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WOLF HAAS<br />
evierkämpfei m<br />
iener Augarten<br />
Ei ne Kri mipersiflage<br />
des österrei chi schen<br />
Sprachjongl eurs<br />
Wolf Haas.<br />
Wolf Haas: Wie die<br />
Tiere, Roman Rowohlt<br />
Verlag Rei nbek 2001,<br />
217 S., 17,80 €.<br />
Luxe mbourg 1<br />
Port Payé<br />
P/S. 332<br />
6 25/02<br />
Sicher, Wolf Haas' Roman<br />
Wie die Tiere scheintaufden<br />
ersten B<strong>li</strong>ck ein Kri minalro-<br />
man zu sein. Es gibt Leichen,<br />
einen Privatdedekti v und a m<br />
Ende auch einen Schuldigen.<br />
In diesem Buch steht jedoch<br />
nicht der Plot i m Vorder-<br />
grund, sondern die Fähigkeit<br />
des Autors, mit der Sprache zu<br />
spielen und− so ganz nebenbei<br />
− K<strong>li</strong>schees aufzugreifen und<br />
zu überzeichnen.<br />
Immer wieder ge<strong>li</strong> ngt es<br />
ihm, die LeserInnen zum La-<br />
chen zu <strong>bri</strong>ngen, das einem<br />
dann durchaus auch so man-<br />
ches Mal imHals stecken zu<br />
bleiben droht. Eingefleischte<br />
Kri mifreunde werden deshalb<br />
wohl eher enttäuscht sein,<br />
denn i n dieser Kri misatire<br />
führt kein Superbell o die Re-<br />
vierkämpfe oderjagt gar einen<br />
Mörder. Den bellenden Vier-<br />
beinern geht es viel mehr<br />
selbst an den Kragen, was so-<br />
gar für den Erzähler des<br />
Ro mans zuviel ist:"Undtrotz-<br />
de m muss man lautunddeut-<br />
<strong>li</strong>ch sagen. Man kann nichteinfach<br />
hergehen und Hundekek-<br />
se streuen. Oder Hundekekse<br />
meinetwegen schon, aber<br />
nicht mit Stecknadeln<br />
dri nnen."<br />
Pri vatdedekti v Simon Bren-<br />
ninger machtsichauf die Su-<br />
che nach dem Hundemörder<br />
e l i b r i s<br />
01/2002<br />
Foto: Muriel Pri eur<br />
und stößt bei seinen Recher-<br />
chen recht schnell auf den<br />
Kinderschutzverein "Früchtchen",<br />
der ständig Auseinan-<br />
dersetzungen mit den Hunde-<br />
besitzern hat. " Wien, Groß-<br />
stadt, zu vielealte Leute mit zu<br />
vielen Hundenin den Parks, zu<br />
wenig Platz für die Kinder,<br />
dann oft bürgerkriegsähn<strong>li</strong>che<br />
Kämpfe zwischen Hundebesit-<br />
zern und Kinderbesitzern,<br />
Hundebesitzer natür<strong>li</strong>ch bei<br />
den bürgerkriegsähn<strong>li</strong>chen Tä-<br />
ti gkeiten sehr i m Vorteil, weil<br />
Hund an der Leinei mmer be-<br />
droh<strong>li</strong>cher als ein Kleinkind,<br />
das noch nicht beißenkann."<br />
Natür<strong>li</strong>ch <strong>li</strong>egt für Brennin-<br />
ger die Ver mutung nahe, den<br />
Hundehasser unter den Kin-<br />
derschützern zusuchen. Diese<br />
aber wehren sich vehe ment<br />
gegen den Vor wurf und beto-<br />
nen i hren rein pädagogischen<br />
Standpunkt. Davon wiederum<br />
fühlt sich Brenninger unwider-<br />
steh<strong>li</strong>ch angezogen, "Weil i n<br />
der Po<strong>li</strong>zeischule haben sie<br />
auch viel über den pädagogi-<br />
schen Umgang mit den Leuten<br />
gelernt. Zu m Beispiel bei der<br />
Po<strong>li</strong>zei ganz wichti g: Nicht zu<br />
spät zuschlagen, woesdann<br />
viel gewaltsamer wird, son-<br />
dern gleich i m Kei m erstic-<br />
ken." Als "Superdedekti v"ver-<br />
folgt Brenninger selbstver-<br />
ständ<strong>li</strong>ch noch weitere Spu-<br />
ren, und so geraten auch die<br />
Hundezüchterin Hartwig und<br />
die Erbverwaltungfür Tiervermögen<br />
" Treuhund" unter Ver-<br />
dacht. Auch ein verkorkster<br />
Architekt mit hochf<strong>li</strong> egenden<br />
Gedanken, der den alten Flak-<br />
tur m i m Zentrum des Augar-<br />
tens ausgerechnet zu einem<br />
Hundeasyl umbauen soll, käme<br />
als Täter in Frage. Bei so<br />
vielen potenziellen Tätern<br />
kommtderinZeitlupe denken-<br />
de Brenninger heftig i ns Grü-<br />
beln und spürt dabei i mmer<br />
wieder, "wie sich aus weiter<br />
Ferne ei n Gedanke nähert, wo<br />
er i n der nächsten Sekunde<br />
zwei und zwei zusammen-<br />
zählen und alles lösen wird".<br />
Dochl eideristihmdann mehr-<br />
mals "der Gedanke, denerfast<br />
gehabthätte, natür<strong>li</strong>ch wieder<br />
hinuntergefallen". Da beiBrenninger<br />
die heruntergefallenen<br />
Gedanken auch so schnell<br />
nicht wieder auftauchen, en-<br />
det die Akti on i m Augarten<br />
schlussend<strong>li</strong>ch i n einem wah-<br />
ren " Himmelfahrtskomman-<br />
do".<br />
Haas‘ Erzählstil ist zunächst<br />
gewöhnungsbedürftig, begei-<br />
stert dann aber regelrecht.<br />
Der Autor hat näm<strong>li</strong>ch einen<br />
Erzähler zwischengeschaltet,<br />
der den Leser nicht nur ganz<br />
ungeniert duzt, sondern auch<br />
noch spricht, wie ihm der<br />
Schnabelgewachsen ist. Seine<br />
Sprache k<strong>li</strong> ngt einerseits recht<br />
gedrechselt und aufgeplustert,<br />
andererseits wiederum abso-<br />
lut reduziert, undso manche<br />
seiner Sätze bleiben einfach<br />
auch halb ausgesprochen in<br />
der Luft hängen. Stammtisch-<br />
ge mäß lässt sich der Erzähler<br />
nicht nur über Brenners Ver-<br />
halten oder das Weltgesche-<br />
hen aus. Wenn nöti g,kommen-<br />
ti ert er auch die Handlung."Al-<br />
so, das ist jetzt nicht für Kinder<br />
besti mmt, das ist erst ab<br />
achtzehn, da möchte ich<br />
pädagogisch nichts falsch ma-<br />
chen. Das wäre j etzt der l etzte<br />
Moment, wo man die Kinder<br />
ein bisschen wegschickt, geh<br />
spielenoder schaudir deinGe-<br />
waltvideoan." Der Roman" wie<br />
die Tiere" ist das fünfte Buch<br />
mit dem Anti helden Simon<br />
Brenninger. Eristhöchstamü-<br />
sant und stecktsovoller Ab-<br />
surditäten, dassihnsichauch<br />
LeserI nnen ohne Neigung zu<br />
Kri mis keinesfalls entgehen<br />
lassensollten. Denn wenn sich<br />
Pri vatdedekti v Brenninger auf<br />
die Suche nach dem Hun-<br />
de mörder macht, kann kein<br />
Auge trocken bleiben.<br />
Nelly Rech−Eirich<br />
Zweisprachi ge Lesung // Lectura bi<strong>li</strong> ngüe<br />
Erzähl mir noch einmal vonHavanna<br />
José Ovejero<br />
Am Donnerstag, 7. März, 20 Uhr, <strong>li</strong> est der<br />
spani sche Schriftstell er José Ovejero aus<br />
sei ne m Ro man "Erzähl mir noch einmal von<br />
Havanna" ( Scherz 1 999) i m CASI NO − FORU M<br />
D' ART CONTE MPORAIN (41, rue Notre−Dame,<br />
Luxe mbourg). Vor de m Hi ntergrund des spani schen<br />
