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Der etwas andere Bauer 4 Seidenraupeneier. Seidenraupen. Bis vor 100 Jahren war die Seidenproduktion ein bedeutender Wirtschaftszweig, auch in der Schweiz. Dann kam die Schweizer Seidenproduktion zu einem Halt. Es war in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als die letzte Seidenraupenzucht im Tessin ihren Betrieb einstellte. Das Handwerk sowie das Wissen darum gingen grösstenteils verloren. Ueli Ramseier, Textilingenieur, Ethnologe und ausgebildeter Landwirt, ergriff die Initiative und gründete gemeinsam mit anderen Landwirten und der Schweizer Seidenindustrie die Vereinigung Schweizer Seidenproduzenten swiss silk. Das ehrgeizige Projekt ist auf dem Weg dazu, ein Stück Schweizer Geschichte neu zu schreiben. Schweizer Rohseide. Im Gespräch mit dem Seidenraupenbauer Ueli Ramseier durften wir mehr über diesen verloren geglaubten und äusserst interessanten Wirtschaftszweig erfahren. Herr Ramseier, wie viele Leute engagieren sich in der Vereinigung Schweizer Seidenproduzenten swiss silk? swiss silk wurde vor einem Jahr gegründet, aktuell zählen wir 65 Mitglieder. Dazu gehören 28 Bauern und andere Interessierte, die uns Seidenspinner auf dem Kokon. unterstützen. 9 Bauern engagieren sich bereits aktiv in der Raupenzucht, andere sind noch mit Auswinterungsversuchen der Maulbeerbäume und der Planung beschäftigt. Im Frühling haben wir gemeinsam 600 Maulbeerbäume gepflanzt und verfügen heute über 700 Bäume. Die Raupenzucht soll bis nach der zweiten von insgesamt 4 Häutungen der Raupen zentral gesteuert werden, da diese Phase äusserst heikel ist. Anschliessend sind die jeweiligen Bauern für die Raupen zuständig. Die Kokons gehen schliesslich zurück an die Vereinigung, wo die Abhaspelung der Seide vorgenommen wird. Die Vereinigung berät die potenziellen und aktiven Produzenten und unterstützt diese. Bitte erläutern Sie kurz die Projektidee. Ziel ist, die Produktion von Seide in der Schweiz wieder zu beleben und dadurch Nebeneinkommen in der Landwirtschaft zu schaffen. Nebst der Landwirtschaft wird die traditionsreiche Schweizer Textilindustrie gestärkt und erhält neue Profilierungsmöglichkeiten. Durch die Wiederbelebung einer alten schwei-
zerischen Tradition wird die Attraktivität des Landschaftsbildes positiv beeinflusst und damit hoffentlich auch indirekt der Tourismus gefördert. Wann und vor allem wie sind Sie auf diese Idee gekommen? In den 80er-Jahren habe ich ein ähnliches Projekt in Südfrankreich kennengelernt. Nach einem Hilfseinsatz in der Entwicklungszusammenarbeit in Papua Neuguinea kam ich vor zehn Jahren zurück und stellte fest, dass es diese Zucht leider nicht mehr gab. So habe ich die Idee aus Frankreich aufgenommen und an die Schweizer Verhältnisse angepasst. Vor sieben Jahren begann ich mit den ersten Versuchen. 2008 hat das Projekt an Dynamik gewonnen. Ein Artikel im «Schweizer Bauer» löste erste positive Reaktionen aus. Wieviel Zeit investieren Sie in Ihre eigene Zucht sowie in die Arbeit bei swiss silk? Heute ist die Seidenraupenzucht und das Engagement bei swiss silk für mich ein 40 %-Job, meine Arbeit als Programmleiter in der Entwicklungszusammenarbeit redu zierte ich auf ein 80 %-Pensum. Zu meinen Aufgaben bei swiss silk gehören die Koordination mit den Bauern, deren Beratung, die Website bearbeiten, mit Organisationen wie IP Suisse verhandeln, ... Natürlich muss ich auch meine Maulbeerbaum-Plantage und die Raupen pflegen. Aber es macht mir Spass und die Familie steht hinter mir, was sehr wichtig ist. Wie haben Sie sich Ihr Fachwissen angeeignet? Durch die Ausbildung zum Textilingenieur bringe ich bereits Grundkenntnisse mit. Auch habe ich mich gründlich in das Thema eingelesen, Bauern in Frankreich besucht und viele Informationen in Asien gesammelt. Im Frühling 2010 war ich in Indien, um das Abhaspeln des Seidenfadens vom Kokon zu erlernen. Hinzu kommen Fehler bei Versuchen, aus denen man immer wieder dazu lernt. Ueli Ramseier auf seiner Maulbeerbaum-Plantage. Was gehört alles zu einer Seidenraupenzucht? Beim Seidenspinner handelt es sich um einen unscheinbaren Nachtfalter. Um den Faden aus dem Kokon der Raupe zu gewinnen, bedarf es vieler Arbeiten und sorgfältiger