Tierleid - Problemhundtherapie in NRW

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04.01.2013 Aufrufe

Kritisch gesehen Stachel, Strom und Co. oder: Schafft Wissenschaft wirklich Wissen? Die Frage, ob Hilfsmittel wie Stacheloder Würgehalsbänder oder gar ein Te letakt (Stromimpuls-Gerät) tierschutz relevant sind oder von ‚sachkundiger Hand‘ im Training in Ausnah - mesitua tionen angewendet wer den dürfen, ist noch immer nicht vom Tisch. Es gibt genügend Befürworter, und mindestens ebenso viele Gegner der harten Schule. Im Training von Poli zei - hunden gilt das Stachelhalsband im - mer noch als ‚ganz normales Trai nings - halsband‘. Die einen sagen, es geht nicht ohne Starkzwangmittel, vor allem in Situationen, die selbstbelohnend wirken, wie das Hetzen und Jagen von Wild. Die anderen sind darüber empört und verweisen auf tierschutzgerechtes Training über positive Verstärkung und Kenntnisse der Lernbiologie von Hun - den. Und selbst die Wissenschaft ist sich nicht wirklich einig – ja, die Anwen - dung ist kein Problem oder doch eher, nein, bitte nicht?! Stellen wir doch einmal zwei unterschiedliche Versuchsaufbauten (um es mal ganz trocken zu sagen) einander gegenüber: zum einen eine Studie über das Training von Polizei(schutz) - hunden, allesamt der Rasse Belgischer Schäferhund, Schlag Malinois angehörend auf der einen Seite (I. Böhm1 ), und auf der anderen Seite bunt gemischte Rassen mit dem Problem des ausgeprägten Jagd- und Beutegreif verhal - tens (Teutsch / Feddersen-Petersen 2 ). Nach § 3 Nr. 5 des Tierschutzgesetzes ist es verboten, »ein Tier auszubilden oder zu trainieren, sofern damit erheb- 12 der absolut-hund report • 2 / 2011 Sind Starkzwangmittel wie Stachel - halsbänder in der Hundeerziehung gerechtfertigt oder nicht? Foto: Fotolia liche Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind«. Im gleichen Paragraphen unter Nr. 11 ist vermerkt, dass es verboten ist, »ein Gerät zu verwenden, das durch direkte Strom - einwirkung das artgemäße Ver hal ten eines Tieres, insbesondere seine Bewe - gung, erheblich einschränkt oder es zur Bewegung zwingt und dem Tier dadurch nicht unerhebliche Schmer - zen, Leiden oder Schäden zufügt, soweit dies nicht nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften zulässig ist.« Folgendes Urteil des Bundesverfas - sungsgerichts liegt seit dem 23.02.2006 vor, mit dem Aktenzeichen BVerwG 3 C 14.05 und dem Leitsatz: »Der Einsatz von Elektroreizgeräten, die erhebliche Lei den oder Schmerzen verursachen können, für Zwecke der Hun de - ausbil dung ist gemäß § 3 Nr. 11 TierSchG verboten.« Die Tierärztliche Vereinigung für Tier - schutz e.V. (TVT) lehnte noch 1997 die Anwendung von Elektroreizgeräten ohne Ausnahme ab, machte dann aber 2006 einen Vorschlag für die Durch - führung eines Genehmigungsverfah - rens mit Sachkundenachweis. Auch die Bundestierärztekammer (BTK) sprach sich in den vergangenen zehn Jahren absolut gegen eine Ausnahme re ge - lung aus. Im März 2007 fasste sie jedoch den Beschluss, dass Ausnah - men vom Verbot zulässig sein sollten, und zwar unter Vorlage eines entsprechenden Sachkundenachweises und sofern die entsprechenden Erfüllungen der technischen Anforderungen an die Geräte gegeben seien (Deutsches Tierärzte blatt 9/2008). Da fragt man sich doch: aus welchem Grund, nach welchen Erkennt - nissen ist ein Stromhalsband nun doch in Aus nahmefällen zulässig? Wurde nur zu viel Wirbel um das ‚Ding‘ gemacht? Ist alles gar nicht so schlimm, wie man dachte? Und lösen harte Methoden in der Hundeerziehung tatsächlich Stress bei Hunden aus? Dazu sollten wir kurz abklären, was „Stress“ eigentlich bedeu tet. Auch hier gibt es die unterschiedlichsten Aus sagen verschiedener