Bürgerkri egs und der kubani schen Revol uti on erzählt der<br />
Ro man von der tragi schen Li ebe ei nes Mannes, der weder<br />
sich sel bst noch anderen untreu werden kann.<br />
Kurze Ei nführung durch Li sa Grünei sen, Übersetzeri n.<br />
Ver anstal ter: Li eszeechen a. s. bl .<br />
***<br />
Eldíajueves,7demarzo,alas20horas,elescritorespañol<br />
José Ovejero l eerá al gunos pasajes de su novel a "Añoranza<br />
del héroe" ( Desti no, 1 997 y Edi ci ones B, 2002) en el CASI NO<br />
− FORU M D' ART CONTE MPORAI N (41, rueNotre−Dame, Luxe mbourg). La guerra ci vil español a y l a revol uci ón<br />
cubana sirven de marco a esta novel a que trata del trági co<br />
amordeunhombreydelaimposibi<strong>li</strong>daddeserfieltantoasí mismocomoalos otros.<br />
Breve i ntroducci ón: Li sa Grünei sen<br />
Organización:Lieszeechen a.s.b.l.<br />
PANKAJ MISHRA<br />
Redakti on: Li eszeechen asbl – Bei träge von Uschi Arens, Núri a Garci a,<br />
Herausgabe:<br />
woxx<br />
Suzanne Köni g, Maïté Krippler, Nelly Rech-Eiri ch, Jochen Staebel, Carole Thull , Marthy Thull , Angel a Wi charz- Li ndner.<br />
s. c.<br />
in Zusammenarbeitmit Li eszeechen asbl<br />
B. p. 684<br />
L- 201 6 Luxe mbour g.<br />
Erscheint vierzehnma<strong>li</strong>mJahr. Dr u ck: I mpri meri e C OPE,<br />
Luxe mbourg-Ha mm.<br />
Educati on senti mentale<br />
auf Indisch<br />
EinjungerindischerStudentver<strong>li</strong>ebtsichzumerstenMal, da mit begi nnt di e Erzi ehung sei nes Herzens<br />
Der j unge Sa mar ko mmtnachBenares, umsichdemStudiumder<br />
Li teratur zu widmen. Er will si ch vorneh m<strong>li</strong> ch de m Studi u msei ner<br />
ge<strong>li</strong> ebten west<strong>li</strong> chen Kl assi ker hi ngeben, bevor er das unver mei d<strong>li</strong><br />
che Beamtenl ebeni n ei ner kl ei nen Provinzstadtaufnimmt. Er bezi<br />
eht ei n winzigesZimmermit B<strong>li</strong>ck auf den Ganges undlernt kurz<br />
darauf sei ne eng<strong>li</strong> sche Nachbari n kennen, Miss West. Si e ni mmt<br />
den jungen Mann unter i hre Fitti che und macht i hn mit i hren<br />
Freunden bekannt, zu denen auch di e schöne Catheri ne gehört, eineFranzösinausreichemHause,<br />
diein Benaresarbeitetundzum großen Missfallenihrer ElterninPariseine Verbindungmit ei nem<br />
ar men I nder ei ngegangen i st. Samar ver<strong>li</strong> ebt si ch sehr bal d i n<br />
Catherine, undderZufallsorgtdafür, dassdiebeideneinesTages<br />
gemeinsamzueiner Reiseaufbrechen, in derenVerlaufsicheine kurze, aber hefti ge Affäre zwischenihnenentwickelt. Die Beziehung<br />
hat kei ne Chance, nach der Rückkehr verl äßt Catheri ne Samar<br />
ebenso u mstandl os, wiesieihnzuvoreroberthat. Tiefgetroffen<br />
von di ese m Verl ust, macht Sa mar si ch auf, sei ne neu entdeckte<br />
Gefühl swel t zu verarbei ten.<br />
Der Mittdrei ßi ger Pankaj Mishraist LiteraturkritikerundLektor und hat mit Benares oder Ei ne Erzi ehung des Herzens sei nen erstenRomanveröffent<strong>li</strong>cht.<br />
EsisteinleisesBuch, eineinsehrruhige<br />
m Erzähl stil verfasste Beschrei bung ei nes j ungen Mannes, der<br />
erst sei ne Gefühl e entdeckt, u m dann sei nen Lebens weg gestalten<br />
zu können. Stell enwei se wünschte man si ch gel egent<strong>li</strong> ch et was<br />
mehr Spannung, di e sehr zen− mäßi ge Ent wicklungder Dinge erfordert<br />
bi sweil en et was Gedul d, und di e ausführ<strong>li</strong> chen i nneren Betrachtungen<br />
des Studenten Samar si ndfür i hn und sei nen Werdegang<br />
zwar ersi cht<strong>li</strong> ch not wendi g, aber für Außenstehende ni cht<br />
immersoerschöpfend. All erdi ngs enthält das Buch wunderschöne<br />
Beschrei bungen von Orten, Menschen und Landschaften i n I ndien,<br />
sodass mansich haltdochin Geduldübt.<br />
Suzanne Köni g<br />
Pankaj Mishra: Benares oder Ei ne Erzi ehung des Herzens, Roman<br />
aus dem Eng<strong>li</strong>schen ("The Romanti cs", Pi cador, London),<br />
von Barbara Schaden, Karl Blessi ng Verl ag München, 2001,<br />
287 S., 20, 45 €.
<strong>II</strong><br />
WLADI MIRKAMINER<br />
Hel d auf Abwegen<br />
(awl) − Der 1967in Moskau geborene Wladi mir Kaminer, Toninge-<br />
<strong>ex</strong> <strong>li</strong> <strong>bri</strong> s<br />
ELKE HEI DENREI CH<br />
ni eur und Dra maturg, l ebt seit 1 990 i n Ber<strong>li</strong> n. Sei ne satiri schen<br />
Von der Gleich-<br />
Artikel findenreißendenAbsatz, seine Rundfunksendungenerzie l en Höchstquoten, und di e voni h mveranstaltete" Russendi sko" i st<br />
inzwischen repub<strong>li</strong>kweit bekannt. Mi<strong>li</strong>tär musik i st der erste<br />
Roman des Multitalents. Dari n berichtet der 1967 pünkt<strong>li</strong>ch zu m<br />
fünfzi gsten Jahrestag der Oktoberrevol uti on zur Wel t geko mmene<br />
Ka miner von seiner Ki ndheit und Jugend i n der ruh mrei chen<br />
Sowjetunion. Bereits als Schüler macht er Furore und wird ob seiner<br />
überzeugenden, wenngl ei ch frei erfundenen Tagesnachri chten<br />
zum"OffiziellenPo<strong>li</strong>tinformator" bestellt. Den Höhepunktseiner Karri ere erl ebt er bei m Mi<strong>li</strong>tär, wo er zu m" Stell vertretenden Vergnügungsorgani<br />
sator" aufstei gt. Auch wennsicheinzelneAnekdoten<br />
ganz a müsant l esen, ei nen Ro man ergeben di ese T<strong>ex</strong>te ni cht.<br />
Di e große Stärke di eses anarchi schen, di e deutsche Sprache<br />
unglaub<strong>li</strong>chsouveräneinsetzendenAutorssindkurze, messerscharfe<br />
Anal ysen des Alltags, beispielswei se sei ne Nachri chten<br />
von der " Schönhauser All ee". Wer di ese sati ri schen Glanzstücke<br />
bi sl ang ni cht l esen konnte, weil er oder si e di e fal sche Zei tung<br />
abonni ert hat, sollte di e Mi<strong>li</strong>tär musi k getrost vorbei marschi eren<br />
lassenundwarten, bi s di e Schönhauser Alleein Sichtkommt, deren Erschei nen bereits vo m Verl ag i n Aussi cht gestellt wurde.<br />
Wladimir Kaminer: Mi<strong>li</strong>tär musik, Manhattan Verlag München<br />
2001, 192 S., 18€.<br />
THO MAS BRUSSI G<br />
Der Seiten<strong>li</strong> ni enstratege<br />
(awl) − Fußball i st sei n Leben. Der gut Fünfzi gjähri ge hat satte<br />
zwanzi g Trai nerjahre auf de m Buckel. Alle gingendurchseine Schul e: Knaben, Schül er, Juni oren, bi s Männer. Er wei ß, wo‘ s<br />
