Sorgfaltspflichten mit Blick auf die Rechte und Rechtsgüter<br />
des anderen Teiles ergeben können. Die Verletzung solcher<br />
Pflichten kann Ansprüche aus § 280 BGB auslösen. Mithin ist die<br />
vor der Schuldrechtsreform lediglich gewohnheitsrechtlich akzep-<br />
tierte pVV gesetzlich verankert.<br />
D. Der Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 284 BGB)<br />
An Stelle von Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläu-<br />
biger nach § 284 BGB Ersatz der Aufwendungen verlangen, die<br />
er im Vertrauen auf den Inhalt der Leistung gemacht hat und bil-<br />
ligerweise machen durfte.<br />
§ 284 BGB ist kein Schadensersatzanspruch, sondern ein Auf-<br />
wendungsersatzanspruch. Allerdings zeigt der Wortlaut („an Stel-<br />
le von Schadenersatz“), dass auch hier die Voraussetzungen<br />
vorliegen müssen, unter denen der Gläubiger Schadensersatz<br />
statt der Leistung verlangen kann. Dies sind entweder §§ 280<br />
Abs. 1, Abs. 3, 281 (= Verzögerung bzw. Schlechtleistung) oder<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
136<br />
______________________________________________________________<br />
§§ 280 Abs. 1, 3; 283 (= Ausschluss der Leistungspflicht nach<br />
§ 275 BGB wegen Unmöglichkeit).<br />
� Achtung: Ersatz vergeblicher Aufwendungen konnte der<br />
Gläubiger eines Schadensersatzanspruches nach bisherigen<br />
Recht nur verlangen, soweit zu seinen Gunsten eine sog. Ren-<br />
tabilitätsvermutung sprach. Danach hatte der Gläubiger, der<br />
einen Vertrag zu anderen als Erwerbszwecken geschlossen hat-<br />
te, keinen Schadensersatzanspruch, wenn seine im Hinblick auf<br />
den Vertrag gemachten Aufwendungen wegen eines Vertrags-<br />
bruches des Schuldners fehlschlugen. Dieses offensichtliche un-<br />
billige Ergebnis hat das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz<br />
durch Einfügung von § 284 BGB korrigiert.<br />
§ 284 BGB ist nach seinem Normzweck (Schließung einer Rege-<br />
lungslücke, s.o.) auf Verträge, die zur erwerbswirtschaftlichen<br />
Zwecken geschlossen worden sind, nicht anwendbar. Insoweit<br />
ist zum Schutz des Gläubigers die Rentabilitätsvermutung aus-<br />
reichend (Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 284, RN 4).<br />
Beispiele: Käufer eines Bildes, das nicht geliefert wird, hat<br />
Bilderrahmen erworben; allgemein Verträge, wenn sie nicht<br />
zur Gewinnerzielung, sondern zu einem ideellen oder kon-<br />
sumtiven Zweck abgeschlossen worden sind (Veranstaltun-<br />
gen von Parteien, Gewerkschaften, Familienfeste, Kauf eines<br />
Einfamilienhauses, Fernsehgerät, Einbauküche).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
137<br />
______________________________________________________________<br />
E. Herausgabe des Ersatzes (§ 285 BGB)<br />
§ 285 BGB gewährt dem Gläubiger gegen den Schuldner einen<br />
Anspruch auf Herausgabe dessen, was Letzterer als Ersatz für<br />
den Umstand erlangt hat, der zur Befreiung des Schuldners von<br />
seiner Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1–3 BGB geführt hat. Ein<br />
Surrogat tritt mithin an die Stelle der primär geschuldeten Leis-<br />
tung.<br />
� Achtung: § 285 BGB ist kein Sekundäranspruch. Der Schuld-<br />
ner bleibt auch dann zur Herausgabe des Ersatzgegenstandes<br />
verpflichtet, wenn er die Unmöglichkeit seiner Leistung nicht zu<br />
vertreten hat!<br />
Beispiele für Erlangung eines Surrogats: Schadenersatzan-<br />
sprüche gegenüber Dritten wegen Zerstörung, Beschädigung<br />
oder Entwendung der geschuldeten Sache; Anspruch gegen-<br />
über einer Versicherungsgesellschaft auf Auszahlung der<br />
Versicherungssumme.<br />
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138<br />
______________________________________________________________<br />
4. <strong>Kapitel</strong>: Dritte im Schuldverhältnis<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
139<br />
______________________________________________________________<br />
4. <strong>Kapitel</strong>: Dritte im Schuldverhältnis<br />
A. Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB)<br />
I. Die Beteiligten an einem Vertrag zu Gunsten Dritter<br />
1. Schuldner: Sog. Versprechender (der Schuldner verspricht et-<br />
was)<br />
<strong>2.</strong> Gläubiger: Sog. Versprechensempfänger (er „empfängt“ das<br />
Versprechen des Schuldners)<br />
3. Dritter: Begünstigter (er ist der „Nutznießer“)<br />
Beispiele: Der von der Krankenkasse abgeschlossene Kran-<br />
kenhausvertrag als Vertrag zu Gunsten des Patienten; die<br />
Beauftragung eines Rechtsanwaltes durch den Haftpflichtver-<br />
sicherer als Vertrag zu Gunsten des Versicherungsnehmers;<br />
Vertrag, den der Arbeitgeber zur Altersversorgung mit Be-<br />
triebs- oder Unterstützungskassen schließt als Vertrag zu<br />
Gunsten des/der Arbeitnehmer(s).<br />
II. Unterscheidung<br />
1. Der echte Vertrag zu Gunsten Dritter<br />
<strong>2.</strong> Der unechte Vertrag zu Gunsten Dritter<br />
Bei einem unechten Vertrag zu Gunsten Dritter existiert kein ei-<br />
gener Anspruch des Dritten gegen den Versprechenden.<br />
Für die Unterscheidung zwischen einem echten und einem un-<br />
echten Vertrag zu Gunsten Dritter ist die Frage maßgeblich, was<br />
Schuldner und Gläubiger ihrer Vereinbarung zugrunde gelegt<br />
haben, vgl. § 328 Abs. 2 BGB.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
140<br />
______________________________________________________________<br />
B. Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte<br />
I. Warum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte?<br />
Neben dem eigentlichen Vertrag zu Gunsten Dritter, der für den<br />
Dritten einen Anspruch auf die vereinbarte Leistung begründet<br />
(s.o.), hat die Rechtsprechung als besondere Art der Drittberech-<br />
tigung den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ausge-<br />
bildet. Zwar steht der Anspruch auf die geschuldete Leistung al-<br />
lein dem Gläubiger zu; es soll jedoch Fälle geben, in denen der<br />
Dritte in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Ob-<br />
hutspflichten einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung ver-<br />
tragliche Schadenersatzansprüche geltend machen kann. Der<br />
Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ist das Ergebnis<br />
ergänzender Vertragsauslegung.<br />
(Lehr-)Beispiel: Großmutter G bestellt Installateur K, um im<br />
Badezimmer den Boiler zu reparieren. K schickt seinen Lehr-<br />
ling L, der die Reparatur durchführen soll. Da der durch K ü-<br />
beraus sorgfältig ausgewählte L heute ausnahmsweise sehr<br />
unsorgfältig arbeitet, kommt es zu einer „kleineren“ Explosion<br />
des Boilers, wodurch die gerade das Badezimmer betretende<br />
Enkelin E der G erheblich verletzt wird. E verlangt von K den<br />
Ersatz von ihr entstandenen Krankenhauskosten.<br />
Wäre in diesem Fall G verletzt worden, so würden sich diesbe-<br />
züglich keine Probleme stellen, denn G könnte wegen Schlecht-<br />
erfüllung des Werkvertrages (§§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1) i.V.m.<br />
§ 278 BGB den ihr entstandenen Schaden ersetzt verlangen.<br />
Für E ist die Situation zunächst eine andere: E ist nicht Vertrags-<br />
partnerin des K und gelangt so nicht unmittelbar in den Genuss<br />
von § 280 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage für den Ersatz<br />
des ihr entstandenen Schadens. Im Übrigen scheitert ein An-<br />
spruch auf Schadenersatz aus § 831 Abs. 1 S. 1 BGB gegen-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
141<br />
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über K an der Regelung in § 831 Abs. 1 S. 2 BGB (sog. Exkulpa-<br />
tion). Es bleibt allein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegenüber<br />
dem (regelmäßig wirtschaftlich schwachen) L.<br />
Die Lösung dieses Problems ergibt sich aus dem (im Gesetz<br />
nicht geregelten) Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung<br />
für Dritte. Damit entsteht ein Anspruch der E gegen K aus § 280<br />
Abs. 1 BGB (hier: i.V.m. § 278 BGB). Dies hat für E zudem den<br />
Vorteil, dass eine dem § 831 Abs. 1 S. 2 BGB vergleichbare Re-<br />
gelung bei § 278 BGB nicht existiert!<br />
(Praxis-)Beispiel: BGH DB 1997, 572 [Haftung eines Steu-<br />
erberaters gegenüber Dritten wegen fälschlicher Bescheini-<br />
gung der Ordnungsgemäßheit der Buchführung bei Erstellung<br />
eines Jahresabschlusses]: Dient ein von einem Steuerberater<br />
erstellter Jahresabschluss, der fälschlich einen Gewinn aus-<br />
weist, einer Bank als Grundlage für eine Kreditentscheidung,<br />
so kann nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen wer-<br />
den, dass der Kredit nicht ausgereicht worden wäre, wenn<br />
der Jahresabschluss den in Wirklichkeit eingetretenen Verlust<br />
deutlich gemacht hätte. Allerdings kann der verklagte Steuer-<br />
berater diesen Anscheinsbeweis erschüttern.<br />
Als Anspruchsgrundlage des Bankinstituts kommt hier erneut<br />
§ 280 Abs. 1 BGB bezogen auf eine Schlechterfüllung des<br />
Dienst- bzw. Geschäftsbesorgungsvertrages i.V.m. den<br />
Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten<br />
Dritter in Betracht.<br />
BGH DB 1998, 515: In die Schutzwirkungen eines Vertrages über die<br />
Erstattung eines Gutachtens durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen<br />
zum Wert eines Grundstücks sind alle diejenigen einbezogen,<br />
denen das Gutachten nach seinem erkennbaren Zweck für Entscheidungen<br />
über Vermögensdispositionen vorgelegt werden soll. Dazu<br />
können Darlehensgeber und Bürgen gehören.<br />
Der BGH führt in den Entscheidungsgründen näher aus: „In die<br />
Schutzwirkungen eines Vertrages über die Erstattung eines Gutachtens<br />
durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen zum Wert ei-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
142<br />
______________________________________________________________<br />
nes Grundstücks sind alle diejenigen einbezogen, denen das Gutachten<br />
nach seinem erkennbaren Zweck für Entscheidungen über Vermögensdispositionen<br />
vorgelegt werden soll. Dazu gehörte im vorliegenden<br />
Fall die Klägerin als potentielle Kreditgeberin der vorgesehenen<br />
Kreditmaßnahme (Umschuldung). Entsprechend dem Zweck des Gutachtens,<br />
dem Dritten gegenüber Vertrauen zu erwecken und Beweiskraft<br />
zu besitzen, steht eine Gegenläufigkeit der Interessen des Auftraggebers<br />
und des Dritten dessen Einbeziehung in den Schutzbereich<br />
des Vertrags nicht entgegen. Das ist in der Rechtsprechung des BGH<br />
insbesondere für den Fall eines Immobilienkaufs anerkannt, gilt in gleicher<br />
Weise aber auch für den hier vorliegenden Fall einer Grundstücksbeleihung.<br />
[...] Das besondere Vertrauen, dass dem Gutachten<br />
eines öffentlich bestellten Sachverständigen im Geschäftsverkehr beigemessen<br />
wird, setzt voraus, dass der Sachverständige das Gutachten<br />
nach bestem Wissen und Gewissen erstellt hat und dafür Dritten<br />
gegenüber einsteht. [...] Auch wenn die Ausgestaltung des Drittschutzes<br />
durch die Vertragsparteien grundsätzlich deren Gestaltungsfreiheit<br />
unterliegt, kann aus der Unkenntnis der Person, die in den Schutzbereich<br />
des Vertrages fallen kann, nicht deren Nichteinbeziehung in den<br />
Schutzbereich abgeleitet werden. Dies gilt insbesondere in den Fällen,<br />
in denen die vertraglich geschuldete Leistung Bedeutung für eine Darlehensgewährung<br />
haben soll; die Rechtsprechung des BGH hat es hier<br />
genügen lassen, wenn erkennbar war, dass die Ausarbeitung für einen<br />
Käufer oder einen Kreditgeber bestimmt war. Daran ist festzuhalten.<br />
Das bedeutet allerdings nicht, dass der Kreis der unter die Schutzpflicht<br />
fallenden Personen uferlos ausgeweitet werden dürfte; es ist<br />
vielmehr erforderlich, dass die Schutzpflicht auf eine überschaubare,<br />
klare abgrenzbare Personengruppe beschränkt wird. Kommen mehrere<br />
Darlehensgeber in Betracht, besteht kein rechtliches Hindernis, sie<br />
alle in den Schutzbereich einzubeziehen. Gleiches gilt grundsätzlich,<br />
wenn es sich um komplexe Darlehens- oder Finanzierungsvorgänge<br />
handelt, bei denen etwa wie hier im Rahmen einer einheitlichen Finanzierungsmaßnahme<br />
ein Teil des Darlehens nur gegen weitere Sicherheiten<br />
gewährt wird. Allerdings muss auch hier der Kreis der geschützten<br />
Dritten überschaubar bleiben. Dies ist bei Einbeziehung des bürgenden<br />
Kreditinstituts, auf dessen Bürgschaft hier ein weiterer (höherer)<br />
Darlehensbetrag gewährt wird, indessen der Fall.“<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
143<br />
______________________________________________________________<br />
II. Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwir-<br />
kung für Dritte<br />
Prüfungsschema 16: Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte<br />
1. Enger und überschaubarer Personenkreis<br />
<strong>2.</strong> Leistungsnähe<br />
3. Verantwortlichkeit des Vertragspartners für den (geschütz-<br />
ten) Dritten<br />
4. Punkte 1.–3. müssen für den Schuldner bei Vertrags-<br />
schluss erkennbar gewesen sein („erkennbar“ heißt nicht,<br />
dass der Schuldner die Voraussetzungen tatsächlich auch<br />
erkannt hat!)<br />
C. Die Abtretung (Zession) nach §§ 398 ff. BGB<br />
I. Die Beteiligten<br />
1. Alter Gläubiger (Zedent)<br />
<strong>2.</strong> Neuer Gläubiger (Zessionar)<br />
3. Schuldner (keinerlei Mitwirkung erforderlich!)<br />
Beispiel: A hat eine Forderung gegen B und will C diese<br />
Forderung abtreten. Auf diese Weise soll C neuer Gläubiger<br />
des B werden. Dies ist unter den Voraussetzungen der<br />
§§ 398 ff. BGB möglich.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
144<br />
______________________________________________________________<br />
II. Voraussetzungen (Prüfungsschema 17)<br />
Prüfungsschema 17: Die Abtretung<br />
(§§ 398 ff. BGB)<br />
1. Wirksamer Vertrag (§§ 145 ff. BGB)<br />
<strong>2.</strong> Bestehen der Forderung<br />
3. Übertragbarkeit der Forderung (fehlende Übertragbarkeit<br />
z.B. nach §§ 399, 400 BGB)<br />
4. Bestimmbarkeit der Forderung<br />
III. Schutz des Dritten<br />
1. § 404 BGB<br />
<strong>2.</strong> § 407 Abs. 1 BGB<br />
BGH DB 1997, 1276 [Zahlung an bisherigen Gläubiger und Schutz<br />
nach § 407 BGB]: Der Schuldner kann sich nach Treu und Glauben<br />
dann nicht auf § 407 BGB berufen, wenn in Folge seiner Organisation<br />
die für ihn zur Erfüllung der abgetretenen Forderung Berechtigten nicht<br />
die Möglichkeiten hatten, eine Abtretungsanzeige zur Kenntnis zu<br />
nehmen.<br />
IV. Sonderproblem der (Sicherungs-)Abtretung: Glo-<br />
balzession/verlängerter Eigentumsvorbehalt<br />
Die praktisch wichtigsten Fälle der Sicherungsabtretung sind die<br />
Fälle der Globalzession, das typische Sicherungsmittel des<br />
Geldkreditgebers, und der verlängerte Eigentumsvorbehalt, das<br />
typische Sicherungsmittel des Warenkreditgebers – s. dazu Kre-<br />
ditsicherungsrecht!<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
145<br />
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5. <strong>Kapitel</strong>: Besonderheiten einzelner<br />
Schuldverhältnisse<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
146<br />
______________________________________________________________<br />
5. <strong>Kapitel</strong>: Besonderheiten einzelner Schuldverhält-<br />
nisse<br />
A. Der Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB)<br />
I. Überblick über das reformierte Recht<br />
1. Sachmangel - Rechtsmangel<br />
Aufgrund des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wird begriff-<br />
lich zwar nach wie vor zwischen einem Sachmangel (§ 434 BGB)<br />
und einem Rechtsmangel (§ 435 BGB) unterschieden. Es lösen<br />
jedoch beide Mängel nach § 437 BGB identische Rechtsfolgen<br />
aus, so dass die Unterscheidung zwischen einem Sach- und ei-<br />
nem Rechtsmangel ihre eigentliche Bedeutung grundsätzlich ver-<br />
loren hat.<br />
<strong>2.</strong> Pflicht des Verkäufers nach § 433 Abs. 1 S. 2 BGB<br />
Nach § 433 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Verkäufer dem Käufer die<br />
Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Solan-<br />
ge dies nicht der Fall ist, hat der Verkäufer den Kaufvertrag nicht<br />
erfüllt. Aus diesem Grunde gibt das Gesetz dem Käufer nach<br />
§ 439 BGB im Falle der Lieferung einer mangelhaften Sache<br />
dem Käufer ein Anspruch auf Nacherfüllung durch Mangelbesei-<br />
tigung oder Nachlieferung.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
147<br />
______________________________________________________________<br />
3. Lieferung einer mangelhaften Sache - Rechtsfolgen<br />
Durch Lieferung einer mangelhaften Sache verletzt der Verkäufer<br />
den Kaufvertrag. Dies führt sowohl beim Rechts- wie auch beim<br />
Sachmangel zur Auslösung der Vorschriften über die Leistungs-<br />
störungen.<br />
a) In erster Linie steht dem Käufer ein Anspruch auf Nacherfüllung<br />
zu, §§ 437 Nr.1, 439 BGB.<br />
b) Nach §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB kann der Käufer vom Kauf-<br />
vertrag zurücktreten.<br />
Der Rücktritt ist ein einseitiges Gestaltungsrecht. Der Käufer<br />
muss dem Verkäufer grundsätzlich eine Nachfrist zur Nacherfül-<br />
lung setzen, bevor er nach § 323 Abs. 1 BGB den Rücktritt erklä-<br />
ren kann. Die Entbehrlichkeit der Fristsetzung ergibt sich nach<br />
§§ 323 Abs. 2, 440 BGB.<br />
c) Der Käufer kann nach §§ 437 Nr. 2, 441 BGB die Kaufsache<br />
mängelbehaftet behalten und sodann den Kaufpreis mindern; wie<br />
schon beim Rücktritt (o. a)) aber grundsätzlich erst nach erfolgter<br />
Nachfristsetzung zur Nacherfüllung.<br />
d) Hat der Verkäufer den Mangel zu vertreten, kann der Käufer<br />
nach § 437 Nr. 3 BGB Schadenersatz statt der Leistung verlan-<br />
gen - nach § 311 a Abs. 2 BGB soweit der Mangel bereits bei<br />
Vertragsschluss vorlag und nicht behebbar ist, im Übrigen nach<br />
§ 281 Abs. 1 BGB. Letzteren Falles muss der Verkäufer den<br />
Mangel i.S.d. § 276 BGB zu vertreten haben.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
148<br />
______________________________________________________________<br />
Rechtsfolgen bei Lieferung einer<br />
mangelhaften Sache<br />
In erster Linie Nacherfüllung: §§ 437 Nr.1, 437 (Grds. Vorrang der<br />
Nacherfüllung!)<br />
Grds. erst nach erfolglosem Begehren auf Nacherfüllung:<br />
Rücktritt vom<br />
Vertrag: §§ 437<br />
Nr. 2, 323 I BGB –<br />
grds. Nachfrist<br />
erforderlich<br />
Minderung des<br />
Kaufpreises: §§ 437<br />
Nr. 2, 441 BGB<br />
Nach § 311 a BGB bei Leistungshindernissen<br />
bei Vertragsschluss<br />
I.Ü. nach §§ 437 Nr. 3, 280, 281,<br />
283 BGB (zu § 281 BGB s. nachfolgend)<br />
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Schadensersatz<br />
statt/neben den<br />
sonstigen Rechten:
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
149<br />
______________________________________________________________<br />
II. Pflichten der Vertragsparteien<br />
1. Pflichten des Verkäufers<br />
a) Die Pflichten des Verkäufers beschreibt § 433 Abs. 1 S. 1 BGB:<br />
• Übergabe der (mangelfreien) Kaufsache und<br />
• Verschaffung des Eigentums an der Kaufsache<br />
� Achtung: Hier geht es allein um Verpflichtungen des Ver-<br />
käufers. Der Eigentumswechsel (= Verfügung!) vollzieht sich als-<br />
dann nach den §§ 929 ff. BGB (Abstraktionsprinzip beachten –<br />
s.o. <strong>2.</strong> <strong>Kapitel</strong>!)<br />
b) Bei einer Gattungsschuld gilt § 243 Abs. 1 BGB: Lieferung einer<br />
Sache mittlerer Art und Güte.<br />
� Achtung: Nach § 243 Abs. 2 BGB wird die Gattungs- zur<br />
Stückschuld (Problem der Konkretisierung).<br />
Exkurs: Die sog. Konkretisierung<br />
Nach § 243 Abs. 2 BGB wird die Gattungsschuld zur Stück-<br />
schuld, wenn der Schuldner das „seinerseits Erforderliche“ getan<br />
hat. Was dies genau ist, hängt von den zwischen Schuldner und<br />
Gläubiger getroffenen Vereinbarungen ab.<br />
Bei einer sog. Bringschuld muss die Sache dem Gläubiger an<br />
seinem Wohnsitz in einer Annahmeverzug begründenden Weise<br />
(§§ 293 ff. BGB) tatsächlich angeboten werden.<br />
Bei einer sog. Schickschuld genügt hingegen die Übergabe an<br />
die Transportperson (beispielsweise im Falle des Versendungs-<br />
kaufs).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
150<br />
______________________________________________________________<br />
Bei einer sog. Holschuld genügt das Ausscheiden aus der Ge-<br />
samtmenge und das wörtliche Angebot zur Leistung.<br />
� Achtung: Haben die Parteien keine Vereinbarung im o.g.<br />
Sinne getroffen, so ist nach § 269 Abs. 1 BGB von einer Hol-<br />
schuld auszugehen!<br />
Wohnsitz<br />
Gläubiger<br />
Wohnsitz<br />
Schuldner<br />
Wohnsitz<br />
Schuldner<br />
Exkurs Ende<br />
Leistungsort =<br />
Ort, an dem der<br />
Schuldner die<br />
Leistungshandlung<br />
vorzunehmen hat<br />
Übersicht:<br />
Bringschuld<br />
Schickschuld<br />
Holschuld<br />
Erfolgsort = Ort,<br />
am dem der Leistungserfolg<br />
eintritt<br />
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Wohnsitz<br />
Gläubiger<br />
Wohnsitz<br />
Gläubiger<br />
Wohnsitz<br />
Schuldner
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
151<br />
______________________________________________________________<br />
<strong>2.</strong> Pflichten des Käufers<br />
Die Verpflichtungen des Käufers ergeben sich aus § 433 Abs. 2<br />
BGB:<br />
• Kaufpreiszahlung (Hauptpflicht); nicht rechtzeitige Zahlung<br />
löst u.U. Verzugsfolgen aus (s.o.)<br />
• Abnahme der Kaufsache (= regelmäßige Nebenpflicht);<br />
nicht rechtzeitige Abnahme kann – u.a. – einen Fall des<br />
Annahmeverzugs begründen (§§ 293 ff. BGB)<br />
III. Der Begriff des Mangels im Kaufrecht<br />
1. § 434 Abs. 1 BGB<br />
Nach § 434 Abs. 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln,<br />
wenn sie bei Gefahrübergang die<br />
vereinbarte Beschaffenheit<br />
hat. Durch das Abstellen auf die „vereinbarte Beschaffenheit“ gilt<br />
nach dem Gesetz in erster Linie der sog. subjektive Fehlerbeg-<br />
riff – die Sache ist dann mit Mängeln behaftet, wenn sie zum<br />
Nachteil des Käufers von dem Zustand abweicht, den die Partei-<br />
en bei Abschluss des Kaufvertrages (ausdrücklich oder konklu-<br />
dent) verabredet haben.<br />
Häufig wird zwischen den Parteien des Kaufvertrages über die<br />
Beschaffenheit der Kaufsache nicht gesprochen. Nach § 434<br />
Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB ist die Sache auch dann mangelhaft,<br />
wenn sie sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte<br />
Verwendung eignet.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
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______________________________________________________________<br />
Die Verwendung muss - zumindest konkludent – vertraglich ver-<br />
einbart worden sein. Die lediglich einseitige Erwartung des Käu-<br />
fers, die Sache in einer bestimmten Art und Weise verwenden zu<br />
können, führt nicht zur Annahme eines Mangels.<br />
Ist weder eine bestimmte Beschaffenheit der Sache verabredet,<br />
noch gibt es eine nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwen-<br />
dung, so entscheidet letztlich,<br />
ob sich die Sache für die gewöhnliche Verwendung eignet<br />
und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der glei-<br />
chen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sa-<br />