Wis senschaftler. Zitat aus Imke Böhmes Dissertation1 : » … McGRATH (1970) beschreibt Stress als eine Imbalance zwischen den Anfor - de rungen aus der Umwelt und dem Ant - wort vermögen. Bei der Stress definition von BREAZILE (1987) kommen … „positive“ und „negative“ Stress formen vor. Er differenziert die Formen des Stresses jedoch in drei Gruppen: 1. „Eustress“: positiver Stress, der nicht schädlich ist und Antworten initiiert, die förderlich für das Wohl befinden und den Komfort des Tieres sind; 2. „Neutral Stress“: Stress, der sich weder positiv noch negativ auswirkt; 3. „Distress“: negativer Stress, der schädlich für das Tier ist, weil dadurch das Wohl - befinden und der Komfort des Tieres pathologisch beeinflusst werden kann. Zwischen „psychologischem Stress“ und „physischem Stress“ differenziert HOBFOLL (1989). Er definiert psychologischen Stress als eine Reaktion auf die Umge bung, in der eine Bedrohung oder der Verlust einer Ressource stattfindet. MASON (1971) gibt an, dass Erwar tun - gen und Ängste bei Tieren wichtige psycho logische Ursachen für die Stress ant - wort in Form der adrenalen Sekre tion sind. URSIN und MURISON (1984) klassifizieren „Stress“ bezüglich des „physiologischen Prozesses“. Dabei werden sämt liche physiologischen Vorgänge beim Auftreten von Stress unter dem Begriff „Aktivie - rung“ zusammengefasst. Die „Aktivierung“ kann in zwei Fällen patho logisch (krankhaft, Anm. d. Verf.) werden: Bei der „normalen kurz andauernden Aktivierung“ können bereits erkrankte Organe geschädigt werden oder gesunde Gewebe erfahren einen „Trainingseffekt“. Bei der „lang andauernden Aktivierung“ können physische Veränderungen und ein Inter agie - ren mit eventuell vorhandenen patho logischen Agenzien entstehen… Laut MOBERG (2000) und BLECHA (2000) beeinträchtigt Stress das Immun - system insbesondere durch die Akti vi tät der Hypophysenachse. Diese Immun - suppression führt dann wiederum zu einem häufigeren Auftreten von Krank - hei ten bei unter Stress leidenden Tieren (MOBERG 2000).« Was im Klartext bedeutet: negativer Stress macht nachweislich krank, und zwar körperlich und geistig. Zitat aus Imke Böhmes Dissertation1 : »… Befürworter behaupten, dass der fachgerechte Gebrauch von Elektro reiz - geräten gegenüber anderen positiven Strafen Vorteile mit sich bringe, weil dieser eine zuverlässige Methode darstelle, selbst belohnendes Verhalten auch über größere Distanzen zu verhindern. Auch die direkte Verknüpfung des Strafreizes mit dem Hundeführer sei bei der Aus bil - dung mit einem Strom impulsgerät nicht so gegeben, wie es bei der Verwendung eines Stachel hals bandes der Fall sei. Gegner führen an, dass der Einsatz von Kritisch gesehen Elektroreizgeräten tierschutzrelevant sei, da dieser mit Angst und Furcht assoziiert werde und Stress beim Tier hervorrufe. Des Weiteren bestehe die Gefahr des unsachgemäßen Gebrauchs oder sogar Missbrauchs. Sie behaupten, dass zur Aus - bildung von Hunden tierschutzgerech- tere Alternativen zur Verfügung stünden. Über die Ein- und Auswirkungen von Stromimpulsgeräten im Hundetraining liegen bereits wissenschaftliche Arbei ten vor. SCHALKE et al. (2005) und SCHILDER et al. (2003) stellen fest, dass der Einsatz von Stromimpulsgeräten unter folgenden Bedingungen tierschutzkonform ist: Der Anwender muss über die notwendigen praktischen und theoretischen Kennt - nisse verfügen und diese in einer Prüfung unter Beweis gestellt haben. Die Verwen - dung der Geräte darf auch unter diesen Voraussetzungen nur in bestimmten Trai - ningssituationen erfolgen... « Im Vergleich dazu ein Zitat aus der Forschungsstudie von Teutsch / Fed - dersen-Petersen2 : 1. Vorsitzende Heike Sedlak Hundehaltertrainerin, Hundeverhaltensberaterin 26603 Aurich • E-Mail Hundeschule-Ostfriesland(at)web.de Telefon 0494 / 171 159 • Mobil 0170 / 105 005 4 » … Wir dürfen uns beim Umgang mit dem Hund keine ›Unfälle‹ beim Stra fen erlauben, die diesem ein erhebliches Lei - den zufügen können. Es gibt eine Fülle einsetzbarer Alternativen und Trainings - arten, die überdies erfolgreicher sind. Es kann nicht stark genug betont werden, dass strafende Lern metho den oder eine bedrohliche Um ge bung Hunde ständig in Erregung versetzen. Aus dem Bestre - Hundeschule-Ostfriesland e.V. www.hundeverein-ostfriesland.de 2 / 2011 • der absolut-hund report 13