l anggeht. Und kann das auch ver mitteln. Ein Platzbrüller, kein<br />
Kabi nenbrüll er, obwohl man dass ni cht missverstehendarf: "Es<br />
si eht aus wie Brüllen, aberin Wirk<strong>li</strong>chkeitist es Denken, undzwar<br />
sehr l ei denschaft<strong>li</strong> ches Denken." Tho mas Brussi g schi ckt sei nen<br />
wi chti gsten Mann auf den Pl atz. I n ei ne m ate mberaubenden<br />
Monol og darf der Fußballl ehrer aus der ostdeutschen Provinzseine<br />
m Herzen Luft machen. Ei n Hel d, dessen Weltbil d tadell os i n<br />
Or dnung i st. Was man von der Wel t sel bst l ei der ni cht behaupten<br />
kann. Weil einer seiner Spielerin einem Mauerschützenprozess<br />
von ei ner Ri chteri n! verdonnert worden i st, hat di e Mannschaft<br />
den Aufsti eg ni cht geschafft. Frauen und Fußball, das passt eben<br />
ni cht zusammen. Erl ebt er j a ni cht zu m ersten Mal. Sei ne ei gene<br />
Frau <strong>li</strong> eß si ch von i h m schei den, weil i h m Fußball wichtiger war<br />
als sie. Hat eben gar nichts verstanden. Die Po<strong>li</strong>tik brachteihm<br />
auch kei n Glück. Datritter1974<strong>ex</strong>trai n di e Partei ei n, u m mal zu<br />
zeitigkeit des Seins<br />
Ab und zu ge<strong>li</strong> ngt' s:<br />
der schnöden Welt<br />
den Rücken zu kehren,<br />
umsich Wichtigerem<br />
zu widmen. Den Wonnen<br />
der Li ebe zu m<br />
Bei spi el.<br />
Elke Hei denreich: Der<br />
Welt den Rücken,Carl<br />
Hanser Verlag München<br />
2001, 191 S.,<br />
15,90 €.<br />
ASTA SCHEI B<br />
ei ner WM rei sen zu können, und was passi ert? Pro mpt vergei gen<br />
Sei froh, dass<br />
di e DDR−Jungs sä mt<strong>li</strong>che Qua<strong>li</strong>fikationen. Jahrelang. Und 1989<br />
fällt di e Mauer. Di e schöne neue Welt <strong>bri</strong> cht an. Von wegen schön:<br />
Arbeitsl osi gkeit, Co mputer, Ausl änder. All es ni cht sei n Di ng. Aber<br />
aufgeben? Ni e mal s! Man kann es den Kickernvon morgennicht früh genug ei nbl äuen: " Männer! Fußball i st all es!"<br />
Tho mas Brussig: Leben bis Männer,Collection S.Fischer<br />
Frankfurt2001,96S., 10,00€.<br />
GARRY DI SHER<br />
Heisse Wei hnachtszeit<br />
(sk) − I n Austra<strong>li</strong>en braucht man an Wei hnachten K<strong>li</strong> maanl agen,<br />
vor all e m wenn ei n Frauen mörder di e Po<strong>li</strong> zei i ns Schwitzen <strong>bri</strong> ngt.<br />
Detecti ve I nspector Hal Chal<strong>li</strong> s mag di e Wei hnachtszei t ni cht<br />
besonders. Erstens i st es unerträg<strong>li</strong> ch hei ß i m Peni nsul a Di stri ct<br />
in der Nähevon Melbourne, zwei tens wimmeltesumdieZeit i mmer von Touri sten und drittens weckt das nur un<strong>li</strong> ebsa me Eri nnerungen.<br />
Am<strong>li</strong>ebstenschraubteranaltenFlugzeugenherum,die<br />
er <strong>li</strong> ebevoll restauri ert. Seit de m Mord an ei ner jungen Frau auf<br />
de m Peni nsul a Hi gh way wird die Zeit dafür knapp. Die Ermittl ungen<br />
l aufen auf Hochtouren, al s auf de msel ben Hi gh way ei ne wei -<br />
tere Frau er mordet wird, wie vom Mörder <strong>bri</strong>ef<strong>li</strong>ch angekündigt.<br />
Die Angstgehtumin demkleinen Städtchen, der Druckaufdie Po<strong>li</strong> zei ni mmtzu. DerMörderkündigteindrittesVerbrechenan, und für Hal und sei ne Koll egen von der Mordkommission beginnt<br />
in der mörderischenHitzeeinWettl auf mit der Zeit ...<br />
Garry Di shers Drachenmani st ei n spannender Thrill er, bei de m<br />
es ei ne mauch ohne austra<strong>li</strong> sche Sonne schön war m wird. Disher<br />
packt sei n Buch mit fast allem voll, was man so braucht, und<br />
schafft es gerade noch, gl aubwürdi g zu bl ei ben, obwohl ganz<br />
schön waslosist undesjede Mengevermeint<strong>li</strong>cheNebenschau pl ätze gi bt, di e hi nterher aber wunderbar zusammenpassen und<br />
a m Ende für ei ne faustdi cke Überraschung sorgen. Nach di ese m<br />
Buch wird man Ausschau nach I nspector Chal<strong>li</strong> s‘ nächste m Fall<br />
halten.<br />
Garry Disher: Der Drachenmann (The Dragon Man,<br />
Allen&Unwin in St Leonards, Austra<strong>li</strong>a), Deutsch von<br />
Peter Friedrich, UnionsverlagZürich, 2001,296S,17€.<br />
du l ebst! Agnes aus Attenberg "Es<br />
ken konnte, war Kri eg". Zu Be-<br />
erzählt deutsche<br />
Nachkri egsgeschi chte<br />
Asta Scheib: Seifroh,<br />
dass du lebst!,<br />
Rowohlt VerlagBer<strong>li</strong>n<br />
2001, 318 S., 22,90 €.<br />
war Kri eg. Seit ich den-<br />
ginn von Asta Scheibs Roman<br />
Sei froh, dass du lebstist die Ich−Erzählerin Agnes sieben<br />
Jahre alt. Ihre Kindheit i m<br />
bergischen Attenberg beiKöln<br />
war bislang vom Kri eg besti<br />
mmt. Die Bombennächte,<br />
die Sorge der Mutter, i m<br />
TauschhandelEssenundwarme<br />
Kleidung zu beschaffen,<br />
und die Tatsache, dassderVater<br />
stets abwesend war, denn<br />
dieser musste an der russischen<br />
Front Deutschland verteidigen,prägt.<br />
haben Agnes ge-<br />
Auch nach Kri egsende<br />
blei bt der Hunger. Agnes ist<br />
und bleibtdasschwarze Schaf<br />
der Fa mi<strong>li</strong>e, neben zwei Geschwistern<br />
das Sorgenkind<br />
der Mutter. Diese hat ein<br />
großes Herz undist gerne bereit<br />
mit anderen zuteilen, was<br />
wiederum Agnes Sorgen<br />
macht. Leider hat die Mutter<br />
auch ein Herz für einen ehema<strong>li</strong>gen<br />
Nazi, der nach und<br />
nach den Vater verdrängt.<br />
Konf<strong>li</strong>kte zwischen Agnes und<br />
de m neuen Mann der Mutter<br />
bleiben nicht aus, zumal<br />
Agnes – Freud sei gegrüßt –<br />
den verschwundenen Vater<br />
idea<strong>li</strong>siert.<br />
Dennoch hat Agnes das<br />
Herz aufdemrechten Fleck,ist<br />
natür<strong>li</strong>ch, direkt und sensibel<br />
und entl arvt mit ihrem unver-<br />
stellten B<strong>li</strong>ck die Nachkriegs-<br />
gesellschaft. Erzählt werden<br />
die großen und kleinen Erleb-<br />
nisse, die Agnes‘ Wegi n die Er-<br />
wachsenenwelt markiert ha-<br />
ben:"Mr.Bennetts neues Geld"<br />
und "Fronleichnam und kein<br />
Schlüpfer" si nd nur z wei Kapi-<br />
telüberschriften, die die the-<br />
matische Spannbreite andeuten.<br />
Die Dorfgemeinschaft des<br />
kleinen Ortes Attenberg steht<br />
repräsentati v für das zer-<br />
bombte Deutschland. Alles ist<br />
vertreten: Es gibt die guten<br />
Deutschen, von denen man<br />