§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB.<br />
che erwarten kann,<br />
In diesem Zusammenhang spielt also die „Normalbeschaffen-<br />
heit“ eine Rolle, vgl. § 3 Produkthaftungsgesetz. Die mithin<br />
maßgeblich berechtigten Erwartungen eines durchschnittlichen<br />
Dritten werden dabei u.a. durch den allgemeinen Zustand der<br />
Sache, ihr Alter und wesentlich auch durch den verabredeten<br />
Kaufpreis bestimmt.<br />
Danach gilt im Einzelnen folgendes:<br />
• Jeder Qualitätsmangel ist ein Sachmangel.<br />
Beispiele: Neuwagen wird mit Schäden am Lack ausgelie-<br />
fert; Fahrleistung eines Kraftfahrzeuges übertrifft erheblich<br />
den angezeigten Stand gefahrener Kilometer; Programmab-<br />
lauf einer Software ist gestört; Leistung der Hardware ist<br />
nicht ausreichend für die zugleich veräußerte Software.<br />
• U.U. kann auch der bloße Verdacht, die Kaufsache könne<br />
mangelhaft sein, einen Mangel darstellen, nämlich dann,<br />
wenn bereits der Verdacht den Gebrauch der Sache beein-<br />
trächtigt und der Verdacht durch den Käufer durch Einlei-<br />
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153<br />
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tung zumutbarer Maßnahmen nicht ausgeräumt werden<br />
kann.<br />
Beispiele: Verdacht, Fleisch sei mit Salmonellen befallen<br />
(BGH NJW 1972, 1462, 1463).<br />
• Auch Nutzungsbeschränkungen können sich als Sachman-<br />
gel darstellen<br />
Beispiel: Baugrundstück, das gar nicht oder nur einge-<br />
schränkt bebaut werden kann.<br />
• Im Übrigen führen auch die tatsächlichen, rechtlichen, wirt-<br />
schaftlichen oder sozialen Beziehungen der Sache zu ihrer<br />
Umwelt zur Annahme eines Sachmangels.<br />
Beispiel: Veräußertes Grundstück liegt in der Nähe einer<br />
Kläranlage, von der zu bestimmten Zeiten erhebliche Ge-<br />
ruchsbelästigungen ausgehen.<br />
Nach BGH, Urt. v. 16.7.2003, Az. VIII ZR 243/02 ist ein als Neufahrzeug<br />
verkauftes Kraftfahrzeug nicht mehr als „fabrikneu“ und<br />
damit mangelhaft dann anzusehen, wenn in dem Zeitpunkt, in<br />
dem der Kaufvertrag abgeschlossen worden ist, ein Modellwechsel<br />
stattgefunden hat.<br />
Zu beachten ist im Rahmen des § 434 Abs. 1 BGB schließlich<br />
§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB. Zu der Beschaffenheit nach S. 2 Nr. 2<br />
von § 434 Abs. 1 BGB gehören danach auch Eigenschaften, die<br />
der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers,<br />
des Herstellers oder seines Gehilfen insbesondere in der Wer-<br />
bung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften<br />
der Sache erwarten kann, es sei denn, dass der Verkäufer die<br />
Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, dass sie<br />
im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise be-<br />
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richtigt war oder dass sie die Kaufentscheidung nicht beeinflus-<br />
sen konnte.<br />
<strong>2.</strong> § 434 Abs. 2 BGB<br />
Nach § 434 Abs. 2 BGB sind zwei Fälle des Montagefehler zu<br />
unterscheiden:<br />
• Nach § 434 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Verkäufer die Pflicht<br />
zur Montage der Kaufsache übernommen. Wird diese Mon-<br />
tage durch den Verkäufer oder dessen Erfüllungsgehilfen<br />
unsachgemäß durchgeführt, geht das Gesetz vom Vorlie-<br />
gen eines Sachmangels aus.<br />
• Im Fall von § 434 Abs. 2 S. 2 BGB montiert der Käufer<br />
selbst. Hier ist ein Sachmangel gegeben, wenn die Monta-<br />
geanleitung fehlerhaft ist (sog. „Ikea-Klausel“).<br />
� Achtung: Ist die Montageanleitung fehlerhaft, so kann auch<br />
der Veräußerer bei seinem Vorlieferanten Ansprüche geltend<br />
machen, hier nach §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB (Nacherfüllung<br />
durch Lieferung einer einwandfreien Montageanleitung, gegebe-<br />
nenfalls auch Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB).<br />
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______________________________________________________________<br />
3. § 434 Abs. 3 BGB<br />
§ 434 Abs. 3 BGB erweitert den Fehlerbegriff noch einmal. Ei-<br />
nem Sachmangel steht es danach gleich, wenn der Verkäufer ei-<br />
ne andere oder eine zu geringe Menge liefert.<br />
a) Die Falschlieferung<br />
aa) Grundsätzliches<br />
Die Lieferung einer falschen Sache (sog. aliud) ist begrifflich kein<br />
Sachmangel, sondern ist ihm lediglich gleichgestellt und rechtlich<br />
ebenso zu behandeln (Palandt-Putzo, a.a.O., § 434, RN 52).<br />
Damit soll die im Einzelfall schwierige Abgrenzung zwischen<br />
Sachmangel und Aliud-Lieferung entfallen.<br />
Bei § 434 Abs. 3 BGB kommt es – anders als bei dem aufgeho-<br />
benen § 378 HGB – grundsätzlich nicht darauf an, ob die Abwei-<br />
chung genehmigungsfähig ist, auch nicht beim Handelskauf (Pa-<br />
landt-Putzo, a.a.O., s. aber auch nachfolgend bb)!).<br />
Bei der Falschlieferung ist es von Bedeutung, zwischen dem<br />
Gattungskauf und dem Stückkauf zu unterscheiden.<br />
• Beim Gattungskauf schuldet der Verkäufer lediglich die Lie-<br />
ferung einer Sache, die aus der vereinbarten Gattung stammt<br />
und von mittlerer Art und Güte ist (vgl. § 243 Abs. 1 BGB). Ist<br />
dies nicht der Fall, so kann der Käufer nach §§ 437 Nr. 1, 439<br />
BGB Nacherfüllung verlangen.<br />
• Beim Stückkauf hat der Käufer eine ganz bestimmte Sache<br />
erworben. Der Verkäufer kann hier nur mit dieser Sache erfül-<br />
len. Existiert die Sache und wird an ihrer Stelle eine andere<br />
geliefert, so kann der Käufer Erfüllung durch Lieferung der<br />
vertraglich geschuldeten Sache verlangen. Existiert der Kauf-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
156<br />
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gegenstand hingegen gar nicht, so verletzt der Veräußerer<br />
seine Pflicht aus dem Kaufvertrag. Der Käufer kann hier nach<br />
§§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5, 323 Abs. 1 BGB ohne Nachfristset-<br />
zung zurücktreten und – wenn der Veräußerer den Mangel zu<br />
vertreten hat – nach §§ 437 Nr. 3, 311 a Abs. 2 BGB Scha-<br />
denersatz statt der Leistung verlangen.<br />
bb) Problem: Offensichtliches Abweichen der geliefer-<br />
ten von der bestellten Ware<br />
Beispiel: Lieferung von roten Socken statt Rotwein<br />
Nach derzeit wohl h.M. kann in einem solchen Fall die Abwei-<br />
chung nicht dem Sachmängelrecht unterstellt werden, denn zu-<br />
mindest die verhältnismäßige Minderung des Kaufpreises nach<br />
§ 441 BGB lässt sich hier nicht durchführen. In derartigen Fällen<br />
bleibt der Erfüllungsanspruch hinsichtlich der geschuldeten Sa-<br />
che bestehen und die gelieferte Ware muss nach § 812 Abs. 1 S.<br />
1, 1. Alt. BGB zurückgegeben werden (so Medicus, Bürgerliches<br />
Recht, 19. A. 2002, RN 288).<br />
Gleiches gilt nach h.M. für den Fall, dass der Verkäufer irrtümlich<br />
eine wertvollere Sache als die geschuldete liefert.<br />
Beispiel: Lieferung eines Mercedes S-Klasse statt der geschul-<br />
deten A-Klasse.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
157<br />
______________________________________________________________<br />
b) Die Zuwenig-Lieferung<br />
Hier kann der Käufer im Regelfall lediglich die Lieferung der noch<br />
fehlenden Menge verlangen.<br />
Wird eine zu große Menge geliefert, ist nach § 812 Abs. 1 S. 1,<br />
1. Alt. abzuwickeln (Palandt-Putzo, a.a.O.). Der Verkäufer kann<br />
nicht den Kaufpreis für die zuviel gelieferte Ware verlangen, auch<br />
wenn der Käufer das zuviel Gelieferte behält und den Verkäufer<br />
nicht auf die Mehrlieferung aufmerksam macht (Palandt-Putzo,<br />
a.a.O.).<br />
� Achtung: Durch die Erweiterung des Mangelbegriffes im BGB<br />
durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist eine für das<br />
Handelsgesetzbuch bedeutsame Änderung eingetreten - § 378<br />
HGB a.F. wurde aufgehoben. § 378 HGB a.F. enthielt die Erwei-<br />
terung der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit auf Falschlie-<br />
ferung, Zuviel- und Zuwenig-Lieferung.<br />
4. § 435 BGB<br />
§ 435 BGB erfasst den Rechtsmangel. Er ist dem Sachmangel<br />
im Ergebnis gleichgestellt.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
158<br />
______________________________________________________________<br />
IV. Die Rechte des Käufers bei Lieferung einer mangel-<br />
haften Kaufsache (Zusammenfassung)<br />
1. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB (Recht auf Nacherfüllung)<br />
<strong>2.</strong> §§ 437 Nr. 2, 323/326 Abs. 5 BGB (Rücktritt)<br />
3. §§ 437 Nr. 2, 441 BGB (Minderung)<br />
4. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281, 283, 311 a Abs. 2 BGB<br />
(Schadensersatz)<br />
V. Der Verbrauchsgüterkauf (§§ 474-479 BGB)<br />
1. Einführung<br />
§§ 474 ff. BGB befassen sich mit dem Verbrauchsgüterkauf.<br />
Darunter versteht das Gesetz den Fall, dass ein Verbraucher von<br />
einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft, § 474 Abs. 1<br />
S. 1 BGB (Legaldefinition). Ausgenommen sind gebrauchte Sa-<br />
chen, die in einer öffentlichen Versteigerung verkauft werden, an<br />
der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann, § 474 Abs. 1 S.<br />
2 BGB.<br />
� Achtung: Auch im Anwendungsbereich der §§ 474 ff. BGB<br />
(Verbrauchsgüterkauf) finden die §§ 433 ff. BGB grundsätzlich<br />
Anwendung (Ausnahmen: § 474 Abs. 2 BGB!). Insoweit ergän-<br />
zen die Bestimmungen 474 ff. BGB das „allgemeine“ Kaufrecht.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
159<br />
______________________________________________________________<br />
a) Verkäufer = Unternehmer i.S.d. § 14 BGB<br />
Nach § 474 Abs. 1 S. 1 BGB muss für den Verbrauchsgüterkauf<br />
in persönlicher Hinsicht der Verkäufer Unternehmer sein. Wer<br />
Unternehmer ist, definiert § 14 BGB. Danach ist Unternehmer<br />
eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige<br />
Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts<br />
in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen<br />
Tätigkeit handelt, § 14 Abs. 1 BGB. Eine rechtsfähige Personen-<br />
gesellschaft wiederum ist eine Personengesellschaft, die mit der<br />
Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlich-<br />
keiten einzugehen, § 14 Abs. 2 BGB.<br />
Die Terminologie entspricht dem Unternehmensbegriff des HGB.<br />
Allerdings ist „Unternehmer“ nach Maßgabe des Werkvertrags-<br />
rechts (§§ 631 ff. BGB) der Hersteller, d.h. der Auftragnehmer,<br />
der i.S.d. §§ 13 f. BGB auch Verbraucher sein kann (Palandt-<br />
Heinrichs, a.a.O., § 14, RN 1). Mithin erfasst der Unternehmer-<br />
begriff des § 14 Abs. 1 BGB mit Blick auf natürliche Personen<br />
• Kaufleute (unabhängig von ihrer Handelsregistereintragung)<br />
• Sonstige nicht kaufmännische (Klein-)Gewerbetreibende so-<br />
wie<br />
• Angehörige der freien Berufe und Landwirte.<br />
Folgt man dem Rechtsgedanken des § 344 HGB, gelten Rechts-<br />
geschäfte eines Unternehmers als unternehmerisch getätigt.<br />
Der Unternehmerbegriff umfasst auch eine nebenberufliche un-<br />
ternehmerische Betätigung sowie Hilfs- und Nebengeschäfte,<br />
ungewöhnliche Verträge und vorbereitende bzw. abwickelnde<br />
Geschäfte (Palandt-Heinrichs, a.a.O., RN 2).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
160<br />
______________________________________________________________<br />
b) Käufer = Verbraucher i.S.d. § 13 BGB<br />
Nach § 474 Abs. 1 S. 1 BGB muss der Käufer Verbraucher i.S.d.<br />
§ 13 BGB sein, mithin eine natürliche Person, die ein Rechtsge-<br />
schäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen<br />
noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet wer-<br />
den kann. Auch hier sind die Zweifelsfälle problematisch.<br />
Schwierig kann eine Abgrenzung vor allem bei Vertragsab-<br />
schlüssen von Kaufleuten oder Freiberuflern hinsichtlich solcher<br />
Gegenstände sein, die – wie beispielsweise Kraftfahrzeuge –<br />
sowohl beruflich als auch privat genutzt werden sollen (sog. dual<br />
use). Abzustellen ist hier auf die beabsichtigte überwiegende<br />
Nutzung. Ist diese privater Natur, sollen die verbraucherschutz-<br />
rechtlichen Vorschriften zur Anwendung gelangen. Eine im juris-<br />
tischen Schrifttum verbreitete Auffassung spricht sich dafür aus,<br />
in Zweifelsfällen (d.h. wenn nicht zweifelsfrei eine überwiegend<br />
private oder gewerbliche bzw. freiberufliche Nutzung des Ver-<br />
tragsgegenstandes feststellbar ist) im Interesse eines wirksamen<br />
Verbraucherschutzes den Kunden immer als „Verbraucher“ zu<br />
behandeln (umstr.).<br />
Der Arbeitnehmer ist auch Verbraucher, wenn er etwa Arbeits-<br />
kleidung oder einen Pkw für die Fahrt zur Arbeit erwirbt. Keine<br />
Verbraucherverträge sind dagegen Arbeitsverträge und die zur<br />
Änderung oder Aufhebung eines Arbeitsvertrages geschlossenen<br />
Verträge (Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 13, RN 3 m.w.N., str.); ar-<br />
gumentiert wird u.a. mit Hinweis darauf, dass es sich bei einem<br />
Arbeitsvertrag usw. nicht um einen Vertriebsvertrag handelt.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
161<br />
______________________________________________________________<br />
c) Keine Anwendung der §§ 474 ff. BGB<br />
Aus dem zuvor gesagten ergibt sich, dass §§ 474 ff. BGB nicht<br />
gelten, wenn ein<br />
• Unternehmer an einen anderen Unternehmer veräußert<br />
• Verbraucher an einen anderen Verbraucher veräußert<br />
• Verbraucher an einen Unternehmer verkauft.<br />
d) Verkauf beweglicher Sachen<br />
Die Sonderbestimmungen der §§ 474 ff. BGB gelten nur für den<br />
Kauf beweglicher Sachen. Damit finden die Regeln keine An-<br />
wendung auf den Grundstückskaufvertrag, aber auch nicht auf<br />
die Veräußerung von Strom, Wasser, Gas, sofern diese nicht in<br />
begrenztem Volumen oder in einer bestimmten Menge verkauft<br />
werden.<br />
<strong>2.</strong> Der Schutz des Verbrauchers im Detail<br />
a) § 474 Abs. 2 BGB<br />
Nach § 474 Abs. 2 BGB findet die Gefahrtragungsregel des<br />
§ 447 BGB (Versendungskauf) keine Anwendung, so dass die<br />
Preisgefahr nach § 446 BGB erst dann auf den Käufer übergeht,<br />
wenn ihm die Sache auch übergeben worden ist. Damit spielt es<br />
zukünftig keine Rolle mehr,<br />
• ob der Verkäufer den Transport durch eigenes Personal oder<br />
durch Dritte vornehmen lässt,<br />
• ob die Beschädigung des Transportgutes auf dem Transport<br />
erfolgte oder die Sache bereits vor dem Verladen mangelhaft<br />
gewesen ist; schließlich ist es auch unerheblich,<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
162<br />
______________________________________________________________<br />
• ob die Beschädigung während des Transportes durch<br />
schuldhaftes Verhalten der zum Transport bestimmten Person<br />
eingetreten ist.<br />
� Merke: Der Käufer einer Ware muss im Rahmen des<br />
Verbrauchsgüterkaufes die Ware nur dann bezahlen, wenn<br />
sie ihm in einem mangelfreien Zustand übergeben wird.<br />
b) § 475 BGB<br />
aa) § 475 Abs. 1 BGB erklärt zahlreiche Bestimmungen der §§ 433<br />
ff. BGB als vertragsfest, d.h. es kann im Rahmen des<br />
Verbrauchsgüterkaufes vor Mitteilung eines Mangels an den Un-<br />
ternehmer eine Vereinbarung, die die gesetzlichen Regelungen<br />
zum Nachteil des Verbrauchers abändert, nicht getroffen werden.<br />
Eine Ausnahme macht § 475 Abs. 3 BGB für den Schadenser-<br />
satzanspruch. Hier gilt es jedoch die §§ 307-309 BGB zu beach-<br />
ten. Nach § 309 Nr. 7 a) BGB ist in allgemeinen Geschäftsbe-<br />
dingungen ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für<br />
Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der<br />
Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Ver-<br />
wenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverlet-<br />
zung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des<br />
Verwenders beruhen, unwirksam!<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
163<br />
______________________________________________________________<br />
bb) Nach § 475 Abs. 2 BGB kann die Verjährung der in § 437 BGB<br />
bezeichneten Ansprüche vor Mitteilung eines Mangels an den<br />
Unternehmer nicht durch Rechtsgeschäft erleichtert werden,<br />
wenn die Vereinbarung zu einer Verjährungsfrist ab dem gesetz-<br />
lichen Verjährungsbeginn von<br />
bei gebrauchten Sachen von<br />
führt.<br />
weniger als zwei Jahren,<br />
weniger als einem Jahr<br />
� Achtung: Vorstehendes bedeutet, dass ein Unternehmer bei<br />
Veräußerung gebrauchter Waren stets eine Gewährleistungsfrist<br />
von einem Jahr einzuräumen hat. Schon dies setzt aber voraus,<br />
dass es eine Abrede gibt, die die reguläre Frist (2 Jahre) auf ein<br />
Jahr verkürzt!<br />
c) § 476 BGB<br />
Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein<br />
Sachmangel, so wird nach § 476 BGB vermutet, dass die Sache<br />
bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese<br />
Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unverein-<br />
bar.<br />
§ 476 BGB stellt eine gesetzliche Vermutung dahingehend auf,<br />
dass ein Sachmangel, der sich innerhalb von sechs Monaten seit<br />
Gefahrübergang zeigt, auch schon zum maßgebenden Zeitpunkt<br />
des § 433 Abs. 1 S. 2 BGB vorlag. In Folge der gesetzlichen<br />
Vermutung muss der Unternehmer beweisen, dass die Sache<br />
(entgegen der Regel des § 363 BGB) bei Gefahrübergang den<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
164<br />
______________________________________________________________<br />
Sachmangel, der sich danach gezeigt hat, noch nicht aufgewie-<br />
sen hatte. Ein solcher Fall kann insbesondere dann vorliegen,<br />
wenn der Sachmangel durch unsachgemäßen Gebrauch des<br />
Käufers oder derjenigen Person entstanden ist, denen der<br />
Verbraucher die Sache überlassen hat, aber auch durch ein zu-<br />
fälliges Ereignis, das sich auf die Sache ausgewirkt hat (Palandt-<br />
Putzo, a.a.O., § 476, RN 8).<br />
Zu beachten ist, dass das Gesetz dann eine Ausnahme der Be-<br />
weislastumkehr annimmt, wenn die Vermutung mit der Art der<br />
Sache oder des Mangels unvereinbar ist (so beispielsweise bei<br />
gebrauchten Sachen, bei denen die von vornherein anzuneh-<br />
mende unterschiedliche Abnutzung zu berücksichtigen ist, insbe-<br />
sondere bei Kraftfahrzeugen).<br />
d) § 477 BGB<br />
§ 477 BGB enthält Sonderbestimmungen für Garantien. Interes-<br />
sant ist vor allem, welche Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen<br />
die Vorgaben von § 477 Abs. 1 BGB eintreten sollen.<br />
§ 477 Abs. 3 BGB stellt klar, dass Verstöße gegen die Vorgaben<br />
die Wirksamkeit der Garantieverpflichtung unberührt lässt. Im<br />
Übrigen ist die Bestimmung des § 477 BGB für die Auslegung<br />
von Garantieerklärungen von Bedeutung. Es kommt bei Zweifeln<br />
zu einer verbraucherfreundlichen Auslegung, vgl. auch § 305<br />
c Abs. 2 BGB. Im Übrigen kann ein Verstoß gegen § 477 BGB<br />
wettbewerbsrechtlich von Bedeutung werden.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
165<br />
______________________________________________________________<br />
3. Sonderfall: Der Rückgriff des Unternehmers<br />
(§§ 478, 479 BGB)<br />
§§ 478 und 479 BGB sollen sicherstellen, dass der Verbraucher-<br />
schutz nicht zu Lasten des Einzelhandels ausgeht. Selbstver-<br />
ständlich hat auch der Einzelhändler Ansprüche auf Gewährleis-<br />
tung aus § 437 BGB, doch wird dies durch §§ 478, 479 BGB er-<br />
gänzt.<br />
a) § 478 Abs. 1 BGB<br />
Wenn der Unternehmer die verkaufte neu hergestellte Sache als<br />
Folge ihrer Mangelhaftigkeit zurücknehmen musste oder der<br />
Verbraucher den Kaufpreis gemindert hat, bedarf es für die in<br />
§ 437 BGB bezeichneten Rechte des Unternehmers gegen den<br />
Unternehmer, der ihm die Sache verkauft hat (Lieferant), wegen<br />
des vom Verbraucher geltend gemachten Mangels einer sonst<br />
erforderlichen Fristsetzung nicht.<br />
� Achtung: § 478 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Einzel-<br />
händler die Kaufsache gerade wegen des Mangels zurückneh-<br />
men musste. Die Bestimmung erfasst nicht die Fälle der Kulanz.<br />
b) § 478 Abs. 3 BGB<br />
Nach § 478 Abs. 3 BGB kommt die Beweislastregel des § 476<br />
BGB auch dem Einzelhändler im Verhältnis zu seinem Lieferan-<br />
ten zugute. Im Übrigen wird der Fristbeginn erst mit dem Über-<br />
gang der Gefahr auf den Verbraucher bestimmt.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
166<br />
______________________________________________________________<br />
c) Aufwendungsersatzanspruch nach § 478 Abs. 2<br />
BGB<br />
Nach § 478 Abs. 2 BGB kann der Unternehmer von seinem Lie-<br />
feranten Ersatz verlangen, wenn er einem Verbraucher die neu<br />
hergestellte Sache verkauft hat und diesem ersatzpflichtig ge-<br />
worden ist, weil die Sache einen Sachmangel aufwies, der schon<br />
beim Gefahrübergang vom Lieferanten auf den Letztverkäufer<br />
vorhanden war.<br />
Prüfungsschema 18: Voraussetzungen § 478 Abs. 2 BGB<br />
1. Verkauf einer neu hergestellten, nicht gebrauchten Sache<br />
<strong>2.</strong> Verkauf durch Unternehmer (= Letztverkäufer)<br />
3. Verkauf an Verbraucher<br />
4. Aufwendungen, die der Verkäufer aus § 439 Abs. 2 BGB<br />
zum Zweck der Nacherfüllung wegen eines Sachmangels<br />
erbracht hat<br />
5. Vorhandensein eines Mangels, der die Aufwendungen<br />
verursacht hat<br />
6. Vorhandensein des Mangels zum Zeitpunkt des Gefahr-<br />
übergangs vom Lieferanten auf den Unternehmer, der an<br />
dem Verbraucher verkauft hat.<br />
Zu beachten ist, dass der Aufwendungsersatzanspruch nach<br />
§ 478 Abs. 2 BGB nach § 479 Abs. 1 BGB innerhalb von zwei<br />
Jahren ab der Ablieferung der Sache an den jeweiligen Käufer<br />
innerhalb der Lieferkette verjährt. Dadurch verjährt der Aufwen-<br />
dungsersatzanspruch des Unternehmers ebenso wie seine Män-<br />
gelansprüche des § 437 BGB. Problematisch wird es, wenn man<br />
bedenkt, dass es damit viele Fälle geben wird, in denen die Ab-<br />
lieferung an den jeweiligen Händler innerhalb der Lieferkette viel<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
167<br />
______________________________________________________________<br />
früher erfolgt als die Ablieferung an den Endverbraucher. Daher<br />
sieht § 479 Abs. 2 BGB eine Ablaufhemmung vor.<br />
� Achtung: Die Verjährung der in den §§ 437, 478 Abs. 2 BGB<br />
genannten Ansprüche tritt im Verhältnis Letztverkäufer - Lieferant<br />
frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem der Un-<br />
ternehmer die Ansprüche des Verbrauchers erfüllt hat, § 479<br />
Abs. 2 BGB.<br />
d) § 478 Abs. 5 BGB<br />
§ 478 Abs. 5 BGB dehnt die Regressansprüche des Lieferanten<br />
nach den erwähnten Grundsätzen auf die übrigen Verträge in der<br />
Lieferkette aus. Dadurch soll erreicht werden, dass die durch die<br />
Mangelhaftigkeit der Ware verursachten Nachteile letztlich von<br />
demjenigen zu tragen sind, in dessen Verantwortungsbereich sie<br />
entstanden sind.<br />
e) § 377 HGB<br />
Die Kaufverträge innerhalb der Lieferkette sind in der Regel<br />
Handelsgeschäfte, so dass § 377 HGB gilt. § 478 Abs. 6 BGB<br />
stellt klar, dass die Bestimmung des § 377 HGB unberührt bleibt.<br />
� Merke: Rügt der Käufer in der Lieferkette nicht unverzüglich<br />
nach Maßgabe des § 377 HGB, so gilt die Ware in Ansehung<br />
des Mangels als genehmigt (§ 377 Abs. 2 HGB).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
168<br />
