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Wohin nach (vor) - Dinges und Frick GmbH

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Dichtung.<br />

Und Wahrheit!<br />

4<br />

Der Briefroman Die Leiden des jungen<br />

Werther erschien 1775 <strong>und</strong> war ein immenser<br />

Erfolg, der den jungen Dichter<br />

Johann Wolfgang Goethe schlagartig<br />

bekannt machte. Inspiriert wurde<br />

Goethe von einer sehr realen Person:<br />

von der jungen Charlotte „Lotte“ Buff<br />

aus Wetzlar, in die der Reichspraktikant<br />

Goethe sich Hals über Kopf<br />

verliebte. Lotte war aber bereits dem<br />

braven Amtsmann Johann Christian<br />

Kestner versprochen. Im Gegensatz<br />

zu Werther erschoss sich der junge<br />

Goethe trotz der Unmöglichkeit dieser<br />

Liebe nicht – glücklicherweise. Er verarbeitete<br />

das Erlebte literarisch <strong>und</strong><br />

schrieb prompt Geschichte.<br />

Der Literaturnobelpreisträger Thomas<br />

Mann nimmt den literarischen<br />

Faden auf <strong>und</strong> spinnt die Geschichte<br />

um Goethe <strong>und</strong> die „unsterbliche<br />

Geliebte“ weiter: 44 Jahre <strong>nach</strong> den<br />

tatsächlichen Ereignissen, die zu dem<br />

Werther-Roman führten, besucht<br />

Charlotte Kestner, geborene Buff (die<br />

Witwe des längst verstorbenen Oberhofrats<br />

Kestner <strong>und</strong> Mutter seiner 12<br />

Kinder) mit ihrer zweitjüngsten Tochter<br />

die Stadt Weimar. Vordergründig,<br />

um eine Verwandte aufzusuchen,<br />

tatsächlich aber, um ihre Jugendliebe<br />

Goethe wiederzusehen.<br />

Doch der 67-jährige Goethe ist<br />

mittlerweile eine große Berühmtheit,<br />

<strong>und</strong> so ohne weiteres wird niemand<br />

zu ihm <strong>vor</strong>gelassen. Lotte muss also<br />

warten. Ihr Aufenthalt im kleinen<br />

Weimar bleibt nicht lange geheim,<br />

dafür sorgt schon das Faktotum des<br />

Hotels Elephant, der beflissene <strong>und</strong><br />

zitatenfeste Kellner Mager. Ganze<br />

Menschenansammlungen belagern<br />

das Hotel, um einen Blick auf die<br />

Frau zu werfen, um derentwillen der<br />

größte aller deutschen Dichter fast<br />

seinen Kopf, sicher aber sein Herz<br />

verloren hatte.<br />

Während Lotte im Hotel Besucher<br />

empfängt, überbringt Goethes Sohn<br />

August dem Dichter die Nachricht<br />

von Lottes Anwesenheit, <strong>und</strong> Goethe<br />

reagiert wenig romantisch: „Konnt’<br />

sie sich’s nicht verkneifen, die Alte,<br />

Ensemble (Probenfoto)<br />

<strong>und</strong> mir’s nicht ersparen?“ Und weil<br />

er für gemeinsames Resümieren<br />

nicht zu haben ist, stellt sich Lotte<br />

ein Gespräch mit dem abwesenden<br />

Herrn von Goethe über Liebe <strong>und</strong><br />

Verlust, über das Altern <strong>und</strong> über<br />

Lebenserfüllung <strong>vor</strong>. Zu bereuen<br />

<strong>und</strong> verzeihen gibt es nichts, aber<br />

es erwachsen doch etliche bittersüße<br />

Einsichten aus dem Geflecht<br />

von Vergangenheit, Dichtung <strong>und</strong><br />

Gegenwart. Thomas Manns Roman<br />

balanciert auf der Grenze zwischen<br />

fein ziselierten Figurenportäts <strong>und</strong><br />

zum Teil saftiger Ironie.<br />

Es inszeniert der mazedonische<br />

Regisseur Slobodan Unkovski, der<br />

als Spezialist für subtile Schauspieler-<br />

Arbeit gilt <strong>und</strong> in Wiesbaden bereits<br />

die erfolgreichen Inszenierungen<br />

Heuschrecken von Biljana Srbljanović<br />

<strong>und</strong> Der Stein von Marius von Mayenburg<br />

verantwortete.<br />

Hessisches Staatsthea ter Wiesbaden / Theaterblatt • Juni 2012

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