erst nach de m Kri eg erfährt,<br />
dass sie Juden erfolgreich ver-<br />
steckthaben. Es gibtdie Nazi−<br />
Gegner, die sich, der Gefähr-<br />
dung wohl bewusst, schon zu<br />
Nazi−Zeiten gegen die Diktatur<br />
gestellt haben. Es gibt die Op-<br />
fer des Nazi−Regi mes, die Mit-<br />
läufer und die stets Unverbes-<br />
ser<strong>li</strong>chen, die auch nach<br />
Kri egsende noch an den alten<br />
Werten festhalten, sichnachts<br />
heim<strong>li</strong>chtreffen und keineEin-<br />
si chtzeigen. Haben wir auch<br />
keinen vergessen? Bei dem<br />
Be mühen, alle Facetten der<br />
Nachkri egsgesellschaft abzu-<br />
decken, gerät Asta Scheib al-<br />
lerdings i mmer wieder in die<br />
Gefahr, K<strong>li</strong>schees abzurufen,<br />
was allerdings durch die erfrischende<br />
Perspekti ve der her-<br />
anwachsenden Agnes et was<br />
aufgefangen wird und den Hu-<br />
mor nicht zu kurz kommen<br />
lässt.<br />
Einher mit der Entwicklung<br />
Astas geht die Entwicklung<br />
Deutschlands nach demKri eg.<br />
Die Währungsrefor m ist ein<br />
Kapitel dieser Geschichte und<br />
imRoman so dargestellt, dass<br />
jeder bestäti gen könnte:<br />
"Genauso war´s!" Auch das si-<br />
cher<strong>li</strong>ch ein Grund, weshalb<br />
es sichl ohnt, Asta Scheibs Roman<br />
zu lesen: Die große Ge-<br />
schichte wird aus der Per-<br />
spekti ve der kleinen Leute<br />
wiedergegeben und gewinnt<br />
dadurch eine ganz neue Be-<br />
deutung.<br />
625 - 25/1/2002<br />
will sie diese heikle Aufgabe<br />
nicht anvertrauen. Eines Tages<br />
lerntsieHeinrich kennen,<br />
einen Soldaten vom F<strong>li</strong>egerhorst.<br />
Ihre Intuition trügt sie<br />
nicht; Heinrich erweist sich<br />
als idealer Lehrer. Zehn Tage<br />
lang geht siemit ihmin einem<br />
Hotel inKlausur, dann hatsie<br />
ihr Studium abgeschlossen.<br />
Leben schwer ge macht. Nach<br />
Dass draußen i n der Welt derweil<br />
die Kubakrise stattgefunden<br />
hat, dri ngterstspäter zu<br />
de m Tod der alten Frau ent- ihr durch. GestärktziehtFrandecktdie<br />
Tochter das sorgfälkai ns Leben hinaus.<br />
ti g gehütete Gehei mnis ihrer Heinrich siehtsieerst1989<br />
Mutter. Die Lebens<strong>li</strong>ebe der wieder, nach siebenundzwan-<br />
Mutter war nie ihr Ehemann, zi g Jahren.Sieist Mitte vierzig,<br />
Ninas Vater, sondern dessen glück<strong>li</strong>ch verheiratet, reich.<br />
Schwester Karl a. Mit ihr ver- Heinrich hat es nicht so gut<br />
<strong>bri</strong> ngt si e " die schönsten Jah- getroffen: dreimal verheiratet,<br />
re" ihres Lebens: die Kri egsj ah- dreimal geschieden, zwei<br />
re 1940 bis 1945, i n denen i hr Töchter. Wegen eines Unfalls<br />
Mann die meiste Zeit an der und zu viel Alkohol musste er<br />
Frontist. Getrübtwird diese schon vorzeitig in Rente ge-<br />
Zeit nur durch das ungewollte hen. Ein Rest von seinem<br />
Kind, Nina. ErstkurzvorihremChar<br />
me ist ihm trotzdem<br />
Tod ge<strong>li</strong> ngt es der Mutter,sichgeb<strong>li</strong>eben.Frankafackelt<br />
nicht<br />
Oder Geschichten wie<br />
denen von Elke Heidenreich.<br />
Geschichten von gewöhn<strong>li</strong>chen<br />
Leuten mit gewöhn<strong>li</strong>chen<br />
Lebensläufen, die sich alle ein<br />
Stückchen Glück vom Lebenskuchen<br />
abschneiden wollen.<br />
Aber was ist das, Glück? "Sonne<br />
aufderHoteltapete", meint<br />
Jonathan, derTri nker."Ansonsten<br />
gibt es so was wie Glück<br />
diesemKindanzunähern,jaso<br />
et was wie Zärt<strong>li</strong>chkeit zu empfi<br />
nden. Heidenreich stellt dieser<br />
von Trauer und Verl ust geprägtenMutter−Tochter−Beziehung<br />
eine hoffnungsvolle neue<br />
Liebe gegenüber. Nach unzäh<strong>li</strong>gen<br />
Affären mit den verschiedensten<br />
Männern hatsichNina<br />
unsterb<strong>li</strong>chi n eineFrauver<strong>li</strong>ebt.<br />
Bei der Ita<strong>li</strong>eneri n Flora<br />
fühlt sich Ninazumersten Mal<br />
lange. Sie schleppt Heinrich<br />
erst zu m feinsten Herrenausstatter<br />
der Stadt, dann i ns beste<br />
Hotel. Diesmal reicht die<br />
Kondition i mmerhin für fünf<br />
Tage. Fünf Tage, die Franka<br />
nicht so schnell vergessen<br />
wird: Als sie wieder zu sich<br />
kommt, i st i n Ber<strong>li</strong> n die Mauer<br />
gefallen.<br />
Angela Wicharz−Lindner<br />
immer nur i n der Eri nnerung. in ihrem Leben gut aufgeho-<br />
Man weiß erst, was Glückist, ben.<br />
wenn man es verl oren hat. "<br />
Die letzte Erzählung, "Der<br />
Aus Platzgründen muss si ch Welt den Rücken", handelt von<br />
die Rezensionauf zwei derins- der j ungen Studenti n Franka,<br />
gesa mt sieben Erzählungen die sich auf die Suche nach ei-<br />
beschränken, die samt und ne m Mann begibt, der würdig<br />
sonders eine Auszeit lohnen. ist, sie zu defl ori eren. Jüng<strong>li</strong> n-<br />
Nina und ihre Mutter haben gen mit schwei ßnassen Hän-<br />
si ch seit jeher gegenseitig das den und anderen Dilettanten<br />
Etwas enttäuschend bleibt<br />
dagegen das Ende des<br />
Ro mans. Nachde m Vater und<br />
Tochter sich end<strong>li</strong>ch wieder-<br />
gefunden haben, stirbtderVa-<br />
ter kurze Zeit später bei einer<br />
fast schon gewöhn<strong>li</strong>chen Ope-<br />
rati on. Beinahe schon tragisch,<br />
wenn man nicht den<br />
Eindruck hätte, die Autorin<br />
habe bei der Suche nach ei-<br />
ne m guten Schluss zu einer<br />
Notl ösung gegriffen.<br />
UschiArens
<strong>ex</strong> <strong>li</strong> <strong>bri</strong> s<br />
25/1/2002 - 625 <strong>II</strong>I<br />
MARI O GONZALEZ SUAREZ<br />
bschi ed von der<br />
indheit<br />
Mit "De l a i nfanci a"<br />
erschi en 1 998 der<br />
dritte Ro man des<br />
m<strong>ex</strong>i kani schen Autors<br />
Mari o Gonzál ez<br />
Suárez, der unter de m<br />
Titel "Als Kind"i m<br />
Herbst l etzten Jahres<br />
auf Deutsch erschi en.<br />
Mario González<br />
Suárez:Als Kind, Roman<br />
aus dem m<strong>ex</strong>ikanischen<br />
Spanisch<br />
("Delainfancia", Tusquets<br />
Editores, México,1998)vonChristian<br />
Hansen,Ber<strong>li</strong>n<br />
Verlag2001, 165 S.,<br />
17 €.<br />
ANDREJ KURKO W<br />
Aus bz w. von der Kindheit<br />
ver mag uns der et wa12−jähri-<br />
ge Francisco Niebla, der Ich−<br />
Erzähler, der mit seiner Fami<strong>li</strong>ei<br />