______________________________________________________________<br />
VI. Verjährung von Mängelansprüchen (§ 438 BGB)<br />
1. Bisherige Rechtslage<br />
Nach der bisherigen Rechtslage kam es wegen der kurzen Ver-<br />
jährungsfrist von i.d.R. lediglich sechs Monaten nach § 477 BGB<br />
a.F. teilweise zu unbefriedigenden Ergebnissen, wenn sich der<br />
Fehler erst nach Ablauf der Verjährungsfrist zeigte. Die Recht-<br />
sprechung versuchte Abhilfe in Form von Hilfskonstruktionen zu<br />
schaffen, die allesamt darauf hinaus liefen, den Anwendungsbe-<br />
reich der §§ 195 ff. BGB a.F., insbesondere die 30-jährige Ver-<br />
jährung nach § 195 BGB a.F. zu eröffnen.<br />
<strong>2.</strong> Aktuelle Rechtslage<br />
a) Gleichsetzung von Sach- und Rechtsmangel<br />
Die Verjährung der kaufvertraglichen Mängelansprüche richtet<br />
sich nach § 438 BGB. Es wird nicht mehr unterscheiden zwi-<br />
schen Sach- und Rechtsmängeln.<br />
b) Einheitliche Systematik der Verjährung auch für<br />
Gestaltungsrechte<br />
Rechtsdogmatisch ist zukünftig zu unterscheiden zwischen den<br />
in § 437 Nr. 1 und 3 BGB geregelten Ansprüchen (Nachlieferung<br />
und Schadensersatz) und den in § 437 Nr. 2 BGB bestimmten<br />
Gestaltungsrechten (Rücktritt und Minderung).<br />
Nach § 194 BGB können nur Ansprüche verjähren, Gestaltungs-<br />
rechte hingegen nicht. Um gleichwohl eine einheitliche Systema-<br />
tik der Verjährung zu erreichen, wurde in § 438 Abs. 4 BGB<br />
(Rücktritt) und in § 438 Abs. 5 BGB (Minderung) bestimmt, dass<br />
§ 218 Abs. 1 BGB für den Rücktritt bzw. die Minderung gilt. Da-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
169<br />
______________________________________________________________<br />
nach ist die Ausübung des Gestaltungsrechts nur solange mög-<br />
lich, wie der Anspruch auf Nacherfüllung (§§ 437 Nr. 1, 439<br />
BGB) nicht verjährt ist, also genau zwei Jahre lang.<br />
c) Grundsatz: 2 Jahre Verjährungsfrist<br />
Grundsätzlich verjähren die kaufrechtlichen Mängelansprüche<br />
nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB in zwei Jahren. Der Verjährungs-<br />
beginn ist in § 438 Abs. 2 BGB festgelegt und entspricht der bis-<br />
herigen Rechtslage. Danach ist bei Grundstücken die Übergabe,<br />
im Übrigen die Ablieferung maßgeblich.<br />
d) 5-jährige Verjährungsfrist<br />
§ 438 Abs. 1 Nr. 2 a) BGB legt die Verjährungsfrist auf 5 Jahre<br />
fest, wenn ein Bauwerk verkauft wird. Damit wird die bisherige<br />
Rechtsprechung Gesetz, die immer dann die Vorschriften des<br />
§ 638 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. (= frühere Verjährung beim Werkver-<br />
trag) heranzog, wenn eine Pflicht des Verkäufers zur mangelfrei-<br />
en Herstellung eines Bauwerks bestand.<br />
� Achtung: Durch die vorstehende Regelung ist im Zusammen-<br />
hang mit dem Erwerb eines Bauwerkes die Unterscheidung zwi-<br />
schen Kauf- und Werkvertragsrecht letztlich hinfällig geworden.<br />
Neu ist § 438 Abs. 1 Nr. 2 b) BGB, der einen Gleichlauf der Ver-<br />
jährungsfristen im Verhältnis Werkbesteller zu Bauunternehmer<br />
und Bauunternehmer zu Baustofflieferant herstellt. Auch der<br />
Baustofflieferant soll fünf Jahre lang im Verhältnis zum Bauun-<br />
ternehmer für Mängel des Werkes haften, die auf die mangelhaf-<br />
te Lieferung des Baustoffhändlers zurückzuführen sind.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
170<br />
______________________________________________________________<br />
� Achtung: Bislang haftete der Lieferant dem weiterverarbei-<br />
tenden Unternehmer nur sechs Monate, während der Unterneh-<br />
mer im Verhältnis zum Werkbesteller der 5-jährigen Verjährungs-<br />
frist des § 638 Abs. 1 S. 1 BGB (a.F.) unterlag.<br />
e) 30-jährige Verjährungsfrist<br />
In besonderen Fällen verjähren die Ansprüche nach § 438 Abs. 1<br />
Nr. 1 BGB erst in 30 Jahren.<br />
f) Fall der Arglist<br />
Handelte der Verkäufer mit Arglist, so greift über § 438 Abs. 3<br />
BGB die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB (3 Jahre)<br />
ein. Diese beginnt allerdings nur unter den Voraussetzungen des<br />
§ 199 Abs. 1 BGB (Kenntnis von Schuldner und anspruchsbe-<br />
gründenden Umständen!). Die 5-Jahresfrist bei Bauwerksmän-<br />
geln gem. § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB wird durch die Ablaufhem-<br />
mung des § 438 Abs. 3 S. 2 BGB in jedem Falle sichergestellt.<br />
g) Hemmung und Neubeginn der Verjährung<br />
Für die Hemmung und den Neubeginn der Verjährung gelten<br />
§§ 203 ff. BGB. Untersucht der Verkäufer auf das Nachbesse-<br />
rungsverlangen des Käufers die Sache und stellt keine Mängel<br />
fest, so dürfte auf § 203 Abs. 1 BGB („Verhandlung“) abzustellen<br />
sein.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
171<br />
______________________________________________________________<br />
VII. Exkurs Handelsrecht: Die Untersuchungs- und Rü-<br />
geobliegenheit (§ 377 HGB)<br />
1. Allgemeines<br />
§ 377 HGB schützt den Verkäufer vor der Inanspruchnahme<br />
durch den Käufer wegen der nach längerer Zeit nur schwer fest-<br />
stellbaren Mängel und wegen der Einfachheit und Schnelligkeit<br />
im Handelsverkehr (BGHZ 110, 138).<br />
Die Vorschrift gilt beim zweiseitigen Handelskauf (§§ 343, 344<br />
HGB), auch von Hardware mit nicht speziell für den Käufer her-<br />
gestellter Software (BGH, a.a.O., S. 130), über § 381 HGB u.a.<br />
auch für Verträge, die die Lieferung herzustellender oder zu er-<br />
zeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand haben.<br />
Prüfungsschema 19: Voraussetzungen der Rügeobliegen-<br />
heit (§ 377 HGB)<br />
1. Beidseitiger Handelskauf (§§ 343, 344 HGB)<br />
<strong>2.</strong> Kein Ausschluss von § 377 HGB<br />
a) Ausschluss durch Parteivereinbarung<br />
b) § 377 Abs. 5 HGB<br />
3. Ablieferung der Ware (u.U. auch Ablieferung an Dritte)<br />
4. Mangel der Ware (§ 434 BGB)<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
172<br />
______________________________________________________________<br />
<strong>2.</strong> Einzelheiten zur Rügeobliegenheit<br />
a) Begriff „Obliegenheit“<br />
Bei der Rüge handelt es sich nicht um eine Rechtspflicht, son-<br />
dern um eine Obliegenheit, d.h. der Käufer verliert Rechte,<br />
wenn er sich nicht an die Vorgaben der Bestimmung des § 377<br />
HGB hält, § 377 Abs. 2 HGB.<br />
b) Begriff „Rüge“<br />
Die Rüge ist eine formlose Anzeige, die die Mängel einzeln auf-<br />
führen muss (empfangsbedürftige Erklärung).<br />
BGH NJW 1996, 2228: Zu der Anzeige des Käufers gemäß § 377 Abs.<br />
1 HGB wegen eines Mangels der Ware gehört nicht, dass der Käufer<br />
auch mitteilt, welche Rechte er wegen des Mangels geltend machen<br />
will.<br />
c) Begriff „unverzüglich“<br />
Soweit es die Frist hinsichtlich der notwendigen Untersuchung<br />
betrifft, spricht das Gesetz von „unverzüglich“. Unverzüglich ist<br />
definiert in § 121 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Definition gilt auch für<br />
das HGB. Allerdings sind § 377 Abs. 2 und 3 HGB zu beachten.<br />
Die Frist beginnt mit der Ablieferung.<br />
OLG Köln, NJW-RR 1999, 565: Unter Ablieferung ist nicht erst die Ankunft<br />
der Ware am endgültigen Bestimmungsort zu verstehen, sondern<br />
schon derjenige Vorgang, durch den der Käufer in Erfüllung des Vertrages<br />
die Möglichkeit erlangt, sich durch einseitigen Akt sofort den<br />
Gewahrsam der Ware zu verschaffen, diese zu untersuchen und darüber<br />
tatsächlich zu verfügen. Zu den offenen Mängeln gehören auch<br />
diejenigen, die der Käufer bei einer nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang<br />
tunlichen Überprüfung alsbald nach der Ablieferung erkennen<br />
kann. Bei gleichartigen Massengütern genügt der Käufer seiner<br />
Untersuchungsobliegenheit durch Entnahme von repräsentativen,<br />
d.h. sinnvoll auf die Gesamtmenge verteilten Stichproben.<br />
BGH DB 2000, 567: Auch beim Kauf von Standard-Software ist die<br />
Kaufsache mangels anderweitiger Vereinbarung dann „abgeliefert“,<br />
wenn sie vom Verkäufer in Erfüllungsabsicht derart in den Machbe-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
173<br />
______________________________________________________________<br />
reich des Käufers gebracht wird, dass dieser sie auf das Vorhandensein<br />
von Mängeln untersuchen kann. Haben die Parteien eines beiderseitigen<br />
Handelskaufs vereinbart, dass die fehlerhafte Ware vom Verkäufer<br />
nachgebessert werden soll, so hat der Käufer nach Beendigung<br />
der Nachbesserungsarbeiten zur Erhaltung seiner Rechte die Kaufsache<br />
unverzüglich erneut zu untersuchen und verbliebene oder neue<br />
Mängel wiederum unverzüglich zu rügen.<br />
BGH NJW 1996, 1537 [Schuhleder]: Der Käufer, der in langjähriger<br />
Geschäftsbeziehung vom Verkäufer regelmäßig gleichartige, mangelfreie<br />
Ware bezieht, darf darauf vertrauen, dass der Verkäufer ihn auf<br />
Änderungen der Beschaffenheit der Ware hinweist. Das Unterlassen<br />
eines solchen Hinweises kann zu einem Schadensersatzanspruch des<br />
Käufers aus positiver Vertragsverletzung führen, wenn die Ware in<br />
Folge der geänderten Beschaffenheit einen Mangel aufweist. Es gilt<br />
§ 377 Abs. 3 HGB entsprechend.<br />
� Merke: Die Rüge soll den Verkäufer über Mängel informieren,<br />
nicht über die Geltendmachung von Rechten durch den Käufer.<br />
Ratio der gesetzlichen Regelung ist es nämlich im wesentlichen,<br />
den Verkäufer vor einer durch zunehmenden Zeitablauf größer<br />
werdenden Beweisnot zu schützen, vgl. o.<br />
Für die Frist bezüglich der Rüge gilt gleichfalls das Gebot der<br />
Unverzüglichkeit, s.o.<br />
BGH, Urt. v. 17.09.2002, Az. X ZR 248/00 [Zur Untersuchungs- und<br />
Rügeobliegenheit nach § 377 HGB]: Der BGH befasst sich mit einer<br />
Vielzahl von Fragen im Zusammenhang mit den Obliegenheiten nach<br />
§ 377 HGB. Die wesentlichen Aussagen des Gerichts lauten wie folgt:<br />
- Die Obliegenheit des Erwerbers aus § 377 Abs. 1 HGB bemisst sich<br />
danach, was unter Berücksichtigung aller Umständen nach ordnungsgemäßem<br />
Geschäftsgang tunlich ist.<br />
- Ein bestehender Handelsbrauch kann die Art und den Umfang der<br />
Rügepflicht beeinflussen; ein bestehender Handelsbrauch kann aber<br />
nicht von jeder Untersuchungspflicht entbinden; gäbe es einen solchen,<br />
so wäre dies ein unbeachtlicher Missbrauch.<br />
- Ist eine sachliche gebotene und zumutbare Art der Untersuchung<br />
nicht branchenüblich, so verdient eine solche Übung keinen rechtlichen<br />
Schutz<br />
- Allgemein ist die nach § 377 Abs. 1 HGB vorzunehmende Untersuchung<br />
auf solche Mängel auszurichten, die bei einer mit verkehrsüblicher<br />
Sorgfalt durchgeführten Überprüfung der Ware sichtbar werden;<br />
dabei sind die Anforderungen durch eine Interessenabwägung zu ermitteln.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
174<br />
______________________________________________________________<br />
- Ob im Einzelfall verschärfte Untersuchungsanforderungen zum Tragen<br />
kommen, hängt von der Natur der Ware, von den Branchengepflogenheiten<br />
sowie vor allem von dem Gewicht der zu erwartenden Mangelfolgen<br />
und von etwaigen Auffälligkeiten der gelieferten Ware oder<br />
früheren, nach wie vor als Verdacht fortwirkenden Mangelfällen ab.<br />
Dem Käufer aus früheren Lieferungen bekannte Schwachstellen der<br />
Ware müssen eher geprüft werden als das Vorliegen von Eigenschaften,<br />
die bislang nie gefehlt haben.<br />
- Die Zusicherung einer Eigenschaft schließt die Anwendung von § 377<br />
HGB nicht aus. Hat der Käufer Anlass und durch zumutbare Maßnahmen<br />
Gelegenheit, die Einhaltung der Qualitätszusagen durch den Verkäufer<br />
zu überprüfen, so ist er hierzu auch im Rahmen von § 377 HGB<br />
gehalten.<br />
- Bei der wiederholten Lieferung gleichartiger Waren ist in der Regel<br />
jede Einzellieferung zu untersuchen und zu rügen.<br />
- Ein Verzicht auf die Rechtsfolgen des § 377 Abs. 2 HGB seitens des<br />
Verkäufers kann auch stillschweigend erklärt werden; dafür genügt jedoch<br />
nicht die bloße Aufnahme von Verhandlungen über die vom Erwerber<br />
gerügten Mängel. Vielmehr bedarf es eindeutiger Umstände,<br />
die auf einen Verzicht auf die Genehmigungsfiktion des § 377 Abs. 2<br />
HGB schließen lassen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
175<br />
______________________________________________________________<br />
b) Rechtsfolgen bei nicht ordnungsgemäßer Rüge<br />
� Achtung: Ausgangspunkt der Überlegungen zu den Rechts-<br />
folgen bei nicht ordnungsgemäßer Rüge bildet § 377 Abs. 2<br />
HGB. Bei dieser Bestimmung handelt es sich zugleich um den<br />
„Aufhänger“ in der Klausur. Die Ware gilt nach § 377 Abs. 2 BGB<br />
„als genehmigt“.<br />
Rügt der Käufer ordnungsgemäß und fristgerecht i.S.v. § 377<br />
Abs. 1, 3 HGB, erhält er sich seine Rechte. Neue Rechte des<br />
Käufers entstehen hingegen nicht. Erfüllt der Käufer seine Rüge-<br />
obliegenheit nicht oder zu spät, tritt ein Rechtsverlust bezüglich<br />
des Mangels ein. Die Genehmigung i.S.v. § 377 Abs. 2 HGB<br />
meint die Billigung der Ware hinsichtlich des konkreten Mangels,<br />
nicht erkannte oder auch einfach nicht erkennbare Mängel blei-<br />
ben hiervon unberührt.<br />
• Soweit der Käufer im Rahmen eines beidseitigen Handelsge-<br />
schäfts einen Mangel i.S.d. § 434 BGB nicht unverzüglich<br />
rügt, verliert der Käufer sämtliche Gewährleistungsansprüche<br />
aus § 437 BGB.<br />
• Anders ist dies lediglich bei der Verletzung weiterer kaufver-<br />
traglicher Nebenpflichten durch den Verkäufer, soweit diese<br />
nicht durch § 434 BGB erfasst sind.<br />
Beispiel: Anspruch auf Schadensersatz wegen ungenü-<br />
gender Verpackung, soweit der Anspruch auch dann be-<br />
standen hätte, wenn die Ware mangelfrei geliefert worden<br />
wäre (wieder anders, wenn die Verpackung zur Ware ge-<br />
hört!).<br />
• Unberührt bleiben auch Ansprüche unerlaubter Handlung und<br />
Produkthaftung.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
176<br />
______________________________________________________________<br />
aa) Sonderfall: Falschlieferung<br />
Bei der Falschlieferung sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:<br />
• Fall 1: Tatsächlich gelieferte Ware ist weniger wert als die<br />
bestellte Ware – dann besteht eine Zahlungspflicht bezüglich<br />
des vereinbarten Kaufpreises (str.), dies folgt aus § 377 Abs.<br />
2 HGB (gleiches gilt bei gleichwertiger – anderer – Ware)<br />
• Fall 2: Die tatsächlich gelieferte Ware ist mehr wert als die<br />
bestellte Ware – dann besteht keine Zahlungsverpflichtung<br />
bezüglich des entsprechend höheren Kaufpreises (sehr str.);<br />
argumentiert wird damit, dass das Rügeversäumnis nur zu<br />
einem Verlust von Käuferrechten führe, § 377 HGB aber kei-<br />
ne weitergehenden Verkäuferrechte begründen möchte, so-<br />
weit der Verkäufer mit dem vereinbarten Kaufpreis nicht zu-<br />
frieden sei, stehe ihm die Kondiktion nach §§ 812 ff. BGB of-<br />
fen.<br />
OLG Hamm NJW-RR 2003, 613: Die Frage, ob die Lieferung und<br />
rügelose Entgegennahme einer – im Vergleich zur bestellten – höherwertigen<br />
Ware dazu führt, dass der Besteller auch die erhöhte<br />
Vergütung zu bezahlen hat, ist umstritten. Soweit die Auffassung<br />
vertreten wird, die Versäumung der Rüge solle dem Käufer, nicht<br />
dem Verkäufer zum Nachteil gereichen, ist dem nicht zu folgen.<br />
Diese Begründung bietet keine Rechtfertigung dafür, dass der<br />
Kaufpreis – und damit der Vertragsinhalt – durch die versäumte<br />
Rüge geändert wird.<br />
bb) Sonderfall: Zuwenig-Lieferung<br />
Wird weniger als zugesagt geliefert, hat der Verkäufer Anspruch<br />
auf Zahlung des vollen Kaufpreises und es besteht kein Recht<br />
des Käufers auf Nachforderung der nicht gelieferten Menge,<br />
BGHZ 91, 300. Nach h.M. soll dies auch dann gelten, wenn sich<br />
die Minderlieferung unschwer kennen lässt.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
177<br />
______________________________________________________________<br />
� Achtung: Im Falle einer sog. „offenen“ Minderlieferung, die<br />
aus einem Lieferschein, der Rechnung oder aufgrund ergänzen-<br />
der Informationen des Verkäufers ersichtlich ist, liegt der Fall<br />
wiederum anders. Hierin ist nämlich nach h.M. eine konkludente<br />
Vertragsänderung zu sehen. Folge ist, dass der Käufer zwar ei-<br />
nerseits nichts mehr verlangen kann, andererseits aber auch nur<br />
zur Zahlung des entsprechend geringeren Kaufpreises verpflich-<br />
tet ist.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
178<br />
______________________________________________________________<br />
B. Überlassungsverträge<br />
I. Miete (§§ 535 ff. BGB)<br />
1. Pflichten der Vertragsparteien<br />
Die Pflichten der Vertragsparteien bestimmen sich im wesentli-<br />
chen nach § 535 BGB. Durch den Mietvertrag wird der Vermieter<br />
verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während<br />
der Mietzeit zu gewähren, § 535 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Vermieter<br />
hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen<br />
Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während<br />
der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten, § 535 Abs. 1 S. 2<br />
BGB. Der Mieter wiederum ist verpflichtet, dem Vermieter den<br />
vereinbarten Mietzins zu entrichten, § 535 Abs. 2 BGB.<br />
Die Miete ist ein sog. Dauerschuldverhältnis.<br />
<strong>2.</strong> Leistungsstörungen<br />
a) § 536 BGB<br />
b) § 536 a BGB (Schadensersatzanspruch), wenn<br />
• Mangel bei Abschluss des Vertrages vorhanden ist,<br />
• späterer Mangeleintritt vom Vermieter zu vertreten ist oder<br />
• Vermieter in Verzug mit Mängelbeseitigung kommt<br />
c) Anspruch auf Aufwendungsersatz wegen eines Mangels nach<br />
§ 536 a Abs. 2 BGB<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
179<br />
______________________________________________________________<br />
II. Leasing<br />
1. Begriff „Leasing“<br />
Mit dem Begriff „Leasing“ werden sehr unterschiedliche Geschäf-<br />
te bezeichnet.<br />
Der BGH zieht für das Leasing grundsätzlich die mietrechtlichen<br />
Vorschriften entsprechend heran.<br />
Merke: Ein Leasingvertrag zeichnet sich grundsätzlich dadurch<br />
aus, dass der sog. Leasinggeber eine (Leasing)Sache dem sog.<br />
Leasingnehmer gegen ein in Raten zu zahlendes Entgelt zum<br />
Gebrauch überlässt, wobei Gefahr und Haftung für Instandhal-<br />
tung, Sachmängel, Untergang und Beschädigung der Sache al-<br />
lein den Leasingnehmer treffen, der Leasinggeber dafür seine<br />
Ansprüche gegen Dritte (insbesondere gegen den Lieferanten<br />
des Gutes) dem Leasingnehmer überträgt.<br />
Kaufvertrag, §§ 433 ff. BGB<br />
Leasinggeber Hersteller<br />
Leasingvertrag<br />
Leasingnehmer<br />
Ansprüche aus Mängelhaftung, 434 ff. BGB<br />
Abtretung der Ansprüche aus Mängelhaf-<br />
tung, §§ 398 ff. BGB<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
180<br />
______________________________________________________________<br />
<strong>2.</strong> Arten des Leasing (Auswahl)<br />
a) Das Finanzierungsleasing: Leasingvertrag, bei dem der Lea-<br />
singnehmer für die Amortisation der von dem Leasinggeber für<br />
die Anschaffung der Leasingsache gemachten Aufwendungen<br />
und Kosten einzustehen hat. Voraussetzung für das Finanzie-<br />
rungsleasing ist eine längere Mietzeit (meist 3-7 Jahre), oft mit<br />
Verlängerungs- oder Kaufoption. Hierbei handelt es sich um die<br />
in der Praxis häufigste Form des Leasing.<br />
b) Das Operating-Leasing: Dabei ist die Vertragsdauer unbe-<br />
stimmt oder eine sehr kurze Grundmietzeit vereinbart, die Kündi-<br />
gung erleichtert oder gar jederzeit möglich. Diese Form des Lea-<br />
sing eignet sich v.a. für solche Güter, bei denen der Leasing-<br />
nehmer nicht weiß, wie lange er sie benötigt und ob er sie erwer-<br />
ben will.<br />
c) Das Hersteller-Leasing: Besonderheit dieser Art des Leasing ist<br />
der Umstand, dass der Lieferant (= Hersteller oder Händler)<br />
selbst Leasinggeber ist. Es fehlt mithin das für den Leasingver-<br />
trag ansonsten typische Dreiecksverhältnis. In der Regel liegt ein<br />
Miet- oder Teilzahlungskauf vor oder reine Miete, wenn jedes<br />
Optionsrecht fehlt.<br />
d) Das Null-Leasing: Dabei handelt es sich um eine im Kraftfahr-<br />
zeug- und Elektrofachhandel gebräuchliche Form des Leasing.<br />
Von einem Null-Leasing spricht man, wenn dem Leasingnehmer<br />
die Sache für eine bestimmte Zeit gegen periodisch fällig wer-<br />
dende Raten ohne Zins zum Gebrauch überlassen wird und nach<br />
Ablauf des Vertrages von ihm für einen bei Vertragsschluss fest-<br />
gesetzten Preis bindend zum Erwerb des Eigentums angeboten<br />
wird.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
181<br />
______________________________________________________________<br />
e) Sale–and–Lease–back–Vereinbarung: Hier ist der Leasing-<br />
nehmer zunächst Eigentümer des Leasinggutes. Letzteres wird<br />
vom Leasingnehmer an den Leasinggeber verkauft und übereig-<br />
net, um es sodann (zurück) zu leasen.<br />
3. Mängelhaftung, insbesondere das Problem des<br />
Rücktritts<br />
Eine Haftung des Leasinggebers besteht wegen des regelmäßig<br />
verabredeten Mängelhaftungsausschlusses jedenfalls dann<br />
nicht, wenn der Leasinggeber seine Ansprüche auf Mängelhaf-<br />
tung gegen den Hersteller/Lieferanten an den Leasingnehmer<br />
abgetreten hat.<br />
Für den Rücktritt gilt folgendes: Da der Leasingvertrag zwischen<br />
Leasinggeber und Leasingnehmer neben dem „Anschaffungsver-<br />
trag“ zwischen Leasinggeber und Drittem (= Verkäufer, Herstel-<br />
ler, Lieferant pp.) steht, muss es im Falle des Rücktritts zu einer<br />
Verknüpfung kommen. Die Rechtsprechung bemüht dazu das<br />
Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, nunmehr<br />
gesetzlich in § 313 BGB geregelt. Der „Wegfall“ des Kaufs durch<br />
Rücktritt soll die Geschäftsgrundlage für den Leasingvertrag ent-<br />
fallen lassen (BGHZ 81, 298).<br />
Exkurs: Wegfall bzw. Störung der Geschäftsgrundlage<br />
In § 313 BGB kodifiziert das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz die<br />
von Rechtsprechung und Lehre für Störungen der Geschäftsgrundlage<br />
entwickelten Rechtsgrundsätze. Diese ermöglichen unter bestimmten,<br />
im Zweifel eng zu interpretierenden Voraussetzungen bei Störungen<br />
der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Vertragsinhalts an<br />
veränderte Verhältnisse und schränken im Rahmen ihres Anwen-<br />
dungsbereichs den Grundsatz der Vertragstreue ein. Eine Abweichung<br />
zum bisherigen Recht weist das Gesetz in § 313 BGB insoweit auf, als<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
182<br />
______________________________________________________________<br />
Anpassung „verlangt werden“ kann. Das Gesetz gibt dem durch die<br />
Störung Benachteiligten mithin einen Anspruch auf Anpassung. Es er-<br />
folgt – anders als dies in der bisherigen Rechtsprechung gesehen wur-<br />
de – keine Anpassung kraft Gesetzes.<br />
� Achtung: Nach der gesetzlichen Regelung in § 313 BGB ist<br />
das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage als Ein-<br />
rede ausgestaltet.<br />
Beispiele: Gemeinsamer Irrtum über steuerliche Folgen eines<br />
Geschäfts (u.U. aber auch – vorrangig – ergänzende Ver-<br />
tragsauslegung!); Abfindungsvereinbarungen über Schadens-<br />
ersatzansprüche sind anzupassen, wenn beide Parteien von ir-<br />