Wis senschaftler. Zitat aus Imke Böhmes<br />

Dissertation1 :<br />

» … McGRATH (1970) beschreibt Stress<br />

als e<strong>in</strong>e Imbalance zwischen den Anfor -<br />

de rungen aus der Umwelt und dem Ant -<br />

wort vermögen. Bei der Stress def<strong>in</strong>ition<br />

von BREAZILE (1987) kommen … „positive“<br />

und „negative“ Stress formen vor. Er<br />

differenziert die Formen des Stresses<br />

jedoch <strong>in</strong> drei Gruppen:<br />

1. „Eustress“: positiver Stress, der nicht<br />

schädlich ist und Antworten <strong>in</strong>itiiert, die<br />

förderlich für das Wohl bef<strong>in</strong>den und den<br />

Komfort des Tieres s<strong>in</strong>d;<br />

2. „Neutral Stress“: Stress, der sich weder<br />

positiv noch negativ auswirkt;<br />

3. „Distress“: negativer Stress, der schädlich<br />

für das Tier ist, weil dadurch das Wohl -<br />

bef<strong>in</strong>den und der Komfort des Tieres<br />

pathologisch bee<strong>in</strong>flusst werden kann.<br />

Zwischen „psychologischem Stress“<br />

und „physischem Stress“ differenziert<br />

HOBFOLL (1989). Er def<strong>in</strong>iert psychologischen<br />

Stress als e<strong>in</strong>e Reaktion auf die<br />

Umge bung, <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>e Bedrohung oder<br />

der Verlust e<strong>in</strong>er Ressource stattf<strong>in</strong>det.<br />

MASON (1971) gibt an, dass Erwar tun -<br />

gen und Ängste bei Tieren wichtige psycho<br />

logische Ursachen für die Stress ant -<br />

wort <strong>in</strong> Form der adrenalen Sekre tion s<strong>in</strong>d.<br />

URSIN und MURISON (1984) klassifizieren<br />

„Stress“ bezüglich des „physiologischen<br />

Prozesses“. Dabei werden sämt liche physiologischen<br />

Vorgänge beim Auftreten<br />

von Stress unter dem Begriff „Aktivie -<br />

rung“ zusammengefasst. Die „Aktivierung“<br />

kann <strong>in</strong> zwei Fällen patho logisch (krankhaft,<br />

Anm. d. Verf.) werden: Bei der „normalen<br />

kurz andauernden Aktivierung“<br />

können bereits erkrankte Organe geschädigt<br />

werden oder gesunde Gewebe erfahren<br />

e<strong>in</strong>en „Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gseffekt“. Bei der „lang<br />