n einertrostlosen Vorstadt<br />
des Molochs M<strong>ex</strong>iko−Stadt<br />
lebt, indes wenig Kindhaftes<br />
zu berichten. Die Beschreibung<br />
der Lebensumstände,unter<br />
denen der Junge heranwächst,<br />
entwirft vielmehr ein<br />
düsteres Szenari o, an dessen<br />
Ende jene greisenhaften Kindergesichter<br />
mit leerem B<strong>li</strong>ck<br />
stehen,die uns aus den Reportagen<br />
über die Favelas der Mil<strong>li</strong><br />
onenstädte nur zu vertraut<br />
si nd.<br />
In dieser Welt sieht sich<br />
Francisco auf der einen Seite<br />
der brutalen undlaunenhaften<br />
Gewalttäti gkeit des Vaters, eines<br />
Kleinkri minellen und Fami<strong>li</strong>entyrannen,<br />
ausgesetzt und<br />
auf der anderen Seite als das<br />
älteste von drei Geschwistern<br />
der verletz<strong>li</strong>chen Seele seiner<br />
Mutter verpf<strong>li</strong> chtet. Und die<br />
gelegent<strong>li</strong> chen Verbrüderungen<br />
mit demjüngeren Bruder<br />
Da masco si nd für Francisco<br />
nicht viel mehr als eine Al<strong>li</strong>anz<br />
gegen den Vater und diejüngere<br />
Schwester Ari adne. Schauplatz<br />
dieses "Fami<strong>li</strong>enidylls"<br />
ist einedurchunddurchfeindse<strong>li</strong>ge<br />
Umwelt: streitsüchti ge,<br />
missgünstige Ver wandte und<br />
die"Geschäftspartner" des Vaters,<br />
die abweisendeIndustrievorstadt<br />
oder das gerade bezogene<br />
Haus, in demes spukt.<br />
oleicht<br />
Sel bst ei n Auftrags-<br />
Tolja ist so zie m<strong>li</strong>ch alles<br />
leid, voralle msein Leben. Seikill<br />
er kann di e U− Bahn ne Frau betrügt i hn, und das<br />
verpassen, und dann<br />
wird es komp<strong>li</strong>ziert.<br />
Zusa mmenlebeninder Einzi mmer<br />
wohnung ist eine Qual. Er<br />
tröstet sich hinund wieder bei<br />
seinemFreund Dima, derineine<br />
m Kiosk Sprituosen verkauft,<br />
von denen glück<strong>li</strong>cherweisei<br />
mmer genug ü<strong>bri</strong> g si nd,<br />
umden Feierabend angenehm<br />
zu gestalten.<br />
Tolja fi ndet, seinem Leben<br />
gehört ein Ende gesetzt. Weil<br />
er si ch aber nichttraut, Selbstmord<br />
zu begehen,fragterDimavorsichti<br />
g, ob dieser keine<br />
Kontakte in die einschlägige<br />
Killerszene hat. Dimaist überzeugt,<br />
dass Tolja seinen Nebenbuhler<br />
aus dem Weg räumenlassen<br />
will, und stellt den<br />
Kontakt zu einem Profi killer<br />
her. Tolja schickt ihm einen<br />
Umschlag mit Geld, seinemeigenen<br />
Passfoto und dem Ort,<br />
an de m er erledigt werden<br />
will. Die Sache rollt an, Tolja<br />
sch<strong>li</strong>eßt mit seinemLeben ab,<br />
Die schonungslose Schil derung<br />
einer wenig heilen Kinder<br />
welt, die unaufhaltsamihremEnde<br />
entgegen geht, wird<br />
allein durch die kind<strong>li</strong>ch−skurril<br />
e Wahrnehmung des Jungen<br />
verschleiert und zugleich verklärt.<br />
So hört Francisco geheimnisvolle<br />
Sti mmen, stehen<br />
Tote wieder auf, hatDamasco<br />
schreck<strong>li</strong>che Visionen und<br />
drohtAri adne durch den Kleiderschrank<br />
ge meinsam mit ihren<br />
Puppen diese Welt zu verlassen.<br />
Der Todunddas unbekannte<br />
Fremde si nd allgegenwärti<br />
g, und nurin diesen Momenten<br />
der Angst vor de m Unfassbarenrückt<br />
dieFami<strong>li</strong>e enger<br />
zusammen.<br />
Auf denerstenB<strong>li</strong>ck also eine<br />
Ro manwelt, wie sie den LeserInnenlateinameri<br />
kanischer<br />
Bestseller nur allzu vertraut<br />
scheint; und gleich zum Auftakt<br />
gibt der Autor in einem<br />
langen, traumhaft−ver worreneni<br />
nneren MonologFrancescos<br />
unmißverständ<strong>li</strong>ch zu erkennen,<br />
woseine<strong>li</strong>terarischen<br />
Wurzelnzusuchensind:inder<br />
Literatur eines García Marquez,<br />
Vargas Llosa, Fuentes oder<br />
Borges nä m<strong>li</strong>ch, die in den<br />
Ordnern der eurozentristisch<br />
geprägten Literaturgeschichten<br />
unter dem Schlagwort<br />
"Magischer Rea<strong>li</strong>s mus" abgelegt<br />
wurde. Oder doch nicht?<br />
Von magischem Rea<strong>li</strong>s mus allein<br />
kann bei genauerem Hinsehen<br />
nicht die Rede sein− zu<br />
terben ist gar ni cht<br />
Andrei Kurkow:Ein<br />
Freund des Verb<strong>li</strong>chenen(Milyjdrug,tovarisc<br />
pokojnika, Alterpress,Kiew),<br />
Deutsch<br />
von Christa Vogel,<br />
Diogenes Verlag<br />
Zürich, 2001,141S.,<br />
16,90 €.<br />
doch dann taucht der Killer<br />
nicht zum verabredeten Zeitpunktauf.<br />
Depri miert streunt<br />
Tolja durch dieStadt undlernt<br />
eine Prostituierte kennen, die<br />
ihninsein Heimbegleitet, das<br />
seine Frau inzwischen verlassen<br />
hat. Das Mädchen ist süß,<br />
man trifft sich wieder, und<br />
plötz<strong>li</strong>ch hat Tolja gar keine<br />
real sind die Angst und die<br />
Aussi chtslosigkeit der Protagonisten<br />
für die LeserInnen<br />
erfahrbar. So beginnt der Roman<br />
genau dort, wodie Autoren<br />
des sogenannten " Magischen<br />
Rea<strong>li</strong>s mus" an i hre<br />
Grenzen stoßen: an der Teilnah<br />
me am Innenleben des<br />
Protagonisten.<br />
Die Biographie des Autors<br />
<strong>li</strong>efert uns den Schlüssel zu<br />
seinem Werk: Denn sein<br />
Schreiben verdankt Mari o<br />
González Suárez nach eigenem<br />
Bekunden einem Aufenthalt<br />
in der Sowjetunion. Und<br />
so scheint vor alle m des Autors<br />
Affinät zur russischen<br />
Geisteswelt sein Schreiben zu<br />
prägen. Dies unterstreicht zuletzt<br />
auchdie WahldesBuchtitels,<br />
stellt er den Roman doch<br />
in eine Reihe mit Gorkis Meine<br />
Kindheit und Tolstois Geschichte<br />
meiner Kindheit.<br />
"Esfällt mir schwer zu glauben,<br />
dass mein Leben kein<br />
Traumist", resümiert Francisco.<br />
Der Konf<strong>li</strong>kt zwischen<br />
Traum und Wirk<strong>li</strong>chkeit ist jedoch<br />
unausweich<strong>li</strong>ch und eine<br />
schmerz<strong>li</strong> che Erfahrung<br />
zugleich. Nicht als Epigone<br />
des magischen Rea<strong>li</strong>s mus gibt<br />
si ch González Suárezzuerkennen,<br />
sondern als eine neue<br />
Sti mmederjungenlateinameri<br />
kanischen Literatur, eine<br />
kraftvolle Sti mme, deren Faszi<br />
nati on sich der Leser kaum<br />
entziehen kann.<br />
Jochen Staebel<br />
Lust mehr zu sterben. Aber<br />
