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November-Ausgabe 2012 - Deutscher Forstverein

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16<br />

KLIMASCHUTZ<br />

Langfristige Bindung von CO 2<br />

in bewirtschafteten und unbewirtschafteten Wäldern<br />

Prof. Dr. Peter Spathelf<br />

ist Studiengangsleiter<br />

für International Forest<br />

Ecosystem Management<br />

an der Hochschule für<br />

nachhaltige Entwicklung<br />

Eberswalde, Fachbereich<br />

Wald und Umwelt und<br />

Klimaschutzbeauftragter<br />

des Deutschen<br />

<strong>Forstverein</strong>s.<br />

proWALD : NOVEMBER <strong>2012</strong><br />

Vergleich ist abhängig von der Betrachtungsweise<br />

Nach FAO-Definition werden unter »unbewirtschafteten<br />

Wäldern« Wälder verstanden, die<br />

formal nicht bewirtschaftet, d. h. nicht genutzt<br />

werden, in der Regel also Naturschutzzwecken<br />

dienen. Derzeit wird für Deutschland eine Erhebung<br />

nutzungsfreier Wälder unter Federführung<br />

der Nordwestdeutschen Forstlichen<br />

Versuchsanstalt in Göttingen durchgeführt<br />

(NW5-Projekt).<br />

Wälder speichern Kohlensto� über die Fotosynthese<br />

in ober- und unterirdischer (lebender und toter)<br />

Biomasse sowie in Bodenkompartimenten. Gleichzeitig<br />

wird über Zerfalls- und Zersetzungsprozesse Kohlensto�<br />

(v. a. als CO 2) freigesetzt. In bewirtschafteten<br />

Wäldern kann der Kohlensto�speicher über die geernteten<br />

Produkte und den Ersatz von fossilen Brennsto�en<br />

durch Holz verlängert werden. Die kontrovers<br />

diskutierte Frage ist, inwieweit in unbewirtschafteten<br />

Wäldern langfristig mehr Kohlensto� gespeichert als<br />

über Zersetzungsvorgänge wieder freigesetzt wird.<br />

Bei einem Vergleich von bewirtschafteten und unbewirtschafteten<br />

Wäldern hinsichtlich ihrer Wirkung<br />

als Kohlensto�senken ist zunächst zu klären, in welchem<br />

Bezugsrahmen verglichen wird – auf Ebene des<br />

Ökosystems oder des Wald-Holz-Sektors. Bei Letzterem<br />

kommen, wie schon erwähnt, zusätzlich die<br />

temporären Speicher- sowie Substitutionse�ekte von<br />

geerntetem Holz zum Tragen, sodass man möglicherweise<br />

unterschiedliche Dinge miteinander vergleicht.<br />

Darüber hinaus ist entscheidend, welche Methode<br />

der Berechnung der C-Speicherung dem Vergleich<br />

zugrunde liegt. Werden sogenannte Eddy Covariance<br />

Messungen verwendet, die geeignet sind, die<br />

Nettoprimärproduktion des Ökosystems zu bilanzieren<br />

(Schmid 2002), kann über Modellrechnungen in<br />

unbewirtschafteten Wäldern eine C-Mehrspeicherung<br />

über die Respirationsverluste hinaus gefunden<br />

werden. Hier wird jedoch nicht berücksichtigt, dass<br />

C-Speicherraten langfristigen Änderungen der Umweltbedingungen<br />

ausgesetzt sind.<br />

Im Forschungsprojekt ‚RECOGNITION’ (Kahle<br />

et al. 2008) wird gezeigt, dass die signi�kante Zuwachssteigerung<br />

und damit Zunahme der C-Speicherung<br />

in europäischen Wäldern in den vergangenen<br />

Jahrzehnten vom im Übermaß vorhandenen Faktor<br />

Sticksto� getrieben sind.<br />

Dies bedeutet, dass neben bewirtschafteten auch<br />

unbewirtschaftete Wälder in bestimmten Zeitperioden<br />

sich nicht im Gleichgewicht zwischen Wachstum<br />

und Zerfall der Biomasse be�nden, sondern Kohlensto�<br />

speichern und somit eine Senke darstellen.<br />

Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass in längeren<br />

Zeitabschnitten auch unbewirtschaftete Wälder natürlichen<br />

Störungen (wie Sturm) unterliegen können<br />

und in diesen Zerfallsphasen wiederum C-Quellen<br />

darstellen. Dies bedeutet, dass Vorsicht bei der Interpretation<br />

der Daten angebracht ist und nicht von<br />

einer Überlegenheit von unbewirtschafteten Wäldern<br />

bei der Kohlensto�-Speicherung ausgegangen werden<br />

kann.<br />

Zwar haben unbewirtschaftete Wälder häu�g höhere<br />

Vorräte (Biomassen) als bewirtschaftete, sie be-<br />

�nden sich jedoch vielfach im Reife- und Zerfallsstadium<br />

mit geringen Zuwachsraten. Wird zudem<br />

der Forstsektor als Bezugsrahmen gewählt, fallen die<br />

Speicher- und Ersatze�ekte der geernteten Produkte<br />

ins Gewicht (Köhl et al. 2011). Schließlich handelt es<br />

sich bei den meisten Wald�ächen in Europa um vergleichsweise<br />

junge Wälder mit hohen Zuwachsraten.<br />

Für eine C-Speicher-Optimierung kommt es also vor<br />

allem darauf an, kohlensto�-optimale und risikoarme<br />

Bewirtschaftungsstrategien für diese Wälder zu entwickeln<br />

(Bedeutung der naturnahen Waldwirtschaft)<br />

und in die Praxis umzusetzen.<br />

Gleichwohl bleibt anzumerken, dass bei der Bewertung<br />

von unbewirtschafteten im Vergleich zu bewirtschafteten<br />

Wäldern neben der Frage der CO 2-<br />

Speicherung auch weitere Faktoren wie Biodiversität<br />

und die vermutlich höhere ökosystemare Widerstandskraft<br />

(Resilienz) von unbewirtschafteten Wäldern<br />

gegenüber Stressfaktoren (Klimawandel-Risiken)<br />

in eine Gesamtbetrachtung mit einbezogen<br />

werden sollten.<br />

■ Prof. Dr. Peter Spathelf<br />

Verwendete Literatur<br />

Kahle H.P., Karjalainen T., Schuck A. et al. (eds.) 2008.<br />

Causes and Consequences of Forest Growth Trends in Europe<br />

– Results of the Recognition Project. Research Report<br />

21. Brill: Leiden<br />

Köhl M., Kenter B., Hildebrandt R. et al. 2011. Nutzungsverzicht<br />

oder Holznutzung? Auswirkungen auf die CO 2-Bilanz<br />

im langfristigen Vergleich. AFZ-DerWald 15, 25-27<br />

Schmid H.P. 2002. Footprint modelling for vegetation atmosphere<br />

exchange studies: a review and perspective. Agricultural<br />

and Forest Meteorology 113, 159-183

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