Aufzucht. Aus den Eiern schlüpfen nach etwa 10 Tagen winzige, kaum 3 mm lange Räupchen, die dank ihrer ungeheuren Fresslust innert 30 Tagen zu einer Länge von 9 –10 cm heranwachsen. Dabei nehmen sie das 10 000-fache an Gewicht zu. Als Nahrung braucht der Seidenspinner die Blätter von weissen Maulbeerbäumen (morus alba). Auf unseren Plantagen kultivieren wir diese Futterpflanze. Die Blätter werden geerntet und den Raupen in den Aufzuchträumen zum Fressen auf Hurten vorgelegt. Das Futter muss immer frisch gepflückt sein, welkes Laub wird nicht gefressen. Sind die Raupen reif zum Einpuppen, stellen wir Ihnen Verpuppungshilfen wie Kartongitter zur Verfügung. Drei Tage braucht die Raupe, bis sie sich in den eigenen bis zu 3000 m langen Seidenfaden eingesponnen hat. Durch den Seidenleim, welchen die Raupen zusammen mit dem Seiden faden ausspinnen, wird der Kokon fest. Nach einer Ruhephase von etwa drei Wochen ist die Metamorphose der Raupe zum Nachtfalter abgeschlossen. Der Schmetterling zerstört die Spitze des Kokons und kriecht heraus. Die Falter paaren sich sofort nach dem Schlüpfen. Die Männchen sterben gleich danach; die Weibchen beginnen sofort mit der Eiablage. Sie legen 300 – 500 Eier ab und sterben dann ebenfalls. So beginnt der Kreislauf wieder von vorne. Man lässt aber nur so viele Falter schlüpfen wie zur Weiterzucht gebraucht werden. Für die Seidenherstellung müssen wir im Stadium der Metamorphose die Puppen mit heisser Luft austrocknen. Die Kokons werden danach gelagert und später abgehaspelt. Dazu muss man zuerst mit heissem Wasser den Seidenleim aufweichen. Aus fünf Kokons gewinnen wir einen Rohseidefaden. Die Rohseide fäden gehen schliesslich weiter an die Schwei zer Textilindustrie zur Endverarbeitung. Wir decken also die Futterproduktion, Seidenraupenzucht und Abhaspelung ab. Die Seidenraupen ernähren sich ausschliesslich von Maulbeerbaumblättern. Wie wird diese Futterpflanze angebaut? Es gibt verschiedene Systeme. Wichtig ist, dass man die Bäume mit Schnitt auf Niederstamm, zirka 60 – 80 cm hoch, hält. Die Blätter an den einjährigen Schösslingen werden ge - erntet, darauf folgt im Winter wieder der Rückschnitt. Die Stecklinge produzieren wir mit Unterstützung eines Elsässer Bauern selbst. Die Blätterernte ist sehr zeitin ten - siv. Die Plantage ist mit Fahrgassen für einen Traktor angelegt, so dass wir allenfalls später mit einer Erntemaschine ar beiten können. Wie gross ist Ihre Maulbeerbaumplantage? Die Plantage ist ½ ha gross. Sie bietet Platz für 1100 Bäume. Dieses Jahr habe ich die ersten 260 Bäume gepflanzt. Sie benötigen 5 Jahre bis zum vollen Produktionseinsatz. 100 Maulbeerbäume pflege ich als «Reserve». Auf meiner Plantage kann ich Futter für 160 000 Raupen anbauen. Gesamthaft verfügen wir in der Vereinigung zur Zeit über 700 Bäume. Welche Arbeiten stehen bei der Futterproduk- tion an? Die Vervielfäl ti gung der Bäume sowie die Bodenvorbereitung. Auch die Baumpflege selbst, d. h. aufbinden, düngen, schneiden, ist wichtig. Im ersten Jahr müssen die Bäumchen zudem bei Trocken heit gegossen werden. Wir verwenden keine Insektizide, da dies für die Raupen tödlich wäre. Krankheiten wie Mehltau müssen wir vor allem vorbeugen und sie allenfalls auf natürliche Weise bekämpfen. Wie viel Seide produzieren Sie pro Jahr? Im Moment noch wenig, das hängt von der Futterproduktion ab. Die Bäume und die Erfahrung sind noch klein. Im Jahr 2010 werden wir ungefähr 1 kg Rohseide produzieren. Mit diesem Kilo macht die Textilindustrie einen ersten Webversuch. Potenzial ist vorhanden, denn von der Industrie erhielten wir bereits eine Zusage für die Abnahme von 10 Tonnen Rohseide im Jahr. Dazu benötigen wir aber 150 Bauern à 1 ha Maulbeerbaumplantage, oder 300 Bauern mit je ½ ha. Das ergäbe fast 50 Millionen Raupen im Jahr (je 330 000 Raupen pro Hektar), daraus entstehen 10 Tonnen Rohseide. Aus dieser Menge Rohstoff kann man ungefähr 100 000 Seidenkrawatten produzieren. Dies wäre ein Bei - trag zur Diversifizierung in der Landwirtschaft! Weitere Informationen finden Sie unter www.swiss-silk.ch. 5
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Seite 13 und 14: Saftiger September Schreiten wir fr
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