rigen Vorstellungen über den Schadensumfang ausgegangen<br />
sind; nicht schon das Scheitern einer in Aussicht genommenen<br />
Finanzierung<br />
III. Pacht (§§ 581 ff. BGB)<br />
Beachten Sie die Verweisung auf die Mietvorschriften (§ 581<br />
Abs. 2 BGB)!<br />
IV. Leihe (§§ 598 ff. BGB)<br />
V. Darlehen (§§ 488 ff./§§ 607 ff. BGB)<br />
Die Leihe und das Darlehen dürfen nicht miteinander verwech-<br />
selt werden. Die Leihe ist stets unentgeltlich.<br />
Die Schuldrechtsreform hat eine Unterscheidung zwischen ei-<br />
nem Gelddarlehensvertrag sowie einem Sachdarlehensvertrag<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
183<br />
______________________________________________________________<br />
mit sich gebracht, §§ 488 ff. BGB einerseits, §§ 607 ff. BGB an-<br />
dererseits.<br />
Beim Gelddarlehen ist zudem auf den Verbraucherdarlehensver-<br />
trag gesondert zu achten (§§ 491 ff. BGB).<br />
C. Dienst- , Werk- und Werklieferungsvertrag<br />
I. Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB)<br />
1. Abgrenzung Dienstvertrag - Werkvertrag<br />
Zu beachten ist, dass der Dienstverpflichtete - anders als der<br />
Werkunternehmer - keinen bestimmten Erfolg, sondern lediglich<br />
ein Bemühen in Richtung der versprochenen Dienste schuldet.<br />
Dies führt u.U. zu einer schwierigen Abgrenzung zwischen Werk-<br />
und Dienstvertrag.<br />
Beispiele für Dienstverträge: Arztvertrag (z.B. Vertrag mit<br />
Zahnarzt auf Heilbehandlung oder Verschönerung des Gebis-<br />
ses); Vertrag mit Rechtsanwalt über Dauerberatung; Ber-<br />
gungsvertrag usw.<br />
Beispiele für Werkverträge: Architektenvertrag; Bauvertrag;<br />
Vertrag mit Friseur über Dauerwelle; Vertrag über laufende<br />
Gebäudereinigung, die persönlich und in Abwesenheit des Auf-<br />
traggebers zu erbringen ist; Vertrag mit Schornsteinfeger; Ver-<br />
trag mit Statiker; verpflichtet sich der Verkäufer eines ge-<br />
brauchten Kfz die TÜV-Abnahme selbst noch herbeizuführen,<br />
soll es sich dabei ebenfalls noch um eine werkvertragliche<br />
Leistungsverpflichtung handeln; Wartung (Inspektion) eines<br />
Kraftfahrzeuges usw.<br />
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184<br />
______________________________________________________________<br />
<strong>2.</strong> Nichtige/anfechtbare Dienstverträge<br />
Auch Dienstverträge sind nichtig oder anfechtbar. Allerdings sind<br />
Nichtigkeit und Anfechtbarkeit unter bestimmten Voraussetzun-<br />
gen nur für die Zukunft (ex nunc) zu berücksichtigen. Sinn und<br />
Zweck dieses Umstandes ist der Schutz des Dienstverpflichte-<br />
ten, der im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrages Dienste<br />
geleistet hat.<br />
3. Beendigung des Dienstvertrages<br />
a) Durch Zeitablauf (§ 620 Abs. 1 BGB)<br />
b) Durch Kündigung<br />
Bei der Kündigung ist allerdings wie folgt zu unterscheiden:<br />
aa) Ordentliche Kündigung: §§ 621, 622, 624, BGB<br />
bb) Außerordentliche Kündigung: §§ 626, 627 BGB.<br />
� Achtung: Im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzge-<br />
setzes (KSchG) kann die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses<br />
nur aus den dort genannten Gründen erfolgen (s. v.a. §§ 1, 4, 13,<br />
23 KSchG).<br />
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185<br />
______________________________________________________________<br />
4. Exkurs: Arbeitsrecht<br />
Während den §§ 611 ff. BGB alle Arten von Dienstverhältnissen<br />
unterfallen, regelt das Arbeitsrecht Rechtsfragen, die im Zusam-<br />
menhang mit abhängiger Beschäftigung verbunden sind (so z.B.<br />
im KSchG, MuSchG, EntgeltFG usw.). Der Arbeitsvertrag ist mit-<br />
hin ein spezieller Fall des Dienstvertrages.<br />
Nachfolgend soll ein paar wenigen, bedeutsamen Fragestellun-<br />
gen des Arbeitsrechts nachgegangen werden.<br />
a) Abgrenzung Arbeits-/Dienstverhältnis<br />
aa) Warum abgrenzen?<br />
Die Abgrenzung zwischen einem Arbeits- und einem Dienstver-<br />
hältnis ist unter zwei Gesichtspunkten von rechtlicher Relevanz:<br />
• Zuständigkeit der Arbeitsgerichte (s. v.a. § 2 Abs. 1 Nr. 3<br />
ArbGG) _ Arbeitnehmerbegriff im verfahrensrechtlichen Sinne<br />
nach § 5 ArbGG<br />
• Anwendbarkeit des Individualarbeitsrechts (z.B. KSchG) _<br />
Arbeitnehmerbegriff i.S. des materiellen (Individual-<br />
)Arbeitsrechts<br />
bb) Abgrenzung des Arbeitnehmerbegriffs im materiell-<br />
rechtlichen Sinne<br />
(1) Die h.M. grenzt auf der Grundlage der sog. Vertragstheorie ab.<br />
Danach ist Arbeitnehmer, wer aufgrund freier Bereitschaft für ei-<br />
nen Anderen eine im wesentlichen von diesem bestimmte Arbeit<br />
leistet. Dienstnehmer ist hingegen derjenige, der im wesentlichen<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
186<br />
______________________________________________________________<br />
frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit (sowie den Ort<br />
seiner Arbeit) bestimmen kann, vgl. § 84 Abs. 1 S. 2 HGB.<br />
Für ein Arbeitsverhältnis sprechen<br />
• Weisungsabhängigkeit<br />
• Eingliederung in fremde Arbeitsorganisation<br />
• Verpflichtung, bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten<br />
• Vollständige Inanspruchnahme der Arbeitskraft<br />
• Arbeit an einem bestimmten Ort (Arbeitsplatz)<br />
• Pflicht zur regelmäßigen Berichterstattung, einschließlich Ent-<br />
schuldigung bei Erkrankung<br />
• Unternehmerrisiko liegt beim Dienstberechtigten<br />
• Verrichtung untergeordneter Tätigkeit (Problem der abhängi-<br />
gen Selbständigkeit)<br />
BAG NZA 1997, 191: Tankwart als Arbeitnehmer<br />
BAG DB 1997, 2127: Ob im konkreten Fall eine Partei Arbeitnehmer<br />
oder arbeitnehmerähnliche Person ist, richtet sich ausschließlich<br />
danach, ob sie persönlich abhängig oder zwar rechtlich selbständig,<br />
aber wirtschaftlich abhängig und einem Arbeitnehmer vergleichbar<br />
schutzwürdig ist; demnach kann gegebenenfalls auch ein<br />
Franchisenehmer Arbeitnehmer sein.<br />
BAG NZA 1998, 364: Der Frachtführer i.S.d. § 425 HGB ist grundsätzlich<br />
kein Arbeitnehmer; wird die Tätigkeit des Transporteurs<br />
stärker eingeschränkt, als es aufgrund gesetzlicher Regelungen<br />
oder wegen versicherungsrechtlicher Obliegenheiten geboten ist,<br />
so kann das Rechtsverhältnis aber als ein Arbeitsverhältnis anzusehen<br />
sein.<br />
BAG NZA 1998, 368: Zeitungszusteller können Arbeitnehmer wie<br />
auch Selbständige sein. Muss der Zusteller weitere Mitarbeiter einsetzen,<br />
um sein Arbeitsvolumen zu bewältigen, spricht dies gegen<br />
einen Arbeitnehmerstatus.<br />
LAG Düsseldorf DB 1998, 207: Sargträger trotz Gewerbeanmeldung<br />
Arbeitnehmer!<br />
BAG NZA 2000, 535: Ob ein Versicherungsvertreter (hier: Einfirmenvertreter)<br />
Arbeitnehmer oder Selbständiger ist, bestimmt sich<br />
nach § 84 Abs. 1 S. 2 HGB. Maßgeblich sind die Umstände des<br />
Einzelfalles. Vertragliche Pflichten des Versicherungsvertreters, die<br />
nicht die geschuldete Tätigkeit, sondern ein sonstiges Verhalten<br />
betreffen, sind zur Abgrenzung regelmäßig nicht geeignet.<br />
BAG NZA 1998, 939: Der Gesellschafter einer GmbH, dem mehr<br />
als 50 % der Stimmen zustehen, kann auch dann kein Arbeitnehmer<br />
dieser Gesellschaft sein, wenn er nicht Geschäftsführer ist. Ob<br />
der Gesellschafter tatsächlich Leitungsmacht ausübt, ist unerheblich.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
187<br />
______________________________________________________________<br />
� Achtung 1: Die Bezeichnung im Anstellungsvertrag ist irrele-<br />
vant. Maßgeblich ist das tatsächlich „gelebte“ Rechtsverhältnis.<br />
� Achtung 2: Das Vorstehende bezieht sich auf den Begriff des<br />
Arbeitnehmers im arbeitsrechtlichen Sinne. Davon zu unter-<br />
scheiden ist die Unterscheidung zwischen selbständiger und un-<br />
selbständiger Tätigkeit im Sozialversicherungsrecht und Steuer-<br />
recht. Der sog. geringfügig Beschäftigte ist sowohl von sozialver-<br />
sicherungsrechtlich wie auch steuerrechtlich besonderer Bedeu-<br />
tung, weil für ihn besondere Regelungen gelten. Dies ist im Ar-<br />
beitsrecht nicht der Fall. Ein geringfügig Beschäftigter ist Arbeit-<br />
nehmer, wie auch die Vollzeitkraft Arbeitnehmer ist. Insoweit ist<br />
die geringfügige Beschäftigung vor dem Hintergrund des Arbeit-<br />
nehmerstatus keine arbeitsrechtlich gesondert zu betrachtende<br />
Kategorie des Rechts.<br />
(2) Grundsätzlich keine Arbeitnehmer sind<br />
• Beamte und Richter, vgl. § 5 Abs. 2 ArbGG<br />
• Familienangehörige, die aufgrund familienrechtlicher Bindung<br />
Arbeit leisten (vgl. §§ 1353, 1360; 1619 BGB)<br />
• Grundsätzlich: Gesellschafter von Personengesellschaften<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
188<br />
______________________________________________________________<br />
� Achtung: Ob Gesellschafter und Organmitglieder juristischer<br />
Personen im Arbeitsrecht als Arbeitnehmer zu bewerten sind,<br />
kann allerdings nicht allgemein gesagt werden. In einer BGB-<br />
Gesellschaft kann der Mitgesellschafter nicht in einem Arbeits-<br />
verhältnis zu einem anderen Gesellschafter stehen. Auch kann<br />
ein Vorstandsmitglied einer AG aus gesellschaftsrechtlichen<br />
Gründen kein Arbeitnehmer sein. Bei Geschäftsführern einer<br />
GmbH kann die Arbeitnehmereigenschaft aber nicht generell<br />
verneint werden, da die von der gesellschaftsrechtlichen Wei-<br />
sungsgebundenheit geprägte Organstellung des Geschäftsfüh-<br />
rers (§ 37 GmbHG) mit einer persönlichen Abhängigkeit verbun-<br />
den sein kann. Bei einem sog. Fremdgeschäftsführer, also bei<br />
einem Geschäftsführer, der an der Gesellschaft überhaupt nicht<br />
beteiligt ist, wird in der Regel eine persönliche Abhängigkeit zu<br />
bejahen sein, zumal dieser keinerlei Unternehmerrisiko trägt und<br />
normalerweise ein von der Ertragslage der GmbH unabhängiges<br />
Gehalt bezieht.<br />
b) Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis (hier:<br />
Schlechterfüllung)<br />
aa) Grundsatz: Keine Gewährleistung<br />
� Merke: Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung, nicht zur<br />
Herbeiführung eines bestimmten Erfolges verpflichtet; der Ar-<br />
beitnehmer ist weder zur Nachbesserung, noch zur Nachholung<br />
verpflichtet.<br />
Es bleibt dem Arbeitgeber in der Regel lediglich ein Schadener-<br />
satzanspruch aus (u.a.) § 823 Abs. 1 BGB. Mit diesem kann der<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
189<br />
______________________________________________________________<br />
Arbeitgeber gegebenenfalls die Aufrechnung gegenüber ausste-<br />
henden Entgeltzahlungsansprüchen des Arbeitnehmers erklären.<br />
bb) Einzelheiten der Haftung des Arbeitnehmers ge-<br />
genüber dem Arbeitgeber<br />
(1) Grundlegendes<br />
Für den Fall der Pflichtverletzung seitens des Arbeitnehmers<br />
kommt grundsätzlich ein Anspruch des Arbeitgebers auf Scha-<br />
densersatz u.a. nach § 280 Abs. 1 BGB in Betracht. Dies würde<br />
dazu führen, dass ein Arbeitnehmer bereits im Falle einfacher<br />
Fahrlässigkeit dem Arbeitgeber gegenüber zum Ersatze des ge-<br />
samten, dem Arbeitgeber entstandenen Schadens verpflichtet<br />
wäre. Die h.M. erkennt hierin eine Unbilligkeit und schafft daher<br />
im Falle betrieblich veranlasster Handlungen des Arbeitnehmers<br />
einen Interessenausgleich, d.h. ein Haftungsprivileg zu Gunsten<br />
des Arbeitnehmers. Dieses Privileg leitete das Bundesarbeitsge-<br />
richt bislang aus einer analogen Anwendung des § 254 BGB ab.<br />
Durch das Schuldrechtsreformgesetz will die nunmehr h.M. für<br />
den sog. innerbetrieblichen Schadenausgleich in § 276 BGB ei-<br />
ne Stütze sehen, da dort die Rede ist von einer „milderen Haf-<br />
tung“, die im Einzelfall dem Inhalt des Schuldverhältnisses zu<br />
entnehmen sein kann.<br />
BAG GrS DB 1994, 2237: Um den Arbeitgeber nicht mit dem allgemeinen<br />
Lebensrisiko des Arbeitnehmers zu belasten, muss die Tätigkeit,<br />
die zu dem Schaden geführt hat, durch den Betrieb veranlasst und<br />
aufgrund des Arbeitsvertrages geleistet worden sein.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
190<br />
______________________________________________________________<br />
(2) Haftungsprivileg nur bei gefahrgeneigter Arbeit?<br />
BAG, a.a.O.: Die Beschränkung der Haftungserleichterung ist aufzugeben,<br />
weil sonst Arbeitnehmer, die keine gefahrgeneigte Tätigkeit<br />
ausüben, bei Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten grundsätzlich<br />
den gesamten Schaden des Arbeitgebers tragen müssen. Ob und gegebenenfalls<br />
in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen<br />
zu beteiligen ist, richtet sich im Rahmen einer Abwicklung der<br />
Gesamtumstände, insbesondere von Schadensanlass und Schadensfolgen,<br />
nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten.<br />
Maßgeblich Umstände im vorgenannten Sinne sind nach Auffas-<br />
sung des BAG (z.B. BAG NZA 1998, 140):<br />
• Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers<br />
• Gefahrgeneigtheit der Arbeit<br />
• Schadenshöhe<br />
• Vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung<br />
deckbares Risiko (beispielsweise bei Kraftfahrzeugschäden)<br />
• Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb<br />
• Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risi-<br />
koprämie enthalten ist<br />
• U.U. auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers<br />
(Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familien-<br />
verhältnisse und bisheriges Verhalten)<br />
(3) Insbesondere: Grad des Verschuldens des Arbeit-<br />
nehmers<br />
• Keine Haftungsbeschränkung bei vorsätzlichem und grund-<br />
sätzlich auch nicht bei grob fahrlässigem Verhalten des Ar-<br />
beitnehmers.<br />
S. aber: BAG NZA 1998,140: Auch bei grob fahrlässiger Schadensverursachung<br />
durch den Arbeitgeber sind Haftungserleichterungen<br />
nicht ausgeschlossen. Für die Abwicklung im Einzelfall<br />
kann es maßgeblich darauf ankommen, dass der Verdienst des<br />
Arbeitnehmers [hier: 3.500,00 DM brutto] in einem deutlichen Missverhältnis<br />
zum Schadensrisiko der Tätigkeit [Schaden hier:<br />
150.000,00 DM] steht [BAG spricht 20.000,00 DM zu].<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
191<br />
______________________________________________________________<br />
BAG NZA 2002, 612: Auch bei grober Fahrlässigkeit sind Haftungserleichterungen<br />
zu Gunsten des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen,<br />
wenn der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen<br />
Missverhältnis zum verwirklichten Schadensrisiko der Tätigkeit<br />
steht. Liegt der zu ersetzende Schaden nicht über drei Bruttomonatseinkommen<br />
des Arbeitnehmers, besteht zu einer Haftungsbegrenzung<br />
keine Veranlassung. Lässt der inkassoberechtigte Restaurantleiter<br />
der MITROPA AG die Kellnerbrieftasche mit Einnahmen<br />
unverschlossen im Restaurantwagen zurück, um zu telefonieren,<br />
haftet er in der Regel dem Arbeitgeber für die abhanden gekommene<br />
Einnahmen wegen grob fahrlässig begangener positiver<br />
Vertragsverletzung.<br />
BAG DB 2002, 2050: Ein vorsätzlicher Pflichtverstoß führt nur<br />
dann zur vollen Haftung des Arbeitnehmers, wenn auch der Schaden<br />
vom Vorsatz umfasst ist. Im Übrigen setzt eine Haftungserleichterung<br />
auf Seiten des Arbeitnehmers stets voraus, dass die<br />
Tätigkeit betrieblich veranlasst ist. Betrieblich veranlasst sind nur<br />
solche Tätigkeiten des Arbeitnehmers, die ihm arbeitsvertraglich<br />
übertragen worden sind oder die er im Interesse des Arbeitgebers<br />
für den Betrieb ausführt.<br />
• Leichteste Fahrlässigkeit: Arbeitgeber haftet allein<br />
• Mittlere Fahrlässigkeit: Quotenmäßige Aufteilung<br />
BAG NZA 1995, 565: Eine Flugbegleiterin, die entgegen einschlägiger<br />
Dienstvorschriften bei einem Flug nach USA keinen Reisepass<br />
mit sich führt und damit eine von der Einreisebehörde gegen<br />
das Luftfahrtunternehmen verhängte Einreisestrafe von 3.000,00<br />
US $ verursacht, haftet ihrem Arbeitgeber wegen schuldhafter Verletzung<br />
des Arbeitsvertrages auf Schadensersatz. Die Haftung ist<br />
aber nach den Grundsätzen der Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers<br />
bei betrieblicher Tätigkeit zu mildern. Darüber hinaus<br />
ist bei der Haftungsquote ein Mitverschulden des Arbeitgebers zu<br />
berücksichtigen, wenn das Luftfahrtunternehmen keinerlei Kontrolle<br />
zur Überprüfung der Einreisedokumente der Flugbegleiterin vorgenommen<br />
hat [hier: Haftung zu ein Drittel].<br />
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192<br />
______________________________________________________________<br />
c) Die ordentliche (fristgemäße) Kündigung durch den<br />
Arbeitgeber<br />
Prüfungsschema 20: Die ordentliche Kündigung des Arbeit-<br />
nehmers durch den Arbeitgeber<br />
1. Kündigungserklärung ordnungsgemäß (Achtung: Schrift-<br />
formerfordernis nach § 623 BGB!)<br />
<strong>2.</strong> Zugang der Willenserklärung, § 130 BGB<br />
3. Ausschluss der ordentlichen Kündigung (z.B. kraft Ar-<br />
beitsvertrages oder – allgemein – bei befristeten Arbeits-<br />
verhältnissen nach § 620 Abs. 3 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3<br />
TzBfG)<br />
4. Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung (z.B. nach § 9<br />
Abs. 3 MuSchG)<br />
5. Anhörung des Betriebsrates/Personalrates (z.B. § 102<br />
BetrVG)<br />
6. Kündigungsschutz nach dem KSchG – Begründungs-<br />
pflicht?<br />
a) Kündigungsschutzgesetz anwendbar (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs.<br />
1 KSchG)?<br />
b) Klagefrist eingehalten (§§ 4, 7 KSchG)<br />
c) Kündigung sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG)<br />
aa) Betriebsbedingte Kündigung<br />
bb) Verhaltensbedingte Kündigung<br />
cc) Personenbedingte Kündigung<br />
d) Soziale Auswahl bei der betriebsbedingten Kündigung (§ 1<br />
Abs. 3 KSchG)<br />
7. Außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes: „Mindestmaß<br />
gebotener sozialer Rücksichtnahme“ gewahrt?<br />
8. Kündigungsfrist abgelaufen (siehe v.a. § 622 BGB)<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
193<br />
______________________________________________________________<br />
d) Die außerordentliche Kündigung durch den Arbeit-<br />
geber<br />
Prüfungsschema 21: Die außerordentliche Kündigung des<br />
Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber<br />
1. Kündigungserklärung ordnungsgemäß (s.o.)<br />
<strong>2.</strong> Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung (z.B. nach § 103<br />
BetrVG)<br />
3. Anhörung des Betriebsrates/Personalrates (z.B. § 102<br />
BetrVG)<br />
4. Wichtiger Grund<br />
a) Klagefrist (§§ 4, 13 Abs. 1 S. 2 KSchG), sofern Kündi-<br />
gungsschutzgesetz anwendbar<br />
b) Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB)<br />
c) Vorliegen eines wichtigen Grundes<br />
II. Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB)<br />
� Achtung: Anders als im Bereich des Kaufvertrages sind die<br />
durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz bedingten Ände-<br />
rungen im Bereich des Werkvertragsrechts weitaus weniger gra-<br />
vierend. Schon bislang hatte der Besteller einen Anspruch auf<br />
ein mangelfreies Werk. Zudem war der Besteller bei Mängeln<br />
dem Unternehmer immer schon verpflichtet, eine Chance zur<br />
Mangelbeseitigung einzuräumen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
194<br />
______________________________________________________________<br />
1. Pflichten der Vertragsparteien<br />
a) Pflichten des Unternehmers<br />
Der Unternehmer hat zum einen die Pflicht zur Herstellung des<br />
mangelfreien Werkes (§ 631 Abs. 1 BGB). Zudem treffen ihn<br />
sonstige Nebenpflichten, beispielsweise Obhutspflichten.<br />
b) Pflichten des Bestellers<br />
Der Besteller hat zunächst die Pflicht zur Entrichtung der Vergü-<br />
tung (§§ 631 Abs. 1, 632, 632 a, 641 BGB). Von großer Bedeu-<br />
tung ist die Abnahme, weil von ihr die Fälligkeit der Vergütung<br />
abhängt, § 641 Abs. 1 S. 1 BGB.<br />
Unter einer Abnahme i.S.d. § 640 Abs. 1 BGB versteht man die<br />
reale Entgegennahme des Werkes – soweit tatsächlich möglich –<br />
zuzüglich der Billigung des Werkes als im wesentlichen vertrags-<br />
gemäß; s. auch § 646 BGB.<br />
Die Abnahme ist eine Hauptpflicht des Bestellers. Bei Verzug<br />
oder Nichterfüllung gelten § 644 Abs. 1 S. 2 BGB sowie die all-<br />
gemeinen Vorschriften.<br />
� Achtung: Beachten Sie die Vorschriften der<br />
§§ 640, 641, 641 a BGB!<br />
Zudem ist der Besteller u.U. zur Mitwirkung verpflichtet, vgl.<br />
§ 642 BGB.<br />
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195<br />
______________________________________________________________<br />
c) Gefahrtragung<br />
• § 644 Abs. 1 S. 1 BGB<br />
• § 644 Abs. 1 S. 2 BGB<br />
• § 645 Abs. 1 S. 1 BGB<br />
<strong>2.</strong> Mangelbegriff beim Werkvertrag<br />
Für die Frage nach dem Vorliegen eines Sachmangels im Rah-<br />
men eines Werkvertrages ist § 633 Abs. 2 BGB maßgeblich. Die<br />
Vorschrift entspricht weitgehend der Bestimmung beim Kaufver-<br />
trag, vgl. § 434 BGB.<br />
§ 633 Abs. 3 BGB befasst sich mit dem Rechtsmangel. Solche<br />
können bei den vom Unternehmer zu beschaffenden Zutaten<br />
vorkommen, ferner bei Werken, deren Gebrauch beispielsweise<br />
Patentschutzrechte Dritter verletzt und daher Unterlassungsan-<br />
sprüchen ausgesetzt ist. Rechtsmängel sind aufgrund des<br />
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ausdrücklich den Sach-<br />
mängeln gleichgestellt, mithin ist insoweit nunmehr auch eine<br />
Minderung möglich.<br />
3. Die Rechte des Bestellers bei Mängeln (§§ 634, 635–<br />
638 BGB)<br />
a) Anspruch auf Nacherfüllung (§§ 634 Nr. 1, 635 BGB)<br />
Den Anspruch auf Nacherfüllung regeln §§ 634 Nr. 1, 635 BGB.<br />
Anders als im Kaufrecht steht es im Ermessen des Unterneh-<br />
mers, ob er den Mangel des Werkes beseitigt oder ob er ein<br />
neues Werk herstellt, § 635 Abs. 1 BGB. Dafür spricht der Um-<br />
stand, dass der Unternehmer das Werk selbst herstellt und daher<br />
beurteilen kann, welcher Weg (kosten-)günstiger ist.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
196<br />
______________________________________________________________<br />
Die im Zusammenhang mit der Nacherfüllung auftretenden Kos-<br />
ten hat nach § 635 Abs. 2 BGB der Unternehmer zu tragen.<br />
Bei Neuherstellung des Werkes hat der Unternehmer gegenüber<br />
dem Besteller einen Anspruch auf Rückgewähr des mangelhaf-<br />
ten Werkes nach Maßgabe der §§ 346–348 BGB (§ 635 Abs. 4<br />
BGB).<br />
b) Anspruch auf Selbstvornahme (§§ 634 Nr. 2, 637<br />
BGB)<br />
Grundsätzlich steht dem Besteller nach § 637 Abs. 1 BGB ein<br />
Recht zur Selbstvornahme dann zu, wenn der Unternehmer dem<br />
Verlangen nach Nacherfüllung nicht innerhalb der ihm gesetzten<br />
angemessenen Frist nachkommt oder die Nacherfüllung fehl-<br />
schlägt. Anders ist dies nur dann, wenn der Unternehmer die<br />
Nacherfüllung zu Recht verweigert. Die Fristsetzung zur Nacher-<br />
füllung ist nach § 637 Abs. 2 BGB in den dort bestimmten Fällen<br />
entbehrlich.<br />
Nach § 637 Abs. 3 BGB kann der Besteller von dem Unterneh-<br />
mer für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwen-<br />
dungen Vorschuss verlangen. Der Anspruch geht auf einen<br />
Geldbetrag. Dieser muss die mutmaßlichen Kosten für die erfor-<br />