wie soll er diesen Killer stoppen?<br />
Bekannt wurde Kurkow<br />
hierzulande (und anderswo)<br />
mit seinem Roman Picknick<br />
aufdemEis. Mit Ein Freund<br />
des Verb<strong>li</strong>chenen knüpft er<br />
an seinen unverwechselbaren<br />
Erzählstil an, der zwischenleiser<br />
Melancho<strong>li</strong>e und ebenso<br />
leisem Humor hin− und herpendelt.<br />
Irgendwie irrati onal<br />
und doch vollkommen nachvollziehbar<br />
schil dert er Toljas<br />
Versuch, sich von dem Killer<br />
zu befreien, dener sichselbst<br />
auf die Fersen gesetzt hat.<br />
Trotz aller Komik, die das Geschehen<br />
bisweilen an sich hat,<br />
die auch gerne kurzfristig ins<br />
Makabre umschwenken kann,<br />
verräterseine durchweg sympathischen<br />
Protagonisten nie,<br />
die alle am unteren Ende der<br />
ukrainischen Erfolgsskala<br />
heru mkrebsen. Und man kann<br />
si ch ungetrübtemLesevergnügen<br />
hingeben.<br />
Suzanne König<br />
MAXENCE FER MINE<br />
Schneeflöckchen i mFrüh<strong>li</strong>ng<br />
(js) − Ei n genauso schönes wie harmloses Buch gelang dem<br />
jungen französischen Autor Maxence Fermine mit sei nem<br />
Erst<strong>li</strong> ngsro man Schnee. Ro man? Ei ne Erzähl ung eher, bel äuft<br />
si ch der F<strong>li</strong> eßt<strong>ex</strong>t doch auf weni ger al s 50 Seiten. Ei n teuer<br />
erkauftes Lesevergnügen al so, ei n weni g aufge motzt durch bunte<br />
Bil dchen. Und so bl ättert der Leser zügi g vor si ch hi n, während di e<br />
Geschi chte vo m jungen Yoko Akita, der i m fernen Japan den<br />
Schneebedichtet, eine Karriereals Poetvor Augenhat, sich− wie<br />
sollte es anders sei n − unsterb<strong>li</strong> ch ver<strong>li</strong> ebt, u m am Ende di e<br />
Erfüll ung sei ner Li ebe und Poesi e zu fi nden, so dahi npl ätschert,<br />
und das wars auch schon.<br />
Der Vergl ei ch zu AlessandroBariccos Pub<strong>li</strong>kumserfolg Seide<br />
drängt si ch fast zwangsl äufi g auf; und das ni cht nur ob der<br />
Parall e<strong>li</strong> tät von Ort und Zei t. Auf bei den Geschi chten l astet ei ne<br />
angestrengt gewollte Tiefgründigkeit, die sich bei genauerem<br />
Augenschei n al s pure Bel angl osi gkeit entpuppt. Bl oß ni cht<br />
anstrengen bei m Lesen, sonst schau i ch <strong>li</strong> eber fern.<br />
Ja, schön i st Fer mines Buch; oder besser, ganz nett. Ein<br />
überfl üssi ges Buch mehr i m Regal, das si ch bestenfall s al s<br />
Ver schenkt<strong>ex</strong>tin dekorativerVerpackungeignet−immerhin. Maxence Fer mine: Schnee, Roman aus dem<br />
Französischen (Neige, Arléa, Paris, 1999)vonMonika Sch<strong>li</strong>tzer,Goldmann Verlag München 2001, 118 S., 14€.<br />
HARRY MULI SCH<br />
Neues vom Berghof<br />
(awl) − Harry Mu<strong>li</strong>sch, einer der Großen der niederländischen<br />
Literatur, erzählt ei ne ganz und gar ungl aub<strong>li</strong> che Geschi chte über<br />
den Mann, der si ch gern al s den " größten Fel dherrn all er Zeiten"<br />
fei ern <strong>li</strong> eß. Wer da mei nt, über Adolf Hitl er könne man nun<br />
wirk<strong>li</strong> ch ni chts Neues mehr schrei ben, irrt. Mu<strong>li</strong> sch dürfte wohl<br />
der Erste sei n, der de m Gröfaz ei nen Sohn unterschi ebt. Wie er<br />
das macht? Er <strong>bri</strong> ngt den zi e m<strong>li</strong> ch alten, zi e m<strong>li</strong> ch kranken und<br />
über di e Maßen berüh mten Schriftstell er Rudolf Herter i n Wien<br />
mit zwei alten Leuten zusammen, di e Hitl er ei nst al s<br />
HausangestellteaufdemObersalzberggedienthaben. Ullrich und<br />
Ju<strong>li</strong>aFalkerzählendemAutor die GeschichtevonSiegfried, dem<br />
Sohn des Adolf Hitl er und der Eva Braun, den di e Fal ks al s i hr<br />
ei genes Ki nd ausgeben mussten. Si egfri ed waren nur weni ge<br />
Lebensjahre beschi eden, denn al s das Dritte Rei ch i ns Wanken<br />
geriet, <strong>li</strong>eß Hitler das Kindermorden. Herterkannkaumfassen, was er da hört, doch di e alten Leute l egen i h m Bewei se vor. Wie<br />
ei n Besessener macht si ch der Schriftstell er daran, Hitl ers Leben<br />
neu aufzuzei chnen, denn bei sei ner körper<strong>li</strong> chen Verfassung bl ei bt<br />
ihmnicht mehr viel Zeit. Mu<strong>li</strong>schsRomanist ambitioniert, über<br />
wei te Strecken spannend zu l esen und, zu mindestamAnfang, mit<br />
ei ner ge wi ssen Porti on ( Sel bst)ironi e ausgestattet − ei ne<br />
sch warze I dyll e eben.<br />
Harry Mu<strong>li</strong>sch:Siegfried. Eine schwarzeIdylle,ausdem<br />
Niederländischen ("Siegfried. Een zwarte idylle") von<br />
Gregor Seferens, CarlHanser Verlag München 2001, 191<br />
S., 17,90€.<br />
AMÉLI E NOTHOMB<br />
Missglückt<br />
(awl) − Für i hren Kurzro man Quecksilber hat si ch Amé<strong>li</strong> e<br />
Notho mb ei ne I nsel mit fi nsterem Namen als Schauplatz<br />
ausgesucht: " Mortes−Fronti ères". Bi s auf das Haus, i n de m si ch<br />
das Dra ma abspi elt, i st das Eil and unbewohnt. Al s handel nde<br />
Personen treten auf: ei n al ter Mann, ei n j unges Mädchen und ei ne<br />
ebenfall s noch junge Krankenschwester, dazu ei n paar Stati sten.<br />
The ma des Stücks: Schönheit und Li ebe, Jungsei n und Altern, List<br />
und Gewal t. Und natür<strong>li</strong> ch ei n schreck<strong>li</strong> ches Gehei mni s. Das<br />
GanzespieltimJahr1923. NachihremBuchMit Staunen und<br />
Zittern, ei ne m bitterbösen Beri cht aus der japani schen<br />
Fi r men wel t, waren di e Er wartungen an das neue Werk di eser<br />
jungen Autorin hoch. Leider bleiben sie, wie so mancher<br />
Li ebestrau m, unerfüllt. Da hilft es auch nichts, wenn Amé<strong>li</strong> e<br />
Notho mb i hren LeserI nnen zwei Schl üsse für i hr Dra ma anbi etet;<br />
befri edi gen können bei de ni cht. Auch sprach<strong>li</strong> ch ver mag das<br />
Buch, von de m sonst so bewährten Übersetzer Wol fgang Krege<br />
i ns Deutsche übertragen, ni cht zu überzeugen. Und das <strong>li</strong> egt<br />
kei neswegs daran, dass di e Verbi ndung zwischendemElement Quecksil ber und de m Götterboten Merkur i m Deutschen ni cht so<br />
augenfäl<strong>li</strong> g i st wi e i m Französi schen. Ei ne <strong>li</strong> ebl os hi ngehudelte<br />
Geschichte, die man nicht unbedingtgelesenhabenmuss. Amé<strong>li</strong>e Nothomb: Quecksilber, aus dem Französischen<br />
