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Die Burgergemeinde Bern - Burgerbibliothek Bern

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Erlach, Luternau, Mülinen und Wattenwyl, denen<br />

als nächste Klasse die «übrigen Edlen» folgen, hierauf<br />

die Gruppe der grossen sowie derjenigen Familien,<br />

«die sich gern mehr als andere glaubten», dann<br />

die mittleren und schliesslich die unterste Gruppe<br />

der kleinen Familien, die nur einen oder wenige<br />

Vertreter im Grossen Rat besassen.<br />

<strong>Die</strong>ser realen Schichtung, welche die Gefahr der<br />

Oligarchisierung in sich schloss, versuchte das Patriziat,<br />

römischem Vorbild folgend, mit der Förderung<br />

von gesellschaftlichen Gleichheitsbestrebungen zu<br />

begegnen. So durften seit 1731 im Ausland erworbene<br />

Adelsdiplome nicht mehr gebraucht werden,<br />

und seit 1761 besassen alle regierenden Geschlechter<br />

das Attribut «wohledelgeboren». Im Jahre 1783<br />

schliesslich gab ein Dekret allen regimentsfähigen<br />

Familien die Möglichkeit, fortan das Adelsprädikat<br />

«von» vor ihren Namen zu setzen, was den preussischen<br />

König Friedrich den Grossen zum Bonmot<br />

veranlasst haben soll: «Messieurs de <strong>Bern</strong>e se sont<br />

deifies.»<br />

<strong>Die</strong> im 18. Jahrhundert noch rund alle zehn<br />

Jahre stattfindenden Burgerbesatzungen, die Erneuerungswahlen<br />

in den Grossen Rat, waren stets<br />

für alle patrizischen Familien ein wichtiger Augenblick,<br />

in dem es um die Sicherung oder Verbesserung<br />

der Position ging, wobei der Wahlausgang von<br />

der Tatsache mitgeprägt war, dass zahlreiche Nominationsrechte<br />

bestanden und die Protektion eine<br />

entsprechende Rolle spielte. Über die Vergebung<br />

der nach ihren Erträgen in vier Klassen eingeteilten<br />

Landvogteien, der einträglichsten Staatsstellen, entschied<br />

von 1710 an das Los.<br />

Während bei den Erneuerungswahlen in die Räte<br />

die grossen Familien versuchten, sich möglichst<br />

zahlreiche Ratssitze zu sichern - die Wattenwyl beispielsweise<br />

besassen nach der Burgerbesatzung von<br />

1795 15 Vertreter im Grossen Rat -, konnte das<br />

Wahlergebnis bei den kleinen Familien über die Zugehörigkeit<br />

zum Patriziat entscheiden. Für die kleinen<br />

Geschlechter waren schon die oft langen finanziellen<br />

Durststrecken bis zur Erlangung eines Ratssitzes<br />

oder eines Amtes kritisch - in den Grossen<br />

Rat konnte man frühestens mit dem 30., auf eine<br />

Landvogtei erst nach dem 35. Lebensjahr gelangen.<br />

Bei den Wahlen aber hatten die kleinen Familien<br />

das Gespenst des Absinkens in die nichtpatrizische<br />

Bürgerschaft vor Augen, weshalb sie sich denn auch<br />

«dem Eindringen von bisher nicht regierenden Geschlechtern<br />

in den Großen Rat viel heftiger als die<br />

vornehmen Häuser widersetzten».<br />

<strong>Die</strong> Situation der nichtregierenden Burger und<br />

Ewigen Einwohner war im Ancien regime keine<br />

grundlegend andere als in der zweiten Hälfte des<br />

17. Jahrhunderts, nur war für die nichtpatrizischen<br />

vollberechtigten Burger jetzt der Aufstieg in die regierende<br />

Oberschicht praktisch gänzlich verbaut.<br />

Nach der Verfassung allerdings waren sie nach wie<br />

vor regimentsfähig und wurden dementsprechend<br />

auch bis 1798 auf den Wahllisten in den Grossen Rat<br />

aufgeführt. <strong>Die</strong>s brachte einige wenige nichtpatrizische<br />

Familien dazu, vom Adelsdekret von 1783 Gebrauch<br />

zu machen, indem sie ein «von» vor ihren<br />

Namen stellten, wie dies bei Vertretern der vier Geschlechter<br />

Fruting, Lutz, Meyer und Wäber geschah.<br />

Unter den nichtpatrizischen Burgern und Ewigen<br />

Einwohnern gab es soziale Abstufungen. <strong>Die</strong> obere<br />

Schicht bestand vor allem einmal aus der Geistlichkeit,<br />

die sich nach wie vor mehrheitlich aus der<br />

stadtbernischen Bürgerschaft rekrutierte, dann aus<br />

den Inhabern von mittleren Staats- und Stadtämtern,<br />

aus den Professoren an der Hohen Schule, aus<br />

Juristen und anderen freien Berufen, aus einigen<br />

frühindustriellen Unternehmern sowie aus Offizieren<br />

in fremden <strong>Die</strong>nsten, wo die Karriere des nichtpatrizischen<br />

Burgers gewöhnlich beim Kompanieinhaber,<br />

dem Hauptmann, ihr Ende fand.<br />

Nicht allen Burgern gelang der Aufstieg in diese<br />

oberen Berufe, und zahlreiche verharrten bei Handwerk<br />

und Kleingewerbe. Aus dieser Tätigkeit konnten<br />

aber nicht ganz «allesambt gemächlich leben»,<br />

und ein - allzu besorgtes - Gutachten zur Lage der<br />

nichtpatrizischen Burger glaubte sogar Zeichen<br />

«deß Verfahls und mit großen Schritten heran-nahenden<br />

gäntzlichen Verderbens deß mehreren<br />

Theils unßerer Burgerschaft» zu beobachten.<br />

Wenn zudem im 18. Jahrhundert in bürgerlichen<br />

Kreisen beklagt wird, dass bald «alle Professionen

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