derlichen Selbstvornahmemaßnahmen einschließlich der sog.<br />
Regiekosten abdecken.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
197<br />
______________________________________________________________<br />
c) Rücktrittsrecht (§§ 634 Nr. 3, 1. Alt., 323, 326 Abs. 5<br />
BGB)<br />
Kommt der Unternehmer der Aufforderung zur Nacherfüllung<br />
nicht fristgerecht nach oder schlägt der Versuch der Nacherfül-<br />
lung fehl, so kann der Besteller vom Vertrag zurücktreten. Das<br />
Gesetz verweist auf das allgemeine Schuldrecht und das für<br />
Pflichtverletzungen dort geregelte Rücktrittsrecht im Rahmen ge-<br />
genseitiger Verträge nach § 323 BGB.<br />
d) Anspruch auf Minderung (§§ 634 Nr. 3, <strong>2.</strong> Alt., 638<br />
BGB)<br />
Das Minderungsrecht im Rahmen des Werkvertrages ist parallel<br />
zum Kaufrecht (s. dort § 441 BGB) ausgebildet.<br />
e) Anspruch auf Schadensersatz (§§ 634 Nr. 4, 280,<br />
281, 283, 311 a Abs. 2 BGB)<br />
f) Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen<br />
(§§ 634 Nr. 4, 284 BGB)<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
198<br />
______________________________________________________________<br />
3. Verjährung beim Werkvertrag (§ 634 a BGB)<br />
a) Verjährungsfristen<br />
Die in § 634 Nr. 1, 2 und 4 BGB bezeichneten Ansprüche verjäh-<br />
ren nach<br />
• § 634 a Abs. 1 Nr. 1 BGB innerhalb von zwei Jahren bei ei-<br />
nem Werk, dessen Erfolg in der Herstellung, Wartung oder<br />
Veränderung einer Sache oder in Erbringung von Planungs-<br />
oder Überwachungsleistungen hierfür besteht<br />
• § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB in fünf Jahren bei einem Bauwerk<br />
und einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Pla-<br />
nungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht<br />
• § 634 Abs. 1 Nr. 3 BGB in der regelmäßigen Verjährungs-<br />
frist bei sonstigen Werkleistungen (maßgebend mithin<br />
§§ 195 ff. BGB).<br />
Nach § 634 a Abs. 3 BGB verjähren die Ansprüche in der regel-<br />
mäßigen Verjährungsfrist, wenn der Unternehmer den Mangel<br />
arglistig verschwiegen hat. Für das Rücktrittsrecht nach § 634<br />
BGB gilt – da kein Anspruch im Rechtssinne - § 218 BGB; s.<br />
auch § 634 a Abs. 5 BGB für die Minderung.<br />
b) Fristbeginn (§ 634 a Abs. 2 BGB)<br />
Die Verjährung beginnt grundsätzlich mit der Abnahme zu laufen.<br />
Anders ist dies immer dort, wo auf die regelmäßige Verjährung<br />
verwiesen wird, da hierfür die nach § 199 BGB geforderte Kennt-<br />
nis maßgebend ist.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
199<br />
______________________________________________________________<br />
III. Werklieferungsvertrag<br />
Der Werklieferungsvertrag ist in § 651 BGB geregelt. Auf einen<br />
solchen Vertrag finden grundsätzlich die Vorschriften über den<br />
Kauf Anwendung, § 651 S. 1 BGB.<br />
D. Die Bürgschaft (§§ 765 ff. BGB) – s. Skript Kreditsiche-<br />
rungsrecht<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
200<br />
______________________________________________________________<br />
6. <strong>Kapitel</strong>: Geschäftsführung<br />
ohne Auftrag<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
201<br />
______________________________________________________________<br />
6. <strong>Kapitel</strong>: Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA),<br />
§§ 677 ff. BGB<br />
Vorbemerkungen<br />
Das Gesetz regelt in den §§ 662 ff. BGB den Auftrag und ähnli-<br />
che Verträge. Bedeutsam ist der Umstand, dass der Auftrag kraft<br />
Gesetzes unentgeltlich ist, § 662 BGB. Eine wichtige Anspruchs-<br />
grundlage des Auftragsrechts enthält<br />
§ 670 BGB (bitte sorgfältig lesen!).<br />
Aufwendungen i.S.d. § 670 BGB sind alle freiwilligen Vermö-<br />
gensopfer. Nach h.M. ist der Begriff der „Aufwendung“ um risiko-<br />
typische Schäden (Schaden = unfreiwillige Vermögensopfer) zu<br />
erweitern.<br />
Bitte beachten Sie auch § 672 BGB (sog. postmortale Voll-<br />
macht).<br />
Die §§ 675 ff. BGB enthalten Bestimmungen über den Ge-<br />
schäftsbesorgungsvertrag (dazu gehört z.B. der Vertrag mit ei-<br />
nem Rechtsanwalt über die Besorgung einer Rechtsangelegen-<br />
heit).<br />
Bitte berücksichtigen Sie zudem, dass §§ 676 a ff. BGB (nachle-<br />
sen!) über den Überweisungsvertrag, den Zahlungsvertrag und<br />
den Girovertrag seit 1999 in das Gesetz aufgenommen worden<br />
sind.<br />
Nachfolgend sind die Sachprobleme erläutert, die dann entste-<br />
hen, wenn es an einem Auftrag o.ä. fehlt und gleichwohl die Re-<br />
gelung wechselseitiger Interessen bestimmt werden muss. Letz-<br />
terem dienen die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne<br />
Auftrag. Hierbei handelt es sich um ein gesetzliches Schuld-<br />
verhältnis.<br />
© <strong>Eisenbeis</strong> Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2003
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
202<br />
______________________________________________________________<br />
A. Begriff und Ratio der Geschäftsführung ohne Auf-<br />
trag<br />
Die Vorschriften der §§ 677 ff. BGB schaffen einen Interessen-<br />
ausgleich in den Fällen, in denen jemand eine Handlung vor-<br />
nimmt, die eigentlich in den Rechtskreis eines anderen gehört.<br />
Dies beinhaltet<br />
• den Schutz und die Privilegierung des erwünscht und hilfreich<br />
Handelnden sowie<br />
• den Schutz des Einzelnen vor „Einmischung“ in die eigenen<br />
Angelegenheiten, vgl. § 677 BGB.<br />
Die „echte“ Geschäftsführung ohne Auftrag verlangt, dass eine<br />
Person im Interessenbereich eines anderen für eben diesen tätig<br />
wird, ohne dass insoweit eine vertragliche oder gesetzliche Ver-<br />
pflichtung oder sonstige Berechtigung bestanden hat.<br />
B. Die Beteiligten<br />
Rechtlich sind im wesentlichen zwei Personen maßgeblich:<br />
• Der „Helfer“ = der Geschäftsführer<br />
• Der „andere“ = der Geschäftsherr<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
203<br />
______________________________________________________________<br />
C. Die echte berechtigte GoA<br />
Eine echte berechtigte GoA setzt nach § 677 BGB Folgendes<br />
voraus:<br />
(1) Besorgung eines fremden Geschäfts durch den Geschäfts-<br />
führer für einen anderen<br />
(2) Ohne Auftrag oder sonstige Verpflichtung/Berechtigung<br />
(3) Geschäft muss dem Interesse und dem wirklichen oder<br />
mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprechen<br />
Sind sämtliche Voraussetzungen erfüllt, ist das gesetzliche<br />
Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag i.S. der<br />
§§ 677 ff. BGB wirksam begründet. Daraus erwachsen Rechte<br />
und Pflichten der Beteiligten:<br />
I. Rechtsposition des Geschäftsführers<br />
Der Geschäftsführer ist berechtigt, nach §§ 683 S. 1, 670 BGB<br />
von dem Geschäftsherrn Ersatz seiner Aufwendungen zu ver-<br />
langen. Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, die der<br />
Geschäftsführer im Interesse des Geschäftsherrn „erlitten“ hat.<br />
Beispiel: Nachbar N fällt während urlaubsbedingter Abwe-<br />
sendheit eines Hausbewohners (B) Wasser auf, das unter der<br />
Wohnungseingangstür der Wohnung von B herausfließt. N<br />
vermutet einen größeren Wasserschaden, verständigt Hand-<br />
werker und vergütet diese nach ordnungsgemäßer Durchfüh-<br />
rung der Reparatur. Zudem hatte N für eine Öffnung der<br />
Wohnungstür durch einen Schlüsseldienst gesorgt. Nach der<br />
Rückkehr von B aus dem Urlaub verlangt N Ersatz der von<br />
ihm getätigten Aufwendungen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
204<br />
______________________________________________________________<br />
II. Rechtsposition des Geschäftsherrn<br />
Im Zusammenhang mit einer Geschäftsführung ohne Auftrag<br />
können sich insbesondere die folgenden Ansprüche des Ge-<br />
schäftsherrn ergeben:<br />
• Anspruch auf Unterrichtung von der Übernahme der Ge-<br />
schäftsführung, § 681 S. 1 BGB<br />
• Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft nach § 681 S. 2<br />
i.V.m. § 666 BGB<br />
• Anspruch auf Herausgabe des aus der Geschäftsführung Er-<br />
langten, § 681 S. 2 i.V.m. § 667 BGB<br />
D. Die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag<br />
Eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag liegt dann<br />
vor, wenn der Geschäftsführer ein Geschäft für den Geschäfts-<br />
herrn nicht in dessen Interesse oder entsprechend seinem Willen<br />
vornimmt. Dies führt nach § 678 BGB zu Schadensersatzansprü-<br />
chen des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer. Es ist al-<br />
lerdings die Ausnahme des § 679 BGB zu berücksichtigen. Ein<br />
Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers ist in diesem<br />
Fall nicht gegeben.<br />
E. Die Eigengeschäftsführung<br />
Von einer Eigengeschäftsführung ist dann die Rede, wenn je-<br />
mand ein (objektiv) fremdes Geschäft für sich selbst führt. Dabei<br />
ist wie folgt zu unterscheiden:<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
205<br />
______________________________________________________________<br />
I. Die vermeintliche Eigengeschäftsführung<br />
Das versehentliche Führen eines objektiv fremden Geschäftes<br />
als eigenes unterfällt nicht den Bestimmungen über die Ge-<br />
schäftsführung ohne Auftrag, § 687 Abs. 1 BGB. Hier ist vielmehr<br />
der Ausgleich zwischen den Parteien nach §§ 812 ff. BGB (sog.<br />
ungerechtfertigte Bereicherung) vorzunehmen.<br />
II. „Unechte“ GoA: Angemaßte Eigengeschäftsfüh-<br />
rung<br />
Eine „unechte“ Geschäftsführung ohne Auftrag ist dann gegeben,<br />
wenn sich jemand anmaßt, ein objektiv fremdes Geschäft als ei-<br />
genes zu führen und weiß, dass er hierzu nicht berechtigt ist.<br />
Hier regelt § 687 Abs. 2 S. 2 BGB Ansprüche des Geschäfts-<br />
herrn aus §§ 677, 678, 681 und 682 BGB.<br />
F. Zusammenfassung (Übersicht)<br />
Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB)<br />
1. Berechtigte<br />
GoA: § 677 BGB<br />
Anspruch des<br />
Geschäftsführers:<br />
§§ 683 S.<br />
1, 670 BGB<br />
<strong>2.</strong> Unberechtigte<br />
GoA<br />
§§ 678, 679, 684<br />
S. 1 BGB<br />
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3. EigenGF<br />
a) Vermeintliche<br />
E.: § 687 Abs. 1<br />
BGB<br />
b) Angemaßte E.:<br />
§ 687 Abs. 2 S. 1<br />
BGB
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
206<br />
______________________________________________________________<br />
7. <strong>Kapitel</strong>: Unerlaubte Handlung<br />
(§§ 823 ff. BGB)<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
207<br />
______________________________________________________________<br />
7. <strong>Kapitel</strong>: Unerlaubte Handlung (§§ 823 ff. BGB)<br />
A. Vorbemerkungen<br />
Das Recht der unerlaubten Handlung betrifft die Wiedergutma-<br />
chung eingetretener Schäden, die durch das unerlaubte (= delik-<br />
tische) Handeln von Personen verursacht werden, die in einen<br />
fremden Rechtskreis eingreifen.<br />
Beispiele: A überfährt mit seinem Kraftfahrzeug vorsätzlich<br />
den Hund des B; C schlägt D krankenhausreif; E zündet das<br />
Haus des F an; G beschädigt (fahrlässig) das Kraftfahrzeug<br />
des H ...<br />
Die Wiedergutmachung eines solchen Schadens erfolgt im Wege<br />
einer Schadenersatzpflicht zu Lasten des Schädigers (in den<br />
Beispielen A, C, E und G) und zu Gunsten des Geschädigten =<br />
Verletzten (hier B, D, F und H).<br />
� Achtung 1: Zunächst schwer verständlich ist die Tatsache<br />
dass auch das Recht der unerlaubten Handlung die Begründung<br />
von Schuldverhältnissen zum Inhalt hat. Der diesbezüglich häufig<br />
auftretende Irrtum beruht auf dem Umstand, dass man fälschli-<br />
cherweise Schuldverhältnis und Vertrag als Synonyme in dem<br />
Sinne begreift, dass Schuldverhältnisse nur aus Verträgen er-<br />
wachsen können (in der Tat schließen Schädiger und Geschä-<br />
digter ja keinen Vertrag miteinander!). Dieses Problem lässt sich<br />
jedoch ganz einfach lösen, wenn man sich noch einmal die be-<br />
reits aufgezeigte (Legal-)Definition des Schuldverhältnisses vor<br />
Augen führt: Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger be-<br />
rechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern (§ 241 Abs.<br />
1 S. 1 BGB). Hier ist von einem Vertrag zwischen den Parteien<br />
des Schuldverhältnisses nicht die Rede.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
208<br />
______________________________________________________________<br />
Nun muss man noch wissen, dass die im Rahmen des Delikts-<br />
rechts entstehenden Schuldverhältnisse im Gegensatz zu den<br />
bereits kennen gelernten vertraglichen Schuldverhältnissen ge-<br />
setzliche Schuldverhältnisse genannt werden, da Letztere ohne<br />
Vertrag allein aufgrund gesetzlicher Anordnung entstehen (eben-<br />
so wie die im vorhergehenden <strong>Kapitel</strong> besprochenen Ansprüche<br />
aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis der Geschäftsführung<br />
ohne Auftrag). Mithin setzen die Bestimmungen des Delikts-<br />
rechts nicht ein Schuldverhältnis voraus (wie z.B. § 434 BGB den<br />
Kaufvertrag), sondern sie begründen erst ein solches, ausgelöst<br />
durch das unerlaubte Handeln des Schädigers.<br />
� Achtung 2: Auch die Verletzung vertraglicher Pflichten kann<br />
zu einem Schadenersatzanspruch aus den §§ 823 ff. BGB füh-<br />
ren. Nach dem <strong>2.</strong> Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtli-<br />
cher Vorschriften gilt dies grundsätzlich auch für einen Anspruch<br />
auf Schmerzensgeld (§ 253 BGB n.F.). So kann sich etwa der<br />
Verkäufer eines gebrauchten Kraftfahrzeuges, der in Kenntnis<br />
der Schadhaftigkeit des Wagens diesen seinem Kunden ohne<br />
entsprechende Kenntnisübermittlung veräußert, sowohl Ansprü-<br />
chen aus Vertrag wie nach §§ 823 ff. BGB aussetzen, wenn der<br />
Kunde aufgrund der Mangelhaftigkeit des Autos einen Unfall ver-<br />
ursacht und sich dabei etwa eine Körperverletzung zuzieht.<br />
Grundsätzlich immer eingeschlossen ist dabei ein Anspruch auf<br />
Schmerzensgeld.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
209<br />
______________________________________________________________<br />
B. Die gesetzliche Regelung<br />
Die Vorschriften der unerlaubten Handlung nach §§ 823 ff. BGB<br />
enthalten zahlreiche Anspruchsgrundlagen. Die bedeutsamsten<br />
sind die Folgenden:<br />
• § 823 Abs. 1 BGB<br />
• § 823 Abs. 2 BGB<br />
• § 826 BGB<br />
• § 839 BGB<br />
• § 839 a BGB<br />
Bedeutsame Anspruchsgrundlagen unerlaubte Handlung<br />
(§§ 823 ff. BGB)<br />
§ 823<br />
Abs. 1<br />
§ 823 Abs.<br />
2 (Schutzgesetzverletzung)<br />
§ 826 (vorsätzl.,sittenwidrige<br />
Schädigung)<br />
§ 839<br />
(Amtshaftung)<br />
§ 839 a<br />
(Haftung<br />
Sachverständiger)<br />
Daneben gibt es zahlreiche weitere Anspruchsnormen wie bei-<br />
spielsweise §§ 824 Abs. 1, 831 Abs. 1 S. 1, 833 S. 1 BGB.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
210<br />
______________________________________________________________<br />
C. Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB<br />
I. Prüfungsschema<br />
Prüfungsschema 22: § 823 Abs. 1 BGB<br />
1. Tatbestandsmäßiges Handeln des Schädigers<br />
a) Handeln<br />
aa) Grundsätzlich: positives Tun<br />
bb) Ausnahmsweise: Unterlassen, wenn Rechtspflicht zum<br />
Handeln besteht<br />
(1) Rechtspflicht zum Handeln aus Vertrag<br />
(2) Rechtspflicht zum Handeln aus Gesetz<br />
(3) Rechtspflicht zum Handeln aus Ingerenz<br />
b) Rechtsgutverletzung<br />
aa) Die ausdrücklich benannten Rechtsgüter<br />
bb) Sonstige = absolute Rechte<br />
<strong>2.</strong> Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Schädigers<br />
3. Verantwortlichkeit des Schädigers<br />
a) Verschuldensfähigkeit (§§ 827 f. BGB)<br />
b) Verschulden (grundsätzlich zumindest Fahrlässigkeit i.S.v.<br />
§ 276 Abs. 2 BGB)<br />
4. Schaden des Anspruchstellers<br />
Im Folgenden werden die Anspruchsvoraussetzungen des § 823<br />
Abs. 1 BGB im Detail behandelt.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
211<br />
______________________________________________________________<br />
1. Tatbestandsmäßiges Handeln<br />
a) Positives Tun/Unterlassen<br />
Tatbestandsmäßiges Handeln vollzieht sich in aller Regel im<br />
Wege des positiven Tuns.<br />
Beispiel: A schlägt B auf den Kopf und fügt ihm hierdurch ei-<br />
ne Wunde bei, die ärztlicher Behandlung bedarf.<br />
Möglich ist auch, dass die Rechtsgutsverletzung seitens des<br />
Schädigers durch ein Unterlassen hervorgerufen worden ist.<br />
Verantwortlichkeit für ein Unterlassen ist jedoch nur dann gege-<br />
ben, wenn der Schädiger aufgrund einer sog. Garantenstellung<br />
einer Rechtspflicht zum Handeln unterlag. Eine solche kann<br />
sich beispielsweise aus mit Blick auf das verletzte Rechtsgut be-<br />
stehenden Schutzpflichten ergeben.<br />
Beispiele: Pflichten aus natürlicher Verbundenheit (nahe An-<br />
gehörige, Ehepartner); Garantenstellung nach § 1626 BGB.<br />
Im Übrigen kann sich eine Garantenstellung auch daraus erge-<br />
ben, dass der Unterlassende eine Gefahrenquelle eröffnet hat<br />
oder für eine solche verantwortlich ist. Hauptanwendungsfall<br />
diesbezüglich ist die sog. Verkehrssicherungspflicht. Mit Letz-<br />
terer meint man die Pflicht, die von einer Gefahrenquelle ausge-<br />
henden Risiken durch die notwendigen und zumutbaren Vorkeh-<br />
rungen zu begrenzen, damit ein Schaden anderer nicht eintritt.<br />
Beispiel: Streupflicht bei Glatteis; Sicherung des gefahrlosen<br />
Betretens eines Hauses durch Wahrung der Verkehrssiche-<br />
rungspflicht in den Hausfluren.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
212<br />
______________________________________________________________<br />
b) Rechtsgutverletzung<br />
§ 823 Abs. 1 BGB schützt grundsätzlich nur die tatbestandlich<br />
näher benannten Rechtsgüter. Deren genaue Eingrenzung führt<br />
zu einer Reihe von Problemen.<br />
aa) Die ausdrücklich benannten Rechtsgüter<br />
• Verletzung des Rechtsgutes Leben = Tötung eines Menschen<br />
• Verletzung der Rechtsgüter Körper, Gesundheit = jeder Ein-<br />
griff, der zu einer Störung der körperlichen, geistigen oder<br />
seelischen Lebensvorgänge führt<br />
• Verletzung des Rechtsgutes Freiheit = Entziehung der kör-<br />
perlichen Bewegungsfreiheit<br />
• Verletzung des Rechtsgutes Eigentum = Einwirkung auf eine<br />
Sache durch Zerstörung, Beschädigung, Verunstaltung oder<br />
schlicht Entziehung<br />
bb) Sonstige (absolute) Rechte<br />
Sonstige Rechte sind mit Blick auf das ausdrücklich genannte<br />
Rechtsgut Eigentum als solche zu verstehen, die denselben<br />
rechtlichen Charakter wie das Eigentum haben und ebenso wie<br />
die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Freiheit von jedermann<br />
zu beachten sind. Daher sind sonstige Rechte absolute, d.h. ge-<br />
genüber jedermann, wirkende Rechte. Zu diesen gehören bei-<br />
spielsweise:<br />
• Dingliche Rechte (z.B. Hypothek, Grundschuld, Pfandrecht,<br />
Erbbaurecht)<br />
• Der unmittelbare und berechtigte Besitz (z.B. der Besitz<br />
des Mieters an der Mietwohnung)<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
213<br />
______________________________________________________________<br />
• Der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb – hier-<br />
bei handelt es sich um einen „Auffangtatbestand“, der eine<br />
ansonsten bestehende Gesetzeslücke schließen soll; not-<br />
wendig ist ein unmittelbarer und betriebsbezogener Ein-<br />
griff, d.h. es ist eine unmittelbare Beeinträchtigung des Ge-<br />
werbebetriebs als solchem erforderlich, der Eingriff muss sich<br />
spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die un-<br />
ternehmerische Entscheidungsfreiheit richten (kein Eingriff in<br />
den Bestand des Gewerbebetriebs bei nur mittelbaren Beein-<br />
trächtigungen durch ein außerhalb des Betriebes eingetrete-<br />
nes, mit seiner Wesenseigentümlichkeit nicht in Beziehung<br />
stehendes Schadensereignis).<br />
Beispiele für lediglich mittelbare Beeinträchtigungen:<br />
Unterbrechung einer Telefonleitung oder der Stromzufuhr<br />
in Folge eines durch Bauarbeiten hervorgerufenen Kabel-<br />
schadens; Verletzung eines Angestellten<br />
Beispiele für Verletzungen des Rechts am eingerichte-<br />
ten und ausgeübten Gewerbebetrieb: Geschäftsschädi-<br />
gende Kritik außerhalb eines Wettbewerbsverhältnisses,<br />
insbesondere durch vergleichende Warentests und Preis-<br />
vergleiche, sofern die Art der Kritik zu missbilligen ist (be-<br />
wusste Fehlurteile u.ä.); gewerkschaftlich ausgerufener<br />
Streik zur Durchsetzung eines tariflich nicht regelbaren<br />
Ziels (z.B. Gesetzesänderungen); Betriebsblockaden mit<br />
körperlicher oder psychischer Gewalt gegen Personen<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
214<br />
______________________________________________________________<br />
Zusammenfassung: Fallgruppen eines betriebsbezogenen<br />
Eingriffs<br />
1. Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung<br />
<strong>2.</strong> Schädigende Werturteile<br />
3. Aufruf zum Boykott und/oder darauf gerichtete Maßnahmen<br />
4. Blockade/sonstige physische Behinderung<br />
BGH, Urt. v. 10.1<strong>2.</strong>2002, Az. VI ZR 171/02, NJW 2003, 1040: Wird der<br />
Partner eines erfolgreichen und bekannten Eiskunstlaufpaares bei einem<br />
Verkehrsunfall verletzt, so kann die Partnerin von dem Schädiger<br />
keinen Ersatz des Schadens nach § 823 Abs. 1 BGB verlangen, der ihr<br />
durch den zeitweiligen unfallbedingten Ausfall des Partners entstanden<br />
ist; für einen Anspruch unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den<br />
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fehlt es jedenfalls an<br />
einem betriebsbezogenen Eingriff.<br />
• Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. 2<br />
Abs. 1 GG) – dies führt v.a. zu einem Schutz von Ehre und<br />
Privatsphäre<br />
� Achtung: § 823 Abs. 1 BGB gewährt keinen reinen Vermö-<br />
gensschutz! Vermögensbeschädigungen, die nicht zu einer<br />
Rechtsgutsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB geführt haben,<br />
begründen nur unter den Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 2<br />
oder auch 826 BGB eine Ersatzpflicht des Schädigers.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
215<br />
______________________________________________________________<br />
<strong>2.</strong> Die Rechtswidrigkeit<br />
Das Handeln des Schädigers muss rechtswidrig (= widerrecht-<br />
lich) gewesen sein. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn sich<br />
der Schädiger auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann.<br />
Im Zivilrecht ist hierbei u.a. die Notwehr nach § 227 BGB zu be-<br />
rücksichtigen sowie allgemein die sog. Einwilligung des Verletz-<br />
ten (beispielsweise im Rahmen eines ärztlichen Heileingriffs).<br />
3. Verantwortlichkeit<br />
a) Bei der Verantwortlichkeit ist zunächst die Verschuldensfähig-<br />
keit zu prüfen, §§ 827 f. BGB.<br />
� Achtung: § 828 BGB ist durch das <strong>2.</strong> Gesetz zur Änderung<br />
schadensersatzrechtlicher Vorschriften 2002 wesentlich mo-<br />
difiziert und regelt nunmehr u.a., dass Kinder bis zur Vollendung<br />
des 10. Lebensjahres in bestimmten Fällen (v.a. Schaden bei<br />
Unfall im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen) grundsätzlich<br />
nicht die notwendige Verantwortlichkeit aufweisen (dazu näher<br />
nachfolgend in einem Exkurs).<br />