("Mercure") von Wolfgang Krege, Diogenes Zürich 2001,<br />
166 S., 17,90€.
IV<br />
NORBERT LANDA/ HANNE TÜRK<br />
Bei Maus zu<br />
Haus<br />
In einemalten Eckhaus lebtunter m Dach<br />
eine Mäusefami<strong>li</strong>e. Hier hat sie es sich<br />
überaus beque m ge macht und bewohnt<br />
gleich acht Zimmer. Außer den üb<strong>li</strong>chen<br />
Wohn− und Schlafräumen besitzen Mau-<br />
sens unter anderem auch einen Fitness-<br />
raumund eine Werkstatt. Eingerichtet ha-<br />
ben sie i hren "Palast" mit kleinen Alltagsgegenständen,<br />
die sie sich des Nachts aus<br />
den unter ihnen gelegenen Wohnräumen<br />
der Menschen holen, um sie dann i deen-<br />
reich umzufunkti onieren. Dabei wird<br />
z. B.ein Tri chter zur Dunstabzugshaube,<br />
ein Teenetz zum Trampo<strong>li</strong> n oder ein<br />
SchuhlöffelzurRutschbahn.<br />
Dargestellt haben die Autoren diesjeweils<br />
auf ei ner ansprechenden Doppelseite.<br />
Rechts ist i mmer ein Zimmer der Mäuse<br />
abgebil det und<strong>li</strong> nks fi nden sich die zusu-<br />
chenden kleine Dinge. Und schon gehtes<br />
los: Wozu haben die Mäuse den Spitzer<br />
und die Stecknadel zweckentfre mdet? Wer<br />
fi ndet als erstes den Schnürsenkel? Dieses<br />
Ratespiel macht nicht nur den Kleinsten<br />
Spaß. Dazutragenvor alle m die Fotos der<br />
<strong>li</strong>ebevoll und detailreich hergestellten Mo-<br />
delle bei. Schon allein diese zu betrachten<br />
ist eine einzige Freude. Bei Maus zu<br />
Haus ist ein wunderschönes, Phantasie<br />
anregendes Bil derbuch, zu dem man den<br />
Autoren nur gratu<strong>li</strong>eren kann.(ab3Jahre)<br />
Nelly Rech−Eirich<br />
NorbertLanda/Hanne Türk:Bei<br />
Maus zu Haus,Bilderbuch,Fleurus<br />
Verlag GmbH, Köln 2001, 32S,<br />
11,50 €.<br />
GUI DO VAN GENECHTEN<br />
DiekleineSpinne<br />
Jonnie<br />
Es gibt eine <strong>li</strong>ebenswürdige Spinne. Sie<br />
heisst Jonnie.<br />
Aber niemand weiß, dass Jonnie so <strong>li</strong>eb<br />
und nett ist. Nur du weißtes.<br />
Leider rennen alle vor "diesemabscheu<strong>li</strong>-<br />
chen Biest" weg.<br />
Noch bevor Jonnie i... sagen kann, ver-<br />
schwindenalle schreiend.<br />
Alle, ohne Ausnah me: die Heuschrecke,<br />
die Biene, derSchmetter<strong>li</strong> ng,die Schnecke<br />
und sogar der Wur m l aufen vor Jonnie<br />
weg.<br />
Dabeiwollte Jonniesie dochnur etwas fra-<br />
gen.<br />
Witzige Geschichte für die Kleinen, be-<br />
stücktmit tollen Bil dern.<br />
Wenn du genau hinschaust, entdeckst du,<br />
dass die Figuren auf Zeitungspapier ge-<br />
malt sind.<br />
Guido Van Genechten:Die kleine<br />
Spinne Jonnie, übersetztvon<br />
Irmgard Harrer J., Annette Betz<br />
Verlag München 2001, 9,90 €.<br />
JÖRG MÜLLER<br />
Das Buch i m<br />
Maïté(9)<br />
Buch<br />
So ein komisches Buch gibt es wirk<strong>li</strong>ch<br />
nicht oft . Der Umschlag ist auch schoni n<br />
der einen Ecke kaputt. Schöne Bescherung!<br />
Auf dererstenSeite schreit gleichjemand<br />
umHilfe. Wer? Das verrateich nicht.<br />
Auf der zweiten Seite siehst du dann ein<br />
kleines Mädchen auf dem Boden sitzen<br />
und dein Buch, das du gerade <strong>li</strong>est, aus<br />
<strong>ex</strong> <strong>li</strong> <strong>bri</strong> s for ki ds<br />
de m Geschenkpapier auswickeln.<br />
Auf der dritten Seite entdeckt sich das<br />
Mädchen selberi mBuch. Esist aber nicht<br />
so, als ob es sichi mSpiegel sehenwürde,<br />
nein. Esistunend<strong>li</strong>ch oft zu sehen.<br />
Da mit du nichts verpasst, setzt du dir noch<br />
die 3−D Brille auf, die so genannte Zauber<strong>bri</strong>ll<br />
e.<br />
Die Reise durchs Buchkannjetzt beginnen.<br />
Das Buch hat mir riesig Spaß gemacht: die<br />
ganze Aufmachung mit Zauber<strong>bri</strong>lle und<br />
so. Esistrundumgelungen.<br />
Maïté(9)<br />
Jörg Müller:Das Buch i m Buch i m<br />
Buch,Sauerländer VerlagFrankfurt<br />
2001, 32 S., 17,80 €.<br />
PHYLLI S REYNOLDS NAYLOR<br />
ImBanneiner<br />
anderen Josh, einJungeausWelt einer KleinstadtbeiBoston,ver<strong>li</strong>ertseine<br />
Mutter, mit der er allein<br />
gelebt hatte, durch einen Autounfall. Dieser<br />
Unfall hatte sein Leben wie mit einer<br />
Axt gespalten. Er machtsichaufdenWeg<br />
zu seiner Tante Carol, der einzigen Verwandten,<br />
diein Dallas wohntundihnaufneh<br />
men will.<br />
Doch seine Tramptour zumFlughafen verläuft<br />
anders als geplant. Unter wegs wird er<br />
zusammengeschlagen, bestohlen und mitten<br />
in der Wil dnis ausgesetzt. Eine alte<br />
Frau mit Pferdekarren <strong>li</strong>est ihn auf und<br />
ni mmtihn mit nach Canara, einem Ort, i n<br />
de m die Zeit stehen geb<strong>li</strong>eben zu sein<br />
scheint. Die Menschen in Canara leben i n<br />
einfachsten Verhältnissen. Das, was si e<br />
zum Leben brauchen, bauensieselber an,<br />
für KleidungundSonstiges handelnsie mit<br />
Ginseng, einer Wurzel, die sie in den Bergen<br />
ausgraben. Obwohl den Bewohnern<br />
von Canara viele neuzeit<strong>li</strong>che Errungenschaftenfre<br />
mdsind,scheinensie dochein<br />
zufriedenes Leben zuführen.Joshwill sich<br />
eigent<strong>li</strong> ch nur kurz von den Folgen des<br />
Überfalls erholen und dann weiterziehen,<br />
aber dies erweist sich als unmög<strong>li</strong>ches Unterfangen.<br />
Canara scheint durch unsichtbare<br />
und unüber wind<strong>li</strong>che Grenzen von<br />
der ü<strong>bri</strong>gen Welt iso<strong>li</strong>ert zu sein. Mehrere<br />
Versuche,ausdemgeheimnisvollen Ort zu<br />
f<strong>li</strong> ehen, scheitern. Joshist nahe dran aufzugeben.<br />
KannJoshdenBannvonCanarabrechen?<br />
Wird er je den Weg zu seiner Tante Carol<br />
fi nden?<br />
Die Geschichte ist spannend erzählt und<br />
plädiert für Toleranz gegenüber Gesellschaftsgruppen,die<br />
andersleben. Empfehlenswert<br />
für ältere Ki nder und Jugend<strong>li</strong>che.<br />
Marthy Thull<br />
Phyl<strong>li</strong>s Reynolds Naylor:ImBann einer<br />
anderen Welt, dtv junior München<br />
2001, 223 S., 7 €.<br />
R. L. STI NE<br />
Geisterfluch an<br />
Halloween<br />
Derek war schon i mmer besser als Greg,<br />
schon von Anfang an, egalumwas es ging.<br />
Aber an diesemHall oweenist Greg sich sicher:<br />
Er wird viel mehr Süßigkeiten sammeln<br />
als Derek. Als es dann soweit ist,<br />
machtersichmit seiner Freundin Liv auf<br />
den Weg. Als sie schon fast alle Straßen<br />
durch haben,bleibtihnennur noch die gefürchtete<br />
Fear Street. Kein Kindinder ganzen<br />
Stadt trautsichindie Fear Street, alle<br />
halten di ese Straße für verfl ucht. Aber<br />
Greg will unbedingtauchdortsammelngehen,dennihmistnureinGedanke<br />
wichti g:<br />
"Ich muss mehr Süßigkeiten sammeln als<br />
Derek". Zuerst will Liv nicht mit, denn sie<br />
fi ndet, dass Greg sich ziem<strong>li</strong>ch kindisch beni<br />
mmt, doch dannl ässt si e si ch überreden.<br />
Als sie k<strong>li</strong> ngeln, macht eine alte und geheimnisvolle<br />
Frau die Tür auf undbittet die<br />
Kinder herein. Aber anstatt Süßigkeiten zu<br />
verteilen wie alle anderen,schenktsieden<br />
Kindern einen alten benutzten Halloweensack.<br />
Als sie hei mkehren er wartet Greg eine<br />
Überraschung.Als er denSackumdreht,<br />