andauernden Aktivierung“ können physische<br />

Veränderungen und e<strong>in</strong> Inter agie -<br />

ren mit eventuell vorhandenen patho logischen<br />

Agenzien entstehen…<br />

Laut MOBERG (2000) und BLECHA<br />

(2000) bee<strong>in</strong>trächtigt Stress das Immun -<br />

system <strong>in</strong>sbesondere durch die Akti vi tät<br />

der Hypophysenachse. Diese Immun -<br />

suppression führt dann wiederum zu<br />

e<strong>in</strong>em häufigeren Auftreten von Krank -<br />

hei ten bei unter Stress leidenden Tieren<br />

(MOBERG 2000).«<br />

Was im Klartext bedeutet: negativer<br />

Stress macht nachweislich krank, und<br />

zwar körperlich und geistig. Zitat aus<br />

Imke Böhmes Dissertation1 :<br />

»… Befürworter behaupten, dass der<br />

fachgerechte Gebrauch von Elektro reiz -<br />

geräten gegenüber anderen positiven<br />

Strafen Vorteile mit sich br<strong>in</strong>ge, weil dieser<br />

e<strong>in</strong>e zuverlässige Methode darstelle,<br />

selbst belohnendes Verhalten auch über<br />

größere Distanzen zu verh<strong>in</strong>dern. Auch<br />

die direkte Verknüpfung des Strafreizes<br />

mit dem Hundeführer sei bei der Aus bil -<br />

dung mit e<strong>in</strong>em Strom impulsgerät nicht<br />

so gegeben, wie es bei der Verwendung<br />

e<strong>in</strong>es Stachel hals bandes der Fall sei.<br />

Gegner führen an, dass der E<strong>in</strong>satz von<br />

Kritisch gesehen<br />

Elektroreizgeräten tierschutzrelevant sei,<br />

da dieser mit Angst und Furcht assoziiert<br />

werde und Stress beim Tier hervorrufe.<br />

Des Weiteren bestehe die Gefahr des<br />

unsachgemäßen Gebrauchs oder sogar<br />

Missbrauchs. Sie behaupten, dass zur Aus -<br />

bildung von Hunden tierschutzgerech-<br />

tere Alternativen zur Verfügung stünden.<br />

Über die E<strong>in</strong>- und Auswirkungen von<br />

Stromimpulsgeräten im Hundetra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

liegen bereits wissenschaftliche Arbei ten<br />

vor. SCHALKE et al. (2005) und SCHILDER<br />

et al. (2003) stellen fest, dass der E<strong>in</strong>satz<br />

von Stromimpulsgeräten unter folgenden<br />

Bed<strong>in</strong>gungen tierschutzkonform ist:<br />

Der Anwender muss über die notwendigen<br />

praktischen und theoretischen Kennt -<br />

nisse verfügen und diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Prüfung<br />

unter Beweis gestellt haben. Die Verwen -<br />

dung der Geräte darf auch unter diesen<br />

Voraussetzungen nur <strong>in</strong> bestimmten Trai -<br />

n<strong>in</strong>gssituationen erfolgen... «<br />

Im Vergleich dazu e<strong>in</strong> Zitat aus der<br />

Forschungsstudie von Teutsch / Fed -<br />

dersen-Petersen2 :<br />

1. Vorsitzende Heike Sedlak<br />

Hundehaltertra<strong>in</strong>er<strong>in</strong>, Hundeverhaltensberater<strong>in</strong><br />

26603 Aurich • E-Mail Hundeschule-Ostfriesland(at)web.de<br />

Telefon 0494 / 171 159 • Mobil 0170 / 105 005 4<br />

» … Wir dürfen uns beim Umgang mit<br />

dem Hund ke<strong>in</strong>e ›Unfälle‹ beim Stra fen<br />

erlauben, die diesem e<strong>in</strong> erhebliches Lei -<br />

den zufügen können. Es gibt e<strong>in</strong>e Fülle<br />

e<strong>in</strong>setzbarer Alternativen und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs -<br />

arten, die überdies erfolgreicher s<strong>in</strong>d. Es<br />

kann nicht stark genug betont werden,<br />

dass strafende Lern metho den oder e<strong>in</strong>e<br />

bedrohliche Um ge bung Hunde ständig<br />

<strong>in</strong> Erregung versetzen. Aus dem Bestre -<br />

Hundeschule-Ostfriesland e.V.<br />

www.hundevere<strong>in</strong>-ostfriesland.de<br />

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