b) Im Übrigen muss nach § 823 Abs. 1 BGB Verschulden (= Vor-<br />
satz und Fahrlässigkeit) vorliegen.<br />
Vorsatz bedeutet Wissen und Wollen der Verwirklichung des<br />
Tatbestandes. Fahrlässigkeit definiert sich nach § 276 Abs. 2<br />
BGB. Zu berücksichtigen ist, dass auch für das geringste Ver-<br />
schulden zu haften ist, soweit es kein anerkanntes Haftungspri-<br />
vileg gibt (so beispielsweise unter bestimmten Umständen im Ar-<br />
beitsrecht im Verhältnis Arbeitnehmer – Arbeitgeber, s.o.).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
216<br />
______________________________________________________________<br />
II. Rechtsfolgen – Schadensersatz und Umfang des<br />
Ersatzanspruches<br />
Rechtsfolge ist nach § 823 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzan-<br />
spruch, zu dessen Einzelheiten sich die Norm selbst nicht ver-<br />
hält. In welchem Umfang Schadensersatz durch den Schädiger<br />
zu leisten ist, ist in den §§ 823 ff. BGB nicht näher bestimmt. In-<br />
soweit sind die Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts maß-<br />
geblich, nämlich die §§ 249 ff. BGB.<br />
1. Allgemeines zum Umfang des Anspruchs auf Scha-<br />
densersatz<br />
Den Grundsatz des Schadensersatzrechts nach allgemeinem<br />
Schuldrecht enthält § 249 Abs. 1 BGB. Danach hat derjenige, der<br />
zum Schadensersatze verpflichtet ist, den Zustand herzustellen,<br />
der bestehen würde, wenn der zum Ersatze verpflichtende Um-<br />
stand nicht eingetreten wäre (sog. Naturalrestitution).<br />
Das Gesetz unterscheidet zwischen materiellen und immateriel-<br />
len Schäden. Problematisch ist vor allem der immaterielle Scha-<br />
den, da dieser gesetzlichen Beschränkungen unterworfen ist.<br />
Wegen eines immateriellen Schadens kann nach § 253 Abs. 1<br />
BGB eine Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz<br />
bestimmten Fällen gefordert werden. Ist wegen einer<br />
• Verletzung des Körpers,<br />
• der Gesundheit,<br />
• der Freiheit oder<br />
• der sexuellen Selbstbestimmung<br />
Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der<br />
nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld<br />
gefordert werden, § 253 Abs. 2 BGB.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
217<br />
______________________________________________________________<br />
� Achtung: Mit der Reform von § 253 BGB durch das <strong>2.</strong> Gesetz<br />
zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften 2002<br />
ist die bisherige Norm des § 847 BGB ersatzlos aufgehoben<br />
worden. Dies führt sowohl zu einer Reform der außervertragli-<br />
chen Haftung wie auch zu einer solchen für Fälle nicht-<br />
deliktischen Handelns (Einzelheiten in einem nachfolgenden Ex-<br />
kurs).<br />
<strong>2.</strong> Anspruch auf Schmerzensgeld<br />
� Lernhinweis: Mit Blick auf das Zweite Schadensersatzrechts-<br />
änderungsgesetz, welches zum 01.08.2002 zahlreiche Änderun-<br />
gen mit sich gebracht hat, wird mit Blick auf das Schmerzensgeld<br />
sowohl die bisherige Rechtslage wie auch das nunmehr maß-<br />
gebliche Recht dargestellt.<br />
a) Bisherige Rechtslage<br />
Für den Anspruch auf Schmerzensgeld war bislang v.a. § 847<br />
BGB maßgeblich. Allerdings reichte § 847 BGB a.F. als An-<br />
spruchsgrundlage nicht aus. Vielmehr bedurfte es zusätzlich<br />
stets eines Anspruches aus unerlaubter Handlung, beispielswei-<br />
se Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB.<br />
Die Abhängigkeit zwischen dem Anspruch auf Schmerzensgeld<br />
und dem Schadenersatzanspruch aus unerlaubter Handlung be-<br />
deutete, dass außerhalb der Normen der §§ 823 ff. BGB ein<br />
Schmerzensgeldanspruch nicht in Betracht kommen konnte.<br />
Dies hatte u.a. Bedeutung für die Frage nach dem Ersatz imma-<br />
terieller Schäden bei Pflichtverletzungen im Vertragsrecht. Hier<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
218<br />
______________________________________________________________<br />
war ein Schmerzensgeldanspruch ausgeschlossen, wenn nicht<br />
mit vertraglichen Ansprüchen auch solche aus §§ 823 ff. BGB<br />
konkurrierten.<br />
b) Nunmehr geltendes Recht<br />
Einer der wesentlichen Neuerungen des Zweiten Schadenser-<br />
satzrechtsänderungsgesetzes ist die Einführung eines Schmer-<br />
zensgeldanspruches über § 253 BGB n.F. Diese Bestimmung<br />
sowie alle weiteren wesentlichen, mit dem Zweiten Schadenser-<br />
satzrechtsänderungsgesetz vorgesehenen Modifikationen des<br />
Rechts sind nachfolgend in einem Exkurs behandelt.<br />
--------------------------------------------------------------------------------------<br />
Exkurs: Neuregelungen des Haftungs- und Scha-<br />
densersatzrechts durch das Zweite Schadenser-<br />
satzrechtsänderungsgesetzes<br />
A. Einleitung<br />
� Achtung: Das Gesetz ist in seinen wesentlichen Teilen am<br />
01.08.2002 in Kraft getreten. Es steht nicht im Zusammenhang<br />
mit der Schuldrechtsmodernisierung, die bereits zum 01.01.2002<br />
umwälzende Änderungen des Zivilrechts mit sich gebracht hatte.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
219<br />
______________________________________________________________<br />
Das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz betrifft u.a.<br />
die nachfolgend aufgeführten Punkte:<br />
_ Gewährung eines Anspruches auf Schmerzensgeld nach all-<br />
gemeinem Schadensrecht (§ 253 Abs. 2 BGB n.F.), mithin<br />
Ersatz des Nichtvermögensschadens auch bei Gefährdungs-<br />
und Vertragshaftung<br />
_ Einschränkung des Rechts zur Geltendmachung von Scha-<br />
denersatz auf Reparaturkostenbasis (§ 249 BGB n.F.)<br />
_ Neuregelung des Unfallverkehrsrechts bzw. der Straßenver-<br />
kehrsgefährdungshaftung (u.a. § 828 BGB n.F.; §§ 7, 17<br />
StVG n.F.)<br />
_ Sachverständigenhaftung nach § 839 a BGB<br />
_ Modifizierung von Haftungshöchstgrenzen, einschl. der Um-<br />
stellung auf Euro<br />
_ Reform der Arzneimittelhaftung<br />
B. § 253 Abs. 2 BGB n.F.<br />
� Beachte: Zugleich ist die bisherige Bestimmung des § 847<br />
BGB ersatzlos aufgehoben worden. Die im allgemeinen Scha-<br />
densrecht angesiedelte Norm des § 253 Abs. 2 BB n.F. führt so-<br />
wohl zu einer Reform der außervertraglichen Haftung für Fälle<br />
nicht-deliktischen Handelns wie auch zu einer solchen der Ver-<br />
tragshaftung. Beides soll nachfolgend erläutert werden.<br />
I. Schmerzensgeld und Vertragshaftung<br />
Das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz führt erst-<br />
mals zur Erstreckung des Anspruchs auf Schmerzensgeld im Be-<br />
reich vertraglicher Haftung. Allerdings liegt der Schwerpunkt der<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
220<br />
______________________________________________________________<br />
gesetzgeberischen Reformbemühungen vorrangig im Bereich<br />
der Schutzpflichten, die jeden Vertrag begleiten und die die<br />
Schuldrechtsmodernisierung in § 241 Abs. 2 BGB manifestiert<br />
hat. Da in derartigen Fällen regelmäßig zugleich eine unerlaubte<br />
Handlung gegeben sein dürfte, sind die praktischen Auswirkun-<br />
gen von § 253 Abs. 2 BGB insoweit gering.<br />
� Achtung: Von nachhaltiger Tragweite ist die Neuregelung in<br />
§ 253 Abs. 2 BGB vor allem in zweifacher Hinsicht: Fälle der Haf-<br />
tung für den Erfüllungsgehilfen sowie solche der Garantiehaf-<br />
tung.<br />
1. § 278 BGB<br />
Eine deutliche Schwäche des Deliktsrechtes ist und bleibt die<br />
Entlastungsmöglichkeit des Geschäftsherrn nach § 831 Abs. 1 S.<br />
2 BGB. Nach bisher geltendem Recht scheiterte der Anspruch<br />
auf Schmerzensgeld nicht selten daran, dass dem Geschäfts-<br />
herrn die Exkulpation gelang und demzufolge dem Schmerzens-<br />
geldanspruch nach § 847 BGB eine wesentliche Voraussetzung<br />
fehlte. Dies hat sich geändert. Nunmehr eröffnet die Verankerung<br />
der Regelung des Ersatzes immateriellen Schadens in § 253<br />
Abs. 2 BGB die Einbeziehung von § 278 BGB, mit der Folge,<br />
dass eine Exkulpation ausscheidet. Damit bewirkt § 253 Abs. 2<br />
BGB bezüglich des Schmerzensgeldes eine Reform der Unter-<br />
nehmenshaftung.<br />
<strong>2.</strong> Garantiehaftung<br />
Durch die Schuldrechtsreform bedingt findet sich in § 276 Abs. 1<br />
S. 1 BGB in Form der sog. Garantiehaftung ein Fall nicht ver-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
221<br />
______________________________________________________________<br />
schuldensabhängiger Haftung. Die Norm nimmt insoweit das In-<br />
stitut der Eigenschaftszusicherung (im Kaufrecht § 463 BGB<br />
a.F.) auf. Weil § 253 BGB n.F. kein Erfordernis des Vertreten-<br />
müssens aufweist, kann somit in Fällen verschuldensunabhängi-<br />
ger (Garantie-)Haftung jetzt ein Anspruch auf Schmerzensgeld in<br />
Betracht kommen, der nach bisherigem Recht wegen der Veran-<br />
kerung von § 847 BGB im Deliktsrecht grundsätzlich verschul-<br />
densabhängig war.<br />
Bei jeder Garantieübernahme muss ihr Inhalt durch Auslegung<br />
nach §§ 157, 133 BGB ermittelt werden. Die Garantie kann aus-<br />
drücklich oder stillschweigend übernommen werden. Sie ist unter<br />
Berücksichtigung der Rechtsprechung zur kaufvertraglichen Zu-<br />
sicherung anzunehmen, wenn der Schuldner durch eine Erklä-<br />
rung, die Vertragsinhalt geworden ist, dem Gläubiger zu erken-<br />
nen gibt, dass er für den Bestand der garantierten Eigenschaft<br />
und alle Folgen ihres Fehlens einstehen will. Dabei ist aber un-<br />
klar, ob im Kauf- und Werkvertragsrecht eine Garantiehaftung<br />
Personenschäden und mithin Ansprüche auf Schmerzensgeld<br />
nur dann erfassen soll, soweit diese nach Auslegung der Garan-<br />
tie in die Garantie mit einbezogen sind.<br />
C. § 249 BGB n.F.<br />
Die Änderung des Gesetzes betrifft ganz maßgeblich die Be-<br />
schädigung von Fahrzeugen. Wird ein Fahrzeug beschädigt, so<br />
kann der Geschädigte die notwendigen Reparaturkosten vom<br />
Schädiger beanspruchen, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB n.F. Daran hat<br />
sich gegenüber der bisherigen Rechtslage nichts geändert. Un-<br />
verändert bleibt auch das Recht des Geschädigten, die Repara-<br />
turkosten auch dann verlangen zu können, wenn die Reparatur<br />
erst gar nicht durchgeführt wird, das Fahrzeug in Zahlung gege-<br />
ben, privat veräußert oder verschrottet wird. Beschränkt wird die-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
222<br />
______________________________________________________________<br />
ses Recht des Geschädigten lediglich durch die sog. 130 %-<br />
Grenze: Wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungs-<br />
wert des Fahrzeuges um mehr als 30 % übersteigen, kann der<br />
Geschädigte nicht mehr sein Integritätsinteresse durchsetzen,<br />
vielmehr muss er sich auf die Kosten für die Wiederbeschaffung<br />
verweisen lassen, welche im Übrigen um den Restwert des be-<br />
schädigten Fahrzeuges zu kürzen sind, sog. wirtschaftlicher To-<br />
talschaden.<br />
Neu ist hingegen, dass der Geschädigte im Falle einer nicht<br />
durchgeführten Reparatur nunmehr lediglich die um den Um-<br />
satzsteuersatz verminderten Reparaturkosten ersetzt verlangen<br />
kann.<br />
D. Änderungen im Verkehrsunfallrecht<br />
Das Gesetz zeichnet sich weiterhin durch zahlreiche Änderungen<br />
im Bereich der Verkehrsunfallhaftung aus. Diese betreffen zum<br />
einen eine Verbesserung der Stellung von Minderjährigen, zum<br />
anderen Modifikationen im Straßenverkehrsgesetz.<br />
I. Besserstellung von Minderjährigen<br />
� Achtung: § 828 Abs. 2 BGB a.F. wird durch zwei Absätze er-<br />
setzt:<br />
„(2) Wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet<br />
hat, ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem<br />
Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn<br />
einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn<br />
er die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt hat.<br />
(3) Wer das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist,<br />
sofern seine Verantwortlichkeit nicht nach den Absätzen 1 oder<br />
2 ausgeschlossen ist, für den Schaden, den er einem anderen<br />
zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
223<br />
______________________________________________________________<br />
schädigenden Handlung nicht die zu Erkenntnis der Verantwortlichkeit<br />
erforderliche Einsicht hat.“<br />
Durch die Ergänzung von § 828 BGB werden Kinder vor Vollen-<br />
dung des 10. Lebensjahres grundsätzlich von einer Haftung für<br />
Schäden bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schie-<br />
nen- oder einer Schwebebahn freigestellt. Da § 282 BGB auch<br />
für den Mitverschuldenseinwand (§ 254 BGB, § 9 StVG, § 4<br />
HPflG) maßgebend ist, wirkt sich diese Änderung auch auf ihn<br />
aus, und führt dazu, dass Kindern unter 10 Jahren in den Fällen<br />
des neuen § 828 Abs. 2 BGB ein Mitverschulden nicht entge-<br />
gengehalten werden kann.<br />
Ausgenommen von der Heraufsetzung der Deliktsfähigkeit sollen<br />
allerdings vorsätzlich herbeigeführte Schäden sein, da insoweit<br />
eine Überforderung des Kindes als schadensursächlich auszu-<br />
schließen ist.<br />
� Achtung: Zu beachten ist im Übrigen die Beibehaltung von<br />
§ 829 BGB, der aus Billigkeitsgründen im Einzelfall eine Ersatz-<br />
pflicht des nach § 828 BGB an sich nicht verantwortlichen Min-<br />
derjährigen gestattet.<br />
II. Änderung § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG)<br />
§ 7 StVG n.F. lautet wie folgt:<br />
„(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers,<br />
der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt<br />
zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit<br />
eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der<br />
Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehende<br />
Schaden zu ersetzen.<br />
(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere<br />
Gewalt verursacht wird.<br />
(3) Benutzt jemand das Fahrzeug ohne Wissen und Willen des<br />
Fahrzeughalters, so ist er an Stelle des Halters zum Ersatz des<br />
Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
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______________________________________________________________<br />
des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Fahrzeugs<br />
durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet<br />
keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für<br />
den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm<br />
das Fahrzeug vom Halter überlassen worden ist. Die Sätze 1<br />
und 2 sind auf die Benutzung eines Anhängers entsprechend<br />
anzuwenden.“<br />
Mit der Neuformulierung in § 7 Abs. 2 StVG ist die Streichung<br />
des unabwendbaren Ereignisses, das dem Halter die Entlastung<br />
erlaubte, wenn die Sorgfalt eines „Idealfahrers“ eingehalten war,<br />
verbunden. Hintergrund der Gesetzesreform ist aber nicht so<br />
sehr die Problematik des unabwendbaren Ereignisses an sich<br />
gewesen, sondern vielmehr der bereits behandelte Minderjähri-<br />
genschutz. Als unabwendbares Ereignis betrachtete man näm-<br />
lich vor allem solche Fälle, in denen Kinder ohne die notwendige<br />
Rücksicht auf die Straße liefen und dem Autofahrer keine Chan-<br />
ce ließen sein Fahrzeug vor den Kind zum Stehen zu bringen.<br />
Trotz der Reform des § 828 Abs. 2 BGB wäre es in diesen Fällen<br />
bei dem Grundsatz geblieben, dass das verunglückte Kind kei-<br />
nen Schadenersatz erhält, ohne dass es auf Verschuldensfähig-<br />
keit oder Mitverschulden angekommen wäre. Nach neuem Recht<br />
trägt der Kraftfahrer das Risiko, dass Kinder sich grob verkehrs-<br />
widrig verhalten.<br />
Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass die Bestim-<br />
mung des § 7 Abs. 2 StVG n.F. ihrem Sinn und Zweck nach nicht<br />
auf das Verhältnis zweier Kraftfahrzeughalter untereinander An-<br />
wendung finden kann. In diesem Sinne ist § 17 StVG n.F. zu ver-<br />
stehen. Mit der dort übernommenen Formulierung aus dem bis-<br />
herigen § 7 Abs. 2 StVG will der Gesetzgeber deutlich machen,<br />
dass es bei der bislang geübten Praxis verbleiben soll, wonach<br />
sich die Haftung im Verhältnis mehrerer Kraftfahrzeughalter un-<br />
tereinander sowie der Innenausgleich nach Entschädigung Drit-<br />
ter vorrangig durch die im Einzelfall festgestellten Verursa-<br />
chungs- und Verschuldensanteile bestimmt wird.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
225<br />
______________________________________________________________<br />
§ 17 StVG n.F. lautet wie folgt:<br />
„(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht<br />
und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes<br />
zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis<br />
der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum<br />
Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von dem<br />
Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden<br />
vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht<br />
worden ist.<br />
(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden<br />
ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter<br />
untereinander.<br />
(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach Absatz 1 und 2 ist ausgeschlossen,<br />
wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis<br />
verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit<br />
des Fahrzeugs, noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen<br />
beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann,<br />
wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede<br />
nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet<br />
hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber<br />
dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter<br />
ist.<br />
(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden,<br />
wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und einen<br />
Anhänger, durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein<br />
Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.“<br />
III. Sonstige Änderungen im StVG<br />
Weitere Änderungen betreffen §§ 7 Abs.1, 8 Nr.2 sowie 8 a Abs.<br />
1 StVG.<br />
E. Sachverständigenhaftung (§ 839 a BGB)<br />
Mit der gesetzlichen Neuregelung in § 839 a BGB wird ein neuer<br />
Haftungstatbestand geschaffen. Dieser regelt die Haftung des<br />
gerichtlichen Sachverständigen für ein unrichtiges Gutachten ab-<br />
schließend. Unerheblich ist es, ob der Sachverständige beeidigt<br />
wurde. Sowohl der beeidigte als auch der unbeeidigte Sachver-<br />
ständige haften für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.<br />
Mit der Regelung soll vor allem dem Umstand Rechnung getra-<br />
gen werden, dass der Rückgriff auf den Sachverständigen für<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
226<br />
______________________________________________________________<br />
den in einem Rechtsstreit auf Grund eines falschen Sachver-<br />
ständigengutachtens Unterlegenen oft die einzige Möglichkeit ist,<br />
materielle Gerechtigkeit zu erlangen. Dies birgt allerdings auch<br />
die Gefahr in sich, dass rechtskräftig abgeschlossene Prozesse<br />
im Gewand des Sachverständigenhaftungsprozesses neu aufge-<br />
rollt werden.<br />
Eine Ersatzpflicht des Sachverständigen soll nur insoweit be-<br />
gründet werden, als einem Prozessbeteiligten durch eine gericht-<br />
liche Entscheidung, die auf dem unrichtigen Gutachten beruht,<br />
ein Schaden entsteht. Damit ist beispielsweise eine Ersatzpflicht<br />
dann ausgeschlossen, wenn sich die Parteien angesichts des er-<br />
statteten Gutachtens vergleichsweise einigen.<br />
Zu weiteren Einzelheiten s. Wagner, Das Zweite Schadenser-<br />
satzrechtsänderungsgesetz, NJW 2002, 2049; www.eisenbeis-<br />
rechtsanwaelte.de<br />
Exkurs Ende<br />
----------------------------------------------------------------------------------------------<br />
3. Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfallschäden<br />
Der Anspruch auf Schadensersatz im Bereich der unerlaubten<br />
Handlung umfasst auch den sog. Erwerbs- und Fortkommens-<br />
schaden, § 842 BGB.<br />
4. Entgangener Gewinn (§ 252 BGB)<br />
An sich ergibt sich die Verpflichtung des Schädigers, entgange-<br />
nen Gewinn zu ersetzen, bereits aus § 249 Abs. 1 BGB. Insoweit<br />
hat § 252 S. 1 BGB lediglich eine klarstellende Funktion.<br />
Unter entgangenem Gewinn versteht man alle Vermögensvortei-<br />
le, die im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses noch nicht<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
227<br />
______________________________________________________________<br />
zum Vermögen des Verletzten gehört haben, die ihm aber ohne<br />
dieses Ereignis zugeflossen wären (BGH NJW 2000, 2670).<br />
§ 252 S. 2 BGB enthält eine Beweiserleichterung. Der Ge-<br />
schädigte braucht nur die Umstände darzulegen und zu bewei-<br />
sen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge<br />
oder den besonderen Umständen des Falles die Wahrscheinlich-<br />
keit des Gewinneintritts ergibt.<br />
5. Mitverschulden des Geschädigten (§ 254 BGB)<br />
Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Ge-<br />
schädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatze<br />
sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umstän-<br />
den, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend<br />
von dem einen oder dem anderen Teile verursacht worden ist,<br />
§ 254 Abs. 1 BGB.<br />
D. Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB<br />
(Schutzgesetzverletzung)<br />
Nach § 823 Abs. 2 BGB ist derjenige zum Schadensersatz ver-<br />
pflichtet, der „gegen einen den Schutz eines anderen bezwe-<br />
ckendes Gesetz verstößt“.<br />
Der Tatbestand von § 823 Abs. 2 BGB weist gegenüber § 823<br />
Abs. 1 BGB eine Reihe von Besonderheiten auf, die nachfolgend<br />
kurz behandelt werden sollen.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
228<br />
______________________________________________________________<br />
I. Erfassung reiner Vermögensschäden<br />
Die Norm des § 823 Abs. 2 BGB ahndet auch solche Verstöße,<br />
bei denen als Folge der Handlung des Schädigers ein bloßer<br />
Vermögensschaden entstanden ist, vgl. o.<br />
II. Verstoß gegen Schutzgesetz<br />
Eine weitere Besonderheit des § 823 Abs. 2 BGB gegenüber<br />
§ 823 Abs. 1 BGB ist die Voraussetzung eines Verstoßes gegen<br />
ein sog. Schutzgesetz.<br />
Schutzgesetz in diesem Sinne ist jede Rechtsnorm, die dem<br />
Schutz der Interessen anderer dienen soll, was bedeutet,<br />
dass die Norm ihrem Inhalt nach – durch Ausspruch eines be-<br />
stimmten Ge- oder Verbotes – den Schutz eines anderen be-<br />
zwecken muss. Letzteres ist dann der Fall, wenn die besagte<br />
Norm dazu dienen soll, dem Einzelnen Schutz vor der Verlet-<br />
zung seiner Rechte zu gewähren.<br />
� Merke: Ein Schutzgesetz erfordert<br />
(1.) eine Rechtsnorm, die<br />
(<strong>2.</strong>) den Schutz eines anderen bezweckt, d.h. gezielt der Ver-<br />
letzung von Individualinteressen vorbeugen will.<br />
Nicht Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB sind somit solche<br />
Vorschriften, die ausschließlich die Allgemeinheit und hier insbe-<br />
sondere die Ordnung des Staates, seiner Verfassung und Ver-<br />
waltung zum Gegenstand ihres Schutzzweckes haben.<br />
Beispiele für Schutzgesetze finden sich v.a. im Strafgesetz-<br />
buch (StGB), dort z.B. die Vorschriften der §§ 123 StGB<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