fällt das Doppelte von dem, was er gesa mmelt<br />
hatte, heraus. Total erstaunt, glück<strong>li</strong>ch<br />
und stolz zeigt er seine Süßigkeiten<br />
Derek, der zumersten Mal zugebenmuss,<br />
dass Greg besser ist als er. Greg profiti ert<br />
vo m Sack und benutzt i hn sehr oft. Doch<br />
aufeinmal passiertihmeine böse Überraschung...<br />
Ichfinde dieses Buchsehrinteressant und<br />
gutgeschrieben. Was i ch nichtsogutfinde:<br />
Das Buchi st an manchen Stellen sehr übertrieben.<br />
Der Autor heißt R.L. Stine, sehr<br />
berüh mtgeworden i st mit Titeln wie Gänsehaut,<br />
Schattenwelt und Fear Street.<br />
Carole Thull<br />
R.L.Stine:Geisterfluch an Halloween,<br />
Loe weVerlagBindlach 2001, 125 S.,<br />
6,50 €.<br />
JEANNE WILLIS<br />
Rückkehr nach<br />
Southend<br />
Die Zukunft des kleinen Mick, der in den<br />
frühen fünfziger Jahren in Groß<strong>bri</strong>tannien<br />
aufwächst, si eht düster aus. Ausgelöst<br />
durch den Tod seiner kleinen Schwester,<br />
hatderetwafünfj ähri ge Junge eineni mmer<br />
wiederkehrenden Alptraum, der ihn zum<br />
Bettnässer werden l ässt. Seiner Mutter ist<br />
das jedoch zie m<strong>li</strong>ch egal. Sie amüsi ert si ch<br />
<strong>li</strong>eber und i nvestiert das wenige Geld, das<br />
si e hat, eher i n neue Klamotten als in ordent<strong>li</strong><br />
che Mahlzeiten. SchoninjungenJahren<br />
ist Mick den ganzen Tag sich selbst<br />
überlassen. Daher bedeutet die Geburt seines<br />
Bruders Terry für i hn sein größtes<br />
Glück. Er versuchtTerry nun all die Liebe<br />
zu geben, die er selbst vergebens sucht.<br />
Nur allzu gerne bürdet die Mutter i hre m<br />
Großen die Verantwortung f ür das Baby<br />
auf. Natür<strong>li</strong>ch ist er mit dieser Aufgabe<br />
überfordert, und als der Kleineeines Tages<br />
losbrüllt, wird Mick vom Partner seiner<br />
Mutter dafür aufs heftigste verprügelt. Ansch<strong>li</strong>eßend<br />
wird er kommentarlos zu einer<br />
Freundin der Mutter abgeschoben, woes<br />
ihmzumerstenundeinzigen Ma<strong>li</strong>mLeben<br />
wirk<strong>li</strong>ch gutgeht. Umi hn von dort wieder<br />
zurückzugewinnen, gaukelt i hmseine Mutter<br />
einen Lottogewinn vor. InWirk<strong>li</strong>chkeit<br />
aber ist i hre Situati on so miserabel, dass<br />
si e sogar einen erfolglosen Versuch unterni<br />
mmt, i hre beiden Kinder in einem Krankenhaus<br />
auszusetzen. Kurz darauf wird<br />
Mickerneut abgeschoben.Eristetwazehn<br />
Jahre alt, als er zuseinerihmunbekannten<br />
Großmutter ziehen muss. Auch beiihrerfährt<br />
der Junge nur eine autoritäre und<br />
<strong>li</strong>eblose Erziehung. EtwadreiJahrespäter<br />
ni mmterdasAngebotseinesleib<strong>li</strong>chen Vaters<br />
an und siedelt zui hmüber. Die erhoffte<br />
Zuwendung bekommterhier dann auch<br />
pro mpt: Der Vater missbraucht denSohn.<br />
Durch all das Herumgeschubse aber hat<br />
625 - 25/1/2002<br />
Micklängst gelernt, dass er " nie wieder<br />
am falschen Ende von ' ner Faust sein<br />
will." Jetzt wehrt er sich und besch<strong>li</strong>eßt,<br />
von nun an sein Schicksal selbst in die<br />
Hand zu neh men.<br />
Der I ch−Erzähler Mick berichtet seine unvorstell<br />
bar düstere Lebensgeschichte in<br />
einfachen, kind<strong>li</strong>chen Worten. Er erzählt<br />
sehr emoti onal, und es wird deut<strong>li</strong> ch,<br />
welch <strong>li</strong>ebenswertes, sensi bles Kind er<br />
eigent<strong>li</strong> ch ist und wie stark er sich nach<br />
Liebe und Geborgenheit sehnt. Dabeiist<br />
es erstaun<strong>li</strong>ch, wie er über all die Jahre<br />
seine Gelassenheit und Heiterkeit bewahrt<br />
und nicht indie Kri mina<strong>li</strong>tät abrutscht.<br />
Seine Darstell ung ist bruchstückhaft,<br />
und es mischen sich darin<br />
manchmal auchTraumund Rea<strong>li</strong>tät. Das<br />
erschwert die Ori enti erung und verl angt<br />
von den Lesenden die ganze Aufmerksamkeit.<br />
Wer si ch aber darauf einlässt,<br />
wird mit einemsehreindrück<strong>li</strong>chen Buch<br />
belohnt, dessen Lektüre keinesfalls nur<br />
Jugend<strong>li</strong>chen ans Herz gelegt sei. (ab 14<br />
Jahre)<br />
Nelly Rech−Eirich<br />
Jeanne Wil<strong>li</strong>s:Rückkehr nach<br />
Southend, Jugendbuch aus dem<br />
Eng<strong>li</strong>schen ("The Hard Man ofthe<br />
Swings", Faber and Faber Limited,<br />
London)von Catrin Frischer, Erika<br />
Klopp Verlag, Hamburg2001, 358 S.,<br />
16,90 €.<br />
KATHARI NA VON BREDO W<br />
Kratzspuren<br />
Fe<strong>li</strong>cia lebt mit ihrem Kater Picasso, ihrem<br />
Vater und dessen Lebensgefährten<br />
Anton in einemabseits gelegenen Haus<br />
direkt aneinemSee.IhrVater ist Künstler<br />
und gewährt i hr viele Freiheiten, was<br />
Fe<strong>li</strong>cia sehr wichti g ist. Am<strong>li</strong> ebsten l äuft<br />
si e barf ußi m Wald herum,sitztstundenlang<br />
auf einemBaumund rudert mit ihrem<br />
Kahn auf demSee. Anihre Mutter,<br />
die an Krebs gestorben ist, als Fe<strong>li</strong>cia<br />
noch sehr klein war, kannsie sichkaum<br />
noch eri nnern.ZuAnton, demLebensgefährtenihres<br />
Vaters, hat sieeine besondere<br />
Beziehung, und sieist die einzige,<br />
die seine Gedichte lesen darf. Anton bewundert<br />
Fe<strong>li</strong>cia, weil sie einfachihrenInsti<br />
nkten folgt und sich selbst verwirk<strong>li</strong>cht,<br />
ohne si ch von Zwängen oder Regeln<br />
beeindrucken zu lassen. Auch i hr<br />
Vater hört gern zu, wenn Fe<strong>li</strong>cia oft übernatür<strong>li</strong>che<br />
Geschichten ausihrer Welt erzählt.<br />
Er respekti ert Fe<strong>li</strong>cia und erlaubt<br />
ihr, zutun und zulassen, was si e will. Fe<strong>li</strong>ciagehtesgut,<br />
zu mal Simon,derCousin<br />
ihrer Freundin und Nachbarin Katj a, den<br />
Sommer beiihnenver<strong>bri</strong>ngt. Doch plötz<strong>li</strong>ch<br />
reistihre Tante EvaLi, die Schwester<br />
von Fe<strong>li</strong>cias Mutter,ausderStadtanund<br />
drohtdie Idylle zu zerstören. Schon zuvor<br />
hatte sie versucht, Fe<strong>li</strong>cia zu einem<br />
Umzug zuihr in die Stadt zu überreden,<br />
doch Fe<strong>li</strong>cia hatte sich bisher i mmer gesträubt,<br />
undi hr Vater wollte sie zu nichts<br />
zwingen. Diesmal jedoch, richtet EvaLi<br />
mehr Unheil an als erwartet: Gerade als<br />
si e dabeiist, Fe<strong>li</strong>cias Vater zu verführen,<br />
platzt Antonins Zi mmer. Er packtsofort<br />
seineSachenundlässtnureinen Zettel<br />
mit "Bis irgendwann". Fe<strong>li</strong>cia ist tief getroffen,<br />
gibtaberdennochdie Hoffnung<br />
nicht auf, dass alles wieder gut werden<br />
kann. Wie bereits mit Als ob nichts wäre<br />
schafft Katharina von Bredowes mit<br />
Kratzspuren wieder einmal, die LeserInnen<br />
durchi hre einfühlsameundteilweise<br />
poetische Erzählungsweise zufesseln.<br />
Vor alle m die unkonventi onellen<br />
Persön<strong>li</strong>chkeiten und die ungewöhn<strong>li</strong>che<br />
Szenerie,aberauchAntons Gedichte, die<br />
Gefühle undSti mmungenill ustrieren und<br />
verdeut<strong>li</strong> chen, haben mich begeistert.<br />
Ich kann dieses Buch nur dringendst<br />
empfehlen!<br />
Núria(16)<br />
Katharina von Bredow:Kratzspuren,Beltz<br />
Verlag Wei nheim2001,<br />
144 S., 6,90 €.