Die Burgergemeinde Bern - Burgerbibliothek Bern
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gerlichen Nutzungsgüter an die Einwohnergemeinden<br />
[allerdings gegen Entschädigung), wobei in der<br />
Zwischenzeit die Nutzungsberechtigung auf alle<br />
Burger auszudehnen sei; der Regierungsrat war bereit,<br />
«die ganze Frage der bürgerlichen Nutzungen<br />
durch ein allgemeines Gesetz zu regeln» und den<br />
Entwurf schon in der Novembersession vorzulegen.<br />
Aber im November beschloss der Grosse Rat Verschiebung<br />
auf 1876. Am 19. Mai 1876 kam es zur Vorlage<br />
des «Gesetzesentwurfes über die Liquidation<br />
der Burgergüter und die Verwendung des Ertrags<br />
dieser Güter». Schon der Artikel 1 des regierungsrätlichen<br />
Entwurfes liess die Stossrichtung erkennen:<br />
«Den <strong>Burgergemeinde</strong>n und übrigen bürgerlichen<br />
Korporationen wird es freigestellt, ihre Auflösung<br />
sowie die Liquidation ihrer Güter zu beschliessen».<br />
Falls aber eine <strong>Burgergemeinde</strong> sich nicht auflösen<br />
wollte, regelten Artikel 16 und 17 die Nutzung<br />
der Güter:<br />
«Art. 16<br />
Alle <strong>Burgergemeinde</strong>n und bürgerlichen Korporationen<br />
haben bis zur Liquidation ihres Vermögens<br />
die Hälfte des reinen Ertrags derjenigen bürgerlichen<br />
Nutzungsgüter, welche im Falle einer Liquidation<br />
zwischen Einwohner- und <strong>Burgergemeinde</strong> zu<br />
theilen wären, soweit derselbe nicht zu Armenpflegezwecken<br />
verwendet werden muss, den Einwohnergemeinden<br />
zu öffentlichen Ortszwecken abzutreten.<br />
Art. 17<br />
Der hernach noch verbleibende Ertrag der fraglichen<br />
Güter ist an alle Genossen innerhalb und ausserhalb<br />
der Gemeindemarche möglichst gleichmässig<br />
zu vertheilen.»<br />
Der Grosse Rat aber beschloss nach kurzer Diskussion,<br />
«zur Zeit» auf den Gesetzesentwurf nicht<br />
einzutreten! Damit hatten die über zehnjährigen<br />
politischen Gefechte um den Burgernutzen und die<br />
<strong>Burgergemeinde</strong>n ganz allgemein, die in die stadtbernische<br />
Geschichte als «Burgersturm» eingegangen<br />
sind, ein vorläufiges Ende gefunden.<br />
Aber die dauernde Existenz der <strong>Burgergemeinde</strong>n<br />
war noch nicht endgültig gesichert. Im Zusammenhang<br />
mit der wenig erfolgreichen bernischen<br />
Eisenbahnpolitik kam es in der zweiten Hälfte der<br />
Siebzigerjahre zu einer kantonalen Finanzkrise, die<br />
sich dann - als am 26. August 1877 das <strong>Bern</strong>ervolk<br />
den Sanierungs-Finanzplan der Regierung mit einer<br />
Zweidrittelsmehrheit verworfen hatte - zu einer<br />
Staatskrise ausweitete. Der Regierungsrat trat gesamthaft<br />
zurück! Bis 1882 war es nicht mehr möglich,<br />
einen vollständigen Regierungsrat von 9 Mitgliedern<br />
aufzustellen! Es liegt auf der Hand, dass<br />
darauf der Gedanke, mit einer Verfassungsrevision<br />
eine neue Grundlage für die kantonale Politik zu<br />
schaffen, lebendig wurde. Ein erster - von radikaler<br />
Seite unternommener - Versuch scheiterte am<br />
13. Januar 1878 am Volksnein. <strong>Die</strong> tiefgreifende Spaltung<br />
des <strong>Bern</strong>ervolkes in zwei Blöcke: Radikale und<br />
Konservative führte zwar zur Bildung einer Koalitionsregierung,<br />
die sich bemühte, die Gegensätze<br />
abzubauen. Aber auch die konservative Gruppe<br />
war nicht einheitlich: neben die stadtbernischen<br />
Konservativen trat - besonders als nach 1880 Ulrich<br />
Dürrenmatt mit seiner «Buchsizytig» auf die bernische<br />
Politik vehement und scharfzüngig Einfluss zu<br />
nehmen begann - eine ländliche Gruppierung, die<br />
sich dann zur bernischen Volkspartei erweiterte.<br />
<strong>Die</strong>se Volkspartei griff 1883 den Revisionsgedanken<br />
taktisch geschickt auf, am 3. Juni 1883 stimmte das<br />
<strong>Bern</strong>ervolk zu, am 3. September begann ein Verfassungsrat<br />
seine Arbeit, aber mit einer radikalen<br />
Mehrheit! <strong>Die</strong>se erörterte nun wieder die Frage der<br />
Burgergüter. <strong>Die</strong> <strong>Burgergemeinde</strong>n wurden als fortschrittshemmender<br />
Anachronismus bezeichnet<br />
(1880 lebten nur noch 41 % aller <strong>Bern</strong>er in ihrer <strong>Burgergemeinde</strong>),<br />
nach dem Grundsatz «ubi bene, ibi<br />
patria» wollte man gar allein die Staatszugehörigkeit<br />
als Grundlage des Bürgerrechts annehmen und<br />
die Gemeinden als soziale Einheit beseitigen. Rudolf<br />
Brunner meinte: «Man muss die Bürger auf den<br />
Aussterbeetat setzen».<br />
So wurde die Verfassungsrevisionsfrage in weiten<br />
Kreisen des Volkes auf die Burgerfrage reduziert.<br />
Am 16. Dezember 1883 kam es zu einer Pro-