229<br />
______________________________________________________________<br />
(Hausfriedensbruch), 223 ff. StGB (Körperverletzungsdelikte),<br />
242 StGB (Diebstahl), 263 StGB (Betrug).<br />
Neben diesen Strafvorschriften können aber auch Vorschrif-<br />
ten der Verfassung, des Bürgerlichen Rechts sowie u.a. auch<br />
des Handelsrechts Schutzgesetzcharakter besitzen. Im BGB<br />
zählen zu den Schutzgesetzen u.a. die §§ 226, 906, 1004<br />
BGB, im HGB §§ 177 a, 130 a, im GmbHG u.a. § 64 Abs. 1<br />
(zum Schutz derjenigen, die vor dem Zeitpunkt, in dem der<br />
Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen, bereits Gläu-<br />
biger waren).<br />
III. Zusammenfassung (Prüfungsschema 23)<br />
Prüfungsschema 23: § 823 Abs. 2 BGB<br />
1. Tatbestandsmäßiges Handeln des Schädigers<br />
a) Handeln<br />
b) Vorliegen eines Schutzgesetzes und Verstoß gegen das<br />
Schutzgesetz<br />
<strong>2.</strong> Rechtswidrigkeit<br />
3. Verantwortlichkeit des Schädigers<br />
4. Schaden des Anspruchstellers<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
230<br />
______________________________________________________________<br />
E. Vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB)<br />
§ 826 BGB ergänzt § 823 BGB. Die Norm gewährt auch ohne<br />
Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes einen Ersatzanspruch<br />
bei Vermögensbeschädigung.<br />
I. Das Merkmal der Sittenwidrigkeit in § 826 BGB<br />
Der Tatbestand des § 826 BGB verlangt ein Vorgehen des<br />
Schädigers, das „ gegen die guten Sitten“ verstößt. Ein solcher<br />
Sittenverstoß ist dann zu bejahen, wenn das schädigende Ver-<br />
halten gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht<br />
Denkenden verstößt – so die bis heute gültige Formulierung des<br />
Reichsgerichts, die auch bei der Begriffsfindung der Sittenwidrig-<br />
keit in § 138 BGB Anwendung findet und hier wie dort wenig<br />
Präzises aussagt! Es bleibt mithin bei einer Prüfung des Einzel-<br />
falles, wobei die nachfolgenden Überlegungen als Maßstab die-<br />
nen können:<br />
1. Bestimmend für den Begriff der „guten Sitten“ ist die herrschen-<br />
de Rechts- und Sozialmoral, wobei ein durchschnittlicher<br />
Maßstab anzulegen ist. Da auch bei Handlungen des Schädi-<br />
gers, die nur in bestimmten Gruppierungen der Gesellschaft<br />
(beispielsweise unter Kaufleuten) festzustellen sind, auf das all-<br />
gemeine Anstandsgefühl Rücksicht zu nehmen ist, dürfen<br />
„gruppenspezifische Auswüchse“ (z.B. schädigende Wettbe-<br />
werbshandlungen) die Schwelle der Sittenwidrigkeit nicht herauf-<br />
setzen.<br />
<strong>2.</strong> Allerdings ist es nicht ausreichend für die Feststellung der Sit-<br />
tenwidrigkeit, wenn eine bestimmte Handlung nur einfach als un-<br />
gerecht oder unbillig angesehen wird. Gerade etwa der Handels-<br />
verkehr ist darauf angewiesen, dass die Verfolgung eigener Inte-<br />
ressen weitgehend von staatlicher Lenkung unbeeinflusst bleibt,<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
231<br />
______________________________________________________________<br />
so dass die (u.U. im Einzelfall ungerechte und unbillige) Aus-<br />
übung von Rechten grundsätzlich auch dann als unproblema-<br />
tisch angesehen werden muss, wenn damit die Schädigung ei-<br />
nes anderen verbunden ist.<br />
3. Der Maßstab der Prüfung der Sittenwidrigkeit ist immer ein ob-<br />
jektiver. Die innere Einstellung des Täters kann nur ausnahms-<br />
weise dann relevant werden, wenn er sein Verhalten unter den<br />
Umständen des Einzelfalles als gerechtfertigt ansehen durfte.<br />
4. In jedem Fall bedarf es einer genauen und wohl abgewogenen<br />
Prüfung, bei der vor allem die gelungene Argumentation zählt.<br />
Besonderer Wert sollte dabei auf die Feststellung des Zwecks<br />
und des Beweggrundes des Schädigerverhaltens gelegt wer-<br />
den. Die Sittenwidrigkeit eines bestimmten Vorgehens einmal in<br />
dem durch das Verhalten verfolgten Zweck (z.B. gezielte Zufü-<br />
gung von Schaden) als auch in den für einen an sich erlaubten<br />
Zweck angewandten Mitteln (z.B. bestimmten Wettbewerbshand-<br />
lungen) verborgen sein.<br />
Beispiele für Fälle sittenwidrigen Handelns: Bewusst un-<br />
richtige Auskunft/Raterteilung, die den Geschädigten veran-<br />
lasst hat, die schadensstiftende Handlung vorzunehmen; vor-<br />
sätzliches Verschweigen von Unterschlagungen eines frühe-<br />
ren Mitarbeiters in einem Zeugnis des Arbeitgebers; Einzelfäl-<br />
le der Insolvenzverzögerung; planmäßiges Zusammenwirken<br />
des Schädigers mit einem Vertragspartner zum Schaden des<br />
Vertragsgegenübers; bewusste Ausnutzung des Missbrauchs<br />
der Vertretungsmacht.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
232<br />
______________________________________________________________<br />
II. Das Vorsatzerfordernis in § 826 BGB<br />
Eine weitere Besonderheit des § 826 BGB ist das Erfordernis<br />
des Vorsatzes auf Seiten des Schädigers. Vorsatz bedeutet das<br />
Bewusstsein, dass das Handeln den schädlichen Erfolg be-<br />
wirken wird. Der Vorsatz muss auch den ungefähren Umfang<br />
des Schadens mit umfassen. Es genügt jedoch sog. bedingter<br />
Vorsatz, d.h. es ist ausreichend, wenn der Schädiger die mögli-<br />
chen Folgen seines Handelns in seinen Willen aufgenommen hat<br />
und den Schadenseintritt billigend in Kauf nimmt (ergo: Der<br />
Täter muss den Erfolg seines Handelns nicht zielstrebig verfolgt<br />
haben!).<br />
Nicht erforderlich ist, dass der Täter das Bewusstsein der Sitten-<br />
widrigkeit besitzt. Allerdings ist zu verlangen, dass der Schädiger<br />
Bewusstsein von den Umständen besitzt, die die Sittenwidrigkeit<br />
ausmachen.<br />
F. Die Haftung für den Verrichtungsgehilfen (§ 831<br />
BGB)<br />
§ 831 BGB befasst sich mit der Haftung des Geschäftsherrn für<br />
einen Verrichtungsgehilfen. Die Haftung gründet auf der Vermu-<br />
tung eines eigenen Verschuldens des Geschäftsherrn bei Aus-<br />
wahl, Überwachung und Leitung der Hilfsperson bzw. bei Be-<br />
schaffung der erforderlichen Vorrichtungen oder Gerätschaften<br />
sowie auf die weitere Vermutung des ursächlichen Zusammen-<br />
hangs zwischen dem Verschulden des Geschäftsherrn und dem<br />
dem Dritten zugefügten Schaden. Allerdings kann der Ge-<br />
schäftsherr die Vermutungen nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB ent-<br />
kräften.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
233<br />
______________________________________________________________<br />
I. Abgrenzung zu § 278 BGB<br />
• Im Gegensatz zu § 278 BGB haftet der Geschäftsherr im<br />
Rahmen des § 831 BGB nicht für fremdes, sondern für eige-<br />
nes (vermutetes) Verschulden. Dies ergibt sich mittelbar<br />
aus § 831 Abs. 1 S. 2 BGB.<br />
• § 278 BGB regelt die Haftung für den Erfüllungsgehilfen in-<br />
nerhalb eines bestehenden Schuldverhältnisses; § 831 BGB<br />
betrifft hingegen die Haftung für den Verrichtungsgehilfen au-<br />
ßerhalb eines solchen Schuldverhältnisses.<br />
• § 278 BGB eröffnet dem Geschäftsherrn keine Möglichkeit,<br />
sich zu entlasten – anders die sog. Exkulpation nach § 831<br />
Abs. 1 S. 2 BGB.<br />
� Achtung: § 831 Abs. 1 S. 1 BGB ist Anspruchsgrundlage.<br />
§ 278 BGB ist Zurechnungsnorm. In der Klausur darf sich mithin<br />
§ 278 BGB im Obersatz nur in Verbindung mit einer Anspruchs-<br />
grundlage finden; hingegen ist die Benennung von § 831 Abs. 1<br />
S. 1 BGB im Obersatz ausreichend.<br />
II. Die Voraussetzungen des § 831 BGB im einzelnen<br />
1. Besteller<br />
„Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt“ (= Besteller oder<br />
auch Geschäftsherr), ist derjenige, der vom Geschädigten in An-<br />
spruch genommen werden kann. Diese regelmäßig unproblemati-<br />
sche Voraussetzung des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB dient lediglich der<br />
Festlegung des Anspruchsgegners.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
234<br />
______________________________________________________________<br />
<strong>2.</strong> Verrichtungsgehilfe<br />
Die wohl entscheidende Frage ist in den meisten Fällen die, ob es<br />
sich bei dem Schädiger um einen Verrichtungsgehilfen handelt.<br />
Eine eindeutige Definition des Verrichtungsgehilfen ist bis heute<br />
nicht gefunden. Dennoch lässt sich grundsätzlich sagen, dass Ver-<br />
richtungsgehilfe derjenige ist, der von einem anderen (= Ge-<br />
schäftsherr) eine Tätigkeit übertragen bekommen hat und im<br />
Rahmen dieser Tätigkeit von den Weisungen des anderen mehr<br />
oder weniger abhängig ist. Dabei ist es ausreichend, wenn der<br />
Geschäftsherr die Tätigkeit „seines“ Verrichtungsgehilfen jederzeit<br />
beschränken, untersagen oder nach Zeit und Umfang näher<br />
bestimmen kann.<br />
Die möglichen Tätigkeiten des Verrichtungsgehilfen können vielfäl-<br />
tiger Natur sein. Es kann sich um entgeltliche oder unentgeltliche,<br />
einmalige oder auf Dauer gerichtete Tätigkeiten handeln. Das Ver-<br />
halten des Verrichtungsgehilfen kann ein tatsächliches (z.B. In-<br />
nenanstrich durch den Malergesellen) oder eine rechtliches (z.B.<br />
Abschluss eines Vertrages) sein.<br />
Zum Teil wird für den Verrichtungsgehilfen auch eine „soziale<br />
Abhängigkeit“ verlangt. Das Verhältnis einer in sozialer Hinsicht<br />
vorhandenen Unter- bzw. Überordnung trifft in der Tat auf zahlrei-<br />
che Fallkonstellationen zu; falsch ist es, daraus stets ein Erforder-<br />
nis nach sozialer Abhängigkeit abzuleiten. So kann etwa auch ein<br />
höherer Angestellter oder der Leiter eines gewerblichen Unter-<br />
nehmens Verrichtungsgehilfe sein, sofern insbesondere eine Wei-<br />
sungsabhängigkeit im oben näher bezeichneten Sinne festzustel-<br />
len ist. Letzteres ist jedoch nicht anzunehmen in den Fällen selb-<br />
ständiger Handwerksmeister, Bauunternehmer u.ä. -<br />
Beispiele aus der Rechtsprechung: Der Rechtsanwalt als<br />
Verrichtungsgehilfe seines Mandanten; Krankenhausarzt und<br />
Krankenhausschwester im Verhältnis zum Krankenhausträ-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
235<br />
______________________________________________________________<br />
ger; der Bauunternehmer ist Geschäftsherr seiner Arbeiter;<br />
nicht Verrichtungsgehilfe ist der Taxifahrer im Verhältnis zum<br />
Fahrgast; nicht der Hotelier im Verhältnis zum Reiseveran-<br />
stalter.<br />
3. „In Ausführung der Verrichtung“<br />
Eine häufig übersehene Voraussetzung des § 831 BGB ist ein<br />
innerer Zusammenhang zwischen der schadensstiftenden<br />
Handlung des Verrichtungsgehilfen einerseits und seiner<br />
Tätigkeit für den Geschäftsherrn andererseits. § 831 BGB<br />
fordert die Herbeiführung eines Schadens „in Ausführung der<br />
Verrichtung“. Es muss hinsichtlich Zweck und Art der Verrichtung<br />
ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen der dem Ge-<br />
hilfen aufgetragenen Tätigkeit und der schädigenden Handlung<br />
bestehen. Fällt das Handeln des Gehilfen aus dem Kreis der Tä-<br />
tigkeiten heraus, der den üblichen Rahmen seines Handelns für<br />
den Geschäftsherrn insgesamt bildet, entfällt eine Haftung des<br />
Geschäftsherrn über § 831 BGB.<br />
� Achtung: Allein der bewusste und eigenmächtige Verstoß<br />
gegen eindeutige Weisungen des Geschäftsherrn macht das<br />
Gehilfenhandeln nicht schon zu einer außerhalb der Ausführung<br />
der Verrichtung stehenden Tätigkeit.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
236<br />
______________________________________________________________<br />
4. Ausschluss der Haftung (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB)<br />
Die Ersatzpflicht des Geschäftsherrn tritt nicht ein, wenn ihn ent-<br />
gegen der Vermutung des § 831 BGB kein Verschulden trifft. Ein<br />
Verschulden liegt nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB nicht vor, „wenn<br />
_ [1. Alt.] der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Per-<br />
son [= Verrichtungsgehilfe] und, sofern er Vorrichtungen oder<br />
Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Ver-<br />
richtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung<br />
die im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beobachtet oder<br />
_ [<strong>2.</strong> Alt.] wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorg-<br />
falt entstanden sein würde“.<br />
III. Zusammenfassung = Prüfungsschema 24<br />
Prüfungsschema 24: § 831 BGB<br />
1. Verrichtungsgehilfeneigenschaft<br />
<strong>2.</strong> Widerrechtliches Zufügen eines Schadens durch Verrich-<br />
tungsgehilfen i.S.d. §§ 823 ff. BGB<br />
3. In Ausführung der Verrichtung<br />
4. Schaden bei Anspruchsteller<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
237<br />
______________________________________________________________<br />
8. <strong>Kapitel</strong>: Ungerechtfertigte Bereiche-<br />
rung (§§ 812 ff. BGB)<br />
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238<br />
______________________________________________________________<br />
8. <strong>Kapitel</strong>: Ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff.<br />
BGB)<br />
A. Ratio<br />
Das Bereicherungsrecht stellt im Grundsatz eine Ausglei-<br />
chungsordnung dar. Dies soll der nachfolgend dargestellte<br />
„Minderjährigen-Fall“ verdeutlichen:<br />
Beispiel: Der 12-jährige A kauft im Fahrradgeschäft des B<br />
ein neues Fahrrad zum Preis von 500,00 €. Auf die Frage des<br />
B, ob er (A) auch soviel Geld bei sich habe, antwort A, er wol-<br />
le morgen wiederkommen und den Kaufpreis bezahlen. Da A<br />
schon sofort mit dem Fahrradfahren beginnen möchte, gibt B<br />
im Vertauen auf das Versprechen des A diesem das Fahrrad<br />
mit nach Hause. Die Eltern des A sind entsetzt über den Kauf<br />
des A und verweigern jede Zustimmung zu dem von A getä-<br />
tigten Geschäft.<br />
Fest steht, dass A und B keinen wirksamen Kaufvertrag ge-<br />
schlossen haben (vgl. §§ 106, 107, 108 Abs. 1 BGB). Dies be-<br />
deutet zunächst aber nur, dass dem B mangels Zustandekom-<br />
men eines Kaufvertrages ein Kaufpreisanspruch (nach § 433<br />
Abs. 2 BGB) gegen A nicht zusteht. Fraglich ist hingegen das<br />
Schicksal des Fahrrades. Dieses stand ursprünglich im Eigentum<br />
des B. Durch die rechtlich wirksame Übereignung nach § 929 S.<br />
1 BGB (dabei handelt es sich um ein für A lediglich rechtlich vor-<br />
teilhaftes Geschäft i.S. des § 107 BGB!), hat B sein Eigentum<br />
verloren.<br />
Ergo: B benötigt Hilfe, denn wer schon den Kaufpreisanspruch<br />
nicht durchzusetzen vermag (s.o.), sollte wenigstens sein Eigen-<br />
tum zurück erlangen können. Dafür stellt § 985 BGB keine ge-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
239<br />
______________________________________________________________<br />
eignete Anspruchsgrundlage dar, denn § 985 BGB setzt u.a. Ei-<br />
gentum auf Seiten des Anspruchstellers (hier B) voraus – das<br />
Eigentum an dem Fahrrad steht aber mittlerweile A und nicht<br />
mehr B zu (s.o.). Mithin bedarf es einer Anspruchsgrundlage, die,<br />
ohne Eigentum des B vorauszusetzen, B in die Lage versetzt,<br />
das Fahrrad zurückzuerhalten.<br />
Eine dafür geeignete Anspruchsgrundlage liefert § 812 Abs. 1 S.<br />
1, 1. Alt. BGB („Wer durch die Leistung eines anderen [...] etwas<br />
ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflich-<br />
tet“):<br />
• „Wer“ = A<br />
• „Durch die Leistung eines anderen“ = durch Leistung des B<br />
• „Etwas“ = Eigentum und Besitz an dem Fahrrad<br />
• „Ohne rechtlichen Grund erlangt“ = A erlangt Eigentum und<br />
Besitz ohne Vorliegen eines wirksamen Kaufvertrages (= der<br />
rechtliche Grund!)<br />
• „Ist ihm zur Herausgabe verpflichtet“ = Rechtsfolge.<br />
Also: Über § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB erhält B einen An-<br />
spruch gegenüber A auf Herausgabe des Fahrrades.<br />
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240<br />
______________________________________________________________<br />
B. Die vier Tatbestände des § 812 Abs. 1 BGB<br />
§ 812 Abs. 1 BGB regelt im Detail 4 unterschiedliche Fälle ge-<br />
setzlicher Schuldverhältnisse. Im einzelnen:<br />
_ § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB: Fall der Leistungskondiktion<br />
(Leistung = jede bewusste und zweckgerichtete Vermehrung<br />
fremden Vermögens)<br />
_ § 812 Abs. 1 S. 1, <strong>2.</strong> Alt. BGB: Die Bereicherung „in sonsti-<br />
ger Weise“ = Nichtleistungskondiktion, auch Eingriffskondikti-<br />
on genannt<br />
Schulbeispiel: Der eigenmächtige Ge- oder Verbrauch<br />
fremder Sachen<br />
_ § 812 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. BGB: Späterer Wegfall des<br />
Rechtsgrundes; hier war im Zeitpunkt der Leistung ein<br />
Rechtsgrund vorhanden, dieser ist aber später weggefallen<br />
(so beispielsweise im Falle des Eintritts einer auflösenden<br />
Bedingung oder im Falle der Vertragsaufhebung)<br />
_ § 812 Abs. 1 S. 2, <strong>2.</strong> Alt. BGB: Nichteintritt des mit einer<br />
Leistung bezweckten Erfolges; erforderlich ist, dass über den<br />
mit jeder Leistung notwendigerweise verfolgten Zweck hinaus<br />
ein besonderer, zukünftig eintretender Erfolg rechtlicher oder<br />
tatsächlicher Natur nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts von<br />
den Beteiligten vorausgesetzt, aber nicht eingetreten ist (bei-<br />
spielsweise die Hingabe einer Quittung in Erwartung der Zah-<br />
lung, die dann unterbleibt).<br />
Zu beachten ist, dass nur der Fall des § 812 Abs. 1 S. 1, <strong>2.</strong> Alt.<br />
BGB ein solcher der Nichtleistungskondiktion ist, die übrigen<br />
Tatbestände des § 812 BGB sind solche der Leistungskondik-<br />
tion.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
241<br />
______________________________________________________________<br />
Prüfungsschema 25: Voraussetzungen<br />
§ 812 Abs. 1 S.1, 1. Alt. BGB<br />
1. Jemand (= Anspruchsgegner) hat etwas erlangt („etwas“<br />
= jeder vermögenswerte Vorteil, z.B. Besitz und Eigentum<br />
an einer Sache)<br />
<strong>2.</strong> Durch Leistung (= jede zweckgerichtete Mehrung frem-<br />
den Vermögens) eines anderen<br />
3. Ohne rechtlichen Grund<br />
C. § 816 BGB<br />
§ 816 BGB regelt Fälle der Eingriffskondiktion. Die Norm ist<br />
von großer praktischer Bedeutung. Sie hat in erster Linie die<br />
Aufgabe, überall dort einen gerechten Ausgleich zu schaffen, wo<br />
das Gesetz im Interesse der Verkehrssicherheit, insbesondere<br />
zu Gunsten der Möglichkeit eines gutgläubigen Eigentumser-<br />
werbs, Verfügungen von Nichtberechtigten materiell-rechtlich für<br />
endgültig wirksam erklärt und ein sonstiger Ausgleich nicht erfol-<br />
gen kann.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
242<br />
______________________________________________________________<br />
I. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB (Entgeltliche Verfügung eines<br />
Nichtberechtigten)<br />
Prüfungsschema 26: § 816 Abs. 1 S. 1 BGB<br />
1. Beklagter = Nichtberechtigter<br />
<strong>2.</strong> Kläger = Berechtigter (in der Regel vorheriger Eigentümer)<br />
3. Nichtberechtigter hat unbefugt eine Verfügung getroffen<br />
4. Wirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Berechtigten<br />
5. Nichtberechtigter hat etwas erlangt<br />
II. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB (Unentgeltliche Verfügung<br />
eines Nichtberechtigten)<br />
§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB gestattet einen „Durchgriff“ nach dem<br />
Motto<br />
„wie gewonnen, so zerronnen“.<br />
III. § 816 Abs. 2 BGB (Verfügung an einen Nichtberech-<br />
tigten)<br />
Hier geht das Gesetz davon aus, dass der Leistende befreit<br />
bleibt, obwohl er an einen Nichtberechtigten geleistet hat (bei-<br />
spielsweise Leistung des Schuldners an ursprünglichen Gläubi-<br />
ger in Unkenntnis der Abtretung der Forderung oder eines sons-<br />
tigen Rechts nach §§ 407, 408, 413 BGB).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
243<br />
______________________________________________________________<br />
D. Umfang der Kondiktion<br />
1. § 818 Abs. 1 BGB: Herausgabe des tatsächlich Erlangten<br />
<strong>2.</strong> § 818 Abs. 2 BGB: Falls Herausgabe des tatsächlich Erlangten<br />
nicht möglich - Wertersatz<br />
3. § 818 Abs. 3 BGB: Kein Bereicherungsanspruch bei Wegfall der<br />
Bereicherung<br />
4. § 818 Abs. 4 BGB: Einwand des § 818 Abs. 3 BGB nicht möglich<br />
bei Rechtshängigkeit (vgl. §§ 253, 261 ZPO) des Bereicherungs-<br />
anspruchs<br />
5. § 819 BGB: § 818 Abs. 3 BGB (Wegfall der Bereicherung) gilt<br />
nicht bei Bösgläubigkeit des Empfängers<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
244<br />
______________________________________________________________<br />
9. <strong>Kapitel</strong>: Grundzüge des Sachenrechts<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
245<br />
______________________________________________________________<br />
9. <strong>Kapitel</strong>: Grundzüge des Sachenrechts<br />
In dem folgenden <strong>Kapitel</strong> geht es um den Erwerb und Verlust des<br />
Eigentums an beweglichen Sachen sowie des Grundeigentums<br />
nach den §§ 929 ff. bzw. §§ 873, 925 BGB sowie den Herausga-<br />
beanspruch nach § 985 BGB. Abschließend soll auf einige sons-<br />
tige dingliche (Sicherungs-)rechte näher eingegangen werden,<br />
wobei das Kreditsicherungsrecht einem gesonderten Skript vor-<br />
behalten ist.<br />
� Achtung: Beachten Sie bitte unbedingt, dass Anspruchs-<br />
grundlage eines sachenrechtlich gelagerten Falles, der sich mit<br />
einem Eigentumsherausgabeanspruch befasst, nur § 985 BGB<br />
sein kann, nicht die §§ 929 ff. BGB. Die §§ 929 ff. BGB benöti-<br />
gen Sie, um festzustellen, wer Eigentümer und mithin Berechtig-<br />
ter nach § 985 BGB ist; in den Obersatz gehört aber allein die<br />
Norm des § 985 BGB!<br />
Beispiel für den Aufbau einer Klausur mit sachenrechtlichen<br />
Elementen (eine ausführliche Behandlung der angesproche-<br />
nen Themenkreise erfolgt anschließend):<br />
(1) A könnte von B die Herausgabe des Buches nach<br />
§ 985 BGB verlangen [= Obersatz mit Anspruchs-<br />
grundlage].<br />
(2) Dies setzt voraus, dass A Eigentümer des Buches und<br />
B Besitzer des Buches ohne Recht zum Besitz ist<br />
(§§ 985, 986 BGB).<br />
(3) B ist Besitzer des Buches [dies ist i.d.R. völlig unprob-<br />
lematisch und daher im Urteilsstil abzuhandeln!].<br />
(4) Weiterhin müsste A Eigentümer sein. Ursprünglich war<br />
der X Eigentümer [ganz wichtig: § 985 BGB wird histo-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
246<br />
______________________________________________________________<br />
risch geprüft, d.h. Sie beginnen bei der Person, bei der<br />
Sie sicher Eigentum annehmen können – hier bei X].<br />
(5) X könnte jedoch sein Eigentum nach § 929 S. 1 BGB<br />
an A verloren haben. Dies wiederum setzt voraus ... [s.<br />
dazu u.]<br />
(6) [Ergebnis:] X hat nach § 929 S. 1 BGB wirksam das<br />
Eigentum an dem Buch an A verloren. A kann mithin<br />
als Eigentümer von Besitzer B nach § 985 BGB die<br />
Herausgabe des Buches verlangen.<br />
A. Erwerb und Verlust von Eigentum an beweglichen<br />
Sachen/Erwerb und Verlust von Grundeigentum<br />
� Merke: Kein Eigentumserwerb durch Kaufvertrag und andere<br />
Verpflichtungsgeschäfte – Abstraktionsprinzip!<br />
I. Vorbemerkungen<br />
1. Der Begriff der „Sache“<br />
Gegenstand des Sachenrechts sind „Sachen“. Der Sachbegriff<br />
ist in den §§ 90–103 BGB geregelt.<br />
a) Ausgangspunkt bildet § 90 BGB. Danach handelt es sich bei Sa-<br />
chen i.S.d. Gesetzes um körperliche Gegenstände. Keine Sa-<br />
chen sind Tiere, aber es gelten hier die für Sachen bestimmten<br />
Vorschriften entsprechend (§ 90 a BGB).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
247<br />
______________________________________________________________<br />
b) Des weiteren ist zu unterscheiden zwischen:<br />
• Vertretbaren und nicht vertretbaren Sachen (§ 91 BGB)<br />
• Verbrauchbaren und nicht verbrauchbaren Sachen (§ 92 Abs.<br />
1 BGB)<br />
• Sachgesamtheiten und Einzelsachen (§ 92 Abs.2 BGB)<br />
• Wesentlichen und nicht wesentlichen Bestandteilen (§ 93<br />
BGB) – wichtig v.a. für das Grundstücksrecht<br />
• Zubehör und Hauptsache (§§ 97, 98 BGB)<br />
• Früchten, Gebrauchsvorteilen und Nutzungen (§§ 99, 100<br />
BGB)<br />
� Lernhinweis: Bitte studieren Sie die vorgenannten Vorschrif-<br />
ten sorgfältig. Auf die Begrifflichkeiten wird noch zurückzukom-<br />
men sein.<br />
<strong>2.</strong> Unterscheidung von Eigentum und Besitz<br />
Während mit dem Eigentum die rechtliche Zuordnung zwi-<br />
schen einem Rechtsträger und einer Sache gemeint ist, bedeutet<br />
Besitz die im Rechtsverkehr anerkannte tatsächliche Herr-<br />
schaft einer Person über eine Sache.<br />
3. Einzelheiten über den Besitz<br />
An den Besitz lassen sich verschiedene Wirkungen knüpfen, ei-<br />
nige besonders bedeutsame sollen nachfolgend kurz aufgezeigt<br />
werden:<br />
a) Der Besitz wird durch das Gesetz geschützt (Schutzfunktion des<br />
Besitzes). Dies kommt u.a. in den Vorschriften der §§ 858–867<br />
und 1007 BGB zum Ausdruck.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
248<br />
______________________________________________________________<br />
b) Nach § 1006 BGB lässt der Besitz Eigentum vermuten.<br />
c) Das Gesetz unterscheidet verschiedene Arten des Besitzes:<br />
• Unmittelbarer Besitz (§§ 854, 855 BGB)<br />
• Mittelbarer Besitz (§ 868 BGB)<br />
• Alleinbesitz<br />
• Mitbesitz (§ 866 BGB)<br />
• Teilbesitz (§ 865 BGB)<br />
• Eigen- und Fremdbesitz (§ 872 BGB)<br />
• Rechtmäßiger und unrechtmäßiger Besitz<br />
• Fehlerhafter Besitz (§ 858 BGB)<br />
d) Als Anspruchsgrundlagen kraft Besitzes kommen vor allem in<br />
Betracht:<br />
• § 861 BGB<br />
• § 862 BGB<br />
• § 867 BGB<br />
• § 1007 BGB<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
249<br />
______________________________________________________________<br />
II. Erwerb und Verlust von Eigentum an beweglichen<br />
Sachen<br />
1. Eigentumserwerb vom Berechtigten nach § 929 S. 1<br />
BGB<br />
Beispiel einer Übereignung nach § 929 S. 1 BGB: A hat B<br />
sein Fahrrad verkauft (= Kaufvertrag i.S.d. § 433 Abs. 1 S. 1<br />
BGB = Verpflichtungsgeschäft). Damit auch das Eigentum an<br />
dem Fahrrad von A an B übergehen kann, ist es erforderlich,<br />
dass sich A und B über den Übergang des Eigentums einigen<br />
(Einigung) und das Fahrrad von A an B übergeben wird (Ü-<br />
bergabe).<br />
1. Einigung<br />
<strong>2.</strong> Übergabe<br />
Prüfungsschema 27: § 929 S. 1 BGB<br />
3. Verfügungsbefugnis<br />
[4. Einig sein]<br />
Zu den Voraussetzungen des § 929 S. 1 BGB im Einzelnen:<br />
a) Einigung<br />
Bei der Einigung handelt es sich um einen dinglichen Vertrag<br />
über die Übereignung, der ein darauf gerichtetes Angebot sowie<br />
eine Annahme verlangt, §§ 104 ff., 145 ff. BGB (s.o.).<br />
© <strong>Eisenbeis</strong> Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2003
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
250<br />
______________________________________________________________<br />
b) Übergabe<br />
Bei der Übergabe handelt es sich um die Übertragung des un-<br />
mittelbaren Besitzes. Erforderlich ist die völlige Aufgabe des<br />
Besitzes durch den alten Eigentümer. Übergabe ist auch<br />
durch oder an Dritte möglich (z.B. wenn die Übergabe an eine<br />
von dem Erwerber entsprechend beauftragte Person erfolgt).<br />
c) Verfügungsbefugnis („Berechtigung“) des Veräuße-<br />
rers<br />
Der Veräußerer muss zur Verfügung befugt sein, d.h. es muss<br />
sich in seiner Person um den wahren, in seiner Verfügungsbe-<br />
fugnis nicht beschränkten Eigentümer handeln.<br />
Ist dies nicht der Fall, so wäre nunmehr die Vorschrift des § 932<br />
BGB zu prüfen (dazu nochfolgend).<br />
Beachte auch § 929 S. 2 BGB (sog. Übergabe „kurzer Hand“).<br />
<strong>2.</strong> Übergabesurrogate<br />
Die Übergabe der beweglichen Sache kann unter bestimmten<br />
Voraussetzungen ersetzt werden. Dies hindert einen Übergang<br />
des Eigentums im Einzelfall nicht.<br />
a) Eigentumsübergang nach §§ 929, 930 BGB<br />
aa) Grundsätze<br />
Statt der Übergabe kann ein sog. Besitzkonstitut vereinbart wer-<br />
den. § 930 BGB spricht davon, dass für den Fall, dass der Eigen-<br />
tümer im Besitz der Sache ist, die Übergabe dadurch ersetzt<br />
werden kann, dass zwischen ihm (Eigentümer) und dem Erwer-<br />
© <strong>Eisenbeis</strong> Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2003
Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
251<br />
______________________________________________________________<br />
ber ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der<br />
Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt. Letzteres setzt ein sog.<br />
Besitzkonstitut (= Besitzmittlungsverhältnis) voraus. Das Besitz-<br />
mittlungsverhältnis muss ein konkretes Besitzmittlungsverhältnis<br />
i.S.v. § 868 BGB sein.<br />
Beispiel einer Übereignung nach §§ 929, 930 BGB: A<br />
in Köln hat B in Hamburg sein Fahrrad veräußert. Auch hat A<br />
schon den Kaufpreis überwiesen. A will das Fahrrad aber<br />
noch für eine kürzere Radtour benutzen, B soll jedoch bereits<br />
jetzt Eigentümer werden.<br />
Der Eigentumsübergang im Beispielsfall geht wie folgt vor sich: A<br />
und B einigen sich darüber, dass das Eigentum von A an B ü-<br />
bergehen soll. Im Übrigen einigen sich A und B dahingehend,<br />
dass A weiterhin unmittelbarer Besitzer (des Fahrrades) bleibt,<br />
dass er zukünftig jedoch gegenüber B als Entleiher auftritt und B<br />
den mittelbaren Besitz vermittelt (B als mittelbarer Besitzer).<br />
� Achtung: Die Bestimmung des § 930 BGB ändert nichts an<br />
dem für eine wirksame Übertragung des Eigentums bestehenden<br />
Erfordernis der Einigung i.S.v. § 929 BGB. § 930 BGB ermöglicht<br />
lediglich die Ersetzung der Übergabe durch die Vereinbarung ei-<br />
nes Besitzmittlungsverhältnisses.<br />
Ein für die Praxis äußerst bedeutsamer Fall der Übereignung<br />
nach §§ 929, 930 BGB stellt die sog. Sicherungsübereignung<br />
dar.<br />
Beispiel: Bank B gewährt Unternehmer U ein (Geld-<br />
)Darlehen. Zur Sicherheit übereignet U der B einige Maschi-<br />
nen nach §§ 929, 930 BGB. Danach bleibt U (unmittelbarer)<br />
Besitzer der Maschinen, so dass er mit diesen ungestört wei-<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
252<br />
______________________________________________________________<br />
ter arbeiten kann. B erhält hingegen Eigentum an den Ma-<br />
schinen und wird zugleich mittelbarer Besitzer an diesen.<br />
Durch das Eigentum erlangt B eine Sicherheit für den Fall,<br />
dass U in Zahlungsschwierigkeiten gerät.<br />
Bei einer Sicherungsübereignung sind grundsätzlich drei<br />
Rechtsverhältnisse zu unterscheiden:<br />
• Die gesicherte Forderung mit dem ihr zugrundeliegenden<br />
Rechtsverhältnis – ist die Forderung endgültig nicht entstan-<br />
den oder erloschen, so berührt dies die dingliche Rechtslage<br />
an dem Sicherungsgut nur, wenn das Entstehen der Forde-<br />
rung zur Bedingung für die Sicherungsübereignung gemacht<br />
wurde<br />
• Der Sicherungsvertrag: Hierbei handelt es sich um das<br />
grundsätzlich formlose schuldrechtliche Grundgeschäft der<br />
Sicherungsübereignung. Bei der Sicherungsübereignung von<br />
Waren oder auch Materiallagern erhält der Sicherungsgeber<br />
regelmäßig die Befugnis, im eigenen Namen im Rahmen ord-<br />
nungsgemäßer Wirtschaft über das Sicherungsgut zu verfü-<br />
gen. Verbunden wird damit eine sog. Vorausabtretung des<br />
Anspruchs auf die Gegenleistung.<br />
• Die Übereignung des Sicherungsgutes = abstraktes Verfü-<br />
gungsgeschäft nach §§ 929 ff.; 925 BGB<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
253<br />
______________________________________________________________<br />
� Beachte: Bei der Sicherungsübereignung stellt die Siche-<br />
rungsabrede als solche ein ausreichendes Besitzmittlungsver-<br />
hältnis dar, wenn sich aus ihr nur ergibt, dass der Sicherungsge-<br />
ber solange weiter besitzen darf, bis der Sicherungsnehmer die<br />
Sache zur Befriedigung seiner Forderung herausverlangt; es be-<br />
darf mithin keiner zusätzlichen Vereinbarung eines Leih-, Ver-<br />
wahrungs- oder Kommissionsverhältnisses. Da die Sicherungs-<br />
abrede die heute typischen Rechtsbeziehungen zwischen Siche-<br />
rungsgeber und Sicherungsnehmer hinreichend konkretisiert,<br />
reicht sie auch ohne nähere Ausgestaltung als Besitzmittlungs-<br />
verhältnis aus (Palandt-Bassenge, a.a.O., § 930 BGB, RN 9). Die<br />
Rechtsprechung gelangt zu diesem Ergebnis, in dem sie die Ab-<br />
rede „zur Sicherheit übereignet“ im o. angesprochenen Sinne<br />
auslegt (z.B. BGH NJW 1979, 2308).<br />
Weitere Einzelheiten zur Sicherungsübereignung finden sich in<br />
dem Skript Kreditsicherungsrecht.<br />
bb) Prüfungsschema 28<br />
1. Einigung<br />
Prüfungsschema 28: §§ 929, 930 BGB<br />
<strong>2.</strong> Übergabesurrogat = Vereinbarung eines Besitzkonstituts<br />
i.S.v. § 868 BGB<br />
3. Verfügungsbefugnis<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
254<br />
______________________________________________________________<br />
b) Übergabesurrogat nach §§ 929, 931 BGB (Abtretung<br />
des Herausgabeanspruches)<br />
Beispiel: A verleiht seinen PKW an B. Noch während B das<br />
Fahrzeug benutzt, entschließt sich A, das Auto an C zu ver-<br />
äußern.<br />
Eine Übereignung kann hier nach §§ 929, 931 BGB erfolgen.<br />
Abgetreten wird von A an C der Anspruch des A gegen B auf<br />
Rückgabe des Fahrzeuges nach § 604 Abs. 1 BGB.<br />
3. Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten<br />
a) Ratio<br />
Im Rahmen der Veräußerung beweglicher Sachen ermöglichen<br />
die §§ 932 ff. BGB einen (gutgläubigen) Erwerb des Eigentums<br />
vom Nichtberechtigten. Dahinter steht die Überlegung, dass un-<br />
ter besonderen Voraussetzungen ein Erwerb des Eigentums ei-<br />
ner beweglichen Sache auch dann möglich sein soll, wenn der<br />
Veräußerer nicht zugleich Eigentümer der Sache ist. Ratio hierfür<br />
sind letztlich Gesichtspunkte des Verkehrsschutzes.<br />
b) Funktionsweise des Erwerbs vom Nichtberechtig-<br />
ten<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
255<br />
______________________________________________________________<br />
aa) §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB (Prüfungsschema)<br />
Prüfungsschema 29: §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB<br />
1. Einigung<br />
<strong>2.</strong> Übergabe<br />
3. Gutgläubigkeit<br />
a) § 932 Abs. 2 BGB<br />
b) Gegenstand des guten Glaubens<br />
(1) Eigentum (§ 932 BGB)<br />
(2) Verfügungsbefugnis (§ 366 HGB)<br />
(3) Vertretungsmacht?<br />
4. Kein Ausschluss nach § 935 BGB<br />
a) Abhandenkommen = Verlust des Besitzes ohne oder ge-<br />
gen den Willen des Eigentümers (sog. natürlicher Wille<br />
ausreichend)<br />
aa) Irrtum und Täuschung begründen keine Unfreiwilligkeit<br />
bb) Drohung begründet Unfreiwilligkeit<br />
b) Fälle „freiwilliger“ Besitzaufgabe (z.B. Leihe)<br />
c) Beachte § 935 Abs. 2 BGB<br />
OLG Frankfurt, NJW-RR 1999, 927: Bei der Veräußerung eines Vorführwagens<br />
durch einen Vertragshändler steht einem gutgläubigen Erwerb<br />
nicht entgegen, dass der Kfz-Brief nicht vorgelegt wird, da der<br />
Käufer in der Regel darauf vertrauen darf, dass ein Kfz-Händler berechtigt<br />
ist, ihm einen dem Händler vom Hersteller fabrikneu gelieferten<br />
Vorführwagen zu übereignen (§§ 932 BGB; 366 HGB).<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
256<br />
______________________________________________________________<br />
bb) Erwerb vom Nichtberechtigten nach §§ 929 S. 1,<br />
930, 933 BGB<br />
Bei dem gutgläubigen Erwerb nach §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB<br />
ist zu berücksichtigen, dass eine Übergabe erforderlich ist.<br />
cc) Erwerb vom Nichtberechtigten nach §§ 929 S. 1,<br />
931, 934 BGB<br />
4. Sonstige Fälle des Eigentumserwerbs bzw. -<br />
verlustes<br />
a) Aneignung durch Aufgabe und anschließende Inbesitznahme<br />
einer beweglichen Sache (§§ 959, 960 BGB)<br />
b) Ersitzung (§§ 937 ff. BGB)<br />
c) Sonderfall: §§ 946 ff. BGB (Verbindung, Vermi-<br />
schung, Verarbeitung)<br />
aa) Verbindung nach §§ 946 f. BGB<br />
Wird eine bewegliche Sache mit einem Grundstück dergestalt<br />
verbunden, dass sie wesentlicher Bestandteil des Grundstückes<br />
wird, so erstreckt sich das Eigentum an dem Grundstück auf die-<br />
se Sache, § 946 BGB. Ein Ausgleich für den Rechtsverlust ergibt<br />
sich aus § 951 BGB.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
257<br />
______________________________________________________________<br />
bb) Vermischung und Vermengung (§§ 948 i.V.m. 947<br />
BGB)<br />
Voraussetzung für die Vermischung in diesem Sinne ist der Ver-<br />
lust der körperlichen Abgrenzung einer Sache zu einer anderen<br />
(z.B. Flüssigkeiten). Bei der Vermengung lassen sich die einzel-<br />
nen Sachen mangels Kennzeichnung nicht mehr dem bisherigen<br />
Sacheigentümer zuordnen (z.B. bei Geld, Tieren, Baumateria-<br />
lien).<br />
cc) Verarbeitung nach § 950 BGB<br />
§ 950 BGB löst den Konflikt zwischen dem Eigentümer des Roh-<br />
stoffs und dem Hersteller zu Gunsten des Herstellers.<br />
Beispiele: Belichtung und Entwicklung von Fotopapier; Bau<br />
eines PKW aus Wrackteilen; Verarbeitung von Ton zu Zie-<br />
geln<br />
� Achtung 1: Maßgebend für den Begriff „Hersteller“ ist nicht,<br />
wer die verarbeitende Tätigkeit ausführt, sondern in wessen Na-<br />
men und Interesse die Verarbeitung nach der Verkehrsauffas-<br />
sung erfolgt. Eine fremdwirkende Verarbeitung ist daher möglich.<br />
� Achtung 2: Wird ein Stoff unter Eigentumsvorbehalt geliefert<br />
und vereinbaren Lieferant und Verarbeiter, dass sich der Eigen-<br />
tumsvorbehalt auf die Fertigware erstrecken soll, d.h. der Liefe-<br />
rant unter Ausschluss von § 950 BGB Eigentümer wird (sog.<br />
Hersteller- oder Verarbeitungsklausel), so bewirkt dies, dass der<br />
Lieferant ohne Durchgangserwerb des Verarbeiters Eigentümer<br />
der Fertigware wird.<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
258<br />
______________________________________________________________<br />
Exkurs 1: Der Eigentumsvorbehalt<br />
A. Allgemeines<br />
Der Eigentumsvorbehalt hat im Warenverkehr eine große Bedeu-<br />
tung. Er dient dem Sicherungsbedürfnis des Verkäufers, der den<br />
Kaufpreis nicht im voraus Zug um Zug gegen Übereignung der<br />
Kaufsache erhält. Der Zweck des Eigentumsvorbehalts wird da-<br />
durch erreicht, dass die dingliche Einigung nach §§ 929 ff. BGB<br />
unter der Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung steht (§ 158<br />
Abs. 1 BGB – Fall der aufschiebenden Bedingung, § 449 Abs. 1<br />
BGB). Die Sicherung führt zu einer Umsatzförderung, weil sie<br />
den Verkauf gegen Kredit erleichtert. Der Eigentumsvorbehalt<br />
wird in der Praxis durch den gutgläubigen Erwerb Dritter und den<br />
Verlust des Eigentums auf Grund Verbindung, Verarbeitung und<br />
Verbrauch gefährdet.<br />
B. Formen des Eigentumsvorbehalts<br />
I. Einfacher Eigentumsvorbehalt<br />
Der einfache Eigentumsvorbehalt erstreckt sich lediglich auf die<br />
verkaufte, unter Eigentumsvorbehalt übereignete Sache und er-<br />
lischt regelmäßig durch vollständige Zahlung des Kaufpreises.<br />
II. Erweiterter Eigentumsvorbehalt<br />
Bei dem erweiterten Eigentumsvorbehalt sind mehrere Unterar-<br />
ten zu unterscheiden:<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
259<br />
______________________________________________________________<br />
1. Weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt<br />
Ein weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt liegt dann vor, wenn der<br />
Käufer sich dem Verkäufer gegenüber verpflichtet, die unter Ei-<br />
gentumsvorbehalt gekaufte Sache nur in der Weise weiter zu<br />
übereignen, dass der Verkäufer Vorbehaltseigentümer bleibt (in<br />
der Praxis ungebräuchlich). Der weitergeleitete Eigentumsvorbe-<br />
halt verstößt bei vertragsgemäßem Weiterverkauf gegen § 9<br />
Abs. 1 AGBG a.F. (BGH NJW 1991, 2286) = § 307 Abs. 1 BGB<br />
n.F..<br />
<strong>2.</strong> Nachgeschalteter Eigentumsvorbehalt<br />
Ein nachgeschalteter Eigentumsvorbehalt liegt vor, wenn der<br />
Käufer, ohne den Eigentumsvorbehalt offen zu legen, die Sache<br />
seinerseits unter (eigenem) Eigentumsvorbehalt weiter veräußert<br />
(insbesondere im Zwischenhandel üblich). Soweit der nachge-<br />
schaltete Eigentumsvorbehalt mit dem Erstverkäufer abgespro-<br />
chen ist, wird dies regelmäßig mit einer Vorausabtretung verbun-<br />
den.<br />
3. Verlängerter Eigentumsvorbehalt<br />
Ein solcher liegt vor, wenn der Verkäufer und der Käufer verein-<br />
baren, dass an Stelle des (etwa durch Verarbeitung) erloschenen<br />
Eigentumsvorbehalts (s.o.) die neue Sache – das Arbeitsprodukt<br />
– oder die daraus entstehende Forderung treten soll.<br />
4. Der Kontokorrentvorbehalt<br />
Ein Kontokorrentvorbehalt ist gegeben, wenn der Eigentumsvor-<br />
behalt erst dann erlischt, wenn der Käufer alle oder zumindest<br />
einen bestimmten Teil der Forderungen aus der Geschäftsver-<br />
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bindung beglichen, insbesondere den Saldoausgleich herbeige-<br />
führt hat.<br />
5. Der Konzernvorbehalt<br />
Konzernvorbehalt bedeutet, dass der Kontokorrentvorbehalt<br />
(s.o.) auch auf Forderungen anderer Gläubiger, die zum selben<br />
Konzern des Vorbehaltseigentümers gehören, erstreckt wird.<br />
Außerhalb der Anwendung der §§ 305 ff. BGB n.F. war er grund-<br />
sätzlich zulässig; s. nunmehr aber § 449 Abs. 3 BGB n.F. (nicht<br />
erfasst allerdings der Konzernvorbehalt auf Käuferseite – ist der<br />
Fall, wenn der Eigentumsvorbehalt nicht erlöschen soll, solange<br />
Verbindlichkeiten von Dritten bestehen, die mit dem Käufer ver-<br />
bunden sind.<br />
Exkurs 2: Das Anwartschaftsrecht<br />
Ein dingliches Anwartschaftsrecht entsteht aufgrund des beding-<br />
ten Erwerbs bei der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts<br />
(§§ 929 S. 1, 930, 931; 158 Abs. 1 BGB). Ein Anwartschaftsrecht<br />
ist dann gegeben, wenn von einem mehraktigen Entstehungstat-<br />
bestand eines Rechts bereits so viele Erfordernisse erfüllt sind,<br />
dass von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers<br />
gesprochen werden kann, die der Veräußerer nicht mehr einsei-<br />
tig zerstören kann.<br />
Das Anwartschaftsrecht ist mehr als eine bloße Aussicht auf den<br />
Erwerb des Vollrechts, zugleich aber ein Weniger als Letzteres.<br />
Im Verhältnis zum Vollrecht steht das Anwartschaftsrecht als ein<br />
„wesensgleiches Minus“ dar.<br />
Die Übertragung des Anwartschaftsrechts vollzieht sich nach<br />
§§ 929 ff. BGB analog. Geschützt wird das Anwartschaftsrecht<br />
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u.a. nach § 823 Abs. 1 BGB (Sonstiges Recht). § 985 BGB findet<br />
gleichfalls analoge Anwendung.<br />
Weitere Einzelheiten zum Eigentumsvorbehalt sowie zum An-<br />
wartschaftsrecht s. Skript Kreditsicherungsrecht!<br />
III. Eigentum und andere dingliche Rechte an Gründ-<br />
stücken, insbesondere Erwerb und Verlust des<br />
Grundeigentums (sog. Immobiliarrecht)<br />
1. Übersicht<br />
Übersicht: Immobiliarrecht im BGB<br />
A. Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken:<br />
§§ 873 – 902 BGB<br />
B. Einzelne Rechte<br />
I. Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken:<br />
§§ 925–928 BGB<br />
II. Dienstbarkeiten: §§ 1018 – 1093 BGB<br />
III. Vorkaufsrecht: §§ 1094 – 1104 BGB<br />
IV. Reallasten: §§ 1105 – 1112 BGB<br />
V. Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld: §§ 1113 – 1203<br />
BGB<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
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<strong>2.</strong> Der Eigentumserwerb nach §§ 873, 925 BGB<br />
Prüfungsschema 30: Eigentumserwerb nach §§ 873, 925<br />
BGB<br />
1. Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber (sog. Auf-<br />
lassung, § 925 BGB)<br />
<strong>2.</strong> Eintragung des Erwerbs im Grundbuch<br />
3. Einigsein im Zeitpunkt der Eintragung<br />
4. Berechtigung des Veräußerers (s. aber §§ 185, 892 BGB<br />
– zu § 892 BGB s. nachfolgend Prüfungsschema 31)<br />
5. Verfügungsbefugnis des Veräußerers (s. auch § 878<br />
BGB)<br />
3. Der gutgläubige Erwerb nach § 892 BGB<br />
Prüfungsschema 31: Gutgläubiger Erwerb nach § 892<br />
BGB<br />
1. Unrichtigkeit des Grundbuchs (Unrichtigkeit hinsichtlich<br />
eines Rechtes an einem Grundstück oder eines Rechts an<br />
einem Grundstücksrecht)<br />
<strong>2.</strong> Rechtsgeschäftlicher Erwerb i.S. eines Verkehrsge-<br />
schäfts (bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise muss auf<br />
Erwerberseite mindestens eine Person stehen, die nicht<br />
auf Veräußererseite steht)<br />
3. Gutgläubigkeit bzw. kein Widerspruch (es schaden po-<br />
sitive Kenntnis der fehlenden Berechtigung und ein einge-<br />
tragener Widerspruch)<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
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Für den Erwerb bzw. Verlust des Eigentums an dem Grundstück<br />
gilt zunächst die Regel des § 873 BGB: Für die Übereignung ei-<br />
nes Grundstücks sind Einigung und Eintragung (in das Grund-<br />
buch) erforderlich. Die Form der Einigung (die sog. Auflassung)<br />
wird durch § 925 BGB bestimmt. Die Auflassung ist bedingungs-<br />
feindlich (§ 925 Abs. 2 BGB). Der gutgläubige Erwerb von<br />
Grundeigentum wird durch § 892 BGB geregelt. Die Einzelheiten<br />
der Eintragung in das Grundbuch bestimmt die Grundbuchord-<br />
nung (GBO).<br />
Zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung oder Aufhebung<br />
eines Rechtes an einem Grundstück oder eines Rechtes an ei-<br />
nem das Grundstück belastenden Rechte oder auf Änderung des<br />
Inhaltes oder Ranges eines solchen Rechtes kann eine Vormer-<br />
kung in das Grundbuch eingetragen werden (§ 883 Abs. 1 S. 1<br />
BGB).<br />
� Achtung: Bitte lesen Sie sorgfältig die §§ 883, 885, 886 und<br />
888 BGB!<br />
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Grundzüge Bürgerliches Recht<br />
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B. Der Herausgabeanspruch des Eigentümers (§ 985<br />
BGB)<br />
I. Voraussetzungen von § 985 BGB (Prüfungsschema)<br />
Prüfungsschema 32: Herausgabeanspruch nach § 985<br />
1. Eigentum des Klägers<br />
<strong>2.</strong> Besitz des Beklagten<br />
BGB<br />
3. Unrechtmäßigkeit des Besitzes (§ 986 Abs. 1, 2 BGB) –<br />
II. Konsequenzen<br />
Besitzrechte vor allem aus Vertrag (z.B. Mieter)<br />
1. Herausgabeanspruch (§ 985 BGB), s.o.<br />
<strong>2.</strong> §§ 985 ff. BGB (sog. Eigentümer-Besitzer-Verhältnis